Prey (Beute)
#1
Geschrieben 05 Januar 2004 - 11:20
Michael Crichton
Avon Books
Warum kommen Amazon-Lieferungen eigentlich immer Samstags? Mein Paketbote klingelt jedesmal gnadenlos um halb acht -- natürlich immer gerade an den Tagen, wenn die Kinder ausnahmsweise mal morgens Ruhe geben
"Prey" hatte ich bestellt, weil mich das Thema interessierte: Nanotechnologie. Auf englisch deshalb, weil der Roman auf deutsch noch nicht als Taschenbuch zu haben ist, und 25 Euro war es mir denn doch nicht wert.
Andererseits war es gut, dass dieses Buch nicht an einem Werktag bei mir ins Haus kam. Ich habe morgens damit angefangen und habe es nicht mehr aus der Hand gelegt, bis ich nachmittags die 550 Seiten durch hatte. Crichton baut vor allem in der ersten Hälfte des Buches eine geradezu schmerzhafte Spannung auf. Nebenher erfährt man das eine oder andere über Nano- und Biotechnik, Evolutionstheorie und simuliertes Schwarmverhalten -- aber ohne technikverliebte Längen, die den Leser langweilen könnten.
Also, das Essen hat weitgehend geschmeckt und danach war ich satt. Nichts zu meckern also? Doch: Verdauungsstörungen.
Der Prozess des Lesens hört ja nicht auf, wenn man das Buch zuklappt. Mich jedenfalls beschäftigt die Handlung noch eine ganze Weile, jedenfalls wenn der Autor sein Handwerk versteht, den Leser zu fesseln.
Und bei diesem "Verdauen" des vorher in der Spannung gierig verschlungenen stieß mir nach und nach einiges sauer auf: Ungereimtheiten, offene Enden und vor allem technischer Fehler. Ich gehe hier auf keine Einzelheiten ein, man will ja nicht zu viel verraten, aber besonders gegen Ende wird es schlicht unglaubwürdig. Der Roman wandelt sich auf den letzten Metern von einem Technikthriller zu einem ... hmm ... Gruselroman?
Schade eigentlich. Aus den Zutaten hätte man auch ohne diese Übetreibungen etwas spannendes kochen können, das auch dauerhaft befriedigt, statt ärgerliche Blähungen zu verursachen.
Aber Schluss jetzt, Genug von dieser Metapher Mahlzeit!
-- tichy
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#2
Geschrieben 07 Januar 2005 - 16:31
#3
Geschrieben 02 April 2005 - 21:33
Das Thema ist brennend interessant. Wie Crichtons Aufbaustil sich ändert auch, immer (obwohl in diesem Fall eher lustig - s. unten). Aber letztendlich wird das Ganze zu James-Bond-haft und hölzern aufgezogen. Und wenig glaubwürdig (Achtung!: Spoiler im Restabsatz) finde ich das Verhalten des Protagonisten, z.B. nach dem Ausflug in dem Kollegen sterben, und der "Wolke", z.B. beim Einstellen jeglicher Lichtverhältnisse (aus ALLEN Blickwinkeln?) ihrer "Außenhaut".
Evtl. ungewollt lustig fand ich Crichtons stärkstes SF-Wagnis bisher (o.k., Welt in Angst kenne ich noch nicht) aber eher in der Art wie er diesmal die typischen Wissenschafts-"Predigten" (s. meine These dazu im Sphere-Thread) einbaut: Nämlich in Form eines Ich-Erzählers der sich nebenbei über all diese Dinge Gedanken macht, und sie etwas holprig ins Geschehen einflechtet. Nach und nach wird dem Lesenden klar, dass dieser Mann ein Super-Allround-Talent ist - nicht nur ist er der perfekte Hausvater, sondern auch ein gewiefter Analyst, Programmierer, Nanotechnologie-Experte... Noch unschwerer als bei Jurassic Park (den zynischen Mathe-Prof. dort) erkennt man m.E. hier den Autor selbst (hat MC eigentlich mehrere Kinder?). Mutig, mutig!
Die Frau des Protagonisten ist eine SEHR stark gezeichnete Karrierefrau - sozusagen die positive Variante der männer-mißhandelnden Schönen aus Enthüllung. Schade dass MC hier nicht klarer eine Parodie auf diesen älteren Charakter versucht hat. (Wahrscheinlich weil er so sehr viel Kontra - ich spekuliere: von Frauen - bekam damals.)
Für eine ernste Behandlung der Rollen finde ich den Umgang mit ihnen etwas zu plakativ, die Dialoge hölzern. Weniger wäre mehr gewesen. Man vergleiche das in diesem Punkt m.E. wesentlich gelungenere Airframe.
Bearbeitet von yiyippeeyippeeyay, 02 April 2005 - 21:37.
/KB
Yay! SF-Dialog Ende März...
Senator: Und dies ist nun die Epoche der Laser?
Farmer: [..] Die Anzahl der Menschen auf der Erde, die voller Hass/Frustration/Gewalt sind, ist zuletzt furchterregend schnell gewachsen. Dazu kommt die riesige Gefahr, dass das hier in die Hände nur einer Gruppierung oder Nation fällt... (Schulterzucken.) Das hier ist zuviel Macht für eine Person oder Gruppe, in der Hoffnung dass sie vernünftig damit umgehen. Ich durfte nicht warten. Darum hab ich es jetzt in die Welt verstreut und kündige es so breit wie möglich an.
Senator: (erblasst, stockt) Wir werden das nicht überleben.
Farmer: Ich hoffe Sie irren sich, Senator! Ich hatte eben nur eine Sache sicher kapiert - dass wir weniger Chancen dazu morgen haben würden als heute.
(Leiter eines US-Congress-Kommittees vs. Erfinder des effektivsten Handlasers, den es je gab, grob übersetzt aus der 1. KG aus Best of Frank Herbert 1965-1970, im Sphere-Verlag, Sn. 38 & 39, by Herbert sr.)
#4 Gast_Guest_*
Geschrieben 07 April 2005 - 20:41
#5
Geschrieben 06 Januar 2006 - 23:10
#6
Geschrieben 06 Januar 2006 - 23:37
Mein Blog (Meine Meinungen über Bücher, Filme und dergleichen)
#7
Geschrieben 07 Januar 2006 - 11:06
"Beute" ist der schwächste Roman, den ich bisher von Crichton gelesen habe.Hallo
"Beute " war bisher mein erstes Buch von Crichton und wird wohl das letzte bleiben.
...
Sind alle Chrichton Romane so schlecht ?
"Dino Park" und "Vergessene Welt" hab ich damals verschlungen, weil sie packend geschrieben sind. Die Bücher konnte ich kaum aus der Hand legen.
Die Krimis "Nippon Connection" und "Enthüllung" fand ich ebenfalls sehr spannend und kurzweilig. Mit Abstrichen kann ich das auch von "Timeline" sagen, das mich auf seine Weise fasziniert hat.
"Sphere", "Airframe", "Endstation" und "Congo" fand ich immerhin noch so unterhaltsam, dass ich das Lesen nicht bereut habe, gleiches gilt für "Welt in Angst".
Mit "Andromeda" konnte ich dagegen, soweit ich mich noch erinnere, nicht so viel anfangen, was vermutlich auch daran lag, dass ich die Verfilmung von Robert Wise mehrfach vor dem Lesen des Romans gesehen hatte und der Roman somit wenig Überraschendes bot.
"Der 13. Krieger" bzw. "Schwarze Nebel" hab ich nicht bis zum Ende geschafft, weil mich die Erzählweise nicht angesprochen hat.
Rückschauend betrachtet hat Crichton mich meistens gut unterhalten, und das ist doch schon einiges.
Mein Blog: Schreibkram & Bücherwelten
#8
Geschrieben 10 Januar 2006 - 18:53
Andromeda ist m.E. sein bestes SF-Buch, Sphere sein wagemutigstes. D.h., nein, viele von Crichtons Romanen sind sogar recht gut!... Mit "Andromeda" konnte ich dagegen, soweit ich mich noch erinnere, nicht so viel anfangen, ...Sind alle Chrichton Romane so schlecht ?
Die Liste meines Vorredners enthält außerdem nicht das empfehlenswerte Terminal Man (dt. Titel lautet?), das zeitnah zu Andromeda erschien. Sollte man auch mal über Kurzgeschichten unter seinem früheren Pseudonym John L'ange stolpern, auch gleich zugreifen - die sind alle lesenswert.
/KB
Yay! SF-Dialog Ende März...
Senator: Und dies ist nun die Epoche der Laser?
Farmer: [..] Die Anzahl der Menschen auf der Erde, die voller Hass/Frustration/Gewalt sind, ist zuletzt furchterregend schnell gewachsen. Dazu kommt die riesige Gefahr, dass das hier in die Hände nur einer Gruppierung oder Nation fällt... (Schulterzucken.) Das hier ist zuviel Macht für eine Person oder Gruppe, in der Hoffnung dass sie vernünftig damit umgehen. Ich durfte nicht warten. Darum hab ich es jetzt in die Welt verstreut und kündige es so breit wie möglich an.
Senator: (erblasst, stockt) Wir werden das nicht überleben.
Farmer: Ich hoffe Sie irren sich, Senator! Ich hatte eben nur eine Sache sicher kapiert - dass wir weniger Chancen dazu morgen haben würden als heute.
(Leiter eines US-Congress-Kommittees vs. Erfinder des effektivsten Handlasers, den es je gab, grob übersetzt aus der 1. KG aus Best of Frank Herbert 1965-1970, im Sphere-Verlag, Sn. 38 & 39, by Herbert sr.)
#9
Geschrieben 10 Januar 2006 - 21:16
"Terminal Man" ist das von mir erwähnte "Endstation" - zumindest erschien der Roman unter diesem deutschen Titel bei Goldmann.Die Liste meines Vorredners enthält außerdem nicht das empfehlenswerte Terminal Man (dt. Titel lautet?), das zeitnah zu Andromeda erschien.
Christian
Mein Blog: Schreibkram & Bücherwelten
#10
Geschrieben 11 Januar 2006 - 20:41
Kurzgeschichten hab ich von Crichton bisher noch nicht gelesen. Würde mich aber mal interessieren. Kannst du evtl. Anthologien etc. nennen, in denen Stories von ihm auf deutsch erschienen sind? ChristianSollte man auch mal über Kurzgeschichten unter seinem früheren Pseudonym John L'ange stolpern, auch gleich zugreifen - die sind alle lesenswert.
Mein Blog: Schreibkram & Bücherwelten
#11
Geschrieben 12 Januar 2006 - 10:31
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#12
Geschrieben 12 Januar 2006 - 19:39
Ich glaube, ich muss das Buch doch nochmal lesen ..."Andromeda" ist ganz hervorragende SF, das ist genau die Art, die mir gefällt.
Mein Blog: Schreibkram & Bücherwelten
#13
Geschrieben 13 Januar 2006 - 07:51
Mach das ruhig, ich fand "Andromeda" auch gut. Da ich Crichton auch komplett gelesen habe, habe ich Deine Liste natürlich mit großem Interesse gelesen. "Beute" fand ich nicht so schlecht, auch wenn es wahrlich nicht zu seinen stärksten Werken gehört. Richtig Widerspruch anmelden möchte ich eigentlich nur bei "The Lost World", das ich richtig ätzend fand. Und noch herausstellen, wie exzellent ich "Airframe" und "Enthüllung" fand, die mich beide bis in die Morgenstunden wach gehalten haben.Ich glaube, ich muss das Buch doch nochmal lesen ...
- • (Buch) gerade am lesen:"Tales of the Shadowmen 1", J.-M. Lofficier (ed.)
- • (Buch) als nächstes geplant:"Tales of the Shadowmen 2", J.-M. Lofficier (ed.)
-
• (Buch) Neuerwerbung: Sherlock Holmes - Aus den Geheimakten des Weltdetektivs (Sammelband, 1973, mit 15 Heftromanen (1907/1908))
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• (Film) gerade gesehen: "Das Testament des Dr. Mabuse" (Fritz Lang)
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• (Film) als nächstes geplant: "Jurassic World: Dominion" (Dinos!!!!!)
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• (Film) Neuerwerbung: "Judex" (Louis Feuillade)
#14
Geschrieben 07 Mai 2006 - 17:13
Bearbeitet von Jürgen, 08 Mai 2006 - 10:04.
#15
Geschrieben 07 Mai 2006 - 20:49
In der Tat, im kleineren Maßstab habe ich mir gelegentlich etwas abgekupfert.Diese Einleitung habe ich jetzt nur geschrieben, weil sie Dave so gerne ließt :-)
Könnte von mir aus ruhig in Mode kommen...
Ich finde die Rezension sehr treffend.
Vielleicht gibt es einen kleinen Konflikt, weil Crichton eben einen bestimmten Ruf hat, und man jetzt den Eindruck gewinnen könnte, er schießt über das Ziel hinaus. Ich kann mich noch gut daran erinnern, wie damals jeder über Jurassic Park diskutierte, weil es so minutiös ausgearbeitet war. Etwas, das auf der einen Seite völlig unglaublich, aber auch wieder scheinbar wissenschaftlich greifbar war.
Die Nanotechnik beginnt gerade erst ein Thema zu werden, und einen Ansatz zum Nachdenken bietet Crichton doch allemal. Wenn zum Beispiel eines Tages Kleinstroboter in Blutbahnen schwimmen, so agieren sie vielleicht nach selbsterlernten Strategien. Kommunizieren und handeln, und werden vielleicht sogar intelligenter, wenn man das so sagen kann. Ist schon spannend.
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