Hallo Konrad,
ich denke ich habe in meinem langen Posting meine Beweisführung dargelegt. Ich kann jetzt alles noch mal sagen in anderen Worten, aber wie ein unbekannter Weiser sagte:
man kann ein Pferd zur Tränke führen, aber nicht zwingen, dass es auch daraus trinkt.
Ich finde Deine Idee gut für eine andere Geschichte, die es entweder schon irgendwo gibt bzw. vielleicht geschrieben werden sollte, möglicherweise von Dir. Hier aber gibt es kein Fundament für Deine Wunschvorstellungen.
Na, das kann doch kein Argument dafür sein, sich nicht mit deren (fem.)Tiptree-Interpretationen zu beschäftigen.
Natürlich kann man sich damit beschäftigen. Aber Du hast ja keine Quellen zitiert, sondern nur gemutmaßt, was Schneewittchen hinter den blauen Bergen bei den 7 Zwergen gesagt haben könnte. Das ist keine gute Diskussions-Grundlage für mich.
Hmm ??? www.feministische-sf.de kann man doch schwerlich übersehen, oder hast Du da einen speziellen Google-Filter ?
Ich kenne die Seite und habe jetzt auch den Kommentar zu
Houston, Houston, Do you read? gelesen. Mir scheint, Anne Koenen liegt auf meiner Interpretationslinie. Zitat:
Anne Koenen (1986) "Männer - die übelsten Primaten der Erde" - Die Kurzgeschichten von James Tiptree jr.. In: Barbara Holland-Cunz (Hrsg.) Feministische Utopien - Aufbruch in die postpatriarchale Gesellschaft. Edition Futurum 9, Corian, Meitingen. S. 177-188.
Zitat (S. 183): "Es ist in der Geschichte offensichtlich, daß es Tiptree weniger um den detaillierten Entwurf einer weiblichen oder feministischen Utopie geht als vielmehr um die Erforschung einer möglichen männlichen Reaktion auf den Kulturschock durch eine weibliche Gesellschaft. Die Männer erweisen sich als unfähig, die Überlegenheit der Frauenutopie zu erkennen oder ihre sexistischen Verhaltensweisen zu ändern. [...]
Der Schluß der Geschichte wirkt umso beeindruckender und zynischer, als es einer der Männer selbst ist, der von der Einsicht in die Notwendigkeit der Vernichtung aller Männer berichtet. Ist in der traditionellen utopischen Erzählung der Lernprozeß der Besucher Vorstadium für ihre Integration in die Utopie, so ist hier der Lernprozeß zwangsläufige Einsicht, daß die utopische Gemeinschaft der Frauen nur existieren kann, wenn die Männer ausgerottet sind - in der Tat eine harte Stellungnahme, die, wie bereits "The Women Men Don't See", Tiptrees Skepsis bezüglich eines positiven Veränderungspotentials bei Männern zeigt."
Es hat hier aber eine Weiterentwicklung gegeben, wenn auch keine nach heutigen Wertmaßstäben gewünschte.
Die Gesellschaft gedeiht, funktioniert und entwickelt sich bis jetzt.
Tut sie das oder tritt sie nicht vielmehr auf der Stelle ?
Sie tritt nicht auf der Stelle. Bei unvorhergesehen Ereignissen (die Kapsel aus der Zeit) wird sogleich improvisiert und die Situation der Nase nach, quasi im Vorwärtsgehen bewältigt. Wenn das nicht sehr funktionierendes Leben ist, mit der Kapazität, Neues aufzunehmen, was dann?
Nein, ich meinte nicht nur "ohne sie", sondern ich meinte, daß die Entscheidung (über ihr Schicksal) schon "vor der Drogenaktion" getroffen wurde.
Ich glaube, dass ich mit meinem Zitat von Tiptree†™s Schluss geklärt habe, dass die Entscheidung über ihr Schicksal offen ist. Dass lediglich die starke Einsicht vorherrscht, dass die beiden Zivilisationen/Geschlechter unverträglich sind. Vielleicht werden sie getötet, vielleicht dürfen sie ihr Leben zu Ende leben, jedenfalls werden sie nicht frei herumlaufen dürfen und machen können, was sie wollen. Also insofern ja,
diese Entscheidung ist schon mal ziemlich klar.
Tut mir leid, diese Interpretation ist natürlich möglich, mir aber viel zu harmlos.
Du zitierst die "offizielle" Erklärung der Frauen, als Lorimer dahinter kommt, daß sie mit Drogen manipuliert werden.
Für mich enthält diese Erklärung nur einen Teil der Wahrheit.
Wenn man aber zugrunde legt, daß ihr Schicksal schon vorher beschlossen wurde, kann man aus den Zwischenbemerkungen schließen, daß die Situation aus einem andern Grund eingefädelt wurde. Insbesondere eskaliert die Situation ja, als dies bei Dave nicht funktioniert und sie daher zu weiteren fragwürdigen Maßnahmen greifen wollen, die ich hier nicht verraten möchte.
Ich weiß nicht, von welchen Zwischenbemerkungen Du sprichst. Aber mir gefällt die Formulierung nicht, "etwas eingefädelt zu haben". Niemand hat eingefädelt, dass sich Bud Judy aufzwingt, das wollen wir noch mal betonen. Und was soll bei Dave nicht funktioniert haben? War da was geplant? Alle 3 Männer sind ihre eigene Persönlichkeit gewesen, bloß extremer. DAS hat bei Dave hervorragend funktioniert.
Der Mann ist völlig enthemmt und spricht unter den Drogen seine Gedanken laut aus.
Er redet nicht *mit* der Frau, sondern er phantasiert über seine Situation...
Das weiß ich. Du glaubst, Bud wäre rehabilitiert, wenn man seine Gedanken nicht hören könnte, er sich Judy nur aufzwingen würde? Oder besser noch, es wäre nicht so schlimm, wenn er nur DENKEN würde, Judy wäre ein Stück Gegenstand, den man behandeln kann wie dummes Brot, nachdem er ein Jahr lang mit ihr zusammengelebt hat, er aber immer 'anständig' agieren würde? Oh, oh, oh. Wie ich auch schon mal sagte, das überkommene Gedankengut ist das, was hier unzuträglich ist.
Und: sie haben weder ihn noch die anderen betäubt und ans Bett gefesselt, um ihnen irgendetwas zu entnehmen oder andere klinische Versuche mit ihnen angestellt. Die Männer wurden immer mit ausgesuchter Höflichkeit behandelt.
Das würde auch nicht ins Bild passen, Frauen gehen da subtiler vor.
Böse Frauen, böse. In Dein Bild passt das offensichtlich nicht, aber was ist mit der Zukunft, in der die Geschichte spielt? Machen die Frauen jemals einen subtil, tricksenden, hinterfutzigen Eindruck? Bei mir nicht.
Das ist aber doch kein Argument gegen die Tatsache, daß die Männer den Frauen hier vollständig ausgeliefert sind...........
Ok, einigen wir uns auf die etwas schwächere Form, Mißbrauch.
Trotzdem sind alle Attribute da: Keine Chance, sich dagegen zu wehren, Entwürdigung.
Darauf einige ich mich keinesfalls. Missbrauch hat die Konnotation von Vergewaltigung und beide Wörter sind hier unangemessen.
Die Männer sind, sagen wir es deutlich, von der ersten Sekunde an vollständig ausgeliefert, denn sie hätten ohne den
Goodwill der Anderen nicht überlebt. Das ist das Setting der Story. Man könnte sagen, die Autorin hat das subtil so eingefädelt

. Selbst wenn sie das Schiff gekapert hätten, wären sie doch nie gegen eine ganze Zivilisation angekommen. Das sind die Story-Fakten und dagegen haben sie keine Chance. Mit einer flexibleren Attitüde hätten sie sich besser integriert. Von außen betrachtet gibt es keine Entwürdigung. Das einzige was aus
Sicht der Männer nach Entwürdigung schmeckt, ist der Fakt, dass sie ihren Alpha-Affen-Status und ihre Befehlsgewalt eingebüßt haben. Das muß furchtbar sein, wenn man es anders gewohnt ist, das glaube ich gern
Captain Kirk macht in jeder Folge unanständigere Dinge, und niemand regt sich drüber auf.
Ist das wirklich Dein Ernst ?
Seit wann ist Captain Kirk *der* Maßstab für moralisches Handeln ?
Nein, das war ein Witz, um eine relativere Sicht der Dinge einzuführen als Kontrapunkt. Hat wohl keiner begriffen. Ich versuch†™s noch mal anders: wenn wir in einer anderen Geschichte 3 Männer unwiderruflich in ein anderes Universum katapultieren würden†¦ wo Aliens sind. Diese Aliens dann zu dem Schluß kommen, dass sie die Erdmänner zum Kot†¦.. finden und vielleicht ggfs. beseitigen werden oder isoliert vor sich hinsterben lassen†¦†¦ dann wäre das eine dufte Geschichte, mit einem nicht ganz konventionellem Schluß. Und niemand würde weiter drüber schreiben und sich aufregen. !!
Hier haben wir es aber mit Frauen zu tun. Der Fakt, dass sie genügend Macht haben, eben dies zu tun, (welch Unverschämtheit!) und auch noch die Stirn haben, kein menschelnd- basisdemokratisches Mitleid an den Tag zu legen, ist offensichtlich so ungewohnt und greift so dermaßen in die emotionalen Niederungen des Geschlechterkampfes, dass sicherlich mehrere Leser sich bemüßigt sehen, erstmal mit
Denial, Anger und Bargaining um sich zu werfen, bevor es zu
Depression und Acceptance weitergehen kann. Eindeutig wird hier ein trauriger Punkt angeschnitten, der in meiner fiktiven Alien-Geschichte nicht weiter wiegt. (Ein hervorragendes Thema für traute Diskussionen mit dem Partner äh, bei denen, die sich trauen). Oder: würden Männer, die von anderen Männern manipuliert werden, sich so fürchterlich entwürdigt fühlen? Nein, dann da hätte man es ja mit einem 'echten' Gegner zu tun
Der Schlußsatz läßt offen, ob mit Tod Euthanasie, Freitod oder eine Metapher über die Gesellschaft gemeint ist.
Wenn man Dein Zitat hier dazunimmt ("Wir können Sie auf der Erde kaum frei herumlaufen lassen, und wir haben einfach keine Einrichtungen für Leute mit Ihren emotionalen Problemen.") wird wohl klar, daß es hier nicht nur um eine rein philosophische Deutung geht.
Ich bitte darum, noch mal mein anderes Posting genau zu lesen. Mein Zitat war länger und hatte noch mehr zu bieten, u.a., dass die Erdenmenschen auch die Männer sehen wollten.
Mit "Pyrrhussieg" meinte ich, daß die Autorin in dem letzten Satz nochmals konzentriert ausdrücken wollte, daß in dieser Utopie "Frieden und Freiheit" mit dem "Tod des Fortschritts" erkauft wurde.
Und ich sage noch einmal, dass es Fortschritt gibt, aber nicht so einen, wie ein typischer Mann des 21. Jh. ihn für wünschenswert hält, dass imho Fortschritt kein universaler Wert ist, und dass „DAS GETRÄNK NICHT ÜBEL SCHMECKT“.
Textinterpretation eben.

Damit ist alles gesagt.
Impala
P.S.: ich mag diese Geschichte, die zwar aus dem Jahre 1976 ist, aber, wie sich zeigt, immer noch das Bewußtsein erweitern kann, zumindest potentiell, für Männer wie für Frauen.
Soviel zum Fortschritt
Bearbeitet von Impala, 08 November 2004 - 08:18.