Da schreibt Marc, seines Zeichens Serienautor: "Kann eine Fliege den Menschen verschwinden lassen?"
Das ist jetzt nur eines der zahlreichen Beispiele dafür, wie man sich bei "den Machern" - vor allem auch regelmäßig abzulesen im fiktionalen Text der Serie selbst - wohl das Verhältnis zwischen den Normalintelligenzen und den Hohen Mächten so zusammenreimt. So pittoresk das Bild von Galaktiker-Ameisen im Kosmokratengarten sein mag - so bizarr, ja grundlegend falsch scheint es mir zu sein!
Das könnte dann auch erklären, warum die HM regelmäßig so unsouverän bis... ähm... albern gehandhabt werden.
Das Verhältnis ist eben nicht gleichsam das Verhältnis zwischen Wesen mit der Disposition zu intentionalem Handeln (den Menschen) und solchen, die diese Disposition nicht haben (den Fliegen) - welches, strenggenommen, ncht mal als Verhältnis zu bezeichnen ist, weil dazu ja immer zwei gehören und die Fliege ihrerseits aufgrund ihrer Beschaffenheit schon begriffslogisch nicht einem solchen Verhältnis angehören kann! Eine Fliege hat keine intentionalen Zustände. Sie plant nicht, sie sorgt sich nicht, sie hat keine Interessen, sie fühlt gerade einmal im rudimentärsten Sinne - das sind noch buchstäblich Welten zu den Innenleben von z.B. Hauskatzen oder Hunden!
Wir ignorieren nicht die Interessen der Schädlinge in unserem Garten, wenn wir sie - ungefragt, wie dreist! - mit entsprechenden Mitteln vernichten, um unser Gemüse zu ernten etc.pp.; da gibt es keine Interessenkonflikte, weil da keine Interessen sind. Was haben wir aber, wenn wir uns z.B. das Kolonnen-Geschnetzel aus dem vorigen Zyklus ansehen? Richtig - einen waschechten Interessenkonflikt. Und warum? Weil die HM letztlich auch nur mit Wasser kochen... sie sind - so werden sie jedenfalls ganz deutlich geschildert! - nichts anderes als Wesen, die über Interessen verfügen. Ihre Lebens- und Wahrnehmungsspanne macht diese Interessen natürlich wesentlich... hmm... kosmischer - und selbstverständlich verfügen sie über unvorstellbare Machtmittel, diese auch durchzusetzen.
Letztendlich haben wir es doch aber "lediglich" mit einem - meinetwegen zigfach potenzierten - Verhältnis König/Untertan zu tun. Die HM sind unvorstellbar mächtiger als die Normalsterblichen ein paar Zwiebelschalen tiefer. Aber sie ticken ganz genauso. Ihre Wege sind nicht unergründlich, ihre Motive und ihr Handeln genauso allzumenschlich wie unser eigenes. Perry und Co. sind (relativ) machtlos, im Vergleich. Aber sie sind keine geistlosen Automaten, sie sind keine Obstfliegen im hochmächtigen Salat. Und da bereits sogar ziemlich Handfeste Kommunikation stattgefunden hat - ich denke an das Ende des Residenz-Zyklus -, kann man durchaus davon ausgehen, daß sich die HM dessen auch voll bewußt sind. Genau deshalb kann man ihr handeln als rücksichtslos betrachten. (Und genau deshalb ist es z.B. gerade nicht rücksichtslos gegenüber einem Virus, wenn der Arzt ein Medikament verschreibt.)
Wir haben es hier mit dem asymmetrischen Machtverhältnis derer zu tun, die da meinen, weil sie groß und stark und mächtig sind, tun und lassen zu können, was sie wollen - über die Köpfe derjenigen hinweg, die da nicht ganz so groß und stark und mächtig sind.
Das macht die ganze HM-Problematik geradezu politisch. Das haben sich die Macher allerdings selbst zuzuschreiben - sie haben den Krempel verzapft. Und so kann man auch sagen, daß das Erbe des Herrn Voltz zu Grabe getragen wird. Denn beim Willi, da waren die Kosmokraten in der Tat ziemlich deutlich als (ein bißchen griechisch angehauchte) Gottheiten eingeführt worden. Sicherlich, sie stiegen zu den Auserwählten herab und hießen sie, in ihrem Namen dies und jenes zu tun. Das ganze war aber ziemlich religiös aufgeladen.
Feldhoffs Rationalisierungsansatz finde ich jedoch gar nicht mal schlecht, man könnte ihn sogar frech, reformatorisch, gar (post)modern nennen!
Aber durch die leidige Insekten-Analogie verbaut man sich die Möglichkeiten, in dieser Richtung zu arbeiten. So ist's nichts halbes und nichts ganzes. Aufgrund der Serienhistorie sollen die HM mythische Überwesen sein. Längst aber werden sie beschrieben als unvorstellbar mächtige... nun ja... letztlich doch Menschen wie Du und Ich!
Mir scheint zudem, daß die Autoren selbst das noch gar nicht realisiert haben!
Sie sollten sich jedoch mal entscheiden: Entweder, sie beschreiben das Verhältnis weiter so, wie sie es derzeit tun. Dann hat die Insekten-Metapher ausgedient, und es ist Zeit für eine handfeste Revolte von Unterdrückten gegen ihre Unterdrücker. (Fliegen revoltieren nicht, wenn sie sich vermehren und uns auf den Geist gehen.) Das bedeutet natürlich konsequente Entmystifizierung. Die Wege der HM wären dann nicht unergründlich - ihre Machtmittel wären es.
Oder aber, man will am "Mythos HM" festhalten. Dann muß das ganze Langzeitgeplane und Effizienzgehabe aber dringend aufhören. Dann müssen die "Pläne" der HM ein bißchen in die Nähe der "Pläne" Gottes gerückt werden, dann muß z.B. TRAITOR als Bande von Fundamentalisten dargestellt werden - Chaotarchen geben keine Aufträge, genausowenig wie Gott welche gibt; oder der Arzt den Antiviren in seiner Spritze, for that matter!
Die wesentlich gangbarere und einfacher umzusetzendere Alternative scheint mir die erste zu sein. Dann muß man aber wirklich auch mal die cojones haben und Feldhoffs Weg zuendegehen. Auch wenn das bedeutet, daß Willis ursprüngliche Idee vom Zwiebelschalenmodell, diplomatisch formuliert, sehr frei interpretiert würde.
Letztlich würde es nämlich tatsächlich bedeuten, daß Galaktiker, Superintelligenzen, Kosmokraten und Chaotarchen vom Bewußtseinszustand her alle auf der selben Zwiebelschale zuhause sind. Machtmittel und Wahrnehmungsumfang mögen variieren. Aber es handelt sich letztlich bei allen um denkende, individuelle Interessen und Ziele verfolgende Entitäten. Aber, wenn wir mal ehrlich sind: genau das passiert doch de facto ohnehin schon! Die Schreiber haben's bloß noch nicht gemerkt. Doch die Geschichten, die sie erzählen, sie lassen nur einen Schluß zu: Perry und ES und Xrayn sind ohne jeden Zweifel nicht in dem Sinne auf unterschiedlichen Zwiebelschalen wie es Perry, eine Schabe und ein Maiskolben sind.
Sorry, mußte mal raus.
Ich weiß nicht, ob ich Arndt einen Brief schreiben soll, weil ich - ganz ehrlich - nicht weiß, ob er überhaupt verstehen würde, was ich meine. Aber das liegt ja vielleicht auch an mir. In diesem Sinne: wer von UnsHier versteht mich?
Eine Anmerkung vielleicht noch, um zu verdeutlichen, was ich meine!
Es ist so ein bißchen wie mit Qualität und Quantität. Die Autoren möchte offensichtlich gerne, daß wir (und unsere Serienhelden) die HM als qualitativ von uns (und ihnen) grundverschiedene Entitäten wahrnehmen. Deshalb auch die Insekten-Metapher. Mensch und Insekt unterscheiden sich hinsichtlich ihres Bewußtseins in der Tat qualitativ - so weit sogar, daß man sagen muß, daß eine Fliege kein Bewußstein hat. Und so hat Willi sicherlich auch die Zwiebelschalen eingeführt. Von Zwiebelschale zu Zwiebelschale ist es ein qualitativer Unterschied.
Doch grau ist alle Theorie!
Was ge- und beschrieben wird, Band für Band, das ist dann doch nur ein quantitaver Unterschied. Die HM werden gerade nicht als mythische Entitäten mit einem - für ein "Standard-Bewußtsein" notwendig unverstehbaren - Para- oder Hyper-Bewußtsein beschrieben. Wenn Perry und Bostich und Mirona und Atlan und Hastenichgesehn so alt und mächtig würden wie Kosmokraten und Chaotarchen - dann wären sie Kosmokraten und Chaotarchen. Das ist genau der Punkt! Der Unterschied ist quantitativ. Die Interessen verändern sich natürlich entsprechend - sind aber im Kern dieselben Interessen! Wenn Kosmokraten wirklich qualitativ verschieden wären - dann würden sie sich z.B. nicht mit Effizienzproblemen rumplagen müssen. Effizienz gehört auf unsere Zwiebelschale, sozusagen. (In der Tat und übrigens! Nähmen wir das Zwiebelschalenmodell ernst und gingen davon aus, daß eine Zwiebelschale höher qualitativ verschiedene Entitäten existierten - dann wäre die nächsthöhere Zwiebelschale zwangsläufig die Zwiebelschale von... Gott!)
Ich bin mir natürlich völlig imklaren darüber, daß es ein Ding der Unmöglichkeit ist, die höheren Zwiebelschalen in diesem Sinne auch nur ansatzweise kohärent zu beschreiben. Deswegen auch die obige Klammer. Und deswegen wäre es durchaus mal angebracht, wenn sich die Autoren einmal hinsetzen würden und gründlich, angestrengt und lange über das Zwiebelschalenmodell nachdächten. Wie über manch anderes auch. Ich verstehe ja, daß man unter Zeitdruck einen gigantischen Output abliefern muß - aber regelmäßig begegnen mir im großen wie im kleinen Handlungen, Geschichten, Ideen, wo ich nur den Kopf schütteln kann und mir sage: "Mensch, ein bißchen drüber nachdenken, ein bißchen mehr Gründlichkeit - und das hätte so nicht passieren müssen!" Da scheinen mir die Hohen Mächte diesseits der Fiktionalen Grenze in ihre ganz eigene Effizienzfalle zu tappen. Was fehlt ist so ein bißchen gründliche Planung. Was dominiert, sind Schnellschüsse. Als ob nach dem Brainstorming direkt zum Schreiben übergegangen würde - und die ganze Phase des Careful Planning übersprungen... nun gut, jetzt wird man mir wieder sagen, dies sei die harte Welt der Heftchenliteratur, wo Woche für Woche für Woche produziert werden muß.
Bearbeitet von Echophage, 22 Januar 2011 - 20:41.