ZITAT(UdoTascher @ 25.06.2011, 10:45)
Wenn die "Quellenüberprüfung" in dem Versuch besteht, Thomas Krügers Person mit Vorurteilen über seine Parteizugehörigkeit, ostdeutsche Herkunft und vermeintliche Karrierewege im BpB zu desavouieren, stimme ich Dir zu. Dann hält meine Quellenangabe deiner Betrachtung nicht stand. Kritisch ist deine Betrachtung dann aber noch lange nicht.
Natürlich. Er ist kein Politikwissenschaftler, der hat nicht einmal eine auch nur in der Nähe des Objekts zu verortende Qualifikation. Er bekam den Posten - wie fast alle seine Vorgänger auch, das ist kein Alleinstellungsmerkmal - aus politischem Proporz heraus. Er hat eine Äußerung getan, die ihm jemand aufgeschrieben hat. Gerne, aber dann ist die Quelle derjenige, der sie aufgeschrieben hat. Die bloße Tatsache, dass Herr Krüger Chef der BpB ist, sagt nichts über die Validität seiner Aussage aus, wodurch Quellenkritik automatisch herausgefordert wird.
Noch eeeeynmals, dass Herr Krüger diese Aussage als Chef der genannten Institution trifft, gibt der Aussage durchaus ein gewisses Gewicht, weil diese Institution im Hinblick auf Politikwissenschaft für gewisse wissenschaftliche Grundstandards bürgt - an dieser Feststellung würde ich zumindest so lange nicht zweifeln, bis Du mir in Hinblick auf die BpB das Gegenteil beweist.
Diboo, ich finde es ja gut, dass du auch gegenüber der BpB so quellenkritisch eingestellt bist, weiss aber nicht, was "Quellenkritik" mit dem Indiewelthinausschreiben von so Gemeinplätzen wie Krügers SPD-Mitgliedschaft oder seiner ostdeutschen Herkunft zu tun hat, ohne sich die Mühe zu machen die Unwissenschaftlichkeit oder mangelnde Stichhaltigkeit der konkreten Aussagen Krügers nachzuweisen.
Möglicherweise solltest Du daher deine Form der Quellenkritik zunächst mal anhand deiner eigenen Ansprüche nach wissenschaftlicher Redlichkeit "erden".
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Welche Linie sollte das sein? Es gibt ja zuhauf Rechtsextremismusdefinitionen; und auch die Abgrenzung zwischen Rechtsextremismus und Rechtsradikalismus ist wohl alles andere als einfach. Ich bin jedoch sicher, dass beide Begriffe mehr als weichgespült werden, wenn Du "pathologischen Islamhass" aus ihnen ausbürgerst.
Die Unterscheidung ist nicht irrelevant, sie ist auch nicht weichgespült, sie ist nur, gerade für Vertreter linker Provinienz, meist zu anstrengend. Ein Rechtsextremer lehnt die demokratische Grundordnung per se ab und fordert die Einführung eines meist dem Totalitarismus zuzuordnenden Systems. Ein Rechtsradikaler verbleibt im Rahmen der demokratischen Verfassung, siedelt sich aber am ganzen rechten Rand innerhalb des Verfassungsbogens an. Die genaue Grenze wird natürlich von den jeweiligen Rechtsordnungen in den verschiedenen Ländern gezogen. Was z. B. in Deutschland unter Volksverhetzung fällt, geht in anderen Ländern unter freie Meinungsäußerung. Ungeachtet dieser Nuancen ist es notwendig, zwischen Extremismus und Radikalismus zu unterscheiden. Diejenigen, die das nicht tun, subsumieren den Radikalismus unter den Extremismus, um damit ihre eigene Form von Populismus zu befördern. Das ist aber mindestens intellektuell unredlich.
Eine lediglich amtliche (!) Ausrichtung der Begrifflichkeiten Rechtsextremismus und Rechtsradikalismus an ihrer Stellung zur demokratische Verfassung ist in meinen Augen eine relativ willkürliche Engführung. Möglicherweise werden die Begriff dadurch handlicher, doch wird so das gesamte Gesellschaftsgefüge vernachlässigt, das rechtsextreme Phänomene m.E. mitbedingt.
Ich halte es daher lieber mit politikwissenschaftlichen Definitionen wie der von Richard Stöss
"R e c h t se x t remismus ist ein Sammelbegriff für verschiedenartige gesellschaftliche Erscheinungsformen, die als rechtsgerichtet, undemokratisch und inhuman gelten." Er unterscheidet vier Punkte, einer davon ist
"R e c h t s e x t remismus negiert die universellen Freiheits- und Gleichheitsrechte des Menschen, insbesondere das Recht auf Leben und körperliche Unversehrtheit, das Recht auf Freiheit, Freizügigkeit und soziale
S i c h e rheit, das Recht auf Gedanken-, Gewissens- und Religionsfre i h e i t ,
das Recht auf freie Meinungsäußerung und das Recht auf Ve r s a m mlungs-, Vereinigungs- und Koalitionsfre i h e i t." (
http://library.fes.d...hland/02930.pdf)
Halte ich an diesen Definition fest, kann ich selbstverständlich den von dir erwähnten "pathologischen Islamhass" aus den Definitionen nicht ausbürgern, sondern würde ihn als ein Merkmal rechtsextremer Einstellungen und Verhaltensweisen hinzuziehen.
Die Ablehnung der Verfassung ist auch in meinen Augen ein ernstzunehmendes, besorgniserregendes Kriterium, doch möchte ich in jedem Fall die anderen Punkte dazunehmen, um so dem Begriff Schärfe zu verleihen.
Ich habe kein Problem mit der Feststellung als solche. Sie ist nur kein Beleg für Deine These. Die diversen rechtsradikalen sowie rechtsextremen Parteien waren schon immer "wählbar" für viele Briten. Das ist _nichts Neues_, und daher auch kein Hinweis für den plötzlich erwachenden politischen Rechtsextremismus in Europa. Der war schon immer wach, der hat sich nie schlafen gelegt. Es geht hier doch um eine angenommene neue Qualität. Dafür bietest Du keinen Hinweis.
Doch - die erwähnte Untersuchung soll durchaus als Hinweis verstanden werden, der Gültigkeit beansprucht, oder bist du im Stande konkret die zitierte Untersuchung zu entkräften. Die Untersuchung selbst, die der Focus benennt, hat auch erstmal wenig mit dem Focus selbst zu tun. Sie ist wahrscheinlich auch in den anderen Medien gebracht worden.
Im Übrigen - und das ist jetzt noch viel wichtiger als unser Geplänkel um Quellenkritik - habe ich in keinster Weise behauptet, dass da irgendwo der Rechtsextremismus "erwacht" ist. Dies ist eine Bedeutungsnuance, die du an diese Diskussion heranträgst. Selbstverständlich hat es Rechtsextremismus auch früher gegeben. Es geht lediglich um die Annahme, dass sich das Problem in den letzten Jahren verschärft hat.
Ich bin mir über die Situation in Westeuropa nicht ganz im Klaren, möglicherweise stagniert hier der Rechtsextremismus, die Situation in Osteuropa scheint aber in jedem Fall - ich bin zumindest bisher nicht auf gegenteilige Belege gestoßen - besorgniserregend.
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Nun, zumindest Kollege Genov sieht einige besorgniserregende Tendenzen, deshalb habe ich ja auch das Interview mit ihm verwiesen und versucht Deinem Wunsch nach Fakten - in dem Fall eine Expertenansicht - zu entsprechen. Wenn Du andere Quellen hast, die Entwarnung geben, wäre ich Dir für Hinweise dankbar, auch im Hinblick auf die "Evidenz der Zeitreihe" ... bin ich doch selbst noch im Prozess der Meinungsbildung.
Deinem Fazit kann ich so nicht zustimmen, weil mir in deinen Posts trotz einiger guter Ansätze bisher die Belege fehlen.
Ich kürze diese Diskussion ab, indem ich Dir, wie meinen Studierenden, für sowas die passenden Literaturhinweise gebe.
Globisch/Pufelska/Weiß: Die Dynamik der europäischen Rechten: Geschichte, Kontinuität und Wandel, VS-Verlag 2010
Jesse/Thieme: Politischer Extremismus in den EU-Staaten, VS-Verlag 2010
Nanu? Wir diskutieren nicht über Extremismus, sondern Rechtsextremismus in der EU. Wo ist da bei der letzten Literaturangabe der Bezug zum Thema?
- Na ja, ich fürchte, dass du doch noch ein wenig nachlegen musst: Ich habe nicht um Literaturangaben gebeten, sondern um echte Belege . *seufz*
Bearbeitet von UdoTascher, 28 Juni 2011 - 17:54.