Durch. Spoilerwarnung
Mein persönliches Highlight war Belichtungszeit von Thorsten Küper. Eine Geschichte, bei der lange nicht klar wird, wohin die Reise geht, deren Aufklärung mich dann verblüfft hat. Mit einem Protagonisten, der ein ziemlicher Bastard ist, was ich normalerweise nicht so mag, in diesem Fall aber perfekt passt. Und einem Dreh zum Schluss, der einer ziemlich fiesen Story eine positive Wendung gibt.
Gut gefallen hat mir auch Phönix am Zonenrand von Tobias Fromme. Auch hier versteht es der Autor, mich als Leser lange im Unklaren zu lassen, was hier vorgeht und eine Wendung zu finden, die mich verblüfft hat.
Spass gemacht hat mir Armin Rößlers Random Gun und der Griff nach der Weltherrschaft, auch wenn ich ich über die Nicht-Zeitparadoxon-Erklärung lieber nicht nachdenke. Und gelernt hab' ich auch noch was. Das mit den Knochenplatten hab' ich nicht gewusst und mal spasseshalber gegoogelt - mit interessanten Ergebnissen. Klasse, sowas in eine Story einzubauen. Geärgert haben mich dagegen die Fußballzitate àla Hauptsache Italien. Die tragen in diesem Zusammenhang nichts zur Geschichte bei, sondern reißen mich aus der Geschichte heraus. Erlebe ich immer wieder, dass Autoren sich unglaublich Mühe geben, eine imaginäre Welt aufzubauen, nur um den Leser dann mit solchen "Insidergags" schnurstracks wieder in die Gegenwart zu reißen.
Rebecca von Christian Künne ist eine von den Geschichten, bei denen ich unbedingt mehr von dieser Welt lesen möchte. Die Verbindung von atomgetriebenen Lokomotiven und einer Stadt, in der es noch ein Rohrpostsystem gibt, hat mich in den Bann geschlagen.
Bei Rattenfänger 2.0 von Peter Hohmann bin ich etwas zwiegespalten. Der Großteil der Geschichte gefällt mir richtig gut, das Rätsel von Hameln aufzuklären, war spannend. Aber die letzten paar Seiten und die Begegnung am Ende wirken wie ein Fremdkörper, die für mich nicht recht zum ersten Teil passen wollen.
Vom Weltenbau her fand ich Anja Bagus' Ready Set Go! gelungen, vom sprachlichen her waren da einige eher umgangssprachliche Formulierungen drin, die mir nicht gefallen haben.
Daredevils von Christian Vogt, Das große Rennen von André Geist und Hasenflug von Kay Noa fand ich zu klischeehaft und vorhersehbar. Phasenverschiebung ist eine von den Geschichten, in denen eigentlich nichts passiert. Der Protagonist erzählt, wie es ihm ergangen ist und hat eigentlich wenig Möglichkeiten zu agieren. Das ist nicht so meins. Das gilt auch für Saturday Night Firefight. Ein wilder Shootout in einem Saloon Diner - kann man mal machen und sorgt bei mir für kurzzeitiges Grinsen, mehr aber nicht. Allerdings war der Hintergrund interessant angedeutet.
Zu den Grafiken: Meine Top 3 sind Christian Dörrs im Retro-Stil gehaltene Illu zu Random Gun, Michael Marraks stimmungsvoller Atompilzaufgang zu Belichtungszeit und Gloria H. Manderfelds comicartige, in Brautönen gehaltene Illu zu Daredevils.
Alles in allem eine ordentliche Anthologie. Mir fehlt mit Ausnahme von Armins Geschichte so ein wenig die Leichtigkeit, das Beschwingte der 50er, aber wahrscheinlich würde das dem Punk-Gedanken wiedersprechen. Was mir definitiv fehlt, sind starke Frauencharaktere in den Geschichten. Da spiegen sich doch zu deutlich die verstaubten Rollenbilder der 50er wieder, die Kerle sind halt echte Macker, die Frauen schmückendes Beiwerk oder kreischende Zuschauer oder Duckmäuser. Und natürlich ist auch keine andere Paarung als Mann-Frau denkbar.