Siehst du, ich denke, dass es in vielen Fällen genau umgekehrt läut: Große wie kleine Verlage und sogar Autoren betreiben doch ständig Trendsuche. Dabei muss es nicht immer um die Erfindung eines neuen Subgenres gehen, manchmal reicht auch ein Element (Vampire, Zombies, Orks ...). Oft knüpfen sie dabei natürlich an Erfolgreiche Bücher an, manchmal versuchen sie auch, einfach so einen Trend aus der Taufe zu heben (ich erinnere mich an die zahlreichen Verlagsvertreter, die mir vor gut zwei Jahren weismachen wollten, nach den Vampiren kämen jetzt die Engel - lustigerweise der Totalflopp ...). Die besonders hoffnungsvollen Herausgeber, Verlage und Autoren machen durchaus was neues, in der Hoffnung, damit den nächsten großen Trend mit-loszutreten, aber eben immer schon mit einem Auge auf die Frage nach Kategorisierbarkeit und Anschlussfähigkeit. Ich bin durchaus der Überzeugung, dass diese Perspektive auch das Verhalten von Autoren und Herausgebern beeinflusst, und dass das Label eben nicht immer "hinterher" kommt, sondern allzu oft eine Kopfgeburt von Leuten ist, die - nicht unbedingt aus kommerziellem Interesse, sondern vielleicht durchaus aus authentischer Begeisterung für's kreative Schaffen - etwas "wichtiges Neues" (und nicht einfach "nur" eine Geschichte) schaffen wollen, was von den Leuten auch sofort als "neu" erkannt und gewürdigt wird.
Danke, Jakob! Ich glaube, jetzt verstehe ich, was Du meinst. Wenn das Label und die Konformität dazu beziehungsweise die Erschaffung eines eigenen Labels wichtiger ist als die Qualität des Werks, ist das schlecht, und wenn diese Denkweise dazu führt, daß die Kreativität des Autors eingeschränkt wird, entsteht aus meiner Sicht tatsächlich Schaden. Du hast den Vorteil, daß Du auch die Sichtweise des Buchhandels (und durch Shayol möglicherweise auch die des Verlags) kennst. Da ich das nicht kenne, akzeptiere ich Deine Beobachtungen als korrekt. Ich revidiere daher meine ursprüngliche Schlußfolgerung insofern, daß exzessiver Labelgebrauch, insbesondere für sehr spezifische Bereiche (erst recht, wenn es nur wenige dazugehörige Werke gibt) aufgrund des durch die Marktkräfte auf Autor und Verlag ausgeübten Drucks tatsächlich Schaden in Form eingeschränkter Kreativität verursachen kann.
Das bringt mich nun zur Frage, wie man diesem Schaden entgegentreten kann, ohne den Nutzen für die Leserschaft (leichtes Finden interessanter Lektüre) zu gefährden. Mir fällt leider nichts ein. Hier wäre dann wohl keine Äbwägung des Verhältnisses von Schaden und Nutzen erforderlich.
Das wirkt nicht nur verzweifelt, das ist im Wesentlichen pure Verzweiflung. Bei der ganzen Diskussion sollte man nicht übersehen, dass der Autor die Marke ist. Und sonst gar nichts! Starke Autoren lassen sich verkaufen, egal ob sie in der aktuellen Trendwelle schwimmen oder nicht. Sie sind in den Köpfen der Leser verankert. Lohnschreiber, die (häufig gut verkäufliche) Massenware in Fließbandarbeit produzieren, brauchen und suchen Trends, sonst gehen sie unter und müssen sich einen anderen Job suchen. Und wenn man mit Nonames (bitte nicht als abwertend verstehen) ein Buch produziert - den meisten kleinen Verlagen bleibt gar nichts anderes über -, dann hat man keine Marke und versucht dies und das und jenes. Anstatt einzelne, wirklich gute Autoren gezielt zu suchen und über einen längeren Zeitraum hinweg als Marke aufzubauen. Das funktioniert auch im Kleinverlag und bei Nischenliteratur. Und es funktioniert über Genregrenzen hinweg.
Danke, Ernst! Das unterstreicht Jakobs Ausführungen, wie der Labelzwang die Kreativität einschränkt. Gleichzeitig zeigst Du einen Weg auf, diese Kreativitätseinschränkung zu umgehen: Den Aufbau eines wirklich guten Autors als Label. Das kostet freilich Zeit und Geld, erfordert also beiderseits eine hohe Ivestitionsbereitschaft. Außerdem zeigt die Wortwahl "richtig gut", daß hier letztlich nicht der Autor, sondern *Qualität* zum Markenzeichen wird. Für Verlage, die den Atem und die Investitionsbereitschaft haben, mehrfach qualitativ herausragende Autoren und Herausgeber (auch deren Arbeit möchte ich gewürdigt wissen!) zu fördern, zahlt sich das am Ende aus, denn dann wird der Verlag selbst zur Marke, denn der Leser weiß, daß er dort auf jeden Fall gute Literatur bekommt - die Geschmacksfrage muß freilich in jedem Einzelfall entschieden werden. Ich weiß nicht, wie stark die Leser das honorieren - ich zumindest bin im allgemeinen in der Lage, zwischen "gut, aber nicht mein Geschmack" und "schlecht, aber eigentlich mein Geschmack" zu unterscheiden, und *ich* bevorzuge dann den geschmacklichen Fehlgriff gegenüber dem qualitativen.
Vermutlich werden wir es nur ROMAN nennen. Kein Genre, kein Label.
Das fände ich am besten. Die Verwendung eines unpassenden (falschen) Labels ist nach meiner Meinung viel schlimmer als der völlige Verzicht auf Label, denn ersteres führt zur Enttäuschung beim Leser, letzteres nicht.
Vielleicht auch "Definitiv kein Weicheier-Roman".
Der ist gut! Den solltet ihr nehmen!
muss ein Label Informationswert haben?
Meiner Meinung nach ja, denn sonst wäre das Label ja informations- und damit sinnlos. "Gliuzgsh-Roman" ist als Label völlig nutzos, da niemand weiß, was unter "Gliuzgsh" zu verstehen ist. Die Situation ändert sich erst, wenn entweder der Label-Bezeichner "Gliuzgsh" an sich Information enthält (wie beispielsweise "Clockpunk" durch die Ähnlichkeit zu "Steampunk" eine Idee gibt, was gemeint sein könnte) oder eine hinreichende Menge "Gliuzgsh"-Werke entstanden sind, so daß die Leser sich daraus ein Bild machen können, was unter "Gliuzgsh" zu verstehen ist.
*kopfpatsch* Gerade fällt mir ein, dass ich 'ne Zeitlang mit dem Gedanken gespielt habe, bei Mys Vatikan-Punk Ausschreibung einen Text einzureichen. Blöderweise kannte ich mich mit dem in der Ausschreibung genannten Steampunk-Hintergrund gar nicht aus. Also habe ich recherchiert, was es denn in der Richtung so alles gab und gibt. So'n Tisch hätte mir die Suche gewaltig erleichtert. Oder "Hier ist Steampunk drin"-Aufkleber oder so.
Genau das ist der Nutzen, den ich als Leser von Labeln habe.
Vielleicht sollten wir mal einen Ordner aufmachen mit dem Label "Abseits des Trends". Aber ist das nicht dann auch wieder ein Label?
Genau.
Und das schlimmste ist, wenn das zum Trend werden sollte, ist das Label an sich Etikettenschwindel geworden...
Das zeigt finde ich sehr schön, wie schwer es ist, Label wirklich zu vermeiden. Da ist eine sinnvolle Verwendung von Labeln meiner Meinung nach zielführender.