Wie viele? 10, 100, 1000? Nehmen wir mal 1000. Wie hoch muss die Auflage eines Buches sein?
"Muss" für was? Eine "Muss"-Auflagenhöhe sieht für jeden Verlag anders aus.
10.000? D.h, 90% sind schon mal gar nicht hier. Sind die 1000 repräsentativ im Hinblick auf Intro- und Extrovertiertheit? Njet. Der Grund dafür ist relativ einfach. Die Interaktion mit Menschen ist für Introvertierte energiezehrend, während Extrovertierte aus ihr eher Energie schöpfen. In einem Internet-Forum verschiebt sich die Anstrengung zwar zugunsten der Introvertierten wegen beliebig einschiebbarer Pausen, aber eine Interaktion kostet immer noch Energie; Diskussionen werden sie gar nicht erst anstoßen oder schon nach kurzer Zeit nicht mehr aktiv begleiten. Also auch hier sind die Introvertierten deutlich unterrepräsentiert wahrnehmbar. Wie sehr man sich in der schweigenden Mehrheit irren kann, mussten die Gegner von Stuttgart 21 bei der Volksabstimmung erleben.
Das ist natürlich zutreffend. Andererseits ist ein wesentlicher Grund dafür, dass wir es sehr schwer haben, über die schweigende Mehrheit gute Aussagen treffen zu können, eben die Tatsache, dass sie schweigt. Die einzige ordentliche sozialempirische Untersuchung, die mir aus deutschen Landen bekannt ist, liegt über PR-Leser vor. Diese stellen aber natürlich auch nur eine Teilmenge dar. Können wir diese Ergebnisse bereits verallgemeinern?
Natürlich kann auch ich völlig danebenliegen. Allerdings sollte aus zwei Gründen nochmals darüber nachgedacht werden:
1. Bisher fehlt jeglicher sinnvoller Erklärungsansatz, wo denn die ganzen Kunden abgeblieben sind, wenn man mal vom bösen Fernsehen und Internet absieht. Das ist dürftig.
Science Fiction hat zahlreiche Ausprägungen. Die Geschriebene ist nur eine davon. Da die SF sich ganz hervorragend zur Umsetzung in andere mediale Vermittlungsformen eignet, steht das Buch in einer sehr harten Konkurrenz etwa zum Computerspiel, zum Film oder zum Tabletop/Rollenspiel. Ich möchte die Behauptung wagen, dass es immer noch sehr viele SF-Fans gibt, diese aber nicht notwendigerweise auf das Buch als bevorzugtes Medium zurückgreifen, sondern andere Formen des Genrekonsums vorziehen. Das mag dem Bücherfan nicht passen, aber es ist nun einmal so. Dabei gibt es natürlich Überschneidungen und "spill overs" - die Romane etwa aus dem W40k oder Battletech-Universum, die auch von "Nur-Lesern" konsumiert werden.
Die Konkurrenz ist hart, und derzeit scheint das Buch in diesem Konkurrenzkampf das Nachsehen zu haben.
Andererseits dürfen wir den Blick nicht auf das verengen, was unter dem weithin sichtbaren Label "SF" erscheint. Es ist eine Tatsache, dass SF-Themen mittlerweile den Mainstream erreicht haben. "Die Straße" oder "Der Schwarm" belegen, dass vieles, was früher als reine SF tituliert und publiziert worden wäre, nun als Mainstream-Literatur erscheint. Obgleich sich manche gegen diese einengende Schubladisierung auch wehren, bleibt es aber dennoch ein Faktum. Wie viel von Tom Clancys Techno-Thrillern ist noch/schon Science Fiction? Wenn wir nur auf das Label starren, entgeht uns möglicherweise einiges, das wir in die Betrachtung einbeziehen sollten.
Zum Schluss bin ich der Überzeugung, dass sich Literaturformen in Wellen verkaufen. Die SF ist dafür ein wunderschönes Beispiel. Vergessen wir nicht, dass die Programme schon mal viel kleiner waren als jetzt (wenngleich unsere mystisch-mythische Verklärung der Vergangenheit das möglicherweise gerne ausblendet). Die Dominanz der Fantasy und das Aufkommen der fickenden Vampire haben überdeckt, welche, möglicherweise kleinen, Fortschritte sich auch im SF-Bereich ergeben haben.
Und dann noch, auch, wenn manche das in diesem Forum noch abstreiten: ich bin felsenfest davon überzeugt, dass der relativ geringe Stellenwert der SF in Deutschland in den letzten Jahren dadurch befördert wurde, dass wir dank amazon und Konsorten auf Übersetzungen nicht mehr angewiesen sind. Viele Menschen verstehen schriftliches Englisch ganz gut und holen sich den Stoff - oft preiswerter - direkt vom Urheber. Das wird sich ganz bestimmt auch negativ auf die Auflagenzahlen der übersetzten SF ausgewirkt haben - aber damit auch gleichzeitig auf die Quantität des SF-Konsums insgesamt? Fragen wir doch mal amazon, warum alle SF-Neuerscheinungen aus den USA palettenweise in deutschen Logistikzentren stehen. Das machen die doch nicht zum Spaß.
Die Trägheit der Masse ist sehr groß.
Das kommt, wie immer, darauf an.
Bearbeitet von Diboo, 04 Februar 2012 - 13:42.