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Sub-Plots oder Nebenhandlungen


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54 Antworten in diesem Thema

#1 C. J. Knittel

C. J. Knittel

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Geschrieben 27 November 2011 - 15:37

Hallo Gemeinde! Ein Theme welches IMHO aus handwerklicher Sicht zu kurz kommt, sind die Nebenhandlungen in Romanen. Durch einen meiner Gegenleser ist mir aufgefallen, dass ich selbst darauf nicht geachtet habe. Wie sehen eure Meinungen dazu aus? Wie handhabt ihr das? Sind Nebenhandlungen erforderlich oder sogar wünschenswert? Was haltet ihr von Romanen ohne Nebenhandlung? Wie präsent sollte eine Nebenhandlung sein? Ich bin gespannt auf eure Meinungen!

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#2 Morrigan

Morrigan

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Geschrieben 27 November 2011 - 19:08

Wenn Dir auch ein "Nicht-Schreiber - Nur-Leser" antworten darf? Ganz subjektiv: Ich finde Nebenhandlungen geben einem Werk mehr Tiefe - sofern sie nicht vollkommen zusammenhanglos ist/sind. Voraussetzung ist, dass die Nebenhandlung wenigstens teilweise irgendwann mit der Hauptgeschichte zusammengeführt wird, das ergibt dann ein kompaktes Ganzes. Ich würde nicht behaupten, dass eine Nebenhandlung zwingend sein muss - von mir aus dürfen es aber auch gerne mehr als eine Nebenhandlung sein (ich weiss, das ist stark Geschmackssache). Gerne lese ich auch mehrere parallele Handlungsstränge - ohne, dass man gleich erkennt, welches nun die "Hauptstory" ist, wunderbares Beispiel: "Ein Nashorn für den Papst" - ist nicht immer einfach zu lesen, für mich aber immer lohnenswert.

#3 C. J. Knittel

C. J. Knittel

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Geschrieben 27 November 2011 - 19:21

Danke für Deinen Betrag. Ich sehe das alles übrigesn ganz genauso. Als weiteres Beispiel für Handlungsstränge, bei denen man nicht sofort sieht, welcher der Hauptstrang ist, ist der Wahrträumer von Bernhard Hennen.

Bi-lal kaifa
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#4 T. Lagemann

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Geschrieben 27 November 2011 - 19:46

Hallo C.J.

Hallo Gemeinde!

Ein Theme welches IMHO aus handwerklicher Sicht zu kurz kommt, sind die Nebenhandlungen in Romanen. Durch einen meiner Gegenleser ist mir aufgefallen, dass ich selbst darauf nicht geachtet habe. Wie sehen eure Meinungen dazu aus? Wie handhabt ihr das?

Sind Nebenhandlungen erforderlich oder sogar wünschenswert?


Kurzgeschichten kommen auch ohne Nebenhandlung aus, bei Erzählungen sind sie erforderlich, natürlich auch in Romanen.

Was haltet ihr von Romanen ohne Nebenhandlung?


Nicht viel. Aber manchmal möchte ich nicht mehr als "nicht viel" - ist wie'n Popcorn-Film im Kino. Wenn fetzig gemacht/geschrieben, unterhält auch ein eindimensionaler Roman ganz gut.

Wie präsent sollte eine Nebenhandlung sein?


Das "Neben" in "Nebenhandlung" sagt eigentlich schon alles. Natürlich stehen Nebenhandlung nicht frei im Raum, sie sollten einen Bezug zur Haupthandlung haben oder zumindest Aspekte einbringen, die in der Haupthandlung nicht beleuchtet werden können.

Gerade habe ich mit "Der Mann, der durch das Jahrhundert fiel" von Moritz Rinke einen Roman gelesen, der mit seinen Nebenhandlungen virtuos umgeht. Das gibt es die Geschichte des Wendland-Kück als Haupthandlung. Er kommt zurück nach Worpswede, soll sich dort um sein langsam ins Moor versinkendes Elternhaus kümmer. Dort wohnt Nullkück (Nebenhandlung 1). Der Wendland-Kück bekommt es mit dem erfolglosen Künstler Ohlrogge (Nebenhandlung 2) zu tun. Spät ins Spiel kommt die Prostituierte Ana (Nebenhandlungchen 1) und der Stipendien-Gauner Georgij (Nebenhandlungchen 2). Bis auf Ana und Georgij verbindet alle Worpswede und da ganz besonders die Jahre 33-45. Wie nebenbei wird im Roman die komplizierte Geschichte des Paul Kück erzählt, einiges über Reichsbauernführer und die Worpsweder Künstlerkolonie im allgemeinen (samt Modersohn-Becker). Rinke schafft es, all diese Handlungsstränge nicht nur wunderbar kurzweilig zu erzählen, er führt sie auch zusammen, ohne dass es aufgesetzt wird.



Ich bin gespannt auf eure Meinungen!


Viele Grüße
Tobias
"Wir sind jetzt alle Verräter."
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Na gut, dann nicht, nicht um jeden Preis
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#5 C. J. Knittel

C. J. Knittel

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Geschrieben 27 November 2011 - 20:07

@ T.Lagemann: wieso bist Du der Meinung, dass ein Roman eine Nebenhandlung braucht? Und wieso hälts Du nicht viel von Romanen ohne?

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#6 Vincent Voss

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Geschrieben 27 November 2011 - 22:27

Sind Nebenhandlungen erforderlich oder sogar wünschenswert? Hängt doch davon ab, für wen du schreibst. Schreibst du für ein breites Publikum, birgt es die Gefahr viele Leser durch die Subplots zu verlieren, sofern sie nicht eindeutig und einfach an die Haupthandlung gekoppelt sind. Ich persönlich empfinde sie häufig als Bereicherung. Was haltet ihr von Romanen ohne Nebenhandlung? Finde ich selten gut. Wie präsent sollte eine Nebenhandlung sein? Tja, so präsent wie in Simmons Hyperion-Gesänge.

#7 derbenutzer

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Geschrieben 28 November 2011 - 11:27

Hallo Gemeinde!



Was haltet ihr von Romanen ohne Nebenhandlung?

Wie präsent sollte eine Nebenhandlung sein?


Ich bin gespannt auf eure Meinungen!


Zu Romanen ohne Nebenhandlung: Es gibt genügend Beispiele dafür, dass das auch gut funktioniert und keine stilistische Einbuße darstellt. Man denke nur an Werke, die in einer Ich-Erzählsituation geschrieben sind.


Nebenhandlungen vermögen im Idealfall eine erzählerische Welt wunderbar aufzubauen, sie können aber andererseits ermüdend zu einer Langatmigkeit beitragen. Schafft es ein Autor seine epischen Bögen zusammenzuführen: alles gut. Wenn nicht wird 's – eh klar – mühsam.


Ein Extrembeispiel: Ich lese u.a. gerade Pandora's Star von Peter F. Hamilton.


Am Anfang liest man eine vergleichsweise eher kurze Einführung in den Auslöser der nachfolgenden Ereignisse, danach aber unzählige und breitest ausgeführte Stränge an Neben(?)handlung. Wobei man gar nicht weiß, ob nur ein und – wenn ja – welcher Strang da künftig die Haupthandlung tragen wird.


Mir gefällt es, auf mich wirkt es spannend, aber ich bin überzeugt, dass zig Nebenhandlungen – wie in diesem Buch – viele Leser überfordern bzw. abschrecken. Vor allem, wenn sie das Buch nicht so wirklich in einem Rutsch durchlesen.


Beim (insbesondere massiven) Einsatz solcher Strukturen ist eben die Begabung, das Handwerk, das Gefühl des Autors gefordert, vielleicht auch Disziplin beim Entwurf ...


Liebe Grüße

Jakob

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#8 C. J. Knittel

C. J. Knittel

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Geschrieben 28 November 2011 - 12:06

Spontan fallen mir zwei prominente Beispiele ein für Romane, in denen ohne nachteil Wirkung auf Nebenhandlungen verzichtet wurde: H. G. Wells - Die Zeitmaschine Ernest Hemingway - Der alte Mann und das Meer Ich hoffe, ihr stimmt mir zu.

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#9 Ming der Grausame

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Geschrieben 28 November 2011 - 20:29

Nein. Die Zeitmaschine hat nämlich ebenfalls Nebenhandlungen, sonst könnte H. G. Wells ja auch gar nicht seine Anklage gegen die Klassenunterschiede und gegen die Unterdrückung des Menschen durch den Menschen im 19. Jahrhundert vorbringen und das schlussendlich keine Diskrepanz zur zukünftigen Gesellschaft der unterirdischen Morlocks und der oberirdischen Eloi besteht. Und die in noch weiter in die Zukunft liegende Ebene, im ewigen Zwielicht der stillstehenden Erde vor einem riesigen roten Feuerball, ist ebenfalls nur eine Nebenhandlung, welche das Ende der Menschheit dokumentiert.
„Weisen Sie Mittelmäßigkeit wie eine Seuche zurück, verbannen Sie sie aus ihrem Leben.“

Buck Rogers

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#10 derbenutzer

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Geschrieben 28 November 2011 - 22:55

Nein. Die Zeitmaschine hat nämlich ebenfalls Nebenhandlungen, sonst könnte H. G. Wells ja auch gar nicht seine Anklage gegen die Klassenunterschiede und gegen die Unterdrückung des Menschen durch den Menschen im 19. Jahrhundert vorbringen und das schlussendlich keine Diskrepanz zur zukünftigen Gesellschaft der unterirdischen Morlocks und der oberirdischen Eloi besteht. Und die in noch weiter in die Zukunft liegende Ebene, im ewigen Zwielicht der stillstehenden Erde vor einem riesigen roten Feuerball, ist ebenfalls nur eine Nebenhandlung, welche das Ende der Menschheit dokumentiert.


Interessante Einwände!

Ich glaube andererseits nicht, dass es sinnvoll ist, quasi die klassischen poetologischen Anforderungen an das Drama (Einheit des Ortes, Einheit der Zeit, Einheit der Handlung) – ohne Vorbehalte – auf Romane zu stülpen.
Täte man dies, könnte man sehr bald minimale erzählerische Abweichungen von diesen Erfordernissen als Nebenhandlung qualifizieren.

Insbesondere da ja im konkreten Werk der fortlaufende Erzählfluss des Zeitreisenden gegeben ist, erscheint mir Deine Beurteilung als diskussionswürdig.

Kurz und gut: Ab wann ist nach Deiner Sicht eine Handlung eine Nebenhandlung?

Gut, diese Geschichte mit der Erde in ferner, ferner Zukunft: geht schon etwas in diese Richtung ...

Liebe Grüße

Jakob

Bearbeitet von derbenutzer, 28 November 2011 - 22:56.

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#11 Ming der Grausame

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Geschrieben 28 November 2011 - 23:04

Schlicht jede Handlung, die zusätzlich zur zentralen Handlung verläuft.
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#12 Torwan

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Geschrieben 29 November 2011 - 13:27

Eine gute Geschichte hat einen breiten und vielschichtigen Hauptstrang, gerne auch zeitweilig getrennt, der am Ende der Geschichte in einem Punkt kulminiert. In einer solchen Geschichte ist ALLES wichtig und es gibt keine Nebenhandlung, die mit der Haupthandlung nichts oder nur rudimentär etwas zu tun hat. Großartig finde ich in der Hinsicht z.B. die SciFi-Epen von Dan Simmons "Ilium/Olympos" und "Hyperion/Endymion". Nebenhandlungen sind meiner Meinung nach "schwierig". Wenn die Nebenhandlung einen Seitenstrang der Haupthandlung darstellt, der am Ende doch irgendwie wichtig wird, dann ist er gut. Wenn die Nebenhandlung platt ausgedrückt "einfach nur so" da ist, um eine Welt oder ein Szenario mehr zu beleuchten, halte ich sie für deplatziert. Wenn sie gut ist, sollte sie lieber selbst einmal im Rahmen einer Shortstory, Novella oder eines Romans ausgearbeitet werden. Wenn sie dafür nicht gut genug ist, dann sollte sie auch erst recht aus einem anderen Roman verschwinden, weil sie dann eher langweilt und die Haupthandlung unnötig verzögert. Wenn man so etwas hat, sollte man lieber daran arbeiten, dass dieser Nebenstrang irgendwann zum Hauptstrang zurückfindet und die Ergebnisse der Nebenlinie wichtig für die Hauptlinie werden. Dadurch wird natürlich das Design der Geschichte komplizierter, aber ohne das wird eine Story meiner Meinung nach zerfahren, unstrukturiert und letzten Endes langweilig.

#13 T. Lagemann

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Geschrieben 29 November 2011 - 15:55

Hallo C. J.

@ T.Lagemann: wieso bist Du der Meinung, dass ein Roman eine Nebenhandlung braucht? Und wieso hälts Du nicht viel von Romanen ohne?


ein Roman bietet Platz, um eine Geschichte komplex zu erzählen, also nicht nur aus Sicht einer Person, sondern aus mehreren Perspektiven. Warum diesen Platz nicht nutzen und mit Nebenhandlungen die Haupthandlung ergänzen?

Mal ein Beispiel: Ein Roman handelt von einem Mann, der in den Krieg zieht. Soweit bestimmt spannend. Was nun, wenn der selbe Krieg aus der Sicht eines anderen Mannes beschrieben wird? Oder eine Nebenhandlung beschreibt, wie die Daheimgebliebenen das Fortsein des Mannes empfinden. Das Bild des Krieges wird komplexer. Und damit für mich interessanter.

Das derlei (Nebenhandlung zu Handlung, auch das Ineinander-aufgehen) passen muss, versteht sich eigentlich von selbst. Das ist Handwerk. Schlecht eingebaute Nebenhandlungen sind schlechtes Handwerk und kein Problem von Nebenhandlung an sich.

In Hemingways "Der alte Mann und das Meer" gibt es mit den am Land spielenden Szenen einen Handlungsstrang, der die eigentliche Handlung "Alter Mann am fischen" ergänzt, also durchaus eine Nebenhandlung.

Viele Grüße
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#14 Ming der Grausame

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Geschrieben 29 November 2011 - 17:00

Die Grundfrage läuft wohl darauf hinaus, zu eruieren, wann eine Nebenhandlung als wichtig erachtet werden kann. Viele Nebenhandlungen und Die Hyperion-Gesänge ist IMHO ein Musterbeispiel dafür, bekommen ihren Wert aus Nebensächlichkeiten, die für die Nebenhandlung selbst nicht wichtig sind, jedoch sehr wohl für die Haupthandlung.
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#15 C. J. Knittel

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Geschrieben 30 November 2011 - 00:44

puhh, hab ja einiges verpasst! zur obigen Diskussion: ich meinte eigentlich Nebenhandlungen, die ganz klar andere Personen, an anderen Orten zeigen, z. B. die Sicht des Bösewichts, oder Nebenfiguren etc. @ T.Lagemann: Ich gebe dir recht, dass sollte so sein, aber das MUSS doch nicht so sein. Oder? Was Hemingway angeht: Ich erinnere mich nicht an Szenen an Land, jedenfalls nicht ohne den alten Mann. Sonst wäre das Teil der Haupthandlung, nur halt an Land... Ich schätze es ist auch eine Frage, wie man Nebenhandlung definiert. Reicht eine thematische Trennung, oder müssen es Figuren/Orte sein?

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#16 T. Lagemann

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Geschrieben 30 November 2011 - 08:35

Hallo C. J.,

puhh, hab ja einiges verpasst!

zur obigen Diskussion: ich meinte eigentlich Nebenhandlungen, die ganz klar andere Personen, an anderen Orten zeigen, z. B. die Sicht des Bösewichts, oder Nebenfiguren etc.


mhm, dann war dein "Sub-Plots" etwas verwirrend ...


@ T.Lagemann: Ich gebe dir recht, dass sollte so sein, aber das MUSS doch nicht so sein. Oder?


Muss nicht. Denn nichts muss. Es geht immer auch anders.

Bei meinem aktuellen Projekt "Oberon" (siehe Blog) stehe ich vor dem Problem, dass ich auf einen räumlich getrennten Nebenstrang verzichten werde, um Platz für die eigentliche Haupthandlung zu behalten. Andernfalls würde der Text von 350-400 Seiten auf über 500 Seiten anwachsen. Als Sub-Plot bleibt mir die Nebenhandlung natürlich erhalten, sie wird nun eben jetzt direkt in die Handlung eingebettet. Und vielleicht wird es dadurch sogar spannender!! Natürlich habe ich auch darüber nachgedacht, ob ich auf diese Nebenhandlung nicht ganz verzichten kann, aber das würde mir den Text zu eindimensional werden lassen.

Was Hemingway angeht: Ich erinnere mich nicht an Szenen an Land, jedenfalls nicht ohne den alten Mann. Sonst wäre das Teil der Haupthandlung, nur halt an Land...


Es gibt Szenen ohne den alten Mann.

Ich schätze es ist auch eine Frage, wie man Nebenhandlung definiert. Reicht eine thematische Trennung, oder müssen es Figuren/Orte sein?


nach meinem Verständnis reicht eine thematische Trennung. Denn natürlich lassen sich auch am selben Ort mit den gleichen Figuren zwei "Geschichten" erzählen, wobei die eine nicht das Gewicht der anderen hat, also letztlich unterstützend/verdichtend wirkt.

Viele Grüße
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#17 Nina

Nina

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Geschrieben 30 November 2011 - 15:44

Es gibt Nebenhandlungen, die eine Notwendigkeit sind, um die Geschichte zu verstehen. Mir kommt es jedoch so vor, als seien viele besonders lange Nebenhandlungen nur dazu da, um aus einem 200-Seiten-Buch ein 400-Seiten-Buch zu machen. Ich bin jemand, der sich immer sehr stark mit dem Protagonisten identifiziert und ich bin daher regelrecht ungehalten, wenn man mich rausreißt. Es gab auch schon Bücher, wo ich nach einer Weile die ganze Nebenhandlung überblättert habe und das nicht als Verlust empfunden habe. (z.B. bei "Sternspringer" von Nancy Kress).

#18 Ming der Grausame

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Geschrieben 30 November 2011 - 17:20

Ich schätze es ist auch eine Frage, wie man Nebenhandlung definiert. Reicht eine thematische Trennung, oder müssen es Figuren/Orte sein?

Ich finde, dass ein Schuh andersrum daraus wird. Die Haupthandlung ist die Geschichte, die du erzählen würdest, wenn du nur ganz wenigen Sätzen darüber verlieren dürftest. Bei Hemingways Der alte Mann und das Meer wäre dies: Ein alter Mann fährt allein weit in den Golf hinaus, legt seine Leine aus und fängt einem gigantischen Marlin, mit dem er sich einen tagelangen Kampf liefert, am Ende gewinnt, jedoch den Fang nicht nach Hause bringen kann, da Haie vom Blut angezogen wurden und es auffressen. Alles andere sind Nebenhandlungen.
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#19 Seti

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Geschrieben 30 November 2011 - 18:36

Meine Meinung dazu: ich finde, dass Nebenhandlungen - wie schon mehrfach erwähnt - einem Roman mehr Tiefe geben können. Ich denke aber auch, dass eine ausführlich Biografie eines Protagonisten, die dem Leser häppchenweise (und möglicherweise mit sparsam eingesetzten Rückblenden) serviert wird, denselben Effekt nachsichziehen kann. Nebenhandlungen sollten jedoch immer zuende gedacht und zu einem vernünftigen Abschluss gebracht werden. Und das sollte wahrscheinlich schon zu Beginn in die Planung des Romans einfließen. Sonst steht man am Ende des Epilogs mit drei Handlungssträngen da, die man dann im vorletzten Kapitel irgendwie kappen muss. Um es mal an einem Beispiel zu erklären: Ich habe vor ein paar Monaten "Biokrieg" von Paolo Bacigalupi gelesen. Die Handlung spielt in einem zukünftigen Bangkok, das eine Vormachtstellung in einer Welt voller Hungersnöte, Genseuchen und Ökokatastrophen einnimmt. Darin gab es fünf Protagonisten, aus deren Sicht die Ereignisse geschildert werden. Einen Amerikaner und ein japanisches Mädchen (in meinen Augen die Hauptfiguren), außerdem einen alten Chinesen, einen thailändischen Offizier und dessen Partnerin (diese drei waren für mich Nebenfiguren). Was den Chinesen namens Hock Seng betraf, so war er ein Flüchtling aus Malaysia und der einzige Überlebende einer Großfamilie, die dort einem fiktiven Genozid durch islamistische Brigaden zum Opfer fiel. Davon abgesehen versuchte er wieder zu Reichtum zu kommen (er war in Malaysia Reeder gewesen), indem er seinen Boss - den Amerikaner - bestehlen wollte. Die Erzählungen über seine ermordete Familie und die einzige Rückblende, die das genauer beleuchtete, fand ich interessanter, als seine komplette Nebenhandlung. Da hätte ich auch gerne noch eine zweite und dritte Rückblende gelesen. Die Nebenhandlung wiederum zog sich in meinen Augen zu sehr hin, schien dann garnicht zu Ende geführt zu werden und endete letztendlich sehr abrupt und mMn unbefriedigend. Nichtsdestotrotz ein empfehlenswertes Buch, aber das nur am Rande. Ich hoffe, ich konnte mich halbwegs verständlich machen - ich bin leider kein Literaturprofessor.

"What today's nationalists and neosegregationists fail to understand," Kwame said, "is that the basis of every human culture is, and always has been, synthesis. No civilization is authentic, monolithic, pure; the exact opposite is true. Look at your average Western nation: its numbers Arabic, its alphabet Latin, its religion Levantine, its philosophy Greek†¦ need I continue? And each of these examples can itself be broken down further: the Romans got their alphabet from the Greeks, who created theirs by stealing from the Phoenicians, and so on. Our myths and religions, too, are syncretic - sharing, repeating and adapting a large variety of elements to suit their needs. Even the language of our creation, the DNA itself, is impure, defined by a history of amalgamation: not only between nations, but even between different human species!"

- The Talos Principle


#20 Torwan

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Geschrieben 01 Dezember 2011 - 11:17

Jetzt wird es echt schwierig, "Nebenhandlung" zu verstehen. Ist eine "Nebenhandlung" ein Blick auf eine Nebenfigur, die aber für die Haupthandlung wichtig ist oder ist es ein Erzählstrang, der mit der Haupthandlung nichts zu tun hat, sondern einfach nur "da ist"? Vielleicht sollten wir ein vermutlich allgemein bekanntes Buch/Film auswählen, um das zu definieren. Vielleicht Herr der Ringe oder Star Wars (die Originalen)? Das sollte doch eigentlich jeder kennen. Herr der Ringe ist anfangs ja sehr straight-forward und ohne große Abschweifungen, solange bis "Die Gefährten" (Teil 1) endet. Danach splittet sich die Handlung auf: Frodo/Sam/Gollum marschieren nach Mordor, Gimli/Aragorn/Legolas in Rohan und Pippin/Merry bei den Ents (und Gandalf erstmal weg und später bei Gimli/Aragorn/Legolas). Was ist da Haupt- und Nebenhandlung? Ich verstehe hierunter drei Hauptstränge ein und derselben Haupthandlung. Was hier ist Nebenhandlung? Zum Beispiel das, was man vom Herrscherhaus Rohan mitbekommt, Eowyn, Schlangenzunge usw. Das hat primär mit "vernichtet den Ring" nix zu tun, ist aber vital für die Haupthandlung, weil fällt Rohan fällt auch Gondor und alles fällt zusammen. Ist diese Nebenhandlung also wichtig? JA, absolut, weil sie eben Auswirkungen auf die Haupthandlung hat. Das verstehe ich unter einer guten Nebenhandlung. Schlechte Nebehandlungen...z.B. wenn es einen Handlungsstrang gäbe, der die Konflikte zwischen den Beutlins und ihren Verwandten im Auenland weiter beleuchten würde. Hat das was mit der Handlung "vernichtet den Ring zu tun"? Nein, zu keinem Zeitpunkt. So ein Strang könnte zwar das Auenland breiter darstellen, aber will man wirklich während der Schlacht um Helm's Klamm oder beim Durchbruch nach Mordor unterbrochen werden von 30 Seiten Familienfehde oder Felder abernten im Auenland? Vermutlich nicht. Man würde sich durchquälen, es überspringen, das Buch wegpfeffern und in jedem Fall den Autor verfluchen...

#21 Ming der Grausame

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Geschrieben 01 Dezember 2011 - 13:35

Der Herr der Ringe ist viel zu komplex, um es ernsthaft analysieren zu können. Bei Hemingways Der alte Mann und das Meer existieren IMHO jedoch exakt 2 Nebenhandlungen: zuerst die Nebenhandlung, die darüber aufklärt, warum der alte Mann überhaupt allein so weit in den Golf hinausfährt und dann noch die Nebenhandlung, die nach der Ankunft in den Hafen vor der Morgendämmerung spielt. Beide sind für die Haupthandlung eigentlich nebensächlich, machen aber die Dramatik erst richtig fassbar. Ansonsten sind Wertungen für die Klassifizierung von Nebenhandlungen schlicht irrelevant.
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#22 Ming der Grausame

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Geschrieben 01 Dezember 2011 - 13:48

Der alte Mann fuhr nämlich sonst nie alleine hinaus, sondern immer mit seinen Gehilfen Manolin. Am Ende versprechen sich die beiden auch, wieder zusammen zu fischen.
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Buck Rogers

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#23 Puh

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Geschrieben 01 Dezember 2011 - 17:32

Der Herr der Ringe ist viel zu komplex, um es ernsthaft analysieren zu können.

Echt jetzt? Ich habe die Bände eigentlich immer als sehr eindimensional erlebt. In Relation dazu ist Rowling wirklich komplex.

Bei Hemingways Der alte Mann und das Meer existieren IMHO jedoch exakt 2 Nebenhandlungen: zuerst die Nebenhandlung, die darüber aufklärt, warum der alte Mann überhaupt allein so weit in den Golf hinausfährt und dann noch die Nebenhandlung, die nach der Ankunft in den Hafen vor der Morgendämmerung spielt. Beide sind für die Haupthandlung eigentlich nebensächlich, machen aber die Dramatik erst richtig fassbar.

Sie sind somit also zentrale Bestandteile der Erzählungen, die man als Vorgeschichte und Schluss abbuchen sollte. Nebenhandlungen sind sie ganz bestimmt nicht.

#24 Puh

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Geschrieben 01 Dezember 2011 - 17:50

Mal ganz allgemein: Es ist zu guter Letzt eine Frage dessen, was der Autor eigentlich möchte. Möchte er die Geschichte einer Heldin darstellen, die sich allein durch die Welt schlägt, möchte dabei auf ihre psychischen Probleme fokussieren, dann sollte er auf Nebengeschichten weitgehend verzichten, Möchte er hingegen ein wenig Komplexität in die Sache bringen, dann stellt er ihr eine Freundin an die Seite, die die Sache ganz anders betrachtet - das ermöglicht ihm dann viele Spiegelungen.
Möchte er die Welt, den Kosmos, das Jahrhundert darstellen, dann erzählt er eben eine Familiengeschichte, entwickelt Geschichten aus Geschichten - oder verzichtet völlig auf eine Geschichte. Die erste Möglichkeit ist oft genutzt worden, der Viktorianische Roman war gut darin, die zweite Möglichkeit wurde schon seltener genutzt, weil sie einfach zu schwierig ist. Jan Graf Potockis "Die Abenteuer in der Sierra Morena liefern aber ein herrliches Beispiel, was dabei rauskommen kann. Die dritte Möglichkeit kann zu literarischen Höchstleistungen verführen, wie George Perec mit "Das Leben - eine Gebrauchsanweisung" fulminant belegte. Beide genannten Bücher sind unbedingt lesenswert, insbesondere für Leute die schreiben (wollen).
Viel interessanter allerdings die Frage, wie solche Nebengeschichten denn eingebaut werden. Am besten dann wohl so, dass alle Geschichten eine Einheit bilden, das lässt sich am leichtesten dadurch erreichen, dass man eine Geschichte verzweigt und dann wieder zusammenfügt. Will man das nicht, dann braucht man einen übergeordneten Rahmen. Macht dann schon viel mehr Arbeit, weshalb auch so wenige Autoren das machen.

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Bearbeitet von Puh, 01 Dezember 2011 - 17:52.


#25 Ming der Grausame

Ming der Grausame

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Geschrieben 01 Dezember 2011 - 19:17

Sie sind somit also zentrale Bestandteile der Erzählungen

Nein, sind sie nicht. Was man schon daran erkennt, dass sie bei der Verfilmung gnadenlos gekürzt wurden und kein Mensch sie vermisst hat. Ansonsten bin ich der Meinung, dass ein Intro ebenso eine Nebenhandlung ist, wie ein Outro, schließlich sind sie kein Bestandteil der Haupthandlung.

Aber wir müssen uns diesbezüglich nicht streiten, im Zweifelsfall nehmen wir schlicht die Definition von Gero von Wilpert. Ist im Sachwörterbuch der Literatur auf S. 324 zu finden.
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#26 Torwan

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Geschrieben 02 Dezember 2011 - 09:06

"Der alte Mann und das Meer" habe ich jetzt nicht gelesen und ich behaupte einfach mal, dass ich da nicht der Einzige bin. Deswegen ist es schwer, sich darüber allgemein zu unterhalten, weswegen ich etwas allgemein Bekanntes ausgesucht habe. "Herr der Ringe" fand ich übrigens auch nicht so komplex. Wenn ich dagegen Tolstoi's "Krieg und Frieden" stelle, ist "Herr der Ringe" ein äußerst simpler Roman. Aber gut, anderes Thema... Ich habe aus den letzten Posts den Eindruck gewonnen, dass es bei dem "Nebenhandlungs"-Thema auch um die Frage geht, ob man eine Geschichte hat, die auf ein Ziel zusteuert ("zerstöre den Ring") oder ob man eher eine Art "Saga" hat, die einige Hauptcharaktere begleitet, vielleicht mit einem allgemeinen alle betreffenden Rahmen, aber ohne besonderes Ziel und ohne speziellen Hauptplot (z.B. irgendein Familien-Epos aus der Zeit des US-Bürgerkriegs oder so). In ersterem stören Nebenhandlungen, die nicht als "Nebenstränge" der Haupthandlung zu verstehen sind, da sie die Spannung unterbrechen und für das "Ziel" bedeutungslos sind. In letzterem gibt es ein solches "Ziel" nicht, die Spannung wird eher erzeugt durch die persönlichen Lebenswege der Charaktere und wie sie mit der allgemein alle betreffenden Situation umgehen; dort können "Abzweigungen" durchaus interessant sein, wenn sie interessante Charaktere beleuchten. Es ist dann auch eher eine Geschmacksfrage - was will man eigentlich lesen/schreiben? Einen spannenden Roman mit Zielcharakter oder eine spannende Familien-Saga mit vielschichtiger Prämisse?

#27 Ming der Grausame

Ming der Grausame

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Geschrieben 02 Dezember 2011 - 15:34

Der alte Mann und das Meer ist eine Novelle mit gerade mal 144 Seiten. Man kann sie problemlos an einen Abend lesen und du lernst dabei mehr über Literatur, als bei sonstigen Werken. Nicht umsonst erhielt Ernest Hemingway 1954 dafür den Nobelpreis für Literatur. Ansonsten ist die Haupthandlung die das Geschehen tragende Handlung, also die quantitativ und/oder funktional dominierende Handlung bzw. Handlungssequenz, der von einer oder mehreren graduell abgestuften Nebenhandlungen neue Entwicklungsimpulse zugetragen werden oder die durch Korrespondenz- oder Kontrastbezüge in Nebenhandlungen verdeutlicht oder relativiert werden. Außer man hat mehrere Haupthandlungen, dann hat man eben eine wechselseitige Funktionalisierung. Wenn du schon Strukturbegriff der Dramenanalyse benutzt, dann solltest du sie gefälligst auch kennen.
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#28 C. J. Knittel

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Geschrieben 02 Dezember 2011 - 22:48

naja, offenbar ist das ganze Thema sehr viel schwiegiger oder komplexer, als ich angenommen hatte. Ich habe auch den Eindruck, dass es hier oft auf den Geschmack des Autors oder des Leser ankommt. Wir reden hier wohl nicht über starre Regeln, sondern eher über flexible Richtlinien.

Bi-lal kaifa
(Mehr muss nicht gesagt werden)


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#29 derbenutzer

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Geschrieben 03 Dezember 2011 - 02:12

...Ansonsten ist die Haupthandlung die das Geschehen tragende Handlung, also die quantitativ und/oder funktional dominierende Handlung bzw. Handlungssequenz, der von einer oder mehreren graduell abgestuften Nebenhandlungen neue Entwicklungsimpulse zugetragen werden oder die durch Korrespondenz- oder Kontrastbezüge in Nebenhandlungen verdeutlicht oder relativiert werden. Außer man hat mehrere Haupthandlungen, dann hat man eben eine wechselseitige Funktionalisierung. Wenn du schon Strukturbegriff der Dramenanalyse benutzt, dann solltest du sie gefälligst auch kennen.




http://www.teachsam....m#Haupthandlung

Kenne ich auch.
Ist eine gute Seite. Griffige, präzise Definitionen ohne Schnörkel.

LG

Jakob

Austriae Est Imperare Orbi Universo


#30 simifilm

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Geschrieben 03 Dezember 2011 - 10:13

Nur ein mittelkurzer Einwurf von meiner Seite: Ich verstehe eigentlich schon die Ausgangsfrage nicht. Zumindest ich bewerte Romane nicht danach, ob und wie viele Nebenhandlungen sie besitzen (und ich kenne eigentlich auch niemanden, der das tut). Ab einer gewissen Länge kommt wohl ohnehin keine Erzählung ohne Nebenhandlung aus (wie immer man die auch definiert; viele Definitionen unterscheiden den Roman von der Novelle ja gerade dadurch, dass Letztere nur ein Ereignis berichtet, während sich der Roman durch mehrere Handlungsstränge auszeichnet). Die Frage: Nebenhandlung ja oder nein ist in meinen Augen völlig unsinnig. Entscheidend ist doch, wie Nebenhandlungen eingesetzt werden, welche Funktionen sie übernehmen (können) und welcher Effekt das erzeugen kann. Und das wiederum lässt sich eigentlich nur anhand von konkreten Beispielen und nicht auf rein abstrakte Weise sinnvoll diskutieren (in diesem Punkt muss ich Ming, der sich mal wieder mit Ergoogeltem wichtig machen will, Recht geben. Ein konkretes Beispiel wie zum Beispiel Hemmingway ist hier weitaus erhellender als abstrakte Statements; wobei man natürlich auch unzählige andere Beispiele, die vielleicht mehr Leute gelesen haben, bringen kann).

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