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Immer eine Handbreit Zukunft unterm Kiel


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64 Antworten in diesem Thema

#1 Gast_Jakob_*

Gast_Jakob_*
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Geschrieben 02 September 2003 - 16:06

Hallo,Im folgenden ein leider sehr langer Leserbrief von mir zum Artikel Immer eine Handbreit Zukunft unterm Kiel in AC 55. Eigentlich gefällt es mir nicht, das Forum für politische Diskussionen zu "missbrauchen", in diesem Falle finde ich es allerdings unabdingbar.Neusprech in Alien Contact - eine Replik auf Michael Szameit in AC 55Alien Contact ist ein SF-Magazin, ein „unpolitisches“ Magazin also, das gleichwohl erklärtermaßen der politischen Diskussion und Kritik Vorschub leisten will. Der vermeintliche Widerspruch dabei liegt nicht in der Sache der SF. Im Gegenteil, SF ist das Genre radikaler politischer Kritik schlechthin, weil sie sich anbietet, Kritik an der Wirklichkeit selbst zu üben - und nichts anderes kann eine Kritik der Verhältnisse, die sich selbst ernst nimmt, sein. Nicht der Gegenstand SF ist es, die das artikulieren politischer Positionen in einem Magazin wie AC zu einer diffizilen Angelegenheit macht. Das Problem liegt in dem allgemeinen und diffusen Anspruch, irgendwie gegen Rassismus zu sein, gegen Krieg, irgendwie vielleicht auch mit Marx gegen die „Herrschaft des Menschen über den Menschen“, irgendwie bereit, grundsätzliche Fragen zu stellen und utopistische Antworten zu geben. Das alles könnte sympathischer nicht sein, wäre nicht das Fundament, auf dem es in AC fußt, eines von ausgesprochen trügerischer Festigkeit: Dieser diskursive Sandstein nennt sich Gesunder Menschenverstand.Der Gesunde Menschenverstand sagt uns, dass Gewaltverherrlichung in den Medien die Gewaltbereitschaft steigert. Stimmt das? Es muss stimmen. Der Gesunde Menschenverstand sagt es. Wer etwas anderes sagt, lügt. Soweit Michael Szameit. Ein paar mehr Thesen zum Gesunden Menschenverstand:Der Gesunde Menschenverstand sagt uns, das Frauen für die Kinderversorgung zuständig sind - schließlich kriegen sie auch die Kinder. Stimmt das? Heute mag diese Aussage von vielen zurecht als reaktionär betrachtet werden. Aber vor fünfzig Jahren hat der Gesunde Menscherstand ihr Recht gegeben, und wer anderes sagte, log.Der Gesunde Menschenverstand sagt uns, dass Menschen afrikanischer Abstammung aufgrund ihres geringeren Schädelumfangs weniger intelligent sind als Europäer. In den meisten Europäischen Ländern war auch das bis in die vierziger Jahre „wahr“. Auch Rassismus war „Common sense“ und ist es für manche noch.Der Gesunde Menschenverstand sagt uns, dass die Juden unser Unglück sind - das schließlich ist eine „Wahrheit“, die bis 1945 nicht nur (aber überwiegend) Deutsche als selbstverständlich akzeptierten, und die auch heute trotz aller antifaschistischen Bemühungen ganz und gar nicht von der Bildfläche verschwunden ist.Der gesunde Menschenverstand sagt uns auch eine Menge Sachen, auf die wir hören sollten: Er hält uns von bewaffneten Amokläufen ab, lehrt uns, Argumentationen und vermeintliche Tatsachen zu überprüfen, und schafft eine Basis, auf der Menschen miteinander kommunizieren können. Deshalb ist er aber nicht wahr, seine Gebote nicht zwingend richtig. Er ist eine Übereinkunft - und Menschen können ebenso sehr übereinkommen, gemeinsam ein Haus zu bauen wie sie übereinkommen können, ein Flugzeug zu entführen und es als Mordwaffe einzusetzen. Im folgenden möchte ich dem Gesunden Menschenverstand, der dieser Tage oftmals in Form eines sehr speziellen Neusprech auftritt, contra geben. „Das Jahr 1984 hat sich zu einer Zeitschleife in sich selbst zurückgekrümmt, und wir können ihm längst nicht mehr entrinnen.“ Was Szameit solcherart in seinem Kommentar zu seinem Essay Immer eine Handbreit Zukunft unterm Kiel (AC 55) konstatiert, trifft auf seltsam verkrümmte Art vielleicht zu - nur ist es Szameit selbst, der hier in das orwellsche Neusprech mit einfällt, das seit bald zwei Jahren die deutschen Feuilletons beherrscht. In diesem Neusprech heißt Europa „Friedensmacht“, deutsche Interessenpolitik heißt „Friedenspolitik“ und der Holocaust wird zur „europäischen Erfahrung“ umdefiniert, als hätte ganz Europa zwischen 1933 und ´45 gemeinsam an einem verlängerten Wochenendseminar teilgenommen. Diese Sprachregelung ist das implizit revanchistische, kulturpessimistische und unterm Strich schlicht reaktionäre Fundament, auf dem Szameit - willentlich oder nicht - aufbaut. Wenn man auf solchen Fundamenten mauert, dann kommt oft das heraus, was ich die „Aber“-Schreibweise nennen möchte: „Ich bin kein Rassist, aber:“, oder: „Ich bin kein Frauenfeind, aber:“. Danach kommt meistens etwas ziemlich übel rassistisches bzw. frauenfeindliches, was als Gesunder Menschenverstand ausgegeben wird - oft genug mit Erfolg, da es ja dem Common Sense seiner Zeit folgt. Dem Satzteil vor dem „aber“ muss im Zweifelsfall glauben geschenkt werden, in dem Sinne, dass er die tatsächliche Überzeugung des Sprechers kundtut. In diesem Sinne möchte ich hinzufügen: Nein, Michael Szameit ist wohl kein Antiamerikaner (und auch kein Nationalist), aber:„Vergleicht die literarische Erbärmlichkeit der Massenvernichtungskultur, die ihr euch täglich reinzieht, bitte einmal mit dem Anspruch, dem sich die letzte Generation der DDR-SF stellte, der dieser Essay »Immer eine Handbreit Zukunft unterm Kiel« gewidmet war. Auch wenn die handwerkliche Kunstfertigkeit der meisten Geschichten hinter der Professionalität amerikanischer Fließbandschreiber mehr oder weniger deutlich zurücksteht, so haben diese Debütantengeschichten etwas, was den Gewaltanbetungs-Liturgien der amerikanischen Soldschreiber vollkommen fehlt: Sie alle tragen tief in sich Menschlichkeit.“Und hat er nicht recht? Wahrscheinlich schon, wenn wir Szameits Vergleichsmenge teilen und die von ihm genannten deutschen Autoren gegen amerikanische Battletech-Romane aufrechnen. Dann müssten wir aber auch die deutsche Rollenspielromanserien wie DSA gegen amerikanische AutorInnen wie Theodore Sturgeon, Samuel Delany, Joanna Russ oder Neal Stephenson aufrechnen. Ich möchte die These wagen, das Szameit Vorliebe für die deutsche SF sich blamieren würde, setzte man den Vergleich fort. Aber Szameit ist, so hart es klingen mag, kein Empiriker, sonder ein Ideologe: Er muss keine kulturwissenschaftlichen Untersuchungen zur Kenntnis nehmen, um festzustellen, dass deutsche Autoren „tief in sich“ mehr „Menschlichkeit“ tragen als amerikanische. Er muss sich nicht mit soziologischen Studien befassen, um zu „wissen“, dass (natürlich amerikanische) „Gewaltspiele“ ihre KonsumentInnen gewalttätig machen. Schon gar nicht muss er sich mit diesen KonsumentInnen selbst auseinandersetzen. Seine Urteilskraft verleiht ihm allein der Gesunde Menschenverstand, der ihn noch dazu veranlasst, die Aussagen anderer, auf dem Gebiet möglicherweise kompetenter Personen als „verlogenes Gewäsch“ abzutun. Szameit bevorzugt es, seine Aussagen ohne jede kritische Reflexion oder Überprüfung zu treffen. Dass bei seiner Art von „Klartext“ deutliche nationalistische Untertöne mitschwingen, hat er schon früher bewiesen: mit seiner Story Happy Independence Day in AC 39.Bis hierher hätte man all das in einem SF-Magazin durchgehen lassen können - Zwar lässt Szameits Gejammer einen profunden Antiamerikanismus durchblicken, doch er beschränkt diesen zumindest auf seine Meinung zur US-amerikanischen SF. Es gibt wahrhaft schlimmeres, könnte man meinen - und wird wenige Absätze später darauf stoßen. Nachdem Szameit ein bisschen über die Aktualität von Orwells 1984 sinniert hat, kommt er Kraft seines Gesunden Menschenverstands er zu folgendem Ergebnis:„Meinungsfreiheit bedeutet in unserer wunderbaren Demokratie, dass der Herr über die auflagenstärkste Zeitung ohne jede demokratische Kontrolle die Gehirne seiner Leser waschen, spülen und trocknen kann, wie es ihn beliebt. Meinungsfreiheit bedeutet, dass Kritik an Israel oder den USA mit dem Antisemitismus-Vorwurf mundtot gemacht wird.“Der Satz vom Antisemitismus-Vorwurf (offensichtlich eine Variation von Walsers „Auschwitz-Keule“) gehört inzwischen zum Allgemeingut der deutschen Diskurslandschaft. Spätestens seit Walsers Paulskirchen-Rede „weiß“ jeder gute Deutsche, dass es ein Tabu gibt, dass es den Deutschen verbietet, etwas gegen Israel (wahlweise auch: gegen Juden) zu sagen. Die auflagenstärksten Zeitungen verkünden es, die Politiker der bürgerlichen Parteien prangern es an, der Volksmund wird nicht müde, sich darüber zu ereifern.Preisfrage: Wer weiß, was ein „Tabu“ ist? Antwort: Ein Redeverbot, etwas, das so unantastbar ist, das seine Unantastbarkeit selbst nicht ausgesprochen werden darf! Davon ist in Deutschland allerdings nichts zu spüren, denn alle reden vom Tabu! Und jeder fühlt sich bemüßigt, selbst noch einmal Israel zu kritisieren, informiert oder nicht, nur um zu zeigen, dass er sich dem Tabu nicht beugt. Warum kritisieren wir eigentlich nicht Frankreich für seine militärische Intervention an der Elfenbeinküste? Oder Palästina für die Ausbildung und Unterstützung von Selbstmordattentätern? Den Irak für die Ermordung tausender KurdInnen? Würde das nicht der Gesunde Menschenverstand gebieten?Ich habe nicht nur den Verdacht, ich bin der Überzeugung, dass es sich mit dem sogenannten „Antisemitismus-Vorwurf“ genau andersrum verhält: Denn Meinungsfreiheit bedeutet in Deutschland dieser Tage, dass jede Kritik am Antisemitismus und seinem kleinen Bruder, dem Antizionismus, mit dem Vorwurf, es handele sich um die „Antisemitismus-Keule“, mundtot gemacht wird.Das besonders deprimierende daran: es braucht kaum Manipulation dafür. Die Deutschen scheinen von ganz alleine in die antisemitische, revanchistische Gangart zurückgefunden zu haben. Und Szameit marschiert, willentlich oder unbewusst, mit: etwa, wenn er in obigem Zitat nur hauchdünn bemäntelt impliziert, es gäbe da im Hintergrund „welche“, die die Strippen ziehen, die uns manipulieren, und die uns Kritik an Israel und an den USA verböten. Die gleichen „Erkenntnisse“ verkünden auch die offenen Antisemiten von der NPD. Wer wie Szameit Verschwörungstheorien, Israel und USA zu einem hübschen Brei des Bösen vermengt, braucht nicht „jüdische Weltverschwörung“ zu sagen, um verstanden zu werden. Einige Antworten bleiben die Verschwörungstheoretiker allerdings schuldig: wenn es uns verboten ist, die USA zu kritisieren, warum führte Michael Moores Stupid White Men dann monatelang die Bestsellerlisten an? Warum durften Millionen Menschen gegen den jüngsten Irak-Krieg auf die Straße gehen? Und wenn es uns verboten ist, Israel zu kritisieren, warum können dann deutsche Politiker wie Jamal Karsli oder der verstorbene Jürgen W. Möllemann und Kulturschaffende wie Martin Walser ihre Israelkritik als Aushängeschilder vor sich her tragen - und damit erfolgreich sein?Mir liegt nichts daran, Michael Szameit persönlich anzugreifen. Mir liegt allerdings sehr wohl daran, dass ein mindestens implizit revanchistischer, kulturnationalistischer und antisemitischer Text in AC nicht abgedruckt wird, ohne dass sich Widerspruch regt. Ich glaube dem Autor von ganzem Herzen, dass er sich nicht als Revanchisten, Nationalisten oder Antisemiten sieht. Ich nehme allerdings an, dass er seiner Zurückweisung dieser Vorwürfe ein großes „Aber“ anhängen würde. In der Gesellschaftskritik wie in der SF gilt jedoch: Soll sie gut und treffend sein, dann muss sie den Implikationen und Widersprüchen nachspüren, die sich aus den postulierten Ausgangsbedingungen ergeben, und gegebenenfalls genau das revidieren, was zuvor als Gesunder Menschenverstand erschien - anstatt einfach alle Probleme mit einem „Aber“ beiseite zu wischen und dann das immergleiche nochmals zu wiederholen. Szameits implizite Behauptung, kein Antisemit zu sein (Die sich aus seiner Zurückweisung des Antisemitismus-Vorwurfs ergibt), wird durch den Rest des Textes nicht etwa mit Inhalt gefüllt, sondern dessen entleert und in ihr Gegenteil verkehrt. Gegen diese Art Neusprech hilft kein Gesunder Menschenverstand, sondern nur schonungslose Kritik.Mit freundlichen Grüßen,Jakob Schmidt.

#2 Oliver

Oliver

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Geschrieben 02 September 2003 - 18:18

Danke, Jakob, das kann ich voll unterschreiben.
  • (Buch) gerade am lesen:"Tales of the Shadowmen 1", J.-M. Lofficier (ed.)
  • (Buch) als nächstes geplant:"Tales of the Shadowmen 2", J.-M. Lofficier (ed.)
  • • (Buch) Neuerwerbung: Sherlock Holmes - Aus den Geheimakten des Weltdetektivs (Sammelband, 1973, mit 15 Heftromanen (1907/1908))
  • • (Film) gerade gesehen: "Das Testament des Dr. Mabuse" (Fritz Lang)
  • • (Film) als nächstes geplant: "Jurassic World: Dominion" (Dinos!!!!!)
  • • (Film) Neuerwerbung: "Judex" (Louis Feuillade)

#3 Koyaanisqatsi

Koyaanisqatsi

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Geschrieben 05 September 2003 - 02:18

Szameits moralinsaures Gejämmele ist unerträglich. Wäre schön, wenn er keine Lust mehr hätte, dergleichen zu schreiben.

*unterschreib* bei dem Artikel dachte ich zuerst :blink: und fasste mir an den Kopf.
Seine politische Einstellung kannte ich schon und finde/fand diese auch oft zustimmungswürdig, aber was er da abläßt ist ja nur noch peinlich und einfach nur *argh*

"Sie sind längst süchtig nach ihrer täglichen Dosis Gewalt und lassen sie sich von niemandem wegnehmen."
ja sicher....treibt er sich die ganze zeit mit sonen leuten rum, oder hat er diese informationen aus den sendungen, die aus der angeblich so viel mehr gewordenen gewalt kapital schlagen wollen, und die er somit gar nicht sieht.

"..deshalb richte ich meine Worte ausdrücklich an die Ego-Shooter-Fans und die Anhänger der Baller-SF."
"Jajajaja, ich kenne alle eure Ausflüchte: ... »ich spiele nun schon zwei Jahre Counterstrike und habe noch nie einen Menschen getötet« ... »ich gucke mir gern Stargate und Andromeda an, und ich habe mich in meinem ganzen Leben noch nicht einmal geprügelt« ... blablabla – ich kann dieses verlogene Gewäsch einfach nicht mehr hören."
verlogen? stimmt doch (fast) alles, diese "ausflüchte"... als ob man früher nie cowboy und indianer gespielt hätte http://www.scifinet....tyle_emoticons/default/rolleyes.gif
ich glaube er hat selbst zuviele von den sendungen gesehen, in den geschlußfolgert wird: baller-spiele ->verrohung ->gewalt

"Da habe ich endgültig begriffen, dass euch nicht zu helfen ist, und deshalb werde ich meinen Kampf um euer Seelenheil nun einstellen. "
nein, mein messias, gib uns nicht verloren... (mein gott!)

"Vergnügt euch weiter mit Terminator und Matrix, und vergesst ganz schnell, dass es auch mal SF gab, in der die Eroberung des Universums von der menschlichen Sehnsucht nach fernen Freunden vorangetrieben wurde."
in matrix und terminator geht es nicht um die eroberung des weltalls...

also szameit ist bei mir unten durch, so ein ereiferndes, bekehren wollendes, uninformiertes, sinnloses, pseudo "ich-bin-gegen-diese-böse-voller-gewalt-und-teuflische-gesellschaft" "ihr-seid-ja-alle-so-blöd" gewäsch
*argh* :D

Bearbeitet von Koyaanisqatsi, 05 September 2003 - 02:27.


#4 MartinHoyer

MartinHoyer

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Geschrieben 05 September 2003 - 11:57

Die Aufregung um den Kommentar kann ich nicht nachvollziehen, weil ich schon den Kommentar selbst nicht nachvollziehen kann. Die Überleitung von der Ablehung eines SF-Friedenspreises zur vermeintlichen Gewaltsucht der SF-Schaffenden erschließt sich mir nicht.Ich kann auch nicht prüfen, was in welcher Form berechtigt war. Ich habe selbst schon gegen viele bekloppte Ideen argumentiert, auch wenn (eventuell) eine hehre Absicht dahinter stand. Ich halte beispielsweise die Love Parade für den größten Schwachsinn seit der Erfindung der batteriebetriebenen Zahnbürste, ohne deswegen gegen Frieden, Liebe und alles Andere zu sein, was das Leben lebenswert macht.Ich habe allerdings auch schon erlebt, wie gute Ideen niederargumentiert wurden, weil das hehre Ziel niemandem einsichtig war. Sollte jemand Zeuge der Ereignisse gewesen sein, schildere er/sie mir bitte seine/ihre Eindrücke.Im weiteren Verlauf des Kommentars fühle ich mich weniger verwirrt als vielmehr angegriffen. Ich werde als junger SF-Schaffender, der mit action-orientierten SF-Serien und Ballerspielen aufgewachsen ist, mit grenzdebilen Gewaltjunkies, deren einziges Ziel es ist, ihre Lehrer und Klassenkameraden zu schächten, über einen Kamm geschoren. Habe ich das Unglück der späten Geburt? Oder bin ich immun, weil ich die prägenden Jahre meiner Kindheit in der DDR verlebt habe? Ich weiß es nicht, offen gestanden.Herr Szameit spricht in jedem zweiten Satz von Menschlichkeit, verlangt jedoch im gleichen Atemzug Übermenschlichkeit auf Basis seinen Ideals: Der schreibende Mensch darf seine gewalttätige Natur nicht in dem widerspiegeln lassen, was er schreibt. Er darf den Funken der Menschlichkeit nicht in einer grausamen Umgebung glimmen lassen. - Nein, der SF-Schaffende muß tun wie die an der kurzen Leine gehaltenen Autoren der DDR, die ihre ureigenen Ideale in den erzählerischen Raum setzten, den das System ihnen vorgab. Ein Raum, in der einfache Menschen in Uniform an der Grenze Friedenswacht hielten, bis daß die Zukunft komme, in der sie nicht mehr nötig sind; wenn die ganze Welt eingesehen hat, welcher Segen der Sozialismus auch zwischen den Sternen ist. Dann gibt es nichts weiter zu tun als zu forschen, Kinder zu machen und diesen beizubringen, wie man die Grenzen des bekannten Universums weiter nach außen verschiebt.Ja, in der DDR war es leicht, über eine schöne Zukunft zu schreiben. Zeitsprung. Das System stürzt, die Ideologie fällt. Zurück bleiben SF-Schaffende, die entweder im neuen System aufgewachsen sind oder sich in dieses hineinfinden. Die Welt ist plötzlich "böse" geworden; die ganze Welt, nicht nur die im Westen, die man aussperren kann, bis sie bekehrt sind. Die Zukunft ist plötzlich nicht mehr so klar, und die SF verändert sich. Sie entwickelt mehr dystopische als utopische Ausblicke. Manchmal ist sie auch einfach nur billige Unterhaltung ohne jeden Ausblick, aber das ist eher die Ausnahme.Macht die Augen auf, Leute. Kreative Menschen haben immer Ideale, und den unwiderstehlichen Drang, sie zu verbreiten, selbst wenn sie ihren Lebensunterhalt zu bestreiten haben. Sie verstecken eine Perle auch im größten Misthaufen, den sie auftürmen müssen, weil nach Mist verlangt wurde, und sich die Konsumenten darin wohlig suhlen wollen. Manchmal drückt ihnen dabei etwas, und siehe da: Es ist die Perle. Sie mag den Suhlenden in diesem Augenblick stören, aber das ist auf lange Sicht unerheblich.Niemand wirft eine Perle weg.
Though my soul may set in darkness, it will rise in perfect light;
I have loved the stars too fondly to be fearful of the night.
(Sarah Williams: The Old Astronomer To His Pupil)

#5 don.rumata

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Geschrieben 10 September 2003 - 15:29

Hallo Jakob,

Zwar löst Szameits heftige Polemik auch bei mir Erstaunen und Kopfschütteln aus - regelrecht erschrocken bin ich aber über Deine Replik, die in Antisemitismus-Vorwürfen gegen den Autor gipfelt.
Und ebenso erschrocken bin ich darüber, daß das niemand im Forum zu stören scheint.

Du hast ein recht ideologisches Traktat geschrieben. (Den Vorwurf "Szameit ist ein Ideologe" gebe ich hiermit an Dich weiter). Du feuerst Breitseiten von '-ismen' ab und zuweilen scheint Dir Szameit nur eine Vorlage zu sein für eine Generalabrechnung mit dem 'reaktionären, revanchistischen' deutschen Volk.

Dein Rundumschlag ist zwar nicht sehr freundlich und meiner Meinung nach auch unberechtigt - aber was mich wirklich entsetzt und weshalb ich Dir antworte, ist die Tatsache, daß Du aus einem einzigen strittigen Satz den schlimmsten Vorwurf konstruierst, den man jemanden machen kann: Antisemitismus.

Der inkriminierte Satz lautet: "Meinungsfreiheit bedeutet, dass Kritik an Israel oder den USA mit dem Antisemitismus-Vorwurf mundtot gemacht wird."

Szameit hat nicht geschrieben: "Jegliche Kritik..." - eine solche Aussage wäre tatsächlich nicht zu rechtfertigen. Der Satz bedeutet demnach: Es gibt Fälle, in denen Kritik an Israel oder den USA mit dem - unberechtigten - Vorwurf Antisemitismus unterbunden wird. (Damit ist auch Dein Hinweis auf den in dieser Hinsicht unbescholtenen Michael Moore hinfällig).

Man kann diese Aussage natürlich ablehnen. Aber Du gehst weit darüber hinaus, indem Du behauptest: das ist kein Irrtum (weil es solche Antisemitismus-Vorwürfe nicht gibt), es ist keine Überempfindlichkeit Szameits (der da irgendetwas in den falschen Hals bekommen hat), es ist auch nicht möglicherweise, sondern in jedem Fall Antisemitismus, es bedeutet gar, daß Szameit an eine "jüdische Weltverschwörung" glaubt, es gleicht den Aussagen der NPD.

Die Argumentationslinie "Wer gegen Amerika ist, der ist im Grunde Antisemit", gibt es leider tatsächlich. Ein Musterbeispiel für diese Argumentation findest Du im Zeit-Essay "Amerika, Du machst es besser" von Nathan Sznaider. Der Autor begründet seine Thesen mit dem haarsträubenden Satz "Amerika ist jüdischer als Israel".

Würde ein 'Nicht-Jude' diesen Satz in den Mund nehmen, dann wärest Du wohl der Erste, der "Antisemit" rufen würde. Und das wahrscheinlich zu Recht.

Ganz ähnliche Argumentationen wie in dem erwähnten Essay findest Du bei Dan Diner und auch bei Henryk M. Broder.

Man kann eben nicht sagen, daß Szameits Aussage völlig aus der Luft gegriffen ist. Sicherlich kann man streiten, ob es sich bei dieser Art von Vorwürfen um eine Randerscheinung handelt.
Aber nur aufgrund dieses einen Satzes Antisemitismus zu unterstellen, ist in jedem Fall falsch und unfair.

Mehr möchte ich auch gar nicht über das schreckliche A-Wort diskutieren. Ich habe es heute ohnehin schon öfter geschrieben als sonst in meinem Leben. Du hast recht, wenn Du schreibst, solche Diskussionen gehören eigentlich nicht hierher. Ich fand nur, man kann so einen schweren Vorwurf nicht unwidersprochen stehen lassen.

MfG Don.Rumata

Zum Thema Kritik an Israel noch ein Link:Interview mit dem israelischen Schriftsteller Etgar Keret, der selbst mal in den Verdacht geriet, einen antisemitischen (!) Sketch geschrieben zu haben.

#6 Jakob

Jakob

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Geschrieben 11 September 2003 - 13:50

Hallo don.rumata,Nur um das klarzustellen: Es geht mir nicht darum, Michael Szameit oder irgendeine Person als "Antisemiten" zu "entlarven" - ich habe das auch versucht, in dem Text deutlich zu machen. M.E. funktionieren Ideologien (ein Begriff, denn ich durchaus mit Überlegung verwende) eben nicht so, dass sich jemand entscheidet: "Ich bin Antisemit" oder "Ich bin Rassist". Ideologisch sein heißt viel mehr, sich einen ganz bestimmten Reim auf gesellschaftliche Verhältnisse zu machen und das dann eben nicht als Meinung, sondern als allgemeingültige Tatsache darzustellen (eben "Gesunder Menschenverstand"). Deshalb möchte ich auch den Vorwurf des Ideologentums weitgehend zurückweisen - Ideologie ist nicht, wenn man eine Meinung hat und diese vertritt. Ideologie ist, so zu tun, als wäre diese Meinung quasi von Natur aus richtig - zumindest, wenn man es mit Marx hält, was ich in diesem Fall tue. Vor allen Dingen ist Ideologie nicht einfach "Lüge". Natürlich stimmt es, dass viele Menschen sich zu Unrecht den Antisemitismus-Vorwurf einfangen - aber das zu verallgemeinern und zum Welterklärungs-Vehikel zu machen (was Szameit mit seiner 1984-Parallele eindeutig tut!) ist trotzdem eine ideologische Projektion. Ich sage eben dagegen: Szameit irrt sich, weit häufiger trifft der Antisemitismus-Vorwurf den Nagel auf den Kopf. Nicht, weil die Leute, die von ihm getroffen werden, verkappte Antisemiten sind, sondern weil sie an einem antisemitischen Diskurs mitstricken.Der antisemitische Diskurs in deutschland hat nun mal ein paar hinlänglich bekannte Merkmale, die allesamt von Szameit bedient werden: Er ist Verschwörungstheoretisch (1984), er stellt die Deutschen immer als Opfer dar (in diesem Fall als Opfer von "Meinungsterror"), er hat Angst vor dem Aussterben der "deutschen Kultur" (vgl. Szameits Happy Independence Day!).Ich unterstelle Szameit einfach mal, dass er sich nicht mit der geschichte und den merkmalen des Antisemitismus auseinandergesetzt hat und deshalb nicht weiß, welche Klischees er bedient. Das macht meine Kritik aber nicht unberechtigt - insbesondere, wenn ich betone, dass ich Szameit eben tatsächlich nicht für einen Antisemiten halte!Das man mit der Argumentation von Leuten wie Dan Diner Probleme haben kann, sehe ich ein, das sei jedem unbenommen. Nun ist es aber so, das nicht die Dan Diners unser Land regieren - schon eher die Walsers (wenn man die Auflagenstärke betrachtet).Zuschlechterletzt ist einfach mal festzustellen, dass Argumentationen wie die Szameits eben ganz einfach faktisch anschlussfähig bis ganz rechts außen sind. Die sogenannten "Querfrontprojekte" von ultranationalistischen Rechten, die versuchen, ideologischen Anschluss nach links zu kriegen, arbeiten immer wieder mit der Beschwörung der "gemeinsamen Feinde" USA, Zionismus oder einfach kurz und bündig "USrael", gegen die es sich zu verbünden gelte. Kann man z.B. alles in der vermeintlich "linken", nationalistisch-antisemitischen onlinezeitung kalaschnikow nachlesen.Das heißt nicht, dass jeder, der ähnlich argumentiert, ein rechtsradikaler oder Antisemit ist - es heißt aber, dass jeder, der so argumentiert, sich gedanken darüber machen sollte, wie er/sie zu seinen/ihren Ansichten kommt und ob diese eventuell zu revidieren sind. Und die meisten Lete regt man nicht zum nachdenken an, indem man sie streichelt, sondern in dem man ihnen einen kräftigen Schubs gibt (bildlich gesprochen).(Übrigens möchte ich hier auch nicht einer platten links-gleich-rechts-Totalitarismusthese das Wort reden. Wer sich aber links positionieren will, muss schon etwas sorgfältiger nachdenken und auch seine eigenen "natürlichen" Vorstellungen von Gesellschaft einer kritischen Prüfung unterziehen.)Also nochmal der Disclaimer: Szameit ist, soweit ich das beurteilen kann, kein Antisemit - davon bin ich überzeugt und das meine ich ernst! Allerdings IST seine Argumentationsweise ideologisch UND strukturell antisemitisch. (ja, der Begriff "struktureller Antisemitismus" ist ein ziemlich krückenhaftes Vehikel, um eine dennoch existente Denkweise zu beschreiben. Eben eine Denkweise, die ziemlich genau wie der moderne Antisemitismus funktioniert, ohne sich selbst als antisemitisch zu verstehen. Das entlastet zwar die Leute, die strukturell antisemitisch argumentieren, ein Stück weit persönlich, macht die Sache an sich aber nicht besser.)Soviel erst mal, um meine Intention zu klären und mich bei allen zu entschuldigen, die mein Posting als persönlichen Angriff aufgefasst haben.viele Grüße,Jakob
"If the ideology you read is invisible to you, it usually means that it’s your ideology, by and large."

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"We have failed to uphold Brannigan's Law. However I did make it with a hot alien babe. And in the end, is that not what man has dreamt of since first he looked up at the stars?" - Zapp Brannigan in Futurama

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#7 MartinHoyer

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Geschrieben 13 September 2003 - 10:41

Und ebenso erschrocken bin ich darüber, daß das niemand im Forum zu stören scheint.

Es stört sicherlich den Einen oder Anderen hier, aber vermutlich ist es den Meisten - meine Wenigkeit eingeschlossen - ganz einfach keine Diskussion wert. Die zwei ausschlagebenden Gründe dafür lassen sich mit "mangelnde Relevanz" in Verbindung mit "Thema verfehlt" recht präzise umreißen. Nicht, daß latenter Antisemitismus und Erbschuld nicht diskutiert werden sollten ... Nur bitte nicht hier und vor allem nicht in dieser Weise. Da macht jemand seiner Frustration in Sachen SF Luft und erwähnt im Nebensatz das, was hier den Anlaß zu umfangreichen Beiträgen gibt, deren Nährwert - man möge sich nicht angegriffen fühlen - bei Null liegt. Es kommt nicht Neues dabei heraus, sondern lediglich die Erkenntnis, daß man die gleiche Sache unterschiedlich sehen kann. Wenn jemandem an einer politischen (oder besser: politisierenden) Diskussion liegt, suche er bitte ein dafür angemessenes Umfeld auf. Das hier ist ein SF-Forum, und ich für meinen Teil werde mich nicht zu vermeintlichen Aspekten eines Artikels äußern, die nichts damit zu tun haben, weswegen ich hier hineinschaue. Als SF-Interessierter muß man nicht unpolitisch sein, ganz im Gegenteil. Aber ein Gespür für Verhältnismäßigkeit kann nicht schaden. Ob Herr Szameit eine überangepaßte Sicht der gesellschaftlichen Situation hat, gehört nicht hierher, sofern er nicht gerade eine "zionistische Weltverschwörung in der SF-Literatur" proklamiert. Was er nicht einmal andeutungsweise getan hat. mh
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#8 Ikondrar

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Geschrieben 04 Oktober 2003 - 14:24

Lieber Michal Szameit,.mit großem Interesse habe ich erneut das Essay Immer eine Handbreit Zukunft unterm Kiel und Deinen aktuellen Kommentar dazu gelesen. Als einer der dreizehn Autoren von Der lange Weg zum Blauen Stern möchte ich einige Argumente Deinem spürbaren Pessimismus entgegenhalten, obwohl ich einem Teil Deiner Ausführungen durchaus zustimme.Neben der von Dir kritisierten SF-Massenliteratur gibt es immer noch genügend engagierte Autoren, die - leider, leider - hauptsächlich in Kleinverlagen publizieren und von den heute übermächtigen Marktmechanismen unabhängig sind. (Auch ich konnte voriges Jahr im Shayol-Verlag ein Band mit Kurzgeschichten veröffentlichen.) Einigen dieser Autoren gelang sogar der Durchbruch im kommerziellen Bereich, obwohl ihre Bücher durchaus nicht als anspruchslose Massenware zu bezeichnen sind. Ein aktuelles Beispiel ist Michael Marrak, der seinen Roman Lord Gamma zuerst bei Shayol veröffentlichte und später bei Bastei herausbrachte.Der SF geht es hier wie anderen Medien auch. Ich würde auch lieber öfter einen Song von Philip Boa oder beispielsweise auch den Einstürzenden Neubauten im Radio hören, als die zielkalkulierten Produkte der No Angels oder der aus den Boden sprießenden Superstars. Aber so lange ich mir die CD meiner Lieblingsband oder die Bücher meiner Lieblingsautoren im Laden kaufen kann, weiss ich, dass es eine Welt neben der kommerziellen Unterhaltungskultur gibt.Deine Bemerkungen zur scheinbaren Meinungsfreiheit kann ich durchaus nachvollziehen Ein Teil der Reaktionen auf Deinen Kommentar sind sicher auch ein Beweis dafür. Selbst Journalisten die vor Ort sind - und die politisch/religiösen Verhältnisse Israels viel besser einschätzen können als wir - halten sich mit parteinehmenden Äußerungen zurück. Auch Michael Moore äußert sich in Stupid White Man zwiespältig zu diesem Thema.Das Thema Computerspiele trifft bei mir natürlich voll ins Schwarze, da ich früher genauso dachte wie Du. Ich bin selbst Pazifist und kann Deine Bedenken gut verstehen. Doch das Thema Computerspiele - mit dem ich mich intensiv auseinandersetze - ist genauso komplex wie es beispielsweise das Filmgenre oder die Literatur ist. Blade Runner beispielsweise ist ein aktiongeladener und bisweilen auch gewalttätiger Film, der dennoch eine zutiefst humanistische Botschaft hat. Diese Komplexität findet sich auch in Computerspielen wieder- Problematisch finde ich vielmehr die Tatsache, das viele Eltern Ihre Kinder mit Computerspielen alleine lassen oder keine Kontrolle darüber haben, welche Spiele Ihre Kinder in die Hand bekommen. Blade Runner würde ich auch nicht unbedingt einem 12jährigen zeigen.Sicher gibt es genügend Games, die moralisch zumindest fragwürdig sind und sicher auch Auswirkungen auf die Psyche von Kindern und Jugendlichen haben. Wer seine Probleme im Spiel nur mit Gewalt löst, reagiert vielleicht auch im wirklichen Leben rücksichtsloser. Doch das ist ein Problem der gesamten Medienlandschaft von heute. Viele Filme werden immer blutrünstiger, Popvideos für Teenager immer sexistischer und auch die Nachrichten bringen am liebsten Katastrophenmeldungen mit künstlich deprimierten Journalisten. Zeitkritische Autoren haben also Material genug, und das Beispiel Michael Moore beweist, dass diese Autoren ernst genommen werden und sogar in einigen Bereichen etwas bewegen können.Ich würde es wirklich bedauern, aus den von Dir genannten Gründen, nie wieder etwas von Dir zu lesen zu bekommen. Im Glanz der Sonne Zaurak und zwei weitere Romane aus Deiner Feder stehen bei mir noch immer im Regal, welches inzwischen ausschließlich liebgewonnene Bücher beinhaltet.Liebe Grüße,Gerd Frey

#9 Oliver

Oliver

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Geschrieben 05 Oktober 2003 - 12:27

Hi Gerd, bitte nicht einfach irgendwelche Thesen in den Raum werfen, die durch nichts bewiesen sind, das ist so schlicht ärgerlich.

Lieber Michal Szameit,. Sicher gibt es genügend Games, die moralisch zumindest fragwürdig sind und sicher auch Auswirkungen auf die Psyche von Kindern und Jugendlichen haben.

Sicher? Wo steht das? :blink:

Doch das ist ein Problem der gesamten Medienlandschaft von heute. Viele Filme werden immer blutrünstiger, Popvideos für Teenager immer sexistischer

Filme werden immer blutrünstiger? Das ist schierer Unsinn. Gerade in Zeiten der political correctness und eines Kassenträchtigen PG-13 Ratings kann man eher den Trend beobachten, dass Filme seit einem Jahrzehnt deutlich zurückhaltender sind, als noch z.B. in den 70ern und 80ern. Gerade im oft gescholtenen TV läuft kaum noch ein Film mit aktionsreichen Szenen ungekürzt. Popvideos werden immer sexistischer? Was genau ist sexistisch? Außerdem greift auch hier die pc immer weiter um sich, die etwaige "Auswüchse" durch die Schere im Kopf zu verhindern weiß. Ich weiß, dass das alles OT ist, aber ich kann diese meist durch bemerkenswertes Unwissen gekennzeichneten Stoiber/Beckstein-Zurück-in-die-50er Thesen einfach nicht mehr hören und reagiere inzwischen reflexartig darauf.
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#10 Ronni

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Geschrieben 05 Oktober 2003 - 12:56

Sicher? Wo steht das?

hier habe ich Gerds Äußerung als These und nicht als Behauptung aufgefaßt.

Filme werden immer blutrünstiger? Das ist schierer Unsinn.

ist es eigentlich nicht, wobei die "Blutrünstigkeit" eher unterschwellig daher kommt. Die "großen" Kinofilme sind etwas zurückhaltender als in den 80er Jahren und das 20:15 TV-Angebot wird teilweise bis zur Unkenntlichkeit verstümmelt, aber im ganz normalen TV-Programm sinkt die "Ekel-Grenze" immer weiter ab. Beispiel? Die allseits beliebten Gerichtsmediziner-Serien. Während bei "Quincy" die Kamera noch immer über die Leiche gehalten wurde und die Schauspieler irgendwo im luftleeren Raum hantierten ist es bei "Der letzte Zeuge" inzwischen üblich, die Gedärme in Großaufnahme zu zeigen.
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#11 MartinHoyer

MartinHoyer

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Geschrieben 05 Oktober 2003 - 14:32

Nun, eine These ist eine begründete Behauptung. Also ist es keine These.Tatsache ist, daß es keine allgemein anerkannte Studie über die Auswirkung von Computer- und Videospielen gibt. Meiner ganz persönlichen Ansicht nach liefern Medien jedweder Art höchstens Vorgehensweisen, nicht aber die Motivation oder den kategorischen Auslöser. Ein Jugendlicher mit psychischen Störungen würde, gäbe es keine Videospiele und Horrorfilme, die Tageszeitung oder meinetwegen die Kinder- und Hausmärchen der Brüder Grimm als Vorlage verwenden.Über die "Ekel-Grenze" kann man geteilter Meinung sein. Unsere Gesellschaft ist meines Erachtens schizophren: Die Blutwurst im eigenen Darm wird gerne teuer bezahlt, aber Blut und Eingeweide sind ekelerregend? Es ist noch nicht allzu lange her, da halfen Kinder auf dem Land noch beim Schlachten und Ausnehmen von Nutzvieh. Inzwischen wird - wenn auch mit dem Vorsatz einer Schockwirkung - die Hyperpietät des späten Bürgertums nach über 100 Jahren negiert, und jeder sieht die klinische Reinheit des vor Augen Geführten in Gefahr.Ähnlich sieht es mit der Sicht darauf aus, was Sexismus ist. Ich sehe keinen gravierenden Unterschied zwischen ein paar - Verzeihung - Diskopalmen in Hotpants und halbnackten Tänzerinnen einer Revue, wie es sie bereits im vorletzten Jahrhundert gab. Wo das generelle Problem bei dieser häufig grenzdebilen, aber keineswegs verstörenden Präsentation angedeuteter Sexualität liegt, müßte man mir erst verdeutlichen.Man sollte sich fragen, inwiefern heute "Tabus" gebrochen werden, die im Grunde dazu konstruiert worden sind, bei passender Gelegenheit gebrochen zu werden. Und natürlich, ob man nicht nur die Gelegenheit als unpassend empfindet.
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#12 Ronni

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Geschrieben 05 Oktober 2003 - 15:23

Unsere Gesellschaft ist meines Erachtens schizophren

da hast Du vollkommen recht. Es geht auch nicht darum, ob solche Bilder gezeigt werden, es geht darum, ob die Bilder (genauso wie Nacktszenen) bei der Unterhaltung (also Filme etc.) die Handlung tragen oder in den Nachrichten einen Informationswert haben, oder ob sie einfach sinnlos eingebaut werden. Ohne die "Schlüpf"-Szene bei Alien ist m.E. der ganze Film sinnlos, die Nacktszene bei Dune war nett anzusehen (hat mir wirklich gefallen!), sie war aber eigentlich total überflüssig.

Ach ja, übrigens von wegen schizophren: Gerd Frey bekommt regelmäßig wegen seinen Besprechungen von Computerspielen in Alien Contact, dem Heyne-SF-Jahr usw. den Vorwurf aufs Brot geschmiert, daß er zuwenig auf die Gewalt in den Spielen eingeht. Jetzt geht er darauf ein und bekommt gleich wieder ein Tritt vors Schienenbein. Ja, was denn nun?

Gruß Ronni
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#13 MartinHoyer

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Geschrieben 05 Oktober 2003 - 16:15

Gerd Frey bekommt regelmäßig wegen seinen Besprechungen von Computerspielen in Alien Contact, dem Heyne-SF-Jahr usw. den Vorwurf aufs Brot geschmiert, daß er zuwenig auf die Gewalt in den Spielen eingeht. Jetzt geht er darauf ein und bekommt gleich wieder ein Tritt vors Schienenbein. Ja, was denn nun?

Ganz einfach ... Nun gut, zumindest im Ansatz einfach, die Umsetzung ist sicher komplizierter: Auf das Gewaltpotential hinweisen, aber sich der Einschätzungen enthalten, was die Wirkung angeht. Man kann schließlich auch darauf eingehen, daß das Eis glatt ist, ohne darüber zu spekulieren, wer darauf in welcher Weise ausrutscht.
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#14 Oliver

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Geschrieben 05 Oktober 2003 - 16:39

Jetzt geht er darauf ein und bekommt gleich wieder ein Tritt vors Schienenbein. Ja, was denn nun?

Er ging ja nicht nur darauf ein, sonst hätte ich nicht "getreten" (ich hoffe, das kam nicht als Tritt rüber!), sondern äußerte sich in einer Art und Weise, die mich halt arg an besorgte Jugendschützer und ahnungslose Politiker erinnerte.

es geht darum, ob die Bilder (genauso wie Nacktszenen) bei der Unterhaltung (also Filme etc.) die Handlung tragen oder in den Nachrichten einen Informationswert haben, oder ob sie einfach sinnlos eingebaut werden.

Siehst Du, dieser Argumentation möchte ich nicht folgen, denn Du verlangst nicht nur eine künsterlische Rechtfertigung dafür (so weit bin ich mit Dir einer Meinung), sondern auch noch eine moralische. Die braucht es IMHO nicht, denn Kunst darf amoralisch sein. Oder meintest Du das nicht?
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#15 Ronni

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Geschrieben 05 Oktober 2003 - 17:48

die mich halt arg an besorgte Jugendschützer und ahnungslose Politiker erinnerte

LOL

denn Du verlangst nicht nur eine künsterlische Rechtfertigung dafür ... sondern auch noch eine moralische

nein, huch, erschreck, niemals! Meine Moral endet schlagartig an dem Punkt, wo ihr wegbleiben keinen anderen mehr schadet, der Rest ist mein Bier.

Die braucht es IMHO nicht, denn Kunst darf amoralisch sein.

Kunst schon, aber ein durchschnittlicher TV-Krimi ist wohl eher Handwerk als Kunst.
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#16 don.rumata

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Geschrieben 06 Oktober 2003 - 09:30

die mich halt arg an besorgte Jugendschützer und ahnungslose Politiker erinnerte

Jugendschützer und Politiker sind im allgemeinen auch Eltern. Daß die sich mehr Sorgen machen als Kinderlose, liegt wohl in der Natur der Sachen. Insofern ist es vielleicht etwas überheblich, sie als 'ahnungslos' abzuqualifizieren.

#17 Oliver

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Geschrieben 06 Oktober 2003 - 11:29

Jugendschützer und Politiker sind im allgemeinen auch Eltern. Daß die sich mehr Sorgen machen als Kinderlose, liegt wohl in der Natur der Sachen. Insofern ist es vielleicht etwas überheblich, sie als 'ahnungslos' abzuqualifizieren.

Nicht überheblich ist es sicherlich, von Dir zu verlangen, mal etwas genauer zu lesen. Es gibt einen Unterschied zwischen Politikern und ahnungslosen Politikern. Nur letztere sondern Thesen ab, wie sie auch hier in diesem Thread genannt wurden und nur von letzteren sprach ich. Willst Du die Elterneingenschaft wirklich als Entschuldigung dafür durchgehen lassen, mit wenig Wissen getrübtes, letztendlich wenig freiheitliches Gedankengut zu dulden? Es gibt auch Eltern, die Ahnung haben und solche, die es nicht haben. Für letztere ist der staatliche Jugendschutz in Deutschland da, weil wir, im Gegensatz zu den meisten anderen europäischen Ländern, in dieser Hinsicht kein Zutrauen zu Eltern und Jugendlichen haben und es deswegen (europaweit einmalig) so weit übertreiben, dass aus dem Jugendschutz längst auch oft ein Erwachsenenschutz geworden ist. Im Gegensatz zu Dir lasse ich mir von Politikern nicht vorschreiben, was "Schund" und "Dreck" ist - weckt das Wort eigentlich nur bei mir unangenehme Assoziationen zu früheren Zeiten wo geifernde Menschen um brennende Bücherstapel herumstanden?
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#18 MartinHoyer

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Geschrieben 06 Oktober 2003 - 11:30

Wenn Leute stärker betroffen ist, heißt das noch lange nicht, daß sie damit auch die Natur einer Sache besser erfassen könnten. Sich zu sorgen ist sowohl Recht als auch Pflicht von Eltern, aber damit gehen die Probleme schon los ... Pauschale Verurteilungen und Verbote sind schließlich bequemer als ein Wahrnehmen der Aufsichtspflicht, denn diese muß man ständig wahrnehmen, statt sie - wie ein Verbot - einmal durchzusetzen.
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#19 don.rumata

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Geschrieben 06 Oktober 2003 - 12:47

Im Gegensatz zu Dir lasse ich mir von Politikern nicht vorschreiben, was "Schund" und "Dreck" ist - weckt das Wort eigentlich nur bei mir unangenehme Assoziationen zu früheren Zeiten wo geifernde Menschen um brennende Bücherstapel herumstanden?

Hier wird ja mit recht harten Bandagen gekämpft. Heftige Polemik beweist noch keine düstere Gesinnung, da sollte man schon die Kirche im Dorf lassen. Statistische Zusammenhänge zwischen Todesanzeigen auf Seite 1 und Folgeselbstmorden gibt es durchaus.(@Martin: soviel zum Thema auslösendes Moment). Man darf durchaus vermuten, daß das auch für andere Gewalt in Medien und Videospielen gilt. Natürlich gibt es dagegen kein Patentrezept. Und bevor ich Leuten, die deshalb das Maul weit aufreißen, Böswilligkeit unterstelle, nehme ich erstmal an, daß sie ihre eigene Verzweiflung artikulieren.

#20 Jakob

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Geschrieben 06 Oktober 2003 - 13:12

Ich denke, dass Hauptproblem bei diesen "Gewalt in den Medien"-Diskussionen ist, dass jeder Kontext ausgeblendet wird und die Diskussion sich nur noch darum dreht, ob und in welchem Maße Gewalt vorkommt. Das hat aber m.E. nahezu nichts oder nur ganz oberflächlich mit den Auswirkungen von Filmen oder Computerspielen auf die wirklichkeitswahrnehmung ihrer Rezipienten zu tun.Mal ein Beispiel: Es gibt eine Folge von Star Trek Voyager, in der die Ex-Borg Seven of Nine aufgrund undeutlicher Erinnerungen davon überzeugt ist, dass sie jemand betäubt hat und ihr "Nanosonden" gestohlen. Explizit erklärt sie, dass sie sich vergewaltigt fühlt. Sevens Erinnerungen sind in Sachen Gewalt ganz dezent inszeniert, da wird nur ein kleiner schlauch an ihre Hand angelegt, das ganze leicht psychologisch bedrohlich aufgeladen.Später stellt sich dann heraus, dass Seven ihre Erinnerungen an das Borg-Kollektiv mit diesem Ereignis durcheinandergebracht hat und in wirklichkeit gar nicht vergewaltigt wurde. Dann ist es aber zu spät, der vermeintliche Täter hat sich das leben genommen, um seiner Verfolgung durch die Voyager zu entgehen.Was die rein bildliche Gewaltdarstellung angeht, kann die moralische Elternschaft ganz unbesorgt sein: Trotz des Themas Vergewaltigung ist nichts zu sehen - es ist nicht mal was passiert!Trotzdem oder gerade deshalb halte ich diese Voyager Episode für ein ziemlich übles, und, ja: mindestens gewaltrechtfertigendes Machwerk. Übrig bleibt nämlich ein total verharmlosends Bild von Vergewaltigung, und noch dazu wird Frauen möglicherweise die Vorstellung vermittelt, dass sie sich möglicherweise ihre Vergewaltigung nur eingebildet hätten - ein ziemlich übles Klischee, dass noch heute wirksam ist und verhindert, dass viele Vergewaltigungen gerade im Familienkreis bekannt und zur Anklage gebracht werden. Ich finde, das ist ein gutes Beispiel dafür, wie eine extrem "saubere" Fernsehsendung ("Es ist ja gar nichts passiert!") gewaltverherrlichender sein kann als eine Metzleorgie wie Starship Troopers.
"If the ideology you read is invisible to you, it usually means that it’s your ideology, by and large."

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#21 don.rumata

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Geschrieben 06 Oktober 2003 - 14:24

... Übrig bleibt nämlich ein total verharmlosends Bild von Vergewaltigung, und noch dazu wird Frauen möglicherweise die Vorstellung vermittelt, dass sie sich möglicherweise ihre Vergewaltigung nur eingebildet hätten - ein ziemlich übles Klischee, dass noch heute wirksam ist und verhindert, dass viele Vergewaltigungen gerade im Familienkreis bekannt und zur Anklage gebracht werden.

Schön, daß sich der Initiator dieser Diskussion auch mal wieder zu Wort meldet :blink:

Vor ein paar Jahren gab es mal eine ziehmlich heftige Diskussion zum Thema >>Mißbrauch mit dem Mißbrauch ?<< in der Psychologie Heute. Die könnten wir an dieser Stelle wiederholen und dafür könnten wir wahrscheinlich einen Extra - Thread aufmachen. Aber - ehe "Board Chefchen" uns wieder zurückpfeift - das würde doch zu weit vom ursprünglichen Thema wegführen.

Bei der Theorie, daß der Kontext entscheidend ist, bin ich ausnahmsweise ;) mal Deiner Meinung.

Bearbeitet von don.rumata, 06 Oktober 2003 - 14:26.


#22 Ikondrar

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Geschrieben 06 Oktober 2003 - 18:37

Hallo Oliver, eigentlich wollte ich keine Diskussion über Gewalt und Sex in den Medien anzetteln. Zumal ich mich nicht als moralische Instanz aufgebläht habe und meine Anmerkungen auch nicht als pauschale Aussage verstanden haben möchte. Aber einige Dinge liegen doch sichtbar auf der Hand. Computerspiele wie Hitman, die den Spieler in die Rolle eines Profikillers schlüpfen lassen, der Auftragsmorde (mitunter auch mittels einer Klaviersaite durchführt) sind moralisch zumindest fragwürdig. Auch die englische Version von Generals, in der man in einer Mission die Zivilbevölkerung einer Stadt (ich glaube sogar mit Giftgas) töten soll, ist moralisch ebenso fragwürdig. Dann gibt es da noch unzählige Spiele die zum Beispiel den Zweiten Weltkrieg als Schauplatz nutzen. Diese Tatsache erscheint mir schon ein wenig bizarr. Computerspiele, die mir persönlich in diesen Dingen zu weit gehen, rezensiere ich nicht - oder ich äußere mich zumindest kritisch darüber. Im übrigen ist es Tatsache, dass die Gewaltbereitschaft an deutsche Schulen zugenommen hat. Es erscheint zumindest logisch und nachvollziehbar, dass die Medienlandschaft daran nicht ganz unbeteiligt ist. Die Zensur von Filmen in Deutschland ist eine Sache. Eine andere Sache ist es, dass z.B. in vielen Filmen der letzten Jahre (Braveheart, Identity, Gangs of New York, Irgendwann in Mexico usw.) Gewalt viel plakativer dargestellt wird, als beispielsweise in einem Hitchcock -Film wie Psycho oder Die Vögel. Das mag Geschmacksache sein, aber es entspricht der Realität. Den Begriff sexistisch in Bezug auf Popvideos brauche ich wohl nicht zu genauer zu definieren. Einfach mal bei VIVA oder MTV ins Programm zappen und ein entsprechendes Video mit den Videos vor 15 Jahren vergleichen. Die Reizschwelle wurde die letzten Jahre kontinuierlich nach oben verschoben. Damit will ich nicht propagieren, das Sexualität in Film und Fernsehen nichts zu suchen hat. Hier kommt es z.B. auf die Art der Darstellung an, welche Zielgruppe angesprochen wird und welche Werte vermittelt werden. Auch dieses Thema ist viel zu komplex, als dass es darauf schnelle und allgemeingültige Antworten gibt. Ärgerlich ist jedoch, dass sich die populäre Medienlandschaft immer weiter aus der moralischen Verantwortung stiehlt. (Erlaubt ist, was sich gut verkauft!) Eine gesunde kritische Distanz und Streitbarkeit sollte man sich für alle gesellschaftlichen Bereiche bewahren. Da muss auch nicht alles bis zum Letzten bewiesen werden, sofern es halbwegs logisch nachvollziehbar ist. Es gibt selbst heute noch eine ganze Reihe internationaler Firmen, die auf anhand ähnlicher Argumentation Umweltverschmutzung betreiben. Liebe Grüße, Gerd PS: Auszug aus einer Rezension zu Irgendwann in Mexico. Heutzutage existieren fast keine Tabus mehr in Bezug auf Gewalt in Filmen. Man hat schon fast alles gesehen, was an Brutalität denkbar ist. Trotzdem muss die Frage gestellt werden, ob eine derartige Gewaltverherrlichung wie in diesem Streifen wirklich von Nöten ist. Sicher ist Gewalt ein elementarer Baustein bei einem Film dieses Genres, aber derart explizite Darstellungen wie das Ausstechen von Augen oder Zerschießen von Beinen bis auf die Knochen können auch subtiler dargestellt werden. (Link: http://www.mpex.net/...v/irgendwanninm

#23 Dave

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Geschrieben 07 Oktober 2003 - 13:42

Ich möchte gerne auf eine ergänzende Betrachtungsweise des Themas Gewalt hinweisen. Allzu oft ist diese nämlich sehr sublimiert, so auch hier. In der Natur der Sache liegt es, dass man versuchen muss, die archaische, die psychologische Wurzel zu betrachten, die ja buchstäblich die Triebfeder der Gewalt darstellt.Ein Elfjähriger, der unter Nonnen aufwächst, benötigt nicht den äußeren Impuls, der ihn dazu verführt, sich eines Tages näher für die besonders kurvenreiche und hübsche Schwester zu interessieren, es geschieht einfach.Ebenso verhält es sich mit dem Drang, Gewalt auszuüben, die Hände in Blut zu tauchen. Es bedarf keinen brutalen Comic oder gewalttätigen Film, es ist eine psychische Anomalie, die frei von äußerer Beeinflussung ist. Das Leben birgt unzählige mögliche Katalysatoren, ein falsches Wort oder Stirnrunzeln zu ungünstiger Zeit kann sich verheerender auswirken als die schlimmste gewaltverherrlichende Darstellung. Es ist allerdings nicht weiter verwunderlich, dass ein betroffener Mensch in Besitz solcher Dinge wie Bücher, Filme oder Spiele kommen möchte, wenn er von ihrer Existenz erfährt. Daraus ein Umkehrschluss abzuleiten, ist unsinnig.Mittlerweile wird mit dem Vertrieb von Videospielen mehr Umsatz gemacht als mit Hollywoodfilmen. Diese Produkte werden von debilen Jugendlichen ohne Perspektive ebenso benutzt wie von Rechtsanwälten, Ärzten oder Politiker. Oder von Rezensenten und Moralaposteln. Am Rande sei erwähnt, dass die größere Gewaltdichte und Intensität in den Bestsellerlisten stattfindet. So gibt es kein Videospiel, das auch nur annähernd so brutal wäre wie zum Beispiel Thea Dorn†™s †šDie Hirnkönigin†™ (deutscher Krimipreis!), um nur ein Beispiel zu nennen. Den allerwenigsten gelingt es nachzuvollziehen, dass sie in Besitz von Muskeln, von Händen sind, die in der Lage sind zu zerreißen, zu töten, wenn es die Situation erfordert. Ein Trieb, der sich nur in seiner Präsenz von denen unterscheidet, die uns geläufiger sind. Nur wenige haben diesen Trieb wirklich vor Augen, Gewalttäter oder jene, die dabei eine starke Willenskraft aufbringen, um ein normales Leben zu führen (Nicht zu verwechseln mit Schulhof- oder Kneipenraufereien). Dieser bei einem gesunden Menschen subluminale Trieb tritt in Wechselwirkung mit der Gewalt, die möglicherweise künstlerisch auf einer Leinwand stattfindet. Einige wissen von dieser Wechselwirkung, andere spüren sie unterbewusst, und wieder andere sind so erhaben, dass sie über den Dingen stehen. Bezeichnenderweise wir dann auch gegen die Darstellung der Gewalt aufbegehrt, aber nicht gegen die Gewalt selbst.So auch diejenigen, die nicht müde werden, auf die Gewalt gegen Kinder hinzuweisen, Täter verdammen, aber in ihrem Leben noch niemals in die traurigen Augen eines Heimkindes geblickt haben, geschweige denn, es an die Hand genommen haben, um ihm für eine kurze Zeit Trost zu spenden.Genau hier pulsiert das Übel so knapp unter der Oberfläche, dass einem angst und bange werden kann.Das Problem stellt nicht die Darstellung der Gewalt da, sondern seine Überpräsenz und die Tatsache, dass ich mehr und mehr in der Lage bin, mich in ihr wiederzuerkennen. Einen wirklichen Wandel bewirkt nicht der Mensch, sondern die Evolution.

#24 don.rumata

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Geschrieben 07 Oktober 2003 - 14:39

So gibt es kein Videospiel, das auch nur annähernd so brutal wäre wie zum Beispiel Thea Dorn?s ?Die Hirnkönigin? (deutscher Krimipreis!), um nur ein Beispiel zu nennen.

Ich weiß, daß Thea Dorn in Sachen *geistreicher Grausamkeit* eine Klasse für sich ist.
Aber mir ist kein Fall bekannt, wo jemand nach einer Krimilektüre Amok lief. [Man könnte vielleicht mal prüfen, ob es zu de Sades Zeiten so etwas gegeben hat.] Und insofern scheint es mir schon einen Unterschied zwischen Literatur einerseits und Filmen/ Videospielen andererseits zu geben. Vielleicht liegt der in der Intensität der Bilder. Und in der Anzahl der Wiederholungen: sein Lieblingsvideo kann man mehrmals am Tag angucken, das Lieblingsbuch zu lesen, dauert entscheidend länger.

Der Drang, Gewalt auszuüben, ist keine 'psychische Anomalie'. Aggression ist erstmal etwas Natürliches, entscheidend ist, auf welche Weise man sie äußert. Und das hat sehr wohl etwas mit Vorbildern zu tun, auch mit medialen.

Ansonsten ist mir nicht recht klar, was Du eigentlich sagen möchtest. Was heißt: einen wirklichen Wandel bewirkt nur die Evolution ? Meinst Du, die 'Brutalo-Gene' sterben aus ?</Sarkasmus>

#25 Jakob

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Geschrieben 07 Oktober 2003 - 16:13

Dieser bei einem gesunden Menschen subluminale Trieb tritt in Wechselwirkung mit der Gewalt, die möglicherweise künstlerisch auf einer Leinwand stattfindet.

Hmm, ich bin immer ein bisschen misstrauisch, wenn auf "archaische" Triebe verwiesen wird und dann Menschen als "gesund" oder "ungesund" eingestuft werden, das klingt mir ein bisschen zu sehr nach dem "Kriminalitätsgen". Da würde ich doch dafür plädieren, es mit dem guten alten Freudschen Triebbegriff zu halten: Der hat nämlich beschrieben, wie die Libidoökonomie sich in einer komplexen, gesellschaftlich und familiär bestimmten Struktur herausbildet (obwohl er dabei auch dann und wann mal etwas archaisch geworden ist). Das Problem bei diesen Gewaltdiskussionen ist für mich eher, dass sie unter der Annahme "Mensch sieht es - Mensch macht es nach" geführt werden. So einfach tickt aber nun mal die menschliche Psyche nicht, weshalb ich behaupten würde, dass gesellschaftliche und familiäre Normen (die eh nicht voneinander zu trennen sind) auf ziemlich unterschwellige Weise viel entscheidender für das Gewaltverhalten sind als "schmutziges Fernsehen". Da würde ich der thesez zustimmen, dass zu allen möglichen historischen Zeitpunkten alles mögliche als "Gewaltvorbild" einsetzbar war und eingesetzt wurde: Grimms Märchen, die öffentliche Hinrichtung auf dem Martkplatz, die Aushilfe beim Papa im Schlachthaus ... Übrigens Dave, ich finde, eines deiner Beispiele tendiert dazu, die These der "Archaik" selbst zu wiederlegen:

Ein Elfjähriger, der unter Nonnen aufwächst, benötigt nicht den äußeren Impuls, der ihn dazu verführt, sich eines Tages näher für die besonders kurvenreiche und hübsche Schwester zu interessieren, es geschieht einfach.

Du kennst doch sicher auch die "archaischen" Frauendarstellungen, die nach heutigen Maßstäben ganz und gar nicht hübsch und kurvenreich, sondern schlicht und einfach "fett" genannt werden würden. Müsste der Elfjährige deiner These zufolge also nicht eher anfangen, den Nonnen nachzugucken, die ordentlich was auf den Rippen haben? :blink: Ich denke mal, dass gerade Schönheitsideale so ziemlich am wenigsten mit "natürlichen Treiben" zu tun haben ...
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#26 Ronni

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Geschrieben 07 Oktober 2003 - 16:54

das klingt mir ein bisschen zu sehr nach dem "Kriminalitätsgen".

welches durchaus im Rahmen des Möglichen ist. Rund 5% der Bevölkerung leiden nach einer WHO-Studie an einer Bipolaren Erkrankung, die aber nur bei 10-15% der Erkrankten behandelt werden. Umgerechnet bedeutet das, daß rund 3 Millionen Deutsche mit einer unbehandelten, größtenteils noch nicht einmal erkannten Bipolaren Erkrankung herumrennen. Um zu erkranken, müssen zwei Faktoren zusammen kommen: 1.) eine erbliche Vorbelastung, die, wenn ich mich richtig erinnere, an drei Gene gebunden ist und 2.) ein äußerlicher Auslöser. Nun stecken die Forschungen in diesem Bereich noch in den Kinderschuhen und höchstwahrscheinlich würden die Hälfte der Ärzte, die sich damit auskennen, die Stirn runzeln, wenn jemand sagt, daß die Gewalt in den Medien der Auslöser ist, aber ausschließen könnte man das nach dem jetzigen Forschungsstand wohl nicht. Nun ist es leider so, daß ein Teil der Erkrankten in der Manischen Episode zu Gewalttätigkeit neigen, bzw. ihre Hemmschwelle praktisch bei Null ist. Es ist also durchaus im Bereich des Möglichen, daß ein Gendefekt in Zusammenhang mit Gewaltdarstellungen in den Medien zur Gewaltausübung führt.
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#27 Jakob

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Geschrieben 07 Oktober 2003 - 17:05

Verdammt, ich will aber nicht wiederlegt werden! :blink: Das Leben auf diesem Board hat schon so seine Härten, wenn man zu wenig Ahnung von Naturwissenschaften hat ...
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#28 Ronni

Ronni

    Kürbisnaut

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Geschrieben 07 Oktober 2003 - 17:31

Verdammt, ich will aber nicht wiederlegt werden!

sei tapfer, dafür gebe ich Dir das nächste mal ein Bier aus ;) Aber damit Du es Dir auch verdienst, pflücke ich gleich noch einmal an Deinem Text rum:

So einfach tickt aber nun mal die menschliche Psyche nicht

genau das ist das Problem und deswegen nützen Pauschalisierungen überhaupt nichts. Damit ein Mensch zur Gewalttätigkeit neigt, müssen wohl viele Faktoren zusammen kommen, ich kann mir nicht vorstellen, daß die genetische Grundprogrammierung dahin geht, jedem den Schädel einzuschlagen, das würde der Erhaltung der Art wenig nützen. Aber um sehr mehr Faktoren durch die Gegend wabern, um so wahrscheinlicher ist es, daß irgendwann das Faß überläuft. Deswegen hat derjenige, der sagt "ich habe schon 20 mal das Kettensägenmassaker gesehen und noch niemanden umgebracht" durchaus recht, der Nachbar hat aber vielleicht gerade seine Frau verloren, vergessen den Lottoschein abzugeben und eine erbliche Vorbelastung und tickt bei ersten Sehen dann vollkommen aus. Deswegen dürfte es auch nie den entgültigen Beweis geben, daß Gewalt in den Medien wiederum zur Gewalt führt, genausowenig wie den entgültigen Gegenbeweis, es gibt nur eine leichte Anhäufung von Meßpunkten irgendwo auf der Skala, und daß ist dann der eine, der mit Schrotflinte durch die Gegend zieht.
Die Schlauheit des Fuchses basiert zu 90% auf der Dummheit der Hühner.

epilog.de

#29 Dave

Dave

    Hamannaut

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Geschrieben 07 Oktober 2003 - 18:51

Der Drang, Gewalt auszuüben, ist keine 'psychische Anomalie'. Aggression ist erstmal etwas Natürliches, entscheidend ist, auf welche Weise man sie äußert. Und das hat sehr wohl etwas mit Vorbildern zu tun, auch mit medialen.

Ich klammere einmal die Aggression aus, die wir alle kennen und die womöglich zum Naturell des Menschen dazu gehört. Ich spreche von der Gewalt, von der eine Gefahr ausgeht, von denjenigen, die dem Gegenüber in die Augen sehen können, während sie ihm die Luft abschnüren. Die Lust und der Wille, grausam zu sein, ein Befriedigung daraus zu erlangen. Hierbei handelt es sich um eine Anomalie, zu der man nicht verführt wird. Aggressionen und aufbrausende Menschen sind es nicht, über die wir uns Sorgen machen müssten.

Ansonsten ist mir nicht recht klar, was Du eigentlich sagen möchtest. Was heißt: einen wirklichen Wandel bewirkt nur die Evolution ? Meinst Du, die 'Brutalo-Gene' sterben aus ?</Sarkasmus>

Es gab in der Geschichte des Menschen Zeiten, in der es Mitgefühl und Anteilnahme für die eigene Familie nicht gab. Die Empathie für einen nahestehenden Menschen, für die Familie oder sogar einer dörflichen Gemeinde entwickelte sich nur allmählich. Die Rassengrenze besteht heute noch in unseren Köpfen, womöglich wird sie eines Tages alle Menschen einschließen, sowie die Natur an sich, die für den heutigen Menschen ohne wirkliche Bedeutung ist. Der Mensch als solcher steckt sozusagen gerade erst in der Pubertät.

Du kennst doch sicher auch die "archaischen" Frauendarstellungen, die nach heutigen Maßstäben ganz und gar nicht hübsch und kurvenreich, sondern schlicht und einfach "fett" genannt werden würden. Müsste der Elfjährige deiner These zufolge also nicht eher anfangen, den Nonnen nachzugucken, die ordentlich was auf den Rippen haben?  Ich denke mal, dass gerade Schönheitsideale so ziemlich am wenigsten mit "natürlichen Treiben" zu tun haben ...

Hier würde ich auch gerne genaueres wissen, ob wirklich etwas wie Prägung stattfindet oder man eine angeborene Disposition besitzt. Ich zumindest hänge nicht dem Schönheitsideal nach (obwohl ich selbst eines bin ;) ), welches ja mehr ein künstliches Konstrukt zu sein scheint. Viele bevorzugte Proportionen sind allerdings dem Goldenen Schnitt zuzuschreiben, der in der Natur sehr oft anzutreffen ist.

Bearbeitet von Dave, 07 Oktober 2003 - 19:04.


#30 Jakob

Jakob

    Temponaut

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Geschrieben 09 Oktober 2003 - 14:59

So Ronnie,Ich hba jetzt noch mal kurz nachgelesen und wollte noch mal ein paar Anmerkungen in sachen Gewalttätigkeiten und Bipolare Erkrankungen undsoweiter nachreichen. Im Prinzip stimme ich deiner Darstellung zu, insbesondere, weil sie darauf hinausläuft, dass monokausale Ursachensuchen im Allgemeinen Unsinn sind. Trotzdem und gerade deshalb möchte ich noch mal die Problematik "biologischer" Erklärungsmuster aus meiner Sicht darstellen, die nämlich darin liegt, dass der Prozess naturwissenschaftlicher Erkenntnisproduktion in der öffentlichen Wahrnehmung im allgemeinen ausgeblendet wird. Im folgenden Beispiel dazu übertrage ich das, was ich aus einer Studie zu sogenannten Brustkrebs-Genen weiß, mal amateurmäßig auf diese ominöse bipolare Erkrankung. Also, wir produzieren eine Erkenntnis,Schritt 1: Wir wählen uns einen Untersuchungsgegenstand. In diesem Fall lautet der "Gewalttätiges Verhalten" (ein Gegenstand, der schon mal heterogener kaum sein könnte).Schritt 2: Wir entwickeln die Theorie, das solches verhalten in bestimmten (nicht allen) Fällen auf eine "Erkrankung" zurückzuführen sein könnte. Wir sondern aus der Untersuchungsmenge nun alle "Gewalttäter" aus, bei denen wir Hinweise darauf finden können, dass es bei ihnen eine biologische Gemeinsamkeit gibt, die man als eine bestimmte Erkrankungf definieren könnte. Alle, die diese Gemeinsamkeit nicht haben, sind für die Weitere Studie irrelevant, wir gehen davon aus, dass es bei ihnen andere Gründe für ihr Gewalttätiges Verhalten gibt.Schritt 3: Wir stellen fest, dass die "Kranken" alle drei bestimmte Gene haben. Wir entwickeln die Theorie, dass diese Gene für die Erkrankung verantwortlich sind.Schritt 4: da das ganze eine seriöse wissenschaftliche Studie ist, machen wir den Gegentest an nicht-Gewalttätigen und stellen fest, dass auch einige von ihnen diese drei Gene haben. Daraus schließen wir, dass die Gene nicht allein für das gewalttätige Verhalten verantwortlich sein können, es müssen unspezifizierte "äußere Auslöser" hinzukommen.Nun der Haken: Mit dieser Feststellung gehen wir aber implizit davon aus, dass die These, die drei Gene wären die "Ursache" der Gewalt, zutrifft! D.h. der Gegentest, der für eine wissenschaftlich saubere Studie unabdingbar ist, bleibt für das Ergebnis ziemlich bedeutungslos.Was haben wir? Wahrscheinlich eine Testmenge, die aus der Einfachheit halber in "Gewalttätig" und "Nichtgewalttätig" gruppierten Individuen besteht (allein diese Aufteilung ist schon recht willkürlich). In dieser Testmenge hat eine gewisse Anzahl von Individuen drei ganz bestimmte Gene - und zwar sowohl bei den Gewalttätigen als auch bei den nicht-Gewalttätigen (Andernfalls bräuchten wir die Theorie vom äußeren Anlass nicht). Rückschlüsse können annäherungsweise nun allein aus der Mengenverteilung gezogen werden. die wird aber leicht dadurch verfälscht, dass WissenschaftlerInnen auf der Suche nach der Bestätigung ihrer Theorie geneigt sind, nach Gewalttätern mit bipolarer Erkrankung Ausschau zu halten und im weiteren Verlauf gar keine Nicht-Gewalttäter mehr zu untersuchen.Nun ist im Prinzip nichts anstößiges daran, eine solche Studie durchzuführen und mit all ihren "vielleichts" auch zu publizieren (Was Schritt 5 der Erkenntnisproduktion ist). Das Problem ist allerdings, dass im Wissenschaftsteil des Spiegel dann wahrscheinlich nächste Woche sowas steht wie: WISSENSCHAFTLER ENTDECKEN GEWALT-GEN! Spiegel-LeserIn wird sich nun möglicherweise denken: Also haben all diese Gewalttäter das Gewalt-Gen, und deshalb gibt es soviel böses auf der Welt (OK, vielleicht nicht ganz so primitiv...) Dieser Gedankengang hat 2 mögliche scheußliche Konsequenzen:1. Eine "Risikogruppe" wird etabliert. Jeder, bei dem die drei Gene festgestellt werden, gilt als potentieller Gewalttäter - obwohl gar nicht gesagt ist, dass die Gene wirklich zur bipolaren Erkrankung und zu Gewaltverhalten führen, und obwohl es offenbar zahlreiche Beispiele gibt, in denen das nicht der Fall ist! (Das dieser Vorgang in anderen Bereichen so tatsächlich stattfindet und viel Unglück produziert, wird in genannter Brustkrebs-Studie thematisiert)2. Die Heilsversprechen der Gentechnologie werden implizit bestätigt - denn eine andere falsche Schlussfolgerung, die aus diesem Gedankengang zu ziehen ist, lautet: Wenn wir die Gewalt-Gene beseitigen können, können wir auch der Gewalt ein Ende bereiten. Das ist schon dann Unsinn, wenn wir davon Ausgehen, dass bei vielen Gewalttätern keine bipolare Erkrankung vorliegt. Mit einer solchen "biologistischen" Schlussfolgerung wird die Gestaltung des sozialen Zusammenlebens tendenziell in die Hände einer schienbar allmächtigen Biowissenschaft gelegt.Natürlich will ich Ronni keine dieser beiden Schlussfolgerungen unterjubeln, mir gehts nur um die Problematik wissenschaftlicher Wissensproduktion und um den Hinweis darauf, dass "bewiesene" Sachen noch lange nicht zutreffen müssen, auch wenn die WissenschaftlerInnen noch so gewissenhaft forschen. Und wenn das anders wäre, wäre die SF ja wohl auch ziemlich langweilig ...Übrigens gibt es ein witziges Beispiel zu diesem Thema: Da weist jemand wissenschaftlich nach, dass in einem bestimmten Dorf die Störche die Kinder bringen, weil es einen zahlenmäßigen Zusammenhang zwischen dem Auftauchen der Störche und den Geburten zu geben scheint. Falls es jemand interessiert, versuche ich noch mal, die aufzutreiben ist wirklich amüsant!
"If the ideology you read is invisible to you, it usually means that it’s your ideology, by and large."

R. Scott Bakker

"We have failed to uphold Brannigan's Law. However I did make it with a hot alien babe. And in the end, is that not what man has dreamt of since first he looked up at the stars?" - Zapp Brannigan in Futurama

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