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Phantastische Literatur in der "Hochkultur"


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43 Antworten in diesem Thema

#1 Motörfisch

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Geschrieben 08 August 2004 - 17:33

Ich hätte folgende Frage: Welche Autoren kennt ihr, von denen man zum einen sagt, dass sie es in der „Hochkultur“ geschafft haben und die zum anderen ein Werk mit phantastischen Inhalt geschrieben haben?Dazu fielen mir ein: Der Nobelpreisträger Hermann Hesse mit der Utopie „Das Glasperlenspiel“ und Alfred Döblin mit „Berge Meere und Giganten“.

Bearbeitet von Motörfisch, 08 August 2004 - 21:33.

MfG, Motörfisch

#2 tichy

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Geschrieben 08 August 2004 - 17:40

"Die Rättin" von Günter Grass ist meines Wissens eine Art Endzeitroman (habe aber nur vor langer Zeit mal reingeschmökert)Keine Ahnung, on "Fräulein Smilla" bereits zur "Hochkultur" gehört, jedenfalls birgt sie einen SF-Kern (was man erst am Ende bemerkt).-- tichy
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#3 Theophrastus

Theophrastus

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Geschrieben 08 August 2004 - 18:08

William Golding (Nobelpreisträger): "Herr der Fliegen"

#4 Werner

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Geschrieben 08 August 2004 - 19:07

Doris Lessing - Canopus im Argos: Archive I - V

#5 eRDe7

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Geschrieben 08 August 2004 - 20:59

Hm, auf Anhieb (wobei es auf die Definition von "phantastisch" ankommt):Kurt Vonnegut - fast allesKafka - VielesJ. L. Borges - fast alle ErzählungenJ. Cortázar - sehr viele ErzählungenFranz Werfel - Stern der UngeborenenJan Kjaersad (wenn man das noch als phantastisch bezeichnen möchte) - Rand, Der Verführer, Der ErobererGoethe - Faust :lol:E. T. A. Hoffmann - fast allesLeo Perutz (Hochkultur, ich denke ja?) - fast allesTheophile Gautier - fast allesChesterton - Der Mann, der Donnerstag war u.v.m.Kipling - diverse ErzählungenVoltaire - z.B. MikromegasArno Schmidt - Schwarze Spiegel, Kaff...Calvino - fast allesNabokov - z.B. Einladung zur Enthauptung, Durchsichtige DingeMehr fallen mir gerade nicht ein...Gruß,Ralph

R. C. Doege: Ende der Nacht. Erzählungen (2010)

R. C. Doege: YUME. Träumen in Tokio (2020)

 


#6 Impala

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Geschrieben 08 August 2004 - 21:12

Mark Twain, Ein Yankee aus Connecticut an König Artus Hof
Julius Gaius Baltar!

#7 molosovsky

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Geschrieben 11 August 2004 - 11:53

Hallo,
@ Theophrastus:
»Herr der Fliegen« wird immer wieder mal genannt, als phantastische Hochliteratur. Ich kenne das Buch. Kannst Du mir kurz erklären, WAS an dem Buch der phantastische Aspekt sein soll. Ich kann den nämlich nicht ausmachen. Für mich ist das ein gänzlich in einer »realen Fiktionswelt« angesiedelter Roman.

Grüße
alex / molosovsky

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#8 molosovsky

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Geschrieben 11 August 2004 - 11:58

und @Motorfish
Du hast geschrieben:

Welche Autoren kennt ihr, von denen man zum einen sagt, dass sie es in der „Hochkultur“ geschafft haben und die zum anderen ein Werk mit phantastischen Inhalt geschrieben haben?

Ich will Dich keinesfalls in eine (quasi)akademische/philosophische Diskussion verstricken, aber traust Du Dich, etwas genauer zu beschreiben, wer man ist und »Hochkultur«. Ich weiß, daß ist alles ziemlich schwammig, aber Deine Frage ist interessant und ich will sie so gut beantworten, wie ich kann.

Grüße
alex / molosovsky

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#9 Motörfisch

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Geschrieben 12 August 2004 - 02:26

Im Grunde überlasse ich es Dir, was Du darunter verstehst. Nachstehend fasse ich eine - für Ergänzungen offene - Anzahl von vagen Vielleichts zusammen, von Stichwörtern, die ich wahrscheinlich nicht verteidigen werde.

    [*]Genreunabhängiges Bedeutungssurplus.
    [*]Relevanz, wobei Relevanz vielleicht ein quantitatives Merkmal innerhalb bestimmter Kreise ist (Medien, Foren usw.); die Bedeutung steigt mit der Zahl der Nennungen.
    [*]Ein Indikator ist vielleicht, dass der Autor auch im Literaturkanon „Hohe Literatur“, „Hochkultur“ vertreten ist, wobei „Hohe Literatur“, „Hochkultur“ dasjenige ist, das als solches bezeichnet wird.
    [*]„Man“ kann der Literaturkritiker, die für den Unterrichtsstoff von Schulen zuständigen Personen oder Behörden, der Freund, die Freundin, der Lehrer, der Nachbar usw. sein; jemand, dem - von wem auch immer - Definitionsmacht zugeschrieben wird und/oder der sich diese selbst gegeben hat - also im Prinzip jeder.
    [/list]

    Bearbeitet von Motörfisch, 12 August 2004 - 09:00.

MfG, Motörfisch

#10 rockmysoul67

rockmysoul67

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Geschrieben 12 August 2004 - 09:03

Ich habe eher mehr Mühe mit dem Wort "phantastisch" ... Wenn du "SF" geschrieben hättest, könnte ich jede Menge für deine Liste aufzählen.Aber gut, hier hast du eins: "Animal Farm".

#11 Theophrastus

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Geschrieben 12 August 2004 - 11:04

Hallo,
@ Theophrastus:
»Herr der Fliegen« wird immer wieder mal genannt, als phantastische Hochliteratur. Ich kenne das Buch. Kannst Du mir kurz erklären, WAS an dem Buch der phantastische Aspekt sein soll. Ich kann den nämlich nicht ausmachen. Für mich ist das ein gänzlich in einer »realen Fiktionswelt« angesiedelter Roman.

Grüße
alex / molosovsky

Dafür muss ich mir das Buch nochmal vornehmen. Deshalb nur ganz kurz
1. Es hat wenig tatsächlich wenig mit Phantastik zu tun. Es deshalb phantastisch zu nennen, ist fraglich
2. Es wird ein (Atom?)Krieg angedeutet, daher rührt zumindest ein unwirklicher Aspekt her
Wie gesagt, um mehr zu sagen, muss ich mir den Roman durchlesen. Bin aber jetzt nicht zu Hause. einerseits gebe ich dir Recht, dass ein in der "realen Fiktionswelt" angesiedelter Roman ist." Dass überhaupt nichts phantastisches darin vorkommt, sehe ich jedoch nicht.

#12 Theophrastus

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Geschrieben 12 August 2004 - 15:42

Goldings zweiter Roman The Inheritors ist zum Teil eine Reaktion auf H. G. Wells the Grisly Folk. John Clute und Peter Nicholls bezeichnen den Roman als anthropologische SF.

#13 Motörfisch

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Geschrieben 12 August 2004 - 17:40

Ich habe eher mehr Mühe mit dem Wort "phantastisch" ... Wenn du "SF" geschrieben hättest, könnte ich jede Menge für deine Liste aufzählen.

Ist "Phantastik" nicht der Übergriff, unter dem SF, Fantasy etc. subsumiert werden? Besonders über SF-Titel würde ich mich freuen, da ich mich diesem Genre näher fühle. ;)
MfG, Motörfisch

#14 molosovsky

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Geschrieben 13 August 2004 - 10:44

Hi,
statt der üblichen Aufzählung will ich an dieser Stelle einen Linktip geben.
Ich empfehle jetzt erstmal, sich die englische Website The Modern Word anzuschauen. Ich persönlich empfinde es als gemein und traurig, daß es in Deutschland nichts vergleichbares gibt †¦ annähernd respektvolle Brücken-Foren zwischen der Literatur-Literatur- und der Phantastik-Szene.

Bei The Modern Word konzentriert man sich auf Literatur ab dem 20. Jhd, die Gleise nach denen man sich orientiert nennen sich »die Moderne« und »experimentelles Schreiben«. Von letzterem Begriff weiß ich, daß er geeignet ist fandom- und genreverortete Leser schreiend-brüllend gen Horizont laufen zu lassen (so wie »Fantasy« und »Space Opera« viele Freunde des experimentellen oder engagierten Schreibens die Handgranaten aus dem Keller holen läßt).

Seis drumm, bei The Modern Word gibt es die Main Collection mit wirklich stöbernswerten Seiten zu: {Sternchen bedeutet: kann ich bürgen für die Phantastik-Relevanz des Autoren, deren Bücher ich (event. besser) kenne:
Samuel Beckett, Jorge Luis Borges*, Umberto Eco*, Gabriel Garcia Márquez, James Joyce*, Franz Kafka*, Thomas Pynchon*.

Dann gibt es kleinere Abteilungen zu vielen Autoren, das sogenannte Scriptorium; allein schon sehr lustig, wer da versammelt ist (Mann zwischen Lovecraft und Moorcock, hihi):
kobo Abé, Kathy Acker, Edward Albee, Paul Auster*, J.G. Ballard*, John Banville*, John Barth, Don Barthelme, Thomas Bernhard* (Sonderfall), Anthony Burgess*, W.S. Burroughs*, A.S. Byatt*, Italo Calvino, Angela Carter, Robert Coover, Julio Cortázar*, Samuel Delany*, Don DeLillo, Philip K. Dick*, T.S. Eliot*, William Faulkner, Carlos Fuentes, William Gaddis, Neil Gaiman*, William H. Gass, Alasdair Gray, John Hawkes, G.C. Infante, James Kelman, Milan Kundera, Stanislaw Lem*, Primo Levi, H.P. Lovecraft*, Thomas Mann*, Michael Moorcock*, Alan Moore*, Grant Morrison*, Haruki Murakami, Vladimir Nabokov, Jeff Noon, Flann O'Brien*, Michael Ondaatje, Milorad Pavic, Mervyn Peake*, Georges Perec*, Ezra Pound*, Marcel Proust*, Raymond Queneau, Robbe-Grillet, Salman Rushdie*, José Saramago, Gertrude Stein, Neal Stephenson*, Tom Stoppard*, Ronald Sukenick, M. Vargas Llosa, W.T. Vollmann, Kurt Vonnegut*, David P. Wallace, J. Winterson, Gene Wolfe*, Virginia Woolf*.

Folgend noch einige Namen, die nicht bei The Modern Word zu finden.

An deutschsprachigen Autoren die Phantastik betreiben und irgendwie ehr der Literatur-Literatur angehören, stehen bei mir noch rum: Marcus Hammerschmitt, Alban Nicolai Herbst, Thor Kunkel, Helmut Krausser, Karl Krauss, Jürgen Lodemann, Harry Mulisch, Adolf Muschg.
SF-Kurzgeschichten habe ich auch schon bei Dorris Dörrie und Tanja Dückers entdeckt, gar nicht mal schlecht.

Außerdem noch:
Alan Lightmann, John Cowper Powys, Tatjana Tolstaja.

Zwei Wortanmerkungen noch:
Hochkultur ist ein ganz ungeschickter Begriff (für meinen Geschmack), denn zumindest ich verstehe den ehr im Zusammenhang mit Kulturgeschichte, also bezüglich durch metaphysische Großphantastmen zusammengehaltener Menschengroßgruppen.
Phantastik kommt aus dem Griechischen und bedeutet grob: sehen machen; (vor dem geisten Auge) erscheinen lassen; mitunter also ein damaliges Synonym für anschaulicher Schilderung. Mit dem Unterschied zwischen evidenter Faktenlage und nicht-faktischen Wirklichkeitsreflektionen hat das ursprünglich nichts zu tun (Kontrast: siehe aber den Unterschied zwischen Verstand und Rationalität).

/// EDIT-NACHTRAG: In der neuesten Ausgabe (heute noch nicht im Netz) von Volltext schreibt der österreichische Autor Walter Grond in seinem Essay »Ist irgendwas realistisch?«:

An Überschneidungen von Erzkonservativem und Ultramodernen musste ich denken, als ich unlängst den österreichischen Schriftsteller Daniel Kehlmann einen bemerkenswerten Satz äußern hörte. Er diskutierte mit dem Schweizer Autoren Peter Stamm über die erweitereten Möglichkeiten, die sich neueren Erzählern durch die Rezeption amerikanischer und bisher als trivial verunglimpfter Literatur wie Fantasy oder Science Fiction bieten würde. Nach der Welle der Popliteratur verbänden sich nun Erzählung und komplexes Sprachexperiment, und wenn irgendetwas anstehe, meinte Kehlmann, dann eine neuerliche Realismusdebatte †¦ Lässt man Revue passieren, was dem Realismus widerfuhr (mitsamt seinen ideologischen Vereinnamungen), findet man in ihm die großen erkentnistheoretischen Fragestellungen des 20. Jhds. eingeschrieben. Was ein für seine Zeit exemplarischer Mensch sei? Ob ihn die äußere oder die innere Wirklichkeit präge, und wie die verschiedenen Wirklichkeiten aufeinander wirkten? Wie er die Wirklichkeit wahrnheme, ob es überhaupt eine äußere gebe, oder sie erst mit sprachlichen Aktionen konstruiere? Ob er Anteil an der Gerichtetheit der Welt habe, ihre Bestimmtheit, ihre endgültige Verfasstheit? Ob der Mensch in Bezug auf die geschichte ein Optimist, ob ein Misanthrop, ob und wie parteilich sei? {Literaturstreit: Fiktional oder Dokumentarisch?} †¦ Die Frage nach dem Realismus betrifft also die Möglichkeit  von Literatur wie das Verständnis von Autorenschaft.

Herr Kehlmann und Herr Grond hinken also *nur* ca. 30 jahre hinter solchen Entwicklungen wie z.B. der englischen New Wave (Moorcock, Aldiss und Co) hinterher. Willkommen in der Literatur-Provinz.

Soviel Namedropping für heute
Gruß
Alex / molosovsky

Bearbeitet von molosovsky, 13 August 2004 - 11:11.

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#15 Theophrastus

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Geschrieben 13 August 2004 - 11:25

@molosovsky: Was ist Literatur-Literatur?Ergänzung zu Kobo Abe. Dieser Autor ist in der Phantastik recht bekannt, z.B. mit seiner Geschichte "Das Totaloskop".

#16 Trurl

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Geschrieben 13 August 2004 - 11:35

Hi molosovksi (ich nenne dich am liebsten bei deinem "Künstlernamen" :D)!

Ich gehöre übrigens auch zu jenen Ignoranten, die bei reinen Sprachexperimenten reissaus nehmen. Für mich gilt eben: Form folgt Inhalt. ;)

Trotzdem. Danke für den ausgezeichneten Link, richtig informativ was da alles steht.

Die Leute dort haben wirklich keine Berührungsängste. Lovecraft gleichberechtigt neben all die Sprachkunstwerker zu stellen ist tatsächlich lustig, ganz unumstritten ist sein Stil ja nicht. Aber es gibt, wie ich weiss, auch unter gestandenen Germanisten und Literaturkritikern Fans von Lovecraft. Gefällt mir.

Apropos. Ja, Kobo Abé hat einen SF-Roman geschrieben: Die vierte Zwischeneiszeit. Wollte ich sogar im Klassiker-Lesezirkel einmal vorschlagen.

Trurl

Bearbeitet von Trurl, 13 August 2004 - 11:39.

»Schau dir diese Welt nur richtig an, wie durchsiebt mit riesigen, klaffenden Löchern sie ist, wie voll von Nichts, einem Nichts, das die gähnenden Abgründe zwischen den Sternen ausfüllt; wie alles um uns herum mit diesem Nichts gepolstert ist, das finster hinter jedem Stück Materie lauert.«

Wie die Welt noch einmal davonkam, aus Stanislaw Lem Kyberiade
  • (Buch) gerade am lesen:Jeff VanderMeer - Autorität
  • (Buch) als nächstes geplant:Jeff VanderMeer - Akzeptanz
  • • (Buch) Neuerwerbung: Ramez Naam - Crux, Joe R. Lansdale - Blutiges Echo
  • • (Film) gerade gesehen: Mission Impossible - Rogue Nation

#17 molosovsky

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Geschrieben 13 August 2004 - 12:48

Hi Theophrastus,
literatur-Literatur: ironische Umschreibung für das, was mal Hochkultur-Literatur, mal Feuilleton-Literatur genannt wird. Man kann mit einiger Berechtigung ableiten, daß mit den industrialisierungskritischen Ideologien des 19. Jhds. sich ein Fetischismus bezüglich *realistischer*, *Fakt-wahrhaftiger* Literatur bildete, fortgeführt von den existentialistischen (Satre) und dialektisch Vernunft-kritischen Philosophien (Adorno). Diese Strömungen bedingen die sllgemein skeptische und abwertende Haltung gegen jegliche Phantastik, die dann eben als Werkzeug der Wirklichkeitsflucht oder Psychagogie gebrandmarkt wird.
Ich denke, als SF-Leser und/oder Phantastik-Freunde können wir all dem nicht zustimmen †¦ also ich zumindest nicht.

Gruß
Alex / molosovsky

Bearbeitet von molosovsky, 13 August 2004 - 12:52.

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#18 Nessuno

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Geschrieben 13 August 2004 - 20:52

An deutschsprachigen Hochliteratur-Autoren, die SF geschrieben haben, sind unbedingt noch Günter Grass (Das Treffen in Telgte), Heinrich Böll (Ein Schluck Erde) und Friedrich Dürrenmatt (Porträt eines Planeten; Das Unternehmen der Wega) zu nennen. Dass diese Werke so gut wie unbekannt sind (und wohl nicht ganz zu Unrecht), zeigt m. E. klar auf, dass sogar Hochliteraten - wenn sie nicht wie Arno Schmidt u.a. die Konventionen, Stereotypen, Motive etc. des Genres kennen - unerwartete Schwierigkeiten haben, dort Bedeutsames zu leisten. Phantastische Literatur hat einfach andere Schreib- und Lesegewohnheiten als die "normale" E-Literatur. Mit "Qualität" hat dies erst in zweiter Linie zu tun.Meint zumindest Nessuno.

#19 Motörfisch

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Geschrieben 15 August 2004 - 00:08

Anmerkungen zu den WortanmerkungenDie Bedeutung eines Begriffes ergibt sich nicht aus der - zugegeben interessanten - sprachgeschichtlichen Herleitung, sondern aus dem Gebrauch.Die willkürlich gesetzten Begriffe „Hochkultur“ und „Hohe Literatur“ scheinen mir aufeinander bezogen zu sein; sie bedingen einander und können nicht unabhängig voneinander betrachtet werden. So unpassend sie auch wirken mögen. Deshalb habe ich sie auch in Anführungszeichen gesetzt.Ich glaube anhand der literarischen Beispiele zu erkennen, dass ich in meiner Intention verstanden wurde.
MfG, Motörfisch

#20 Theophrastus

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Geschrieben 15 August 2004 - 10:19

Wird Hochkultur nicht für diejenigen Kulturen angewendet, die hinsichtlich bestimmter Kriterien (Agrarwirtschaft, Städtebau...) am fortschrittlichsten angesehen werden? (soweit ich das weiß, bezieht sich das nicht auf die Gegenwart)Auf den korrekten Gebrauch des Begriffes "Hochkultur" kann durchaus hingewiesen werden. Aber, ich denke auch, dass jeder verstanden hat, was Motörfisch meint. Würde ich z.B. fragen, welche SF-Autoren auch in der Mainstream-Literatur bekannt sind? Bestimmt sehen sich nicht-SF-Autoren nicht als bloße "Mainstream"-Literaten. (Hört sich "Mainstream" nicht ein wenig geringschätzig an?). Ich will jetzt keine Diskussion hier losbrechen.@molosovsky: The modern word muss ich mir noch genauer anschauen. sieht auf jeden Fall interessant aus. Und Umberto Eco hat nicht nur fiktive Geschichten geschrieben, sondern auch ein Buch wie man eine wissenschaftliche Abschlussarbeit schreibt. Ein recht vielseitiger Mensch.

#21 molosovsky

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Geschrieben 15 August 2004 - 11:12

@Nessuno:

Konventionen, Stereotypen, Motive etc. des Genres kennen

Interessant. Ich denke es liegt an der trüb-romantischen Verherrlichung des Individualismus, von der aus man die Programm-Natur von Literatur nicht wahrhaben will, sich entsprechend nicht darum kümmert. Andererseits möchte ich davor warnen, Phantastik über ihre Stereotypen, Motive usw zu definieren.

@Motörfisch:
Klar hab ich verstanden was Du wolltest. Bin halt ein Pedant. Als jemand, der ein interessiertes Auge auch auf Gegenwartsliteratur hat, grummel ich ab und zu darüber, daß was die Damen und Herren im bezahlten Literaturvermittlungsbetrieb toll finden halt deren Genre-Literatur ist. Ich habe bis heute nicht begriffen, wie man wegen Autoren wie Roth, DeLillo und Updike sich so zum sabbernden Fan machen kann, und nicht mitbekommt, wie subjektiv diese Hingerissenheit ist. Hoch-Literatur oder auch E-Literatur definiert für mich zumindest immer weniger eine bestimmten Anspruch, als schlicht die (hoch)bürgerliche Nabelschauliteratur. Beobachtung zu Klassentendezen bei Literatur: Informatiker finden sich oft als Cyberpunk- und Hard-SF.Leser wieder; verheiratete Abteilungsleiter und Studienräte als Leser von Geschichten über Finanzmenschen und Uniprofs die fremd gehen usw usw.

@Therophrastus:

Wird Hochkultur nicht für diejenigen Kulturen angewendet, die hinsichtlich bestimmter Kriterien am fortschrittlichsten angesehen werden?

Lustig. Wer definiert am fortschrittlichsten. Altes und neues Europa und so. Ganz heikeles Thema und führt mitten in die Kernlande der SF, die bisweilen in einem Buch (oder sogar Film) mehr Aufklärung leistet, über die Ambivalenz von Zivilisation und *Fortschritt*, als mehrere Jahre Schulbesuch †¦ oder die öffentlichen Diskurse, zumindest die politischen.

Und wegen Umberto Eco: ich habe 25 Bücher von ihm, davon viele mehrmals gelesen. Hier Links zu zwei Zusammenfassungen von Eco-Texten, die ich für den »Was ist gute SF?«-Thread gemacht habe.
»Die Welten der Science Fiction«
»Mögliche Wälder«

Grüße
alex / molosovsky

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#22 eRDe7

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Geschrieben 15 August 2004 - 12:30

Höhö, um mal den ziemlich umstrittenen Harold Bloom miteinfließen zu lassen (er ist der amerikanische Papst der Hochliteratur...).In seinem Buch GENIUS schriebt er Kurzessays zu 100 Autoren, die er für genial hält.Davon handeln (soweit mir bekannt) folgende Autoren mit phantastischen Thematiken:Shakespeare, Cervantes (phantastisch?), Milton, Dante, Goethe, Kafka, Wilde, Swift, Nathaniel Hawthorne, Melville, Twain, Pessoa, Borges, Calvino, Lewis Carroll, Henry James, Dickens, V. Woolf.Bei den anderen fällt mir auf Anhieb nichts Phantastisches ein.Ralph

R. C. Doege: Ende der Nacht. Erzählungen (2010)

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#23 Theophrastus

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Geschrieben 15 August 2004 - 13:06

@Therophrastus:

Wird Hochkultur nicht für diejenigen Kulturen angewendet, die hinsichtlich bestimmter Kriterien am fortschrittlichsten angesehen werden?

Lustig. Wer definiert am fortschrittlichsten. Altes und neues Europa und so. Ganz heikeles Thema und führt mitten in die Kernlande der SF, die bisweilen in einem Buch (oder sogar Film) mehr Aufklärung leistet, über die Ambivalenz von Zivilisation und *Fortschritt*, als mehrere Jahre Schulbesuch †¦ oder die öffentlichen Diskurse, zumindest die politischen.

@Molosovsky: Du hast sehr großes Wissen. Das zeigt sich immer wieder. Ich habe bereits eine lange Erwiderung geschrieben, aber alles wieder gelöscht. Einerseits stimme ich dir in einigen Punkten zu, anderseits auch nicht. Wegen des Forumscharakters lese ich deine Antwort vielleicht anders, als du es meinst. Deshalb fasse ich mich jetzt kurz: Zumindest sollte man auf eine Frage nicht mit einer Frage antworten und richtig zitieren.

Bearbeitet von Theophrastus, 15 August 2004 - 13:08.


#24 Nessuno

Nessuno

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Geschrieben 16 August 2004 - 08:20

@Nessuno:

Konventionen, Stereotypen, Motive etc. des Genres kennen

Interessant. Ich denke es liegt an der trüb-romantischen Verherrlichung des Individualismus, von der aus man die Programm-Natur von Literatur nicht wahrhaben will, sich entsprechend nicht darum kümmert. Andererseits möchte ich davor warnen, Phantastik über ihre Stereotypen, Motive usw zu definieren.

Grüße
alex / molosovsky

Das ist sicherlich ein Grund. Aber es muss wohl noch mehr geben, denn "trüb-romantische Verherrlichung des Individualismus" findet sich ja auch in der SF en masse.
Deinen zweiten Punkt verstehe ich nicht. Ohne eine neue Diskussion lostreten zu wollen: wie willst du Phantastik - oder konkret SF - anders definieren als über ihre Motive? Versuche wie von von Todorov scheitern doch gerade deswegen, weil sie nicht für alle Untersparten greifen. Oder nicht?

Nessuno

#25 Gast_Gast_Impala_*

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Geschrieben 16 August 2004 - 08:34

:lol: Nesssuno!willkommen unter den Kreativen!

#26 molosovsky

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Geschrieben 16 August 2004 - 12:41

@ Theophrastus:
Verzeih, aber mit meiner Verkürzung Deines Satzes wollte ich nicht verzerren, sondern das Augenmerk auf die Sache mit dem Fortschritt lenken. Science Fiction ist (im *Guten* wie im *Bösen*) mitunter die populärste demokratisch-pluralistische Verständigungsform über Dinge wie: langfristige Betrachtung des Fortschritts, der Zukunft, das jeweilige Zivilisationsverständnis. (Siehe meine Snippets aus einem entsprechenden Artikel von Georg Seesselen aus der taz im »I Robot«-Thread).

@ Nessuno:
Wo hast Du den Text Deiner Signature her? Wenn er aus Deiner persönlichen Biomasse stammt, dann knie ich vor jeden einzelnen Zelle nieder in Freude über so einen herrlichen Absatz. Erinnert mich mich an Lems Bibliothek des 21. Jahrhunderts (Eine Minute der Menschheit, Das Katastrophenprinzip, Waffensysteme des 21. Jahrhunderts).

(niederknie aufsteh, niederknie aufsteh, niederknie aufsteh, niederknie aufsteh, niederknie aufsteh, niederknie aufsteh, niederknie aufsteh, usw)

Worauf sich auch Todorov nicht einzulassen wagt, ist der Gigantenkrieg um das Sein, der seit Platon tobt, als die gedachte wahre (Ideen-)Welt, der bloß wahrgenommenen wirklichen (was der Fall ist-)Welt den Handschu hinwarf.

Zum Thread-Thema:
Noch eingefallen ist mir »Morbus Kithahara« von Christoph Ransmayer (gute Alternativwelt-SF). Auch gut, aber ehr mit der Fantasy verwandt, ist sein »Die Letzte Welt«.
.
Neben einem Thread zu China Miéville nehme ich mir jetzt mal vor, demnächst einen Thread zur Metaphysik der Phantstik vorzubreiten. Außerdem will ich noch auf die AlienContact-Essays von Jeff Gardiner reagieren (sehr lesenswert, aber im Detail zum Teil etwas wischiwaschi). Kann aber noch dauern, da ich mit entsprechender Lektüre noch nicht ganz durch bin. Ich gebe zu, selber noch keinen sicheren Durchblick zu haben, aber halt ÜBER-kritisch bin, und es aber für kümmerlich halte, die Schubladeneinteilung den Elfenbeinturmbewohnern oder den Marketingabteilungen zu überlassen.

Grüße
alex / molosovsky

Bearbeitet von molosovsky, 16 August 2004 - 12:49.

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#27 Nessuno

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Geschrieben 16 August 2004 - 13:25

@ Nessuno: Wo hast Du den Text Deiner Signature her? Wenn er aus Deiner persönlichen Biomasse stammt, dann knie ich vor jeden einzelnen Zelle nieder in Freude über so einen herrlichen Absatz. Erinnert mich mich an Lems Bibliothek des 21. Jahrhunderts (Eine Minute der Menschheit, Das Katastrophenprinzip, Waffensysteme des 21. Jahrhunderts). (niederknie aufsteh, niederknie aufsteh, niederknie aufsteh, niederknie aufsteh,  niederknie aufsteh, niederknie aufsteh, niederknie aufsteh, usw)

Nö, kann ich leider nicht für mich beanspruchen. Die Fragmente stammmen fast alle aus meiner Sammlung von Lesefrüchten, hauptsächlich uralte Utopica und Phantastica. Kannst also ruhig sitzen bleiben ...

#28 Impala

Impala

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Geschrieben 18 August 2004 - 04:37

Okay. Ich nehm alles zurück. ;) Impala
Julius Gaius Baltar!

#29 Nessuno

Nessuno

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Geschrieben 18 August 2004 - 21:27

Okay. Ich nehm alles zurück. :D Impala

Tja, besser gut kopiert als schlecht plagiiert ... oder so ähnlich. http://www.scifinet....tyle_emoticons/default/unsure.png Nessuno (der gerade mal wieder Schwierigkeiten hat, einen eigenen Gedanken zu fassen)

#30 Markus K. Korb

Markus K. Korb

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Geschrieben 18 September 2004 - 01:56

Hallo,wurde hier schon mal der Name "Edgar Allan Poe" genannt? ;) (War ja klar, dass das von mir jetzt kommen musste, oder?) ;) Aber keine Bange: ich bin nicht auf Poe fixiert. Ein Name, der meines Wissens hier noch nicht genannt wurde, ist "Lord Byron", ebenfalls "Oscar Wilde", "Mary Shelley", "Bram Stoker" (sorry, sollte ich sie irgendwo überlesen haben).Ich denke, dass das Phantastische ein genuines Element der Literatur an sich schon seit Urzeiten ist. Darum finden sich phantastische Inhalte wohl in fast allen sog. Hochliteraturwerken (auch bei Shakespeare).Als Genrebegriff ist "Phantastik" wesentlich jünger und auch wesentlich schwerer zu fassen. Die einen verstehen darunter einen Überbegriff, die anderen eine spezielle Spielart und zwar die (Vorsicht - Versuch einer schnellen Begriffsbestimmung) "an eine quasi-reale Welt angelehnte Literatur, in der sich Übernatürliches ereignet".Puh - das war schwer. ;) Ich selbst sehe "Phantastik" in diesem engeren Sinne, und stelle die Genres "SF" und "Fantasy" als gleichberechtigte Partner daneben.Ist nur meine Sicht der Dinge. ;) Als Überbegriff, der mir zwar auch nicht hundertprozentig gefällt - aber ich weiß spontan keinen besseren - würde ich "Phantastische Genre" wählen und die anderen darunter subsumieren.Auf bald,Markus


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