Am Samstagmorgen wachte er nach einer Nacht unruhigen Schlafes beim Klingeln des Telefons auf. Es war ihm nicht danach zumute abzuheben, aber der Anrufer war hartnäckig. So stand er dann doch auf. Es war zehn Uhr. Er schlüpfte in seine Pantoffeln und ging hinaus in die Diele.Das Wählscheibentelefon war altmodisch, ein ehemaliger Münzfernsprecher; aber bisher hatte er allen Versuchen der Post widerstanden, es durch ein Videofon ersetzen zu lassen. Es war gerade genug, daß er mit den Leuten reden mußte. Widerstrebend nahm er den Hörer ab."George? Bist du es?"Er erkannte die Stimme. Es war Anthony Boulton, ein Verleger, für den er mehrere Bücher geschrieben hatte."Ja", sagte er."Hier ist Anthony Boulton. Ich habe dich doch nicht etwa geweckt?""Das macht nichts.""Wie geht es dir denn so?""Ich bin zufrieden.""Das freut mich. Was hast du in letzter Zeit gemacht?""Ein Buch. Was denn sonst?""Wie weit bist du damit?"Boulton wirkte ausgesprochen gut aufgelegt und hatte ganz offensichtlich vor, einen Auftrag mit ihm zu besprechen. Er war einer, der sich an der Arbeit berauschte wie andere am Alkohol, und es war für ihn nichts Ungewöhnliches, geschäftliche Gespräche am Samstagmorgen zu führen."Es ist fertig", sagte er. "Ich habe es letzte Woche abgeliefert."Als er nichts sagte, fuhr Boulton fort: "Wir suchen jemanden, der uns einen Roman schreibt, der das Vierteljahrhundert zwischen dem Anfang des Krieges und der Mitte der sechziger Jahre behandelt. Ein umfangreiches Familiendrama vor dem Hintergrund des wechselnden Schicksals der Nation. Die Not und Gefahr des Krieges, dann endlich der Sieg, und dann die Zeit des wachsenden Wohlstandes, die mit dem Auftreten der Pop- und Rock-Generation ihren Höhepunkt erreicht. Wir schätzen, daß du genau der richtige Mann dafür bist. Was hältst du davon?"Es war typisch für Boulton, ein geplantes Buch so zu beschreiben, als habe er bereits den Klappentext dafür verfaßt und zitiere daraus. Er empfand zwei ganz gegensätzliche Reaktionen: die erste, ein unmittelbares Interesse an dem Projekt; die zweite, ein unscharfes, aber starkes Gefühl, daß er sich da heraushalten sollte."Der Markt ist für so etwas reif", sagte Boulton jetzt. "Bei dem Schlamassel, in dem das Land steckt, schauen die Leute nostalgisch zurück auf die alten Zeiten. So ein Thema fesselt die Leser."Er verspürte einen pedantischen Drang, Boulton zu sagen, daß "Nostalgie" im genauen Sinn des Wortes eher ein pathologisches Heimweh als eine allgemein verbreitete Sehnsucht nach der Vergangenheit sei; aber er tat es als belanglos ab."Du hast diese Zeit miterlebt, George", fuhr er fort. "Du mußt sie genau kennen. Und wir sind bereit, anständig zu zahlen, damit du das Beste hergibst. Das wäre dann ein wahrer McCoy. Ein seriöser, literarischer Roman für eine breite Zielgruppe. Es wird sowieso bald Zeit, daß du mal schreibst, wie es deine Fähigkeit erlaubt - endlich mal aufhörst, diese Fingerübungen hinzuwerfen, die du jahrelang produziert hast.""Es ist ein bißchen spät, um in meinen Tagen noch anzufangen, mir künstlerische Prätentionen anzueignen.""Das ist es eben nicht. Es steckt doch in dir, George, das weißt du so gut wie ich. Es ist Zeit, daß du etwas anpackst, was deiner wert ist."Er stand der Idee immer noch mit gemischten Gefühlen gegenüber. Er hatte sich oft gefragt, ob er fähig sei, einen Roman von echter literarischer Qualität zu schreiben, aber er hatte es nie versucht. In seiner ganzen Laufbahn war er ein anpassungsfähiger Schriftsteller gewesen, der sein Handwerk verstand, und hatte Bücher im Auftrag produziert und damit Lücken in den Programmen der Verleger gefüllt; aber er hatte niemals etwas allzu Ehrgeiziges versucht, weil er es nicht riskieren wollte, ein Massenpublikum anzusprechen oder die Beachtung der Kritik auf sich zu lenken, die ihn dem Auge der Öffentlichkeit ausgesetzt hätte. Er hatte ja diesen Job als freischaffender Schriftsteller gerade darum gewählt, weil er so für sich allein und mit einem Minimum an Kontakten mit anderen tätig sein konnte. Boultons Vorschlag appellierte an seinen vorsätzlich unterdrückten literarischen Ehrgeiz, aber er erkannte, daß es ihm widerstrebte, noch einmal in der Vergangenheit nachzugraben, und sei es auch nur, um einen Romanstoff zu finden. Boulton wollte, daß er mit dem Zweiten Weltkrieg beginne, und es war im Jahre 1940 gewesen, als er mit seinem Dasein auf der Erde begonnen hatte.Beginn des Prologs eines SF-Romans; Titel und Autor?
Bearbeitet von Jorge, 04 Mai 2008 - 21:42.