Das ist für mich ein relevanter Punkt. Was auch immer Queer*SF dann genau ist... es ist für mich (!) als eine Art "Gegenbewegung" zu den vergangenen Jahrhunderten zu verstehen, in denen es nun mal schon sehr häufig um eine männliche Hauptfigur mit heterosexueller Orientierung und im besten Fall verheiratet, Kinder und Haus mit Garten ging. Gut, Haus mit Garten wird in manchem Sci-Fi-Setting schwierig, aber ihr wisst, was ich meine.
Klar gab es immer Ausnahmen in der Literatur und es macht für mich persönlich null Sinn, wenn man nun rückwirkend überall den Stempel "Queer" raufhauen würde, wo eine andere Figur auftauchte (Ist Frankensteins Monster queer?
nö, aber divers!
), aber dass es nun eine gegenwärtige Bewegung gibt, die bewusst darauf achtet, andere Figuren mit "diverseren" sexuellen Orientierungen in ihre Geschichten einzubauen, finde ich nachvollziehbar und stört mich auch nicht.
... da sind wir beide nicht alleine. Es fragt sich nur, ob es für die Story von Belang ist (wenn es sich nicht gerade um eine Dystopie um eine Gesellschaft handelt, in der queere/diverse Menschen verfolgt werden - das möchte ich dann allerdings auch nicht lesen!)
Manche Autorin scheint hier bewusst solche Identitäten in ihre Romane einzubauen. Gewissermaßen als literarisches Programm. Ein anderer Autor macht dies ohne theoretischen Überbau. Aus Gründen der Dramaturgie. Oder aus Zufall. Oder weil auch er gelangweilt von früheren Stereotypen war. So what.
So etwas nennt man künstlerische Freiheit, und es hat in der Vergangenheit die Gesellschaft so weit geprägt, dass in der heutigen Gesellschaft diese Fragen diskutiert werden können, ohne das ein Aufschrei stattfindet (... vielleicht noch unter Bibeltreuen oder Fahnenkonservativen; dieses ist vielleicht eine laute Minderheit, aber ebenfalls eine Minderheit)
Das finde ich alles unproblematisch. Spannend und tricky wird es aber, wenn man Geschichten danach beurteilt. Im Sinne von: "Ist die Story eh divers genug?" In einem ersten Impuls des Nachdenkens verursacht mir das starkes Unbehagen.
auch mir...
Aber dann denke ich mir: Das kann gerne jemand machen.
nennt sich künstlerische Freiheit.
Dass unterschiedliche Perspektiven unterschiedliche Fragen an Literatur stellen, war immer so. Beispielsweise mag ein "Arbeiterstaat" fragen, ob eh in jedem Roman auch die Arbeiterschaft zu Wort kommt. So wird die Queere*SF an Geschichten die Frage stellen, ob queere Identitäten auftauchen. Mir persönlich ist diese Frage als Leser nicht wichtig.
eine gute Geschichte mache ich nicht an der Sexualität/Hautfarbe/politische Einstellung der Protagonisten fest. In other words: an den Handlungen sollt ihr den Menschen erkennen...
Wobei: Wir alle sind dramaturgisch ermüdet von bestimmten Stereotypen von Figuren. Wenn Heinlein das Aufeinandertreffen von Mann und Frau schildert, fand ich das schon als Jugendlicher so extrem unangenehm. Heute würde man sagen: Cringe.
soweit bin ich bei Heinlein nie gekommen...
Allein diese Ermüdung führt zu diverseren Charakteren.
gebongt!
Darüber muss ich noch nachdenken. Im ersten Augenblick gebe ich Dir Recht: Wer eine Perspektive in einem Roman literarisch ausarbeitet, der/die ist doch gut damit beraten, zu "testen", ob diese Perspektive authentisch geschildert wird. Zugleich: Es ist ein Roman. Kein Sachbuch. Ich gebe ein wildes Beispiel: Ich kenne Bauern, die unglücklich mit der Darstellung des landwirtschaftlichen Milieus sind, wie es Kaiser-Mühlecker in seinen Romanen ausarbeitet: Düster, wortkarg, emotionslos. Aber genau so soll Literatur doch sein! Sie soll nicht abtesten, ob die "Betroffenen" sich adäquat dargestellt fühlen - sie hat einen künstlerischen Blick auf die Realität - und wenn Kaiser-Mühlecker das landwirtschaftliche Milieu so sieht, so empfindet oder so sehen will - dann: Go for it! Wir werfen ja auch Van Gogh nicht vor, dass in Wahrheit die Sonnenblumen anders aussehen.
richtig: es ist seine Interpretation. Von dem Bild gibt es mindestens 7 Versionen, die Sonnenblumen in verschiedenen Stadien des Verwelkens - durch Wassermangel - zeigen. Und gerade dieser Vorgang ist sehr schön festgehalten. Dabei hilft ihm das diese Pflanzen auch in jedem Welkstadium extrem schön aussehen.
Ich habe nie Literaturwissenschaften studiert und mir fehlen hier ganz offensichtlich die Theorien und Begrifflichkeiten. Vielleicht versteht man dennoch ungefähr, was ich sagen wollte. Ich bin mir selbst nicht ganz sicher, außer: Lest Kaiser-Mühlecker! Großartige Literatur!