Ich denke nicht, dass ich zu jedem Begriff eine Brockhaus-Definition liefern muss. Allein aus dem Kontext unserer Unterhaltung dürftest du mittlerweile wissen, was ich unter Menschsein und Menschlichkeit verstehe. Wenn du in diesen Begriffen Nichts siehst, dann kann ich es auch nicht ändern.Du arbeitest mit leeren Begriffen. Sie klingen alle natürlich sehr schön und höchst plakativ, aber dahinter ist schlicht Nichts.
Du drehst mir hier die Worte im Mund um und das weißt du auch. Ich habe nie behauptet, dass Kriege eine Nichtigkeit wären. Ich habe gesagt, dass die Auslöser eine Nichtigkeit darstellen, gemessen an dem Leid und Elend, das aus ihnen erwächst. Die Auslöser mögen politisch oder sozial begründet sein, aber das rechtfertigt niemals Millionen Tote.Ich würde einen vierjährigen Bürgerkrieg nicht gerade eine Nichtigkeit nennen.
Niemand hält sie davon an es tun. Die Industrienationen sind aber nicht bereit dafür zu zahlen, und da es sich dabei zufälligerweise auch um meine Steuern handeln würde, wäre ich übrigens auch dagegen. Du kannst gerne eine Partei gründen, die sich solch hehre Ziele an die Fahne heftet. Ich fürchte allerdings, dass du nicht sonderlich viele Wähler davon überzeugen wirst, ihre Gelder für andere auszugeben, ohne das sie davon irgendeinen Vorteil hätten.
Du wirst jetzt wahrscheinlich lachen, aber ich spende im Jahr einen niedrigen dreistelligen Betrag an Hilfsorganisationen. Es sind immer Einmalspenden und nur an Organisationen, die das DZI-Spendensiegel tragen. Meist tue ich das nach großen Katastrophen. Ich würde sogar mehr geben, wenn ich mehr erübrigen könnte - leider kann ich das nicht. Da in Deutschland aber jährlich mehrere Milliarden Euro an Spendengelder zusammenkommen, bin ich mir sicher, dass ich damit nicht allein dastehe.Ja, aber wärest du dafür bereit höhere Steuern oder sonstige Abgaben zu bezahlen? Das Ganze muss schließlich finanziert werden. Das ist doch die Gretchenfrage.
Ming, ich weiß, dass wir auf keinen grünen Zweig kommen werden und wahrscheinlich würde sich diese Diskussion jetzt noch eine Weile im Kreis drehen. Ich werde mich jetzt allerdings hier ausklinken und überlasse dir das Feld. Abschließend möchte ich dir aber noch eine persönliche Geschichte erzählen, die nichts mit dir zu tun hat, aber ein wenig mit deiner Überzeugung, dass sich jeder selbst überlassen sein sollte:
Vor einigen Jahren bin ich auf dem Nachhauseweg von zwei Skinheads zusammengeschlagen und ausgeraubt wurden. Und zwar richtig heftig. Ich lag danach fast zwei Stunden (diese Zeit hat die spätere Polizeiermittlung ergeben) bewusstlos auf dem Gehweg - zehn Meter vom zentralen Kreisverkehr in der Stadtmitte meiner 30.000-Einwohner-Heimatstadt entfernt, in der Nacht von Samstag zu Sonntag. Denkst du irgendjemand hat mir damals geholfen? Nein, für die Leute, die mich gesehen haben (und ich bin mir sicher, dass es die gab), galt auch: survival of the fittest.
Als ich wieder zu mir kam, hab ich mich kriechend(!) mehrere hundert Meter zum Haus meiner Eltern geschleppt und wurde von ihnen in die Notaufnahme gebracht. Diagnose: mittelschwere Gehirnerschütterung, Rippenprellungen, Organquetschungen. Fazit: eine Woche Krankenhaus.
Bei dem Gedanken, dass ich bei einem Schädeltrauma, Rippenbruch oder Milzriss jetzt eventuell nicht hier sitzen würde, weil viele Menschen einfach wegschauen und einen sich selbst überlassen, wird mir ehrlich gesagt schlecht. Deshalb werde ich auch nie von meiner Meinung abrücken, dass man Menschen in Not helfen sollte!
Und das war's jetzt auch von mir. Ich wünsche dir trotzdem ein Frohes Fest und vielleicht den ein oder anderen guten Vorsatz für das neue Jahr.