Zitate von Ender, 5.11.
> Wenn man einen Autor, dessen Werke und/oder seinen Schreibstil nicht mag: kein Problem. Diese Meinung dann auch klar
> und deutlich kundzutun: auch in Ordnung.
Ums Mögen geht's nicht. Hier geht es um schlechte Arbeit. Die Person des Autors steht nicht zur Debatte. Vermutlich ist es
Dir entgangen, daß ich über den Verfasser persönlich sogar etwas Positives geschrieben habe.
Es mag sein, daß Matthias Falke sich inzwischen literarisch weiterentwickelt hat und Herrn Schäfers Urteil zutrifft. Aber ich
kann nur über das urteilen, was ich - in diesem Fall - gründlich gelesen habe, so wie Herr Schäfer sich nur über die Werke
von Matthias Falke äußern kann, die er kennt.
> Ob man in solcher Schärfe über einen Kollegen urteilen sollte, mit dem man sich den Verlag teilt und selbst schon
> zusammengearbeitet hat - nun ja ... das ist dann schon eher Geschmacksache und eine Frage des Stils.
Ich weiß nicht, wie es andere halten, aber ich trete mein Recht auf freie Meinungsäußerung an niemanden
ab, auch nicht an einen Verlag, mit dem ich zusammenarbeite. Wohl kann man mir nahelegen, einen Autor
nicht mehr zu betreuen, wenn ich mich mit seiner Arbeit nicht mehr identifizieren kann, und das habe ich
auch getan. Nach zwei Büchern, die mit Verlaub gesagt eine einzige Qual waren, habe ich Verleger Harald
Giersche mitgeteilt, daß ich keine Bücher dieses Autor mehr bearbeiten will.
Im übrigen hat Sven Klöpping hier immer wieder Nova-Ausgaben rezensiert, an deren redaktioneller Bearbeitung
er selbst beteiligt war, und niemand hat's ihm krumm genommen. Auch haben sich Nova-Autoren nie gescheut,
ihre Meinung zu Ausgaben kundzutun, in denen sie selbst vertreten waren. Ich habe kein Problem damit. In einer
kleinen Szene wie unserer sind solche Ãœberschneidungen unvermeidlich.
> Hinzu kommt, dass die Formulierung "meistüberschätzt" in diesem Zusammenhang natürlich blanker Unsinn ist.
> Wie äußert sich denn bitteschön, wie sehr Matthias Falke geschätzt wird? Hat er reihenweise Preise abgeräumt?
> Wird er von der Kritik regelmäßig über den grünen Klee gelobt? Verkaufen sich seine Bücher so sensationell gut,
> dass er - beispielsweise - davon leben könnte?
Überschätzt in der deutschen SF-Szene, von nichts anderem war die Rede. Ich habe überraschend viele positive
Besprechungen von Falkes Romanen gelesen und ihn selbst als Story-Autor empfohlen bekommen. Der selige
Alfred Kruse hat hier in seinem Blog eine sehr positive Besprechung von "Ruinenwelt" gepostet. Mit Lob wurde
gegenüber Matthias Falke, soweit ich sehen kann, nicht gegeizt, und das alles steht in keinem Verhältnis zur
durchschnittlichen Qualität seiner Bücher.
Gern liste ich einige der typischen Marotten auf, die mir bei der Redaktionsarbeit an immerhin rund 700 Seiten
Falkscher Prosa aufgefallen ist:
- Er kann's nicht lassen, Dialoge mit überflüssigen Zusätzen aufzuplustern, so als traut er den Worten nicht,
die er den Figuren in den Mund legt. Ständig wird der Leser darauf gestoßen, daß da jemand etwas anmerkt,
in den Raum stellt, zu bedenken gibt, in die Runde wirft etc. pp. Starke Dialoge können für sich stehen und
brauchen solchen überflüssigen Schnickschnack nicht.
- Ich erinnere mich an eine Szene in "Ruinenwelt", in der ein Wissenschaftler seine Kollegen zu einer Besprechung
zusammengerufen hat und alle Figuren auf dem Weg zum Meeting seitenlang darüber spekulieren, was der
Kollege ihnen zu sagen haben könnte - und natürlich kommt's dann doch ganz anders. Falke ist einer jener
Autoren, die mehr Platz darauf verwenden, zu spekulieren, was Figuren denken oder tun könnten, als zu
schildern, was sie tatsächlich denken und tun.
- Matthias Falke scheint völlig plan- und konzeptlos drauflos zu schreiben und sich vorab keine Gedanken
über Struktur und Handlung seiner Geschichten zu machen. "Ruinenwelt" hätte für eine Erzählung von
maximal 80 Seiten gereicht, stattdessen dreht sich das Buch über 300 Seiten im Kreis, und am Ende weiß
der Leser immer noch nicht genau, worum es eigentlich geht. Die vier frühen Enthymesis-Erzählungen in
dem Band, den ich redigiert habe, sind noch konzeptloser. In der ersten werden zwei Forscher auf einem
fremdem Planeten abgesetzt, streifen ein bißchen heraum, sehen seltsame Dinge und kehren, mehr oder
weniger konsequenzlos, an ihren Ausgangspunkt zurück. Sowas ist einfach Murks.
Jedem, der schon mal einige durchschnittliche amerikanische SF-Schinken übersetzt hat, sind solche
Methoden der Seitenschinderei wohl vertraut und bis ins Mark zuwider. Daß dem durchschnittlichen
SF-Leser derlei nicht auffällt, ist mir schon klar. Die meisten SF-Leser bemerken ja nicht einmal die
gröbsten Anglizismen und Übersetzungsfehler.
Aufgrund anderweitiger Leistungen sollte Matthias Falke eigentlich in der Lage sein, sehr viel besser zu
schreiben. Jedenfalls traue ich ihm den entsprechenden Geschmack und Verstand zu. Um so eklatanter
finde ich es, wenn er beim SF-Schreiben so wenig Sorgfalt und Aufmerksamkeit walten läßt. Aber ich gebe
zu, daß ich da nicht mehr ganz auf dem neusten Stand bin. Vielleicht hat er sich ja inzwischen gesteigert.
Trotzdem: solche Sachen sind in der deutschen SF noch viel zu häufig.
Meine Meinung ist, daß wir aus dem zarten Pflänzchen der deutschen SF das Bestmögliche machen sollten,
wenn wir nicht ganz in die Bedeutungslosigkeit versinken wollen, und daher scheue ich mich nicht, Verlegern
wie Harald Giersche oder Michael Haitel, mit denen ich mich gut verstehe, im gegebenen Fall zuzurufen:
Irgendwas läuft schief, Leute, wenn ihr solche Bücher veröffentlicht. In die souveränen Entscheidungen
der Verleger kann ich damit nicht eingreifen. Will ich auch nicht. Schade finden darf ich's aber.
Gruß
Michael