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Das Verhältnis von Utopie, SF und Alternate History


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316 Antworten in diesem Thema

#271 Konrad

Konrad

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Geschrieben 28 August 2011 - 19:33

Es ist verständlich, daß sich die Literaturwissenschaft idealerweise nur als Beobachter der Literatur versteht. Aber spätestens seit Heisenberg weiß man, daß Beobachtungsinstrumente auch einen Einfluß auf das beobachtete Objekt ausüben können und man diesen Einfluß nicht vernachlässigen darf. Ich könnte mir vorstellen, daß der Wunsch von Autoren, ihre neuen Romane konfliktfrei in Genres zu positionieren, evtl. dazu führt, daß die interessanten Genrerandgebiete gemieden werden. Gibt es Untersuchungen zu diesem Thema?

#272 simifilm

simifilm

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Geschrieben 28 August 2011 - 19:58

Es ist verständlich, daß sich die Literaturwissenschaft idealerweise nur als Beobachter der Literatur versteht.
Aber spätestens seit Heisenberg weiß man, daß Beobachtungsinstrumente auch einen Einfluß auf das beobachtete Objekt ausüben können und man diesen Einfluß nicht vernachlässigen darf.
Ich könnte mir vorstellen, daß der Wunsch von Autoren, ihre neuen Romane konfliktfrei in Genres zu positionieren, evtl. dazu führt, daß die interessanten Genrerandgebiete gemieden werden.
Gibt es Untersuchungen zu diesem Thema?


Ich muss da an einen Text von StanisÅ‚aw Lem denken, in dem er genau gegenteilig argumentiert: Das Einteilen von Gattungen durch Literaturwissenschaftler sei sinnlos, weil es die Schriftsteller nur dazu animieren würde, gegen die aufgestellten Kategorien zu verstossen.

Von entsprechenden Untersuchungen weiss ich nichts, ich glaube auch nicht, dass es da viel zu untersuchen gibt (es gibt da ja schon ein ganz grundsätzliches Problem: Woher soll man wissen, dass es "interessanten Genrerandgebiete" gibt, wenn dafür keine Beispiele existieren). Der Einfluss literaturwissenschaftliche Kategorien auf Schriftsteller dürfte aber insgesamt gegen Null tendieren. Da sind Kategorien des Marktes sicher viel wirksamer - im positiven wie im negativen Sinn. Der eine schreibt ganz bewusst in einem etablierten Genre, weil er auf Nummer Sicher gehen will, der andere verstösst bewusst dagegen, weil er nicht mit dem Strom schwimmen will.

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#273 Gerd

Gerd

    Giganaut

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Geschrieben 29 August 2011 - 01:44

Von entsprechenden Untersuchungen weiss ich nichts, ich glaube auch nicht, dass es da viel zu untersuchen gibt (es gibt da ja schon ein ganz grundsätzliches Problem: Woher soll man wissen, dass es "interessanten Genrerandgebiete" gibt, wenn dafür keine Beispiele existieren). Der Einfluss literaturwissenschaftliche Kategorien auf Schriftsteller dürfte aber insgesamt gegen Null tendieren. Da sind Kategorien des Marktes sicher viel wirksamer - im positiven wie im negativen Sinn. Der eine schreibt ganz bewusst in einem etablierten Genre, weil er auf Nummer Sicher gehen will, der andere verstösst bewusst dagegen, weil er nicht mit dem Strom schwimmen will.


Das würde ich als jemand, der die Sache eher vom Markt her betrachtet, absolut unterschreiben. Problematisch wird das Ganze, wenn der Genre-Mainstream sichere Publikationsmöglichkeiten und Einnahmen verspricht und sich an den Rändern keine ausreichend großen Nischen auftun. (Aber das ist eine andere Diskussion.)
Sudden moroseness. One hop too far.

#274 Konrad

Konrad

    Temponaut

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Geschrieben 29 August 2011 - 08:21

Das würde ich als jemand, der die Sache eher vom Markt her betrachtet, absolut unterschreiben. Problematisch wird das Ganze, wenn der Genre-Mainstream sichere Publikationsmöglichkeiten und Einnahmen verspricht und sich an den Rändern keine ausreichend großen Nischen auftun. (Aber das ist eine andere Diskussion.)

Ein Genrerandgebiet interessant zu finden, ist natürlich mein ganz persönlicher Geschmack, den ich in keiner Weise verallgemeinern möchte.
Aber unabhängig davon würde ich vermuten, daß es bei Autoren, die gezielt für ein Genre schreiben, eine Tendenz gibt, Dinge zu vermeiden, die eine ungewünschte oder auch nur unklare Genrezuordnung verursachen könnten.
Und die Genrerandgebiete sind bezüglich der Einordnung eines Romans nun mal unsicheres Terrain.
Wenn Dick zu Zeiten einer etablierten marktbeherrschenden AH-Definition geschrieben hätte, hätte er evtl. die Parallelweltpassagen beim "Orakel" weggelassen.

Bearbeitet von Konrad, 29 August 2011 - 08:22.


#275 simifilm

simifilm

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Geschrieben 29 August 2011 - 08:29

Ein Genrerandgebiet interessant zu finden, ist natürlich mein ganz persönlicher Geschmack, den ich in keiner Weise verallgemeinern möchte.
Aber unabhängig davon würde ich vermuten, daß es bei Autoren, die gezielt für ein Genre schreiben, eine Tendenz gibt, Dinge zu vermeiden, die eine ungewünschte oder auch nur unklare Genrezuordnung verursachen könnten.


Das ist eigentlich fast eine Tautologie - ein Genre bildet sich ja erst dadurch, dass sich unter Autoren gewisse Konventionen etablieren. Und indem sie diesen Konventionen folgen, schreiben sie anderes nicht, das diesen Konventionen widersprechen würde.

(Zugleich gehört aber auch das Übertreten der Regeln zur Entwicklung eines Genres dazu. Nur so können sich Genres verändern und weiterentwickeln).

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#276 Konrad

Konrad

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Geschrieben 29 August 2011 - 08:33

Das ist eigentlich fast eine Tautologie - ein Genre bildet sich ja erst dadurch, dass sich unter Autoren gewisse Konventionen etablieren. Und indem sie diesen Konventionen folgen, schreiben sie anderes nicht, das diesen Konventionen widersprechen würde.

(Zugleich gehört aber auch das Übertreten der Regeln zur Entwicklung eines Genres dazu. Nur so können sich Genres verändern und weiterentwickeln).

Nicht wirklich, denn zwischen Genrezustand und Genredefinition liegt ja eine gewisse Verzögerung und die Autoren halten sich nicht notwendigerweise daran, wie du ja schreibst, d.h. es kann eine Drift geben.
Systemtechnisch betrachtet ist dies aber eine strukturbildende Rückkopplung.
D.h. wenn es einen stabilen Definitionskern gibt, wird die Rückkopplung zu einer Verstärkung dieses Kerns führen.

Bearbeitet von Konrad, 29 August 2011 - 10:40.


#277 Konrad

Konrad

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Geschrieben 30 August 2011 - 10:47

Zu The Man in the High Castle:
Öhm, es ging mir oben nicht darum, sämtliche wichtigen Aspekte des Romans aufzuzählen. Meines Erachtens reicht es für die Definition von Alternativgeschichte grundsätzlich aus, wenn a) die Erzählung in einem Setting spielt, welches auf einem von der realen Geschichte signifikant abweichenden Geschichtsverlauf basiert. Und :P dieses Setting muss explizit thematisiert werden, d.h. der alternative Geschichtsverlauf muss Konsequenzen für Handlung, Charaktere etc. haben. Der weitere kompositorische Aufbau tut in meinen Augen erstmal nichts zur Sache - also zu der, ob es sich um AH handelt.

Ich muß gestehen, ich tue mich schwer, AH gegenüber SF und Fantasy abzugrenzen.
Wann ist eine alternative Wirklichkeit eine AH?
Muß es da eine Übereinstimmung bis zu einem einzigen Gabelungspunkt in der Vergangenheit geben, nach dem sich dann die Beschreibungen trennen?
Oder können es verschiedene Unterschiede, im Sinne einer "ähnlichen" Beschreibung der Vergangenheit sein.
Wie groß muß die Übereinstimmung sein, um noch AH genannt zu werden?
Ist die Beschreibung einer Dinogesellschaft noch eine AH?
Spielt der Existenzgrund für die alternative Wirklichkeit eine Rolle?
Ist eine abweichende Vergangenheitsbeschreibung eines Menschen mit Wahrnehmungsstörungen noch eine AH?
Fragen über Fragen?

#278 simifilm

simifilm

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Geschrieben 30 August 2011 - 12:13

Ich muß gestehen, ich tue mich schwer, AH gegenüber SF und Fantasy abzugrenzen.
Wann ist eine alternative Wirklichkeit eine AH?
Muß es da eine Übereinstimmung bis zu einem einzigen Gabelungspunkt in der Vergangenheit geben, nach dem sich dann die Beschreibungen trennen?
Oder können es verschiedene Unterschiede, im Sinne einer "ähnlichen" Beschreibung der Vergangenheit sein.
Wie groß muß die Übereinstimmung sein, um noch AH genannt zu werden?
Ist die Beschreibung einer Dinogesellschaft noch eine AH?
Spielt der Existenzgrund für die alternative Wirklichkeit eine Rolle?
Ist eine abweichende Vergangenheitsbeschreibung eines Menschen mit Wahrnehmungsstörungen noch eine AH?
Fragen über Fragen?


(Anmerkung unter dem Vorbehalt, dass ich mich im Bereich der AH-Literatur nicht sonderlich auskenne): Zumindest in meinem Verständnis (und das deckt sich mehr oder weniger mit dem Gebrauch, den ich bislang angetroffen habe), geht die AH eigentlich immer von einem Szenario aus à la "Was wäre gewesen, wenn dieses bestimmte bekannte historische Ereignis nicht oder anders eingetreten wäre". Voraussetzung ist also, dass ein historischer Markstein verschoben oder ganz gelöscht wird. Natürlich kann man sich nun spitzfindig darüber streiten, ab wann ein historisches Ereignis wirklich dieses Kriterium erfüllt, aber ich denke, so als Gebrauchsdefinition ist das nicht schlecht. Der Fokus und der Reiz der AH liegen in meinem Verständnis darin, dass die Handlungswelt im Wesentlichen der realen entspricht - bis auf eine zentrale Änderung. Dieses ist aber eben geschichtlicher und nicht etwa wissenschaftlich-technischer Natur (obwohl Überschneidungen möglich sind).

Die Beschränkung auf ein "wichtiges" historisches Ereignis als "Weggabelung" scheint mir auch aus einem anderen Grund wichtig: Im Grunde ist ja jede fiktionale Erzählung, die in einer Epoche spielt, die es tatsächlich gegeben hat, AH. So im Stile von: Wie wäre das Leben in Lübeck gewesen, wenn dort eine Familie Buddenbrooks gelebt hätte? - Eine derartige Ausweitung des AH-Begriffs, unter den jeder historische oder zeitgenössische Roman fallen würde, scheint mir aber nicht sinnvoll.

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#279 RobRandall

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Geschrieben 30 August 2011 - 12:55

geht die AH eigentlich immer von einem Szenario aus à la "Was wäre gewesen, wenn dieses bestimmte bekannte historische Ereignis nicht oder anders eingetreten wäre". Voraussetzung ist also, dass ein historischer Markstein verschoben oder ganz gelöscht wird.


Deine Erklärung gefällt mir gut, aber ich denke nicht, dass dazu nur ein historischer "Markstein" verschoben werden muss, es könnte auch ein eigentlich nebensächliches Ereignis Bedeutung gewinnen - oder schließt dein Begriff "Markstein" dieses mit ein? (Mir fällt jetzt kein Beispiel dazu ein, aber es gibt bestimmt Alternativweltgeschichten, in denen z.B. ein Attentat, von dem heute keiner mehr spricht, Erfolg hat - woraufhin die Geschichte einen anderen Verlauf nimmt. Oder in denen ein Attentat überhaupt erfunden wird).

Die Beschränkung auf ein "wichtiges" historisches Ereignis als "Weggabelung" scheint mir auch aus einem anderen Grund wichtig: Im Grunde ist ja jede fiktionale Erzählung, die in einer Epoche spielt, die es tatsächlich gegeben hat, AH. So im Stile von: Wie wäre das Leben in Lübeck gewesen, wenn dort eine Familie Buddenbrooks gelebt hätte? - Eine derartige Ausweitung des AH-Begriffs, unter den jeder historische oder zeitgenössische Roman fallen würde, scheint mir aber nicht sinnvoll.


Wichtig scheint mit zu sein, dass das geänderte oder neu hinzukommende Ereignis Relevanz für den Lauf der Welt hat, sprich: Kommunizierbare und auch dem Leser einsichtige Folgen für viele Menschen. Wenn ich mich hinsetzte und einen Roman über eine Welt schreibe, in der die Dampfmaschine schon in Rom zur Produktion verwendet wurde, so ist das mit Sicherheit der Fall. Wenn in den Buddenbrooks jemand in eine Pfütze fällt, aber nicht. Selbst wenn die ganze Familie angesichts absehbaren Verfalls ihre Reproduktion einstellen sollte, ergibt sich daraus ersteinmal keine Konsequenz mit historischen Dimensionen (das gilt im übrigen auch dann, wenn man berücksichtigt, dass es in gewissem Sinne eine Familie Buddenbrook insofern gegeben hat, als es mit Einschränkungen die Geschichte der Familie Mann ist).

Ich würde also sagen, dass ein Ereignis von historischer Bedeutung gelöscht, verschoben oder auch erschaffen wird.

Bearbeitet von RobRandall, 30 August 2011 - 13:01.


#280 simifilm

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Geschrieben 30 August 2011 - 13:52

Deine Erklärung gefällt mir gut, aber ich denke nicht, dass dazu nur ein historischer "Markstein" verschoben werden muss, es könnte auch ein eigentlich nebensächliches Ereignis Bedeutung gewinnen - oder schließt dein Begriff "Markstein" dieses mit ein? (Mir fällt jetzt kein Beispiel dazu ein, aber es gibt bestimmt Alternativweltgeschichten, in denen z.B. ein Attentat, von dem heute keiner mehr spricht, Erfolg hat - woraufhin die Geschichte einen anderen Verlauf nimmt. Oder in denen ein Attentat überhaupt erfunden wird).


Vielleicht ist der Begriff "Markstein" nicht so glücklich oder vielleicht sollte man zu Verschieben und Löschen noch Entstehen hinzufügen. Denn ich gehe mit Dir einig, dass natürlich auch ein unbedeutendes Ereignis bedeutend werden kann. Ich werde diesem Ansatz also grundsätzlich zustimmen:

Ich würde also sagen, dass ein Ereignis von historischer Bedeutung gelöscht, verschoben oder auch erschaffen wird.


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#281 Konrad

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Geschrieben 31 August 2011 - 12:15

Deine Erklärung gefällt mir gut, aber ich denke nicht, dass dazu nur ein historischer "Markstein" verschoben werden muss, es könnte auch ein eigentlich nebensächliches Ereignis Bedeutung gewinnen - oder schließt dein Begriff "Markstein" dieses mit ein? (Mir fällt jetzt kein Beispiel dazu ein, aber es gibt bestimmt Alternativweltgeschichten, in denen z.B. ein Attentat, von dem heute keiner mehr spricht, Erfolg hat - woraufhin die Geschichte einen anderen Verlauf nimmt. Oder in denen ein Attentat überhaupt erfunden wird).



Wichtig scheint mit zu sein, dass das geänderte oder neu hinzukommende Ereignis Relevanz für den Lauf der Welt hat, sprich: Kommunizierbare und auch dem Leser einsichtige Folgen für viele Menschen. Wenn ich mich hinsetzte und einen Roman über eine Welt schreibe, in der die Dampfmaschine schon in Rom zur Produktion verwendet wurde, so ist das mit Sicherheit der Fall. Wenn in den Buddenbrooks jemand in eine Pfütze fällt, aber nicht. Selbst wenn die ganze Familie angesichts absehbaren Verfalls ihre Reproduktion einstellen sollte, ergibt sich daraus ersteinmal keine Konsequenz mit historischen Dimensionen (das gilt im übrigen auch dann, wenn man berücksichtigt, dass es in gewissem Sinne eine Familie Buddenbrook insofern gegeben hat, als es mit Einschränkungen die Geschichte der Familie Mann ist).

Ich würde also sagen, dass ein Ereignis von historischer Bedeutung gelöscht, verschoben oder auch erschaffen wird.

Irgendwie scheint mir der militärische Historismus bei der AH eine besondere Rolle zu spielen, denn es ist relativ häufig der Ausgang einer Schlacht, der als Gabelungspunkt verwendet wird. :band:

#282 Ming der Grausame

Ming der Grausame

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Geschrieben 01 September 2011 - 18:21

Kugeln gehören zu Spezialfällen von Körpern, bei denen sich der Schwerpunkt immer innerhalb der Hülle befindet.
Wieso glaubst du, daß dies bei Genrekörper zutrifft?

Du meinst, der Genreschwerpunkt ist außerhalb des Genres ?

Vor allem bei Eigennamen, die auch als Genrenamen verwendet werden, wobei aber die identifizierende Funktion als dominierend anzusehen ist. Was man z.B. unschwer an der Begrifflichkeit Utopie erkennen kann, wo schlussendlich das zugrundeliegende Konzept entscheidend ist. :)
„Weisen Sie Mittelmäßigkeit wie eine Seuche zurück, verbannen Sie sie aus ihrem Leben.“

Buck Rogers

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#283 Ming der Grausame

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Geschrieben 01 September 2011 - 18:28

Ich meinte die konjunktive Verknüpfung von Eigenschaften einer Genredefinition, der sich nicht notwendigerweise im Genre befinden muß.

Kannst du da mal ein Beispiel aufführen? Spontan fällt mir nämlich keine konjunktive Verknüpfung von Eigenschaften einer Genredefinition, welche sich nicht notwendigerweise im Genrenamen befindet bzw. daraus ableiten lässt.
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Geschrieben 01 September 2011 - 19:20

Ich muss da an einen Text von StanisÅ‚aw Lem denken, in dem er genau gegenteilig argumentiert: Das Einteilen von Gattungen durch Literaturwissenschaftler sei sinnlos, weil es die Schriftsteller nur dazu animieren würde, gegen die aufgestellten Kategorien zu verstossen. [...] Der Einfluss literaturwissenschaftliche Kategorien auf Schriftsteller dürfte aber insgesamt gegen Null tendieren.

Ich wäre da etwas vorsichtiger.
Wenn Du ein Genre definierst und seine Subgenres bestimmst, setzt Du Marksteine, anhand deren sich ein Schriftsteller orientieren kann. Und ganz natürlich wird er sich dann aus Kategorien verschiedener Subgenres bedienen.Von daher hat meiner Meinung nach Lem schon ganz Recht, wenn er sagt, daß die Kategorisierung zwangsläufig zur Grenzüberschreitung führen muß.
Es wäre von daher vielleicht nicht uninteressant, eine Kategorisierung (egal welcher Detailtiefe) einmal aufzustellen und zu überprüfen, inwieweit eine Menge von Romanen eindeutig genau einem Subgenre, genau einer Kategorie, zuzuordnen ist oder ob es sich grundsätzlich (?) nur um Grenzgänger handelt, nur um solche handeln kann.

#285 simifilm

simifilm

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Geschrieben 01 September 2011 - 19:52

Ich wäre da etwas vorsichtiger.
Wenn Du ein Genre definierst und seine Subgenres bestimmst, setzt Du Marksteine, anhand deren sich ein Schriftsteller orientieren kann. Und ganz natürlich wird er sich dann aus Kategorien verschiedener Subgenres bedienen.Von daher hat meiner Meinung nach Lem schon ganz Recht, wenn er sagt, daß die Kategorisierung zwangsläufig zur Grenzüberschreitung führen muß.


Dass Normen fast zwangsläufig zu Normverstössen führen, streite ich nicht ab (siehe auch die Nebendiskussion weiter oben zu Goethe. Auch Victor Hugo hat zB. ganz bewusst gegen existierende Normen verstossen. Aber das waren keine Verstösse gegen literaturwissenschaftliche Kategorien im heutigen Sinn). Was ich bestreite ist, dass literaturwissenschaftliche Kategorien einen nennenswerten Einfluss haben. Schon alleine deswegen nicht, weil es keine einheitliche wissenschaftliche Einteilung gibt. Geschweige denn, dass die Autoren diese Einteilungen im Detail kennen würden.

Es wäre von daher vielleicht nicht uninteressant, eine Kategorisierung (egal welcher Detailtiefe) einmal aufzustellen und zu überprüfen, inwieweit eine Menge von Romanen eindeutig genau einem Subgenre, genau einer Kategorie, zuzuordnen ist oder ob es sich grundsätzlich (?) nur um Grenzgänger handelt, nur um solche handeln kann.


Letztlich ist dies ja genau, was bei jeder Untersuchung einer spezifischen Gattung geschieht.

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#286 Konrad

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Geschrieben 01 September 2011 - 23:33

Kannst du da mal ein Beispiel aufführen? Spontan fällt mir nämlich keine konjunktive Verknüpfung von Eigenschaften einer Genredefinition, welche sich nicht notwendigerweise im Genrenamen befindet bzw. daraus ableiten lässt.

Z.B. Definitionen mit Eigenschaftsausschlüssen.

#287 Konrad

Konrad

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Geschrieben 02 September 2011 - 09:59

Die Beschränkung auf ein "wichtiges" historisches Ereignis als "Weggabelung" scheint mir auch aus einem anderen Grund wichtig: Im Grunde ist ja jede fiktionale Erzählung, die in einer Epoche spielt, die es tatsächlich gegeben hat, AH. So im Stile von: Wie wäre das Leben in Lübeck gewesen, wenn dort eine Familie Buddenbrooks gelebt hätte? - Eine derartige Ausweitung des AH-Begriffs, unter den jeder historische oder zeitgenössische Roman fallen würde, scheint mir aber nicht sinnvoll.

Die Einschränkung auf historische Ereignisse scheint plausibel, insbesondere wenn man historisch kausale Zusammenhänge auf der Basis von Ereignissen konstruiert.
Es gibt aber z.B. historisch prägende Einflüsse, die sich nicht auf einzelne Ereignisse zurückführen lassen.
In Anlehnung an dein Beispiel könnte man sich z.B. eine alternative Welt ohne die Familie Kennedy ausdenken.
M.E. sollte ein Roman, der auf Basis des Wegfalls bzw. der Veränderung eines solchen Einflusses konstruiert wurde, durchaus auch zur AH gerechnet werden.

#288 simifilm

simifilm

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Geschrieben 02 September 2011 - 10:35

Die Einschränkung auf historische Ereignisse scheint plausibel, insbesondere wenn man historisch kausale Zusammenhänge auf der Basis von Ereignissen konstruiert.
Es gibt aber z.B. historisch prägende Einflüsse, die sich nicht auf einzelne Ereignisse zurückführen lassen.
In Anlehnung an dein Beispiel könnte man sich z.B. eine alternative Welt ohne die Familie Kennedy ausdenken.
M.E. sollte ein Roman, der auf Basis des Wegfalls bzw. der Veränderung eines solchen Einflusses konstruiert wurde, durchaus auch zur AH gerechnet werden.


Wie schon angedeutet, läuft das auf die Frage hinaus, was ein wichtiges Ereignis ist. Bezogen auf die US-amerikanische Geschichte ist etwa die Geburt der Kennedy-Brüder ja durchaus ein wichtiges Ereignis.

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#289 Diboo

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Geschrieben 02 September 2011 - 10:41

Irgendwie scheint mir der militärische Historismus bei der AH eine besondere Rolle zu spielen, denn es ist relativ häufig der Ausgang einer Schlacht, der als Gabelungspunkt verwendet wird. :D


Naheliegend, denn es ist dem Leser relativ leicht klarzumachen, dass ein "anderer" Ausgang von Schlacht X auch zu einem anderen Geschichtsverlauf führen konnte/musste, womit der POD definiert und nachvollziehbar gestaltet ist. Darauf basiert ein Großteil der "Civil War"-AH, die in den USA recht populär ist. Aber auch im europäischen Kontext ist es natürlich nicht unspannend, wenn man sich die Frage vorlegt, was geschehen wäre, wenn Napoleon Waterloo überzeugend gewonnen hätte oder wenn Valens vor Adrianopel einen klaren Sieg davon getragen hätte.

"Alles, was es wert ist, getan zu werden, ist es auch wert, für Geld getan zu werden."
(13. Erwerbsregel)

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#290 Konrad

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Geschrieben 02 September 2011 - 11:07

Wie schon angedeutet, läuft das auf die Frage hinaus, was ein wichtiges Ereignis ist. Bezogen auf die US-amerikanische Geschichte ist etwa die Geburt der Kennedy-Brüder ja durchaus ein wichtiges Ereignis.

Nicht, daß ich eine Geburt nicht als wichtiges Ereignis sehen würde. :D
Aber der Einfluß der Familie geht über die Einzelpersonen hinaus.
Wie gesagt, es geht um Einflüsse, die sich nicht punktuell lokalisieren lassen.

#291 Anubizz

Anubizz

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Geschrieben 02 September 2011 - 11:54

Ich bin auch nicht besonders firm in Sachen AH, würde aber dennoch annehmen, dass das punktuelle Ereignis eher den erzählerischen Auslöser abgibt, um anschließend das Leben in der Welt des alternativen Geschichtsverlaufs schildern zu können. In den diversen AH-Geschichten über siegreiche Nazis z.B. kann die Erklärung, wie es zum NS-Endsieg kommen konnte, ja sehr unterschiedlich ausfallen. Wie man das Eintreten des alternativen Geschichtsverlaufs erklärt, unterliegt insofern einer gewissen Beliebigkeit.

Ich vermute außerdem, dass immer wieder so etwas wie Schlachten oder geschichtlich bedeutsame Einzelpersonen herangezogen werden, weil 50 Jahren Sozialgeschichte zum Trotz noch immer die Meinung vorherrschen dürfte, dass Geschichte durch große Männer und große Ereignisse gemacht wird. Außerdem dürften solche literarisch leichter zu bearbeiten sein. :D

Für notwendig halte ich es allerdings nicht, die AH-Story so aufzubauen: In An den Feuern der Leyermark ist es eine eher skurrile, scheinbar nebensächliche Begebenheit, die dazu führt, dass die preußischen Einigungspläne in die Hose gehen und kein Deutsches Reich entsteht.

#292 RobRandall

RobRandall

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Geschrieben 02 September 2011 - 15:04

Für notwendig halte ich es allerdings nicht, die AH-Story so aufzubauen: In An den Feuern der Leyermark ist es eine eher skurrile, scheinbar nebensächliche Begebenheit, die dazu führt, dass die preußischen Einigungspläne in die Hose gehen und kein Deutsches Reich entsteht.


*Seufz* auch ein Roman, den ich unbedingt einmal lesen will... es gibt einfach zuviele. Wirken denn Veränderungen, welche die nebensächlichen Kleinigkeit bewirkt, nicht konstruiert?

#293 Anubizz

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Geschrieben 02 September 2011 - 15:25

Wirken denn Veränderungen, welche die nebensächlichen Kleinigkeit bewirkt, nicht konstruiert?


An dieser Stelle ist An den Feuern der Leyermark in erster Linie eine Satire auf hegelianische Geschichtsphilosophie, würde ich sagen. Auf mich wirkt es aber nicht konstruiert - auch deshalb nicht, weil es in dem Roman nicht nur darum geht, eine alternative geschichtliche Entwicklung als plausibel darzustellen, sondern auch um die Schilderung einer Utopie. Das Werk stellt das nach der preußischen Niederlage entstandene genossenschaftlich-föderale Gemeinwesen als bessere Gesellschaft dar, die entsteht, weil der Hegelsche Weltgeist (der eigentlich für den Triumph Preußens und die deutsche Einigung sorgen sollte) gewissermaßen über die eigenen Füße gestolpert ist.

#294 RobRandall

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Geschrieben 03 September 2011 - 13:02

So, angesichts der Diskussion habe ich mir Fahrenheit 451 noch einmal vorgenommen. Auch wenn ich noch nicht ganz durch bin, würde ich Zahnschmerzen bekommen, wenn ich ihn als Anti-Utopie bezeichnen müsste...

Bearbeitet von RobRandall, 03 September 2011 - 13:02.


#295 Konrad

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Geschrieben 03 September 2011 - 14:26

Naheliegend, denn es ist dem Leser relativ leicht klarzumachen, dass ein "anderer" Ausgang von Schlacht X auch zu einem anderen Geschichtsverlauf führen konnte/musste, womit der POD definiert und nachvollziehbar gestaltet ist. Darauf basiert ein Großteil der "Civil War"-AH, die in den USA recht populär ist. Aber auch im europäischen Kontext ist es natürlich nicht unspannend, wenn man sich die Frage vorlegt, was geschehen wäre, wenn Napoleon Waterloo überzeugend gewonnen hätte oder wenn Valens vor Adrianopel einen klaren Sieg davon getragen hätte.

Und es entspricht dem in der Schule, zumindest in der Unterstufe, vermittelten Bild von Geschichte als einer Folge von Kriegen mit ein paar wenig interessanten Friedenszeiten dazwischen.

#296 Konrad

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Geschrieben 04 September 2011 - 09:51

So, angesichts der Diskussion habe ich mir Fahrenheit 451 noch einmal vorgenommen. Auch wenn ich noch nicht ganz durch bin, würde ich Zahnschmerzen bekommen, wenn ich ihn als Anti-Utopie bezeichnen müsste...

Sag' ich doch.
Das Ganze ist viel zu sehr auf den Zweck hin konstruiert, dem Buch ein poetisches Denkmal zu setzen, um eine ensthafte Anti-Utopie zu sein.

#297 RobRandall

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Geschrieben 04 September 2011 - 11:20

Sag' ich doch.
Das Ganze ist viel zu sehr auf den Zweck hin konstruiert, dem Buch ein poetisches Denkmal zu setzen, um eine ensthafte Anti-Utopie zu sein.

Das wäre jetzt nicht mein Kriterium. Bisher ist mir noch nichts begegnet, das darauf hinweisen würde, dass der Text irgendwie utopisches Denken allgemein bzw. konkrete Entwürfe kritisiert. Er schildert "einfach" einen "schlechten Ort". Aber darauf hast du ja hingewiesen.

#298 Konrad

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Geschrieben 04 September 2011 - 23:04

Ah, ok. Das ging aus den Beschreibungen, die mir vorliegen, nicht hervor.

Nachdem ich nochmal in "Elleander Morning" geschmökert habe, muß ich mich korrigieren.
Es ist doch immer wieder erschreckend, welche Streiche einem das Gedächtnis spielt.
Ich habe den Roman vor 25 Jahren gelesen und war felsenfest überzeugt, Elleanders "monströses" Bett wäre eine Zeitmaschine (bei einem erotischen Roman irgendwie logisch). :thumb:
Jedenfalls läßt sich dies bei genauerer Betrachtung nicht aufrecht halten.
Die Zeitreise bzw. Zeitversetzung wird nicht durch eine Maschine verursacht, sondern wohl durch ein parapsychisches Phänomen.
Irgendwie hat mich H.G.Wells, der in dem Buch eine Rolle spielt, auf eine falsche Fährte gelockt.

Bearbeitet von Konrad, 04 September 2011 - 23:21.


#299 Ming der Grausame

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Geschrieben 05 September 2011 - 20:19

Kannst du da mal ein Beispiel aufführen? Spontan fällt mir nämlich keine konjunktive Verknüpfung von Eigenschaften einer Genredefinition, welche sich nicht notwendigerweise im Genrenamen befindet bzw. daraus ableiten lässt.

Z.B. Definitionen mit Eigenschaftsausschlüssen.

Kannst du mal ein Beispiel einer Genredefinition mit Eigenschaftsausschlüssen, das sich nicht im Genrenamen befindet bzw. daraus ableiten lässt? Anti-Utopie wäre ja z.B. ein Genre, das sich notwendigerweise unmittelbar aus dem Genrenamen ableiten lässt und Eigenschaftsausschlüssen besitzt...
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Geschrieben 05 September 2011 - 20:34

Bisher ist mir noch nichts begegnet, das darauf hinweisen würde, dass der Text irgendwie utopisches Denken allgemein bzw. konkrete Entwürfe kritisiert. Er schildert "einfach" einen "schlechten Ort".

Fernsehen ist ein Massenmedium und hat sich seit den 50er Jahren des letzten Jahrhunderts in den Industriestaaten zum Leitmedium entwickelt. Dadurch wird es zur Grundlage der allgemeinen Geschmacks- und Stilbildung und beeinflusst maßgeblich die gesellschaftliche Kommunikation. Studien zeigen auch einen Zusammenhang zwischen Fernsehsendungen mit Darstellungen von Gewalt und gewalttätigem Verhalten. All dies wird in Fahrenheit 451 durchaus thematisiert und sind sehr konkrete Entwürfe. Deshalb betrachte ich es ja auch als Dystopie.

Bearbeitet von Ming der Grausame, 05 September 2011 - 20:36.

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