Also ... ich bin im (vieldiskutierten) Selbstverlag gestartet. Das ist aus heutiger Sicht OK.
Allerdings war meine erste Veröffentlichung grottenschlecht. Möge sie in Frieden ruhen.
Das zweite Buch (das durfte sich m.E. auch so nennen) war besser. Lesenswert tatsächlich, aber weit davon entfernt, professionell und auf irgendeine Weise 'fertig' zu sein.
Das dritte erst war (dank meiner eigenen Entwicklung als Autor) ein Türöffner. Es verkaufte sich als BoD und es verkauft sich immer noch beim neuen (kleinen) Verlag.
(...)
Den Türöffner-Effekt kann ich indirekt nachvollziehen.
Ich bin im Selbstverlag gestartet, weil ich meine Online-Leser nicht mehrere Jahre auf die verlangte Druckfassung warten lassen wollte, bis ich einen Verlag gefunden hätte. Meine Recherche dazu war damals eher ernüchternd.
Ich glaube, wenn meine erste Veröffentlichung "grottenschlecht" gewesen wäre, dann hätte ich sie inzwischen zurückgezogen. Zu einer unabhängigen Bewertung könnt ihr ja a3kHH fragen, der hat sie
gelesen.
Wenn ich diese ersten Bücher heute noch einmal schreiben würde, würden sie vielleicht an der einen oder anderen Stelle anders akzentuiert sein. (Und natürlich findet man nach jedem Korrekturlauf wieder einen Tippfehler, das ist eine Folge von Murphy's Gesetz.) Aber an dieser Stelle halte ich mich strikt an Heinleins Regeln (siehe z.B.
hier).
[Natürlich fließen Tippfehlerkorrekuren in nachfolgende E-Buch-Editionen ein.]
Über die Kontakte im Lulu-Forum habe ich jedenfalls eine Empfehlung an meinen kanadischen Verleger bekommen und wurde dort auf Anhieb genommen.
Wäre das tatsächlich die Entwicklung der Zukunft, dann würde der Filtereffekt (Lektorat) und der Marketingaspekt (was hat Massenpotential) der Verlage wegfallen und der Leser wäre allein auf sich gestellt, sich im bereits jetzt schwer zu überblickenden Buchveröffentlichungsdschungel zurecht zu finden.
Ich möchte die Erfahrungen in der Zusammenarbeit mit meinem Verleger und dessen Lektoren nicht missen. Dies hat mir sehr geholfen, den Markt (Dschungel) zu verstehen.
Immerhin hat diese Zusammenarbeit mir bestätigt, dass meine Geschichten Potenzial haben - und ich postuliere: Was nach der Übersetzung so gut ist, dass die englischen Lektoren mich zu den "besseren" Autoren zählen, kann vor der Übersetzung nicht so ganz schlecht gewesen sein.
Jetzt komme ich mal auf meine eigenen Fragen zurück:
a) Wie zutreffend sind die Argumente von Herrn Lendle im SF-Bereich?
b) Welche entsprechenden Tendenzen beobachtet ihr in der SF?
c) Was erwartet/befürchtet ihr, wohin die Reise geht?
d) und, schön getrennt von c: Warum findet ihr das gut oder schlecht?
Zu a) Nein, Verlage sind nicht mehr nötig - zumindest nicht für Autoren, die ihre Aufgabe ernst nehmen. Autoren, die mal bei einem Verlag waren und sich ausgeklinkt haben, oder Autoren, die sich informiert haben und wissen, wie es geht.
Zu b) Ja, auch ich sehe in der SF die virtuellen Berge von Mist entstehen. Zugleich sehe ich aber in den einschlägigen Sozialen Netzwerken die engagierten Indies, die sich darüber streiten, wie Qualität entsteht, und von denen lesenswerte Werke entstehen. (Beispiel: Lin Welchs
Whisperings-Serie.)
Zugleich sehe ich in den Buchhandlungen der Verarmung der Themen zu. Die Titelbilder werden immer ähnlicher, die Inhalte auch. Vampirromanzen, Fantasyhelden mit wehenden Umhängen - ich wende mich immer öfter ab.
Zu c) Der Markt wird es regeln. Es wird weiter viel Mist entstehen, und die guten Sachen haben eine Chance, sich durchzusetzen. Bei Youtube wird auch täglich Schrott eingestellt, na und? Dafür gibt es Leute wie Ming, die sich freiwillig durch den Clip-Berg wühlen und eine persönliche Auswahl weiterempfehlen. Dafür gibt es Reviewer, die bereit sind, auch mal das Buch eines Indies zu lesen und einen Kommentar dazu zu schreiben. Wer einmal einen Reviewer seines Vertrauens gefunden hat, wird dessen Empfehlungen hier und da folgen, so wie beim Weinhändler seines Vertrauens.
Zu d) Ich finde das gut und schlecht zugleich.
Ich finde es gut, dass es kein Marktdiktat der großen Verlage gibt, die uns vorschreiben, was wir lesen dürfen und was nicht.
Ich finde es gut, dass Autoren erst einmal das Schreiben üben und durch SP die Möglichkeit haben, Heinleins Regel Vier zu folgen. Ich finde es gut, dass sie lernen, fertig zu werden, dass Geschichten nicht zu Tode editiert werden - wer meint, es war nicht gut, soll eine andere, neue Geschichte schreiben und diese besser machen.
Ich finde es gut, dass auf diese Weise auch neue Kleinverlage entstehen.
Ich finde es gut, dass ich - zugegeben, mit einiger Sucharbeit - auf diese Weise neue, unverbrauchte Ideen lesen kann.
Ich finde es schlecht, dass potenziell gute Autoren als SP an der Führung durch einen Verlag vorbei rutschen, dass ihnen die Arbeit mit einem guten Lektor fehlt, um ihre Fähigkeiten zu schärfen.
Ich finde es schlecht, dass so viele Menschen so wenig Selbstkritik haben und sich durch die Veröffentlichung auch noch in ihrer Eitelkeit bestätigt fühlen, "Ich bin Autor" - obwohl sie noch nicht einmal in der Lage sind, die Korrekturvorschläge ihrer Textverarbeitung zu berücksichtigen, was ja nun wirklich kein teures Hexenwerk ist.
Und noch etwas Persönliches: Ich finde es schlecht, dass ich bei diesem Thema regelmäßig auf Verallgemeinerungen, Vorurteile und unqualifizierte Kritik stoße. Ich musste lernen, dass man als SP ein dickes Fell entwickeln muss - man kann sich noch so viel Mühe geben, es wird immer Menschen geben, die einen in die "Müll"-Schublade stecken, bevor sie auch nur eine Seite gelesen haben - ja, womöglich bevor sie wissen, dass ich auch zu den SP gehöre. Ich muss damit leben, ich muss es als Ansporn sehen, noch besser zu werden - oder mich irgendwann mit einem Schulterzucken abwende
n, diese Menschen sind nicht meine Zielgruppe. Ich kann es den Kritikern nicht einmal vorwerfen, denn meistens haben sie ja Recht...
Bearbeitet von Valerie J. Long, 29 Mai 2013 - 09:41.
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