Aber sind nicht die meisten SF-Filme so? Ich versuche mir vorzustellen, wie ein SF-Film aussähe, bei dem die Dramaturgie unwichtig, die Wissenschaftlichkeit das Nonplusultra ist. Und ich versuche mir - noch schlimmer für mich - vorzustellen, wie solche Filme aussähe, wenn es nur noch Wissenschaftlichkeit gäbe.
Es geht mir nich um Wissenschaftlichkeit per se. Die interessiert mich nicht. Es geht mir um die innere Konsistenz eines Films und darum, inwieweit er seinen eigenen Ansprüchen gerecht wird.
Interstellar ist leider diesbezüglich ein typischer Nolan-Film: Er gibt sich sehr viel cleverer als er ist. Ich habe das Beispiel von Millers Planet bereits früher erwähnt. Der Twist baut darauf, dass die Zeit auf dem Planeten wegen Zeitdilatation langsamer verläuft als auf dem Raumschiff. Die Crew weiss das auch. So weit so gut. Aber anscheinend kommt es keinem dieser hochkompetenten Wissenschaftler in den Sinn, dass aus der Zeitverschiebung auch folgen muss, dass Miller überhaupt nur wenige Stunden auf dem Planet gewesen sein kann (die Frage, inwieweit überhaupt ein Signal auf der Erde angekommen sein kann - resp. wie lange - klammere ich mal aus).
Hier wird ein vermeintlich raffinierter dramaturgischer Twist erzählt, der aber nur funktioniert, weil die Figuren sehr viel dümmer handeln, als sie es innerhalb der Welt des Films dürften. Das ist eine Inkonsistenz und eine ärgerliche dazu, weil sie sich schlau gibt, aber nur funktioniert, weil die Figuren und das Publikum für dumm gehalten werden.
Und solche Dinge hat es zuhauf in Interstellar. Cooper stösst nach umständlichen Botschaften auf den NASA-Stützpunkt, wo man, wie sich herausstellt, eigentlich immer auf ihn gewartet hat. Die ganze Mission scheint ohne ihn nicht möglich, aber Dr. Brand kann seinen früheren Mitarbeiter nicht einfach anrufen, sondern muss darauf warten, dass er via Büchergestell-Orakel hingeschickt wird. Die NASA hat übrigens massive Budgetkürzungen hinnehmen müssen, ist aber dennoch in der Lage, eine riesige Mission zu lancieren (und das Ganze noch geheim). Etc. etc.
Wie gesagt: Mit Wissenschaftlichkeit hat das alles nichts zu tun, sondern viel mehr mit innerer Stimmigkeit und einem gewissen Respekt vor dem Publikum.