Michael Schmidt: Ab 2015 soll das Heyne Science Fiction Jahr als Golkonda Science Fiction Jahr fortgeführt werden. Wie kam es dazu, und was erwartet den Leser? Werdet ihr euch sklavisch am Vorgänger halten, oder sind neue Wege vorgesehen?
Hannes Riffel: Was die Leser genau erwartet, können wir noch nicht sagen. Sascha Mamczak hatte mich vor einiger Zeit angesprochen, ob wir das SF Jahr weiterführen möchten, und demnächst wird er in Berlin sein, um mit uns alles Weitere zu besprechen.
Das Heyne-Herausgeberteam um Sascha Mamczak und Sebastian Pierling wird uns auf jeden Fall erhalten bleiben, worüber ich sehr froh bin. Zusammen mit einigen Leuten aus unserem Umfeld werden wir mit ihnen ein Redaktionsgemium bilden, das über den Inhalt des Jahrbuchs bestimmt. Im Moment kann ich mir nur dem anschließen, was im Editorial der aktuellen Ausgabe steht: Wir werden das Rad nicht zwanghaft neu erfinden, sondern die Gelegenheit nutzen, das SF-Jahr noch besser zu machen, als es eh schon ist – ein zugegebenermaßen hoher Anspruch.
Also, ich lese Bücher und spiele Games - auf mich trifft das Zitat schon mal nicht zuDie Gamer haben schon lange ihre eigenen Plattformen und haben das JAHR schon immer ignoriert (bei meinen Geprächen mit Leuten aus der Game-Branche mußte ich immer wieder feststellen, daß die gar nicht wußten, daß es den Games-Teil im JAHR gibt - und es war ihnen auch egal. "Computerspielfans lesen keine Bücher.")
Dasselbe trifft auf Comicleser und die Filmfans zu, vermute ich.
Sicherlich gibt es Gamer, die so gut wie nie ein Buch anfassen, und es gibt bestimmt auch Cineasten, bei denen das so ist. Ich würde aber vermuten, dass das Ignorieren des SF-Jahrbuchs eher damit zu tun hat, dass diese Gruppen sehr darauf angewiesen sind, zeitnahe Infos zu bekommen. Wenn das Jahrbuch erscheint, nützen den Kinogängern die Rezensionen der SF-Filme nämlich nur noch etwas für die Heimkinoanschaffung. Gamer hätten zwar theoretisch dieses Problem nicht und würden die Spiele zu einem späteren Zeitpunkt sogar deutlich billiger bekommen, allerdings entstehen in der Gamerszene, ähnlich wie bei den Filmen, ganz gerne Hypes, die dazu führen, dass Spiele oft schon am Erscheinungstag gekauft werden (sind nunmal beides visuelle Medien, die sehr von der Werbung durch Trailer profitieren). Das setzt selbst die einschlägigen Spielemagazine unter Druck, rechtzeitig den Test ihrer vorher zur Verfügung gestellten Presseversion fertig zu bekommen. Erschwerend kommt noch hinzu, dass Gamer sich selten nur auf ein Genre beschränken, weil die Anzahl der Veröffentlichungen viel geringer ist - man zockt "querbeet" und da das SF-Jahr ja, glaube ich, nicht die allgemeine Phantastik, sondern nur SF-Games abdeckt, wird es da noch schwerer, Leser aus diesem Bereich zu finden.
Der Vollständigkeit halber ist es natürlich löblich, diese Medien trotzdem mit abzudecken, aber ich denke, am ehesten kann man noch im Comic-Bereich ansetzen. Dort ist es, ähnlich wie bei den Büchern, aufgrund einer gewissen Menge an Veröffentlichungen unmöglich, alles auf dem Schirm zu haben, und außerdem relativ nebensächlich, ob man das Buch/den Comic jetzt oder in einem halben Jahr liest, weshalb die Rezensionen mehr Relevanz haben.
Btw: Nur, um es mal loszuwerden... Jedem Gamer, der nicht liest, entgehen in SF-Spielen dadurch leider oftmals wirklich interessante Referenzen an literarische Klassiker des Genres. Um nur ein Beispiel zu nennen: Im Spiel "Fallout 3", das in einer postapokalyptischen Welt Jahrzehnte nach einem Atomkrieg spielt, gibt es ein Haus zu entdecken, das völlig verwüstet ist, aber einen noch funktionstüchtigen Haushaltsroboter hat. Diesen kann man aktivieren, sodass er verschiedenen Tätigkeiten ausführt, u.a. macht er sich zum ebenfalls zerstörten Supermarkt auf oder versucht, mit dem im Garten liegenden toten Hund Gassi zu gehen. Wirklich traurig ist aber, dass er auf Befehl auch in ein Kinderzimmer geht und einem dort liegenden Skelett Sara Teasdales Gedicht "There Will Come Soft Rains" vorträgt, was natürlich eine Referenz an Ray Bradburys gleichnamige Kurzgeschichte aus den Marschroniken ist (die Familie trägt darüber hinaus noch den Namen "McClellan" und wohnt in "2026 Bradley Place"). Das ist zweifellos auch ohne dieses Wissen eine bedrückende Szene, aber wenn man die Vorlage kennt, noch um einiges ergreifender.