Eigentlich mag ich diese ganze Genderdiskisiion nicht, weil sie immer extremer und fanatischer wird.
Aber
Es könnte daran liegen, dass die Männer weiterhin die gleichen Machtstrukturen in ihren Büchern aufbauen, immernoch meinen, ohne krieg könne ein sf Roman nicht spannend sein und Frauen die Themen der Zeit stärker aufgreifen?
Ich weiß z. B. dass weibliche Autoren in den USA sich schon seit Jahren mit den ethischen Problemen der GENforschung beschäftigen. Außerdem finde ich, dass Frauen sehr stark in der Socialfiction sind. Wenn es um die Wurzeln der Socialfiction geht und die der Gender Problematik, dann ist Ursula Le Guin die Referenz.
So mal angedacht.
es sind ja nicht nur die Männer, die bestehende Strukturen in ihre Romane übernehmen. Autorinnen stehen dem in Nichts nach. Das Problem ist, dass das alles viel zu tief verankert sitzt. Eine Frau, die in ihrem Leben nie mit Diskriminierung konfrontiert wurde, bzw. sich der Diskriminierung gar nicht bewusst war, kann sich da natürlich leicht tun und sagen, dass es sowas nicht gibt.
Wir alle leben immerhin in Filterblasen. Dabei sehe ich noch nichtmal die ethischen Fragestellungen rein bei Autorinnen. Männliche Autoren tun dies genauso. Die ersten Schritte sind immer, sich das Bewusstmachen, dass bestimmte Machtstrukturen bestehen und diese immerhin die Hälfte der Menschen direkt betrifft, die andere Hälfte indirekt. Dabei sind wir alle Opfer und Täter gleichzeitig. Und es ist an uns allen, das in Frage zu stellen, damit sich etwas ändern kann. Dass diese Diskussionen jetzt vermehrt geführt werden - ich weiß, dass viele davon einfach nur genervt sind - liegt daran, dass die Menschen das halt nicht mehr einfach nur hinnehmen.
Nehmen wir doch Kameron Hurley, die ein Buch ohne männliche Figuren geschrieben hat. Oder Scalzi selbst, der seine Romane Das Syndrom und Frontal bewusst so geschrieben hat, dass sein/e Protagonist/in von ihm kein Geschlecht bekommen hat. Funktionierte im Englischen übrigens wunderbar, während im Deutschen kurzerhand das generische Maskulinum verwendet wurde. Dabei ist die Leseerfahrung schon wieder abhängig davon, in welcher Sprache man diese Bücher nun liest.
Auch Hamilton ist mittlerweile dazu übergegangen z.B. in Salvation geschlechtsneutrale Pronomen zu benutzen für seine eine Gesellschaft von Menschen, die im wahrsten Sinne des Wortes genderfluid sind, weil sie eben je nach Zyklus mal männlich, mal weiblich sind.
Ich empfinde es als äußerst wichtig, dass in einem lange von Männern dominierten Genre wie der Science Fiction, Autorinnen sichtbarer gemacht werden. Das soll nicht heißen, dass früher keine Frauen Scifi geschrieben haben. Das soll heißen, dass in ausgewählten Buchläden das Angebot in der Scifi-Ecke grunsätzlich sehr männerlastig ist. Das sieht man auch an den Verlagsvorschauen, welche Romane da besonders beworben werden und wie da die Männer-Frauen-Ratio ist. Und da ist es eben wichtig, dass man bewusst ein ausgewogenes Verhältnis schafft, damit es irgendwann halt selbstverständlich ist.
Viele Leser, myself included, behaupten, sie lesen Bücher unabhängig vom Geschlecht des Autors. Das mag durchaus sein, aber wenn ich bei einer Auswahl von 10 Büchern nur 1 Autorin dabei habe und die ausgerechnet ein Thema behandelt, das mich nicht interessiert, dann ist es nur logisch, dass die Chance, bei den verbleibenden 9 etwas zu finden, was mir gefällt, eher hoch ist und das ist dann aber wieder von einem Mann geschrieben. Wäre hier das Angebot ausgewogen, dann wären auch die Chancen für mich größer, ein Buch zu finden, das von einer Frau geschrieben wurde. So kann ich natürlich immer behaupten, ich lese, was mir gefällt, muss aber auch gestehen, dass der Frauenanteil in meiner Leseliste sehr niedrig ist, einfach weil ich von vielen gar nichts weiß und eben genau das Problem des Angebots habe, wenn die Neuerscheinungen rauskommen.
Gleiches gilt dann natürlich auch für nicht-binäre Autoren. Und das alles lässt sich dann wieder übertragen auf die Figuren in Büchern (Bechtel Test, Sexy Lamp Test)
Ich meine, dass Science Fiction divers und GUT geschrieben werden kann ohne die größten Klischees zu bedienen zeigen James S. A. Corey mit ihrer Expanse-Reihe. Da ist einfach ALLES vorhanden und es ist normal: gleichgeschlechtliche Partnerschaften, Mehrpersonenehen, weibliche Figuren, die nicht von der gestandenen Frau zu einem dümmlich grinsenden Teenagermädchen mutieren, nur weil sie verliebt sind (echt, das fand ich mega beeindruckend in den Büchern, wie Naomi Nagata geschrieben ist, und ja, Dr. Elfie Okoye war da anfangs eine Ausnahme, was sich am Ende aber auch wieder erklärte und in meinen Augen gut gemacht war), männliche Protagonisten, die die Grenzen kennen und akzeptieren. Genial! Davon braucht es einfach mehr, denn alles andere hatten wir schon.
Bearbeitet von Powerschnute, 21 August 2019 - 06:57.