Ăśblicher Disclaimer - Falls es das Thema (oder die Reihe) schon gibt, bitte ich um ZusammenfĂĽhrung. Habe die Forumssuche bemĂĽht, ohne fĂĽndig zu werden.
Zweiter Disclaimer - nachdem es sich um die Finalbände einer Reihe handelt, werde ich das so spoilerfrei wie möglich schreiben.
Warum zwei BĂĽcher auf einmal?
Weil es sich um einen Doppelband, die gleichzeitig erschienen Finalbände der Avatar Reihe handelt. Begonnen hat diese im Frühjahr 2019 mit "Mutation - Alte Freunde und profitable Kriege", insgesamt kommt sie auf 6 Bände. Interessant ist der optionale Abschluss: Man kann die Reihe nach Band 5 mit einem "alternativen Ende" ins Regal stellen, oder aber im Anschluss Band 6 lesen, der 600 Jahre später in einem beinahe ausgestorbenen Universum angesetzt ist und auf den ersten Blick nicht viel mit den Vorgängern zu tun hat. Dennoch offenbart erst dieses allerletzte Buch das wahre Schicksal der Protagonisten dieser Reihe.
Klappentext "Kriegerehre":
[color=rgb(51,51,51);font-family:'Amazon Ember', Arial, sans-serif;]Die Menschheit am Ende des 22. Jahrhunderts hat dank der Sprungtore inzwischen viele ferne Welten besiedelt - ist aber in ihrem Kern die Gleiche geblieben. Mit der Angst vor einem äußeren, oft beschworenen, doch nie gesehenen Feind wird politisches Kleingeld gemacht. Populisten regieren in den mächtigen Nationen und die UNO schwächelt vor sich hin.[/color]
[color=rgb(51,51,51);font-family:'Amazon Ember', Arial, sans-serif;]All das kann John Harris egal sein - er hat sich seinen Lebenstraum erfüllt und führt ein kleines, aber feines Fresslokal am Strand von Queensland. Unter gutmütiger Duldung der Aboriginal Verwaltung und mit tatkräftiger Hilfe von Freddericks Nachwuchs. Doch als mit dem Fall der Trappist Kolonie der lange befürchtete Gouch Krieg doch noch beginnt, wird es für John persönlich: Ein allerletztes Mal wird die Avatar aus dem Hangar geholt, die alte Truppe zusammengetrommelt und eine halsbrecherische Mission gewagt. Ein Selbstmordkommando aus dem Wichtigsten aller Motive heraus..[/color]
Dieser KT wird jemandem, der mit der Reihe noch nicht vertraut ist, erst einmal nicht viel sagen. Dafür enthält er auch keine Spoiler. Kenner bemerken den Zeitsprung und dass einige in den Vorgängern angedeutete Ereignisse ihren Lauf nehmen werden.
Und tatsächlich - in beiden Büchern verknüpft Ertlov Anspielungen und Bemerkungen, scheinbar vergessene sekundäre Handlungsstränge, Nebencharaktere und sogar Visionen des Protagonisten aus allen Vorgängern zu einem neuen, großen Ganzen. Und das im Eilzugstempo, denn diese beiden Bücher sind vor allem eines: kurz. Man hätte sie problemlos in ein einziges, dickeres packen können, und so bleibt der schale Nachgeschmack einer Gewinnmaximierung.
Aber selbst auf den insgesamt eher wenigen Seiten spielt die Reihe ein letztes Mal, aber dafür umso einprägsamer ihre Stärken aus: Humor, packend inszenierte Gefechte, emotionale Szenen und den wahrscheinlich authentischsten und lebendigsten Ich-Erzähler der jüngeren SF Geschichte. Wenn John Harris und Alice Winston an der Seite von sprechenden Schweinen für den britischen König (Und seinen Prinzgemahl! Und alle ihre geklonten und adoptierten Kinder!) in den Krieg ziehen, gibt es sehr wohl genug "harte" Military SF. Und dennoch bleibt kein Auge trocken. Wenn sie es aber - wie hier - aus egoistischen Motiven tun, sieht die Sache anders aus. Hier schleicht sich eine Melancholie in die Reihe, die so neu ist.
Mein Fazit zum Doppel-Finale:
Ein ungewöhnlicher, aber gelungener Ansatz. Geschickt spielt der Autor mit meiner Erwartungshaltung, lässt mich emotional Höhen und Tiefen erleben, treibt Leser von Triumph zu Verzweiflung zu Erleichterung. Oder verwehrt diese gänzlich. Ich persönlich hätte das "alternative Ende" von "Kriegerehre" als etwas kaltherzig empfunden, war aber nach "Andromeda oder Tod" beinahe restlos zufrieden.
Auf jeden Fall eine Empfehlung, besonders wenn es im Doppelpack gelesen wird.
Mein Fazit zur Reihe:
Die Avatar Reihe ist vor allem ungewöhnlich - zu ungewöhnlich, um sie mit irgendeinem anderen SF konkret zu vergleichen. John Scalzi, Terry Pratchett und Douglas Adams werden in Blogbesprechungen gelegentlich als Referenznamen genannt, aber ich finde, das trifft es nicht wirklich. Sie hat über weite Strecken den Flair von Firefly, ohne sich inhaltlich daran zu orientieren. Gelegentlich kann man auch Ähnlichkeiten zur Expanse Reihe beziehungsweise dem einen oder anderen Mark Brandis Klassiker erkennen - wenn man will. Der Humor wird nicht jedem schmecken, ebenso wenig die deutlich linksprogressive politische Schlagseite. Aber in zwei Punkten sind die Avatar Bücher herausragend:
1. Sie sind konsequent als Reihe aufgebaut und durchgezogen, ohne daraus Schwächen zu beziehen. Jedes Abenteuer ist in sich abgeschlossen, und doch ergeben die Bände zusammen ein neues Gesamtbild. Wer den Infodump und die teils spannenden, teils exzessiven Erklärungs-Flashbacks im ersten Drittel von "Mutation" überstanden hat, kann sich in 5 2/3 Bücher stürzen, in denen es keine Durchhänger, keine Lückenfüller, keine unnötige Szene gibt. Jedes Wort, jeder abgegebene Schuss, jede Umgebungsbeschreibung treibt entweder die Handlung voran oder wird später wichtig. Wobei dieses "später" auch im nächsten Band sein kann.
2. Das Werk gibt nicht vor, etwas anderes oder mehr zu sein, als es ist. Nämlich Unterhaltungsliteratur. Schnittige Raumschiffe, politische Verschwörungen, Plasmakanonen und sprechende Schweine. Eine gute Story, spannende Action, manchmal tieffliegende Gags. Viel öfter aber durchaus tiefsinniger, subversiver Humor. Es werden keine neuartigen Gesellschaftsstrukturen skizziert, sondern unsere heutigen in die Zukunft projiziert und betrachtet. Konstruktiv, mit Verweisen auf ihre dunklen Flecken, aber auch auf Verbesserungsmöglichkeiten. Metaphysische, esoterisch angehauchte Nabelschauen kommen nur sehr selten vor, und dann auch nur, um als solche genüsslich zerlegt zu werden. Es werden keine neuen soziologischen, futurologischen oder gesellschaftspolitischen Fragen aufgeworfen - sondern teils interessante, teils brachiale Antworten auf existierende gegeben. Es liest sich teilweise wie ein Hollywood Film, teilweise wie ein Videogame - aber beides ist nicht unbedingt abwertend gemeint.
Es ist, was es ist. Keine schwere Kost, kein feingeistiger Höhenflug, aber rundum gute Unterhaltung.
Bearbeitet von Dadaistin, 10 Juli 2020 - 14:25.