Statistiken sind überhaupt niemals "mathematisch belegbar". (wo ist der Smiley, der mit dem Kopf gegen die Wand rennt, wenn man ihn braucht?) Es handelt sich bei ihnen um Auswertungen empirischer Erhebungen, aus denen man mittels mathematischer Operationen bestimmte Schlussfolgerungen zieht, die - wie in der seriösen Wissenschaft üblich - als falsifizierbar zu gelten haben. Dabei sind die Techniken der Datenerhebung, -visualisierung und -auswertung zu prüfen. Wurden die Erhebungen mit den gleichen IQ-Tests durchgeführt (wohl kaum)? Stammt das Datenmaterial aus vergleichbaren sozialen Schnittmengen? Wurden die Daten bei vergleichbar großen Gruppen erhoben? Wie kann man überhaupt statstische Werte für das Jahr 2050 erheben?
Das ist alles richtig, Jakob. Ich frage mich aber, ob Du Dir schon einmal einen für Fachwissenschaftler geschriebenen
Artikel angesehen hast (keine populärwissenschaftliche Aufbereitung). Wenn ja. wüßtest Du, daß kein Fachkollege
einen Wissenschaftler ernst nehmen oder in einem peer-review-Magazin veröffentlichen würde, der nicht genau über
seine Methoden und die Qualität seines Datenmaterials Rechenschaft ablegt. Ein Großteil wissenschaftlicher Diskussionen
ist Methodenkritik, die aufklären will, ob sich ein Forscher nicht durch methodische Fehler selbst etwas in die Tasche
geschwindelt hat.
Ich finde es deshalb etwas leichtfertig, wenn in diesem Thread über "statistische Zahlenspielereien" geredet wird.
Unabhängig davon, welche Schlußfolgerungen man daraus zieht (und meine Schlußfolgerungen sind durchaus andere
als die von Frank), scheinen mir, nach bestem Wissen und Gewissen, die Veränderungen der Bevölkerungsstruktur
völlig unstrittig zu sein. Wen sollte es auch wundern angesichts der zunehmenden Lebenserwartung und der geringeren
durchschnittlichen Kinderzahl in Familien? Es ist ähnlich wie bei Diskussionen über den Klimawandel: Daß Wissenschaftler
sich über Details z.B. den Beitrag von Wasserdampf zum Treibhauseffekt, uneinig sind, ändert nichts am grundsätzlichen
Befund, daß es vom Menschen verursachte Klimaveränderungen gibt.
Und noch eine grundsätzliche Anmerkung: Hand aufs Herz, Leute, wer hat Thilo Sarazzins Buch tatsächlich gelesen und
reagiert hier nicht bloß auf Informationen aus zweiter oder dritter Hand? Ich gebe zu, ich (noch) nicht, und dazu könnte
beigetragen haben, daß mir das öffentliche Auftreten dieses Herrn und seine Reaktionen auf Kritik unsympathisch sind.
Eine sachliche Auseinandersetzung mit dem, was er wirklich geschrieben hat, ersetzt das nicht. Allzu oft hat man erlebt,
daß öffentliche Diskussionen derart hochgekocht sind, bis von den tatsächlichen Aussagen eines Kritisierten nichts, aber
auch gar nicht mehr übrig geblieben ist. Eine Person wie Eva Herrmann, deren Aussagen ich für völlig verfehlt halte,
müßte man eigentlich öffentlich in Schutz nehmen vor dem scheinheiligen Absicht eines Jahannes Kerner, ihr in seiner
Sendung eine "faire" Chance zur Stellungnahme zu bieten. Ein anderes schönes Beispiel: die auifgebauschte Affäre
um die Mohammed-Karikaturen. Nicht einmal die dänischen Muslime selbst haben sich über die ursprüngliche
Veröffentlichung aufgeregt, deren Urhebern es lediglich darum ging, daß religiöse Gemeinschaften in einem
sekulären Staat keine Sonderrechte, z.B. Blasphemie als Straftatbestand, für sich beanspruchen können. Aufgeregt
hat sich lediglich ein einzigee radikaler Imam, der auf einer Nahostreise mit den Karikaturen Stimmung gemacht
hat, und selbst dem waren die originalen Karikaturen nicht scharf genug - er hat sich eigens zu diesem Zweck neue
zeichnen lassen und sie unter die Originalkarikaturen gemischt, und eben über diese Zeichnungen haben sich dann
seine Glaubensbrüder im nahen Osten empört. Operation gelungen, Patient tot.
Gruß
Michael
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