An welche SF würdet ihr euch erinnern wenn es um US Präsidenten geht, die ein wenig...anders sind
George Alec Effinger
Die Alleswisser
In dieser Kurzgeschichte verhalten sich nicht nur die Aliens sondern auch der Führer der freien Welt (ob diejenigen, die den Begriff in der Realität prägten, wohl geahnt haben mögen, das dieser anno 2017 wortwörtlich zu nehmen ist?) anders als gemeinhin bei solchen Erstkontakten:
Ich saß hinter meinem Schreibtisch und las einen Bericht über die Situation des braunen Pelikans, als der Staatssekretär hereinplatzte. "Mr. President", sagte er mit weit aufgerissenen Augen, "die Aliens sind da!" Als müßte ich irgendeine Idee haben, was nun zu tun sei.
"Ich verstehe", erwiderte ich. Bereits während meiner ersten Amtsperiode hatte ich gelernt, daß "Ich verstehe" eine der sichersten und nützlichsten Antworten war, die ich ganz gleich in welcher Situation geben konnte. Wenn ich sagte "Ich verstehe", wurde damit angezeigt, daß ich die Neuigkeiten zur Kenntnis genommen und verstanden hatte und nun weitere Einzelheiten und Kommentare erwartete. Damit schlug ich den Ball zurück ins Feld meiner Berater. Erwartungsvoll blickte ich den Staatssekretär an. Ich hatte mir meine nächste Reaktion schon zurechtgelegt für den Fall, daß er nichts weiter vorzubringen hatte. Meine nächste Bemerkung wäre ein "Nun?". Damit zeigte ich an, daß ich das Problem fest im Griff hatte, daß man jedoch nicht von mir erwarten konnte, daß ich eine endgültige Entscheidung traf, ohne ausreichende Informationen erhalten zu haben; und daß er nicht ins Oval Office platzen sollte, solange er keine weiteren Einzelheiten anbieten konnte. Deshalb hatten wir ein strenges Protokoll; deshalb hatten wir die entsprechenden Kanäle; deshalb hatten wir Berater. Die Wähler dort draußen im Lande wollten schließlich auch nicht, daß ich Entscheidungen traf ohne entsprechende Informationen. Falls der Sekretär mir nichts weiter zu berichten hatte, dann hätte er gar nicht erst das Oval Office betreten sollen. Ich blickte ihn noch etwas länger an.
"Nun?" fragte ich endlich.
"Das ist alles, was wir im Augenblick wissen", sagte er mit deutlichem Unbehagen. Ich starrte ihn noch einige Sekunden lang vorwurfsvoll an und machte dabei zwei weitere Punkte, während er sich keinen Rat wußte. Ich wendete mich wieder meinem Pelikan-Bericht zu und entließ ihn. Ich würde mich ganz bestimmt nicht aus dem Konzept bringen lassen. Ich weiß von nur einem einzigen Präsidenten, der sich in seiner Amtszeit überrumpeln ließ, und wie es dem ergangen ist, wissen wir alle. Während der Staatssekretär die Tür zu meinem Büro leise schloß, lächelte ich. Irgendwann würden Aliens sicherlich ein Riesenproblem werden, aber noch waren sie nicht mein Problem. Ich hatte noch etwas Zeit.
Doch ich mußte feststellen, daß ich mich nicht mehr richtig auf die Pelikanfrage konzentrieren konnte. Selbst der Präsident der Vereinigten Staaten hatte etwas Phantasie, und falls der Staatssekretär wirklich recht hatte, dann würde ich schon verdammt bald diesen Aliens gegenübertreten müssen. Ich hatte Geschichten über Aliens gelesen, als ich noch ein Kind war, ich hatte auch im Kino und im Fernsehen alle möglichen Arten von Aliens gesehen, doch dies nun waren die ersten Aliens, die auf ein Schwätzchen vorbeikamen. Schön, ich würde nicht der erste Präsident der Vereinigten Staaten sein, der sich vor den Besuchern aus einer fremden Welt zum Narren machen würde. Ich würde mich umfassend informieren lassen. Ich rief den Verteidigungsminister an. "Wir müssen für diesen Fall einen besonderen Operationsplan aufstellen", erklärte ich ihm. "Wir haben doch für alle möglichen Ereignisse unsere speziellen Pläne." Das stimmte; das Verteidigungsministerium verfügte über Szenarios für ausgesprochen bizarre Fälle wie die Revolution und die Einsetzung einer imperialistisch-faschistischen Regierung in Liechtenstein oder die weltweite Ausbeutung der Selenvorräte.
"Einen Augenblick, Mr. President", sagte der Minister. Ich konnte ihn mit jemand murmeln hören. Ich hielt den Hörer ans Ohr und starrte aus dem Fenster. Hysterisch rannten die Menschen dort umher. Wahrscheinlich wegen der Aliens. "Mr. President?" erklang die Stimme des Verteidigungsministers. "Ich habe einen der Aliens hier bei mir, und er rät uns, denselben Plan zu benutzen, den Präsident Eisenhower benutzt hatte."
Ich schloß die Augen und seufzte. Ich haßte es, wenn sie so redeten. Ich wollte Informationen, statt dessen kamen sie mir mit solchem Quatsch und wußten doch, daß ich vier oder fünf weitere Fragen würde stellen müssen, um überhaupt die Antwort auf die erste richtig verstehen zu können.
(S.267 - 269)
aus
Donald A. Wollheim / Arthur W. Saha (Hg.)
Worlds Best SF 4
Bastei Lübbe Taschenbuch
Science Fiction Special
Band 24069
Deutsche Lizenzausgabe 1985
Bearbeitet von Jorge, 14 August 2017 - 17:33.