1.
4. Prago des Tartor, 19117 da Ark
an Bord des Ultraleicht-Kreuzers TTC VISCERIUS, System NAVO-D
„YOU SHALL NOT PASS!“, kommentierte der Extrasinn süffisant.
Nur ein halber Schritt trennte den hochgewachsenen Arkoniden von einem Panzerschott, das den Zugang zur Zentrale des Ultraleichtkreuzers abriegelte. Es öffnete sich nicht.
Leicht indigniert hob Artho da Sorgith seine rechte Hand und strich über den Bereich neben dem Schott, wo sich für gewöhnlich Sensorfelder für den manuellen Betrieb befanden. Das Schott blieb verschlossen.
„Öffnen…“, verlangte er in ausgesucht beiläufigem Tonfall.
„Zhdopanda wünschen die Zentrale zu betreten?“, erkundigte sich eine wohlmodulierte, männliche Stimme.
„In der Tat.“
Nach einer längeren, wohldosierten Pause setzte da Sorgith hinzu: „Und ich gedenke, das auch zu tun. Meine Überrang-Autorisierung…“
„Die Befugnisse Euer Hochwohlgeboren sind mir bekannt. Es verwundert mich nur, dass Angehörige des Hochadels Interesse an den Belangen der Schiffsführung zeigen.“
„Ich bin neugierig. Ein Gefühl, das durch verschlossene Schotte gemeinhin noch verstärkt wird…“
Geräuschlos, ohne weiteren Kommentar, teilten sich die Hälften des Panzerschotts.
Gemessenen Schrittes betrat der Arkonide das Nervenzentrum des ULC. Die Luft in dem zehn Meter durchmessenden, kuppelförmigen Raum war deutlich kühler als im Rest des Schiffs, sie wirkte trocken und verbraucht.
Verwaiste Schalensitze gruppierten sich im Halbdunkel der spärlichen, indirekten Beleuchtung hinter den drei bogenförmigen Kontrollinseln, die großformatigen Holoflächen dahinter waren erloschen. Nichts deutete darauf hin, dass das Schiff derzeit mit halber Lichtgeschwindigkeit antriebslos seinem Transitionspunkt entgegenfiel.
„Konnten Zhdopanda Ihre Neugier befriedigen?“, erkundigte sich die männliche Stimme mit schlecht geheuchelter Besorgnis.
„ER MAG UNS NICHT…“, konstatierte der Extrasinn.
„Die Kontrollen des Tharg'athor aktivieren“, ordnete der Arkonide an. „Umgebungsdarstellung – Normalsicht, Raumsektor in Flugrichtung voraus.“
Übergangslos erschien der Kosmos in seiner ganzen, visuell augmentierten Pracht auf der halbkugelförmigen Innenfläche der Zentralkuppel. In Flugrichtung blinkte ein violett strahlendes Hexagon, ein farbgleicher Datenblock informierte über Entfernung und Ankunftszeit, ein darunter langsam anwachsender Balken stellte den Fortschritt der Transitionsvorbereitung dar.
„Zhdopanda finden alles zu Ihrer Zufriedenheit?“
Wortlos nahm Artho da Sorgith im Schalensitz des Kommandanten Platz. Er ignorierte geflissentlich das immer noch demonstrativ offenstehende Schott in seinem Rücken. Mit wenigen, sparsamen Gesten konfigurierte er die Holokontrollen des Kommandostands. Der geübte Blick des erfahrenen Schiffsnutzers zeigte ihm, dass alle dargestellten Systeme vorbildliche Parameter aufwiesen. Das war allerdings auch nicht weiter überraschend.
„Der Name – VISCERIUS – er ist nicht arkonidisch. Woher stammt er?“, sprach er in den Raum.
„Dem Auftraggeber meiner Erbauung gefiel es, diesen Namen zu wählen, Zhdopanda.“
„Ich nehme an, er trägt eine bestimmte Bedeutung…“
„In der Tat. Lucius Viscerius war der Name des Primus Princeps der XII Legion während des Gallischen Krieges auf Larsaf III.“
„
Atlan da Gonozal hat deine Konstruktion veranlasst?“ Da Sorgith hob seine sorgsam gepflegten Brauen auf eine genau kalkulierte Höhe. Dass Gonozal persönlich die Herstellung eines zu Zehntausenden produzierten Standardbeiboots veranlasst haben sollte, war zumindest ungewöhnlich.
„So ist es, Zhdopanda.“
„DAS WÄRE EINE ERKLÄRUNG FÜR DIE ALLÜREN DER BORDPOSITRONIK. TROTZDEM FRÄGT ES SICH, OB NICHT MEHR DAHINTER STECKT…“
„Dein Erbauer – hat er jemals deine Dienste in Anspruch genommen?“
„Bislang wurde mir diese Ehre nicht zuteil, Zhdopanda.“
„Was war der Zweck deiner Konstruktion?“
„Die Evaluierung einer Sonderbaureihe. Praxiserprobung mobiler biopositronischer Systeme.“
Der Arkonide sog scharf die Luft ein. Seine Augen begannen zu tränen.
Autonome biopositroische Robotraumer, ein hochbrisantes Projekt. Die militärischen Implikationen wären landschaftsverändernd – die galaktopolitischen ebenso.
„DAMIT HÄTTEN WIR DIE POSBIS IN DER ZWEITEN AUFLAGE. DIESMAL AUF ARKON-WERFTEN HERGESTELLT. WIR SOLLTEN BEIZEITEN KLARSTELLEN, DASS WIR DAS INNERE LIEBEN – UND WAHRES LEBEN SIND!“
„Wie lautet dein Name?“
Da Sorgith schob die Einwände seines Extrasinns vorläufig zur Seite. Der Einsatz versprach, interessant zu werden. Auch Spezialisten der USO erhielten nicht einfach so Zugriff auf die Unterstützung einer experimentellen Biopositronik.
„Diese Einheit führt SERICION als Eigenbezeichnung, Zhdopanda.“
„Sericion – das war ein Ka’Marentis unter…“
„… unter Tutmor III, Zhdopanda. Sericion entstammte dem Khasurn da Ophas. Unter seiner Leitung wurde erstmals versucht, künstliches Neuralgewebe in positronische Schaltkreise zu integrieren. Die Erfolge waren damals bescheiden, der betriebene Aufwand hingegen keineswegs. Man hatte die Absicht, diese neue Technologie beim Bau des großen Koordinators zu verwenden. Das Projekt scheiterte schließlich an der geringen Effizienz und unzureichenden Haltbarkeit der Hybrid-Kerne.“
Mit leisem Lächeln registrierte der Arkonide, dass die Luft in der Zentrale inzwischen deutlich frischer war, angenehm temperiert und mit akzeptabler Feuchtigkeit versehen. Auch das Zugangsschott hatte sich wieder geschlossen.
„IMMERHIN SCHEINT DAS EIS GEBROCHEN“, bemerkte sein Extrasinn.
„Die näheren Umstände unseres Einsatzes sind bekannt“, setzte da Sorgith voraus. „Die lokale militärische und politische Lage ebenso. Ich denke allerdings, daß man dich mit Informationen ausgestattet hat, die über die herkömmlichen USO-Instruktionen hinausgehen.“
„Mit Sicherheit, Zhdopanda. Ich verfüge über detailliertes Wissen sämtlicher relevanten Aspekte des Falk’Tussan. Diese Informationen stellen die Grundlage meiner Beratungsfunktion dar. Derzeit kann ich mit 78 verschiedenen Szenarien des Erstkontaktes mit den offiziellen Stellen des Falk’Tussan dienen, die eine Wahrscheinlichkeit von über einem halben Prozent aufweisen. Im günstigsten Fall wird man uns nicht übermäßig behindern, aber keinesfalls unterstützen.“
„Und im ungünstigsten Fall?“
„Im ungünstigsten Fall – mit 5,78 Prozent Wahrscheinlichkeit – sind alle wesentlichen Annahmen über die Parameter dieses Einsatzes unzutreffend. Es wäre von direkten feindseligen Handlungen aller beteiligten Parteien auszugehen. Alternative Pläne für dieses und alle anderen gelisteten Szenarien bestehen bereits und werden laufend nach Simulationsergebnissen adaptiert.“
„EIN SIMULANT IST ER ALSO AUCH NOCH…“
„Beginnen wir mit dem wahrscheinlichsten Szenario“, entschied da Sorgith mit einem Blick auf die Anzeige der Transitionsmarkierung. Es blieben noch etwa 1,25 Tontas, bis ein Bereich im Gravitationsschacht von NAVO D erreicht war, der eine präzise, materialschonende Transitionseinleitung erlaubte.
„Wer wird uns vermutlich in die Quere kommen wollen – und warum?“
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Bearbeitet von Lüy Piötlerc, 13 September 2013 - 10:07.