Joa, mach ich auch mal weiter:
Familienhilfe
von Jol Rosenberg
Familienhilfe in der Zukunft: Statt Sozialhelfern gibt es Roboter. An sich eine interessante Geschichte mit gut interpretierbarem Ende. Komplizierte Probleme bedürfen komplexen Antworten und das kam eigentlich gut rüber. Als jemand, der selbst aus einer nicht ganz einfachen Familie kommt, sind mir zwar die Eskalationen ein bisschen zu brav gewesen (besonders den Androiden hätte ich gerne etwas mehr herausgefordert gesehen), aber gestört hat es mich nicht. Die Charaktere sind zudem schön gezeichnet.
Im Kontext zum Rest der Anthologie könnte man die Story noch interessant beleuchten, aber das hätte ich eher vor zwei Monaten tun sollen.
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Floating
von Simone Bauer
Auf einem Meeresmond trifft eine Astronautin eine Meerjungfrau und verliebt sich in sie. Ich dachte tatsächlich eine Zeitlang, dass diese Geschichte mit mittlerem Einschlag ins Science-Fantasy entweder direkt im "Destiny"-Universum oder in einem daran angelehnten Setting spielt. Die stark an Bungies MMO und Matt Groenings "Disentchantment" angelehnte Dialogerzählung fand ich nett, die beiden Verliebten irgendwie niedlich, aber zum Einen zu sehr an seine Vorlagen orientiert und dann auch noch gegen Ende irgendwie zu vorhersehbar.
Zudem: Ich bin absolut kein Feind des Weird-fiction (eher im Gegenteil, für mich ist "Planescape: Torment" eine der besten, jemals erzählten Geschichten), aber Robbie hätte ein wenig mehr erstaunt sein können, dass auf fremden Planeten menschenähnliche Meerjungfrauen leben. Das hat für mich durchaus Immersion gekostet.
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Freelancer
von Ilja Kaufmann
Drei KIs ermitteln im Falle eines Werkzeugdiebstahls vor post-apokalyptischer Geschichte. Die Idee war gut, die Charaktere witzig, leider muss ich jedoch zugeben, dass ich irgendwie nicht in Fahrt gekommen bin. Die Geschichte war weder langatmig noch schlecht zu lesen, die Ermittlungen fühlten sich halt eher wie Etappen als echte Deduktionen an und das Ende schmeckte irgendwie unerfüllt. Da hätte man weitaus mehr rausholen können, zumal das Fundament durchaus recht ansprechend ist. Keine schlechte Geschichte, aber jetzt auch leider keine, über die ich nach dem Ende noch groß nachdenken musste.
Geburtstage auf Alphasott
von Yvonne Tunnat
Tatsächlich hatte ich mich schon oft gefragt, ob man Ijon Tichys Reise zum "Planet der Reserven" auf ernsthaftere Art neuinterpretieren könnte. Witzig, dass es Yvonne im Stile eines Weird-fiction gelungen ist: Ähnlich der Vorlage altert dieses Mal nach einer Kryokammerfehlfunktion die ganze Besatzung eines Schiffes außer eben dem Protagonisten. Und was zuerst noch mit dem Leben auf einer witzig-abstrakten Welt beginnt, verfinstert sich bald schon mit düsteren Bildern und schwermütigen Implikationen. Hat Spaß gemacht und ließ sich angenehm lesen. Yvonne Tunnat-Qualität halt.
Einzig ein Gedanke nagte so ein bisschen nach dem Ende an mir: Ich hätte Alphasott als Alderson-Scheibe geschrieben. Das hätte aus meiner Sicht die Aussage nochmal angenehm untermauert. Aber ich bin auch noch nie mit einem Kurt-Laßwitz-Preis nominiert worden und Yvonne schon, also von daher ;-)
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Gott ist tot – verehrt die Maschine
von C. Gina Riot
Oh, gleich noch ein Weird-fiction? Und dieses Mal im Overdrive. Das etwa war mein Gedanke, als ich plötzlich von abstrakter Szene zu Szene geworfen wurde. Ein Protagonist durchreist multiversumsartig eine Reihe von Momenten, die im großen Kontext Sinn ergeben ... oder das wenigstens sollen. Die Geschichte war interessant, das will ich nicht abtun, aber manchmal etwas holprig und vielleicht wäre es besser gewesen, die einzelnen Szenen eher zu Geschichten innerhalb der Geschichte aufzuteilen und in sich stets fertig zu erzählen. So bekam ich das Gefühl, dass ich zu viel bei mir behalten musste, um später ein Gesamtbild zu verstehen – das mir dann ein wenig zu sehr in Richtung "2deep4you" ging. Die Geschichte hat mir aber auf intellektuelle Art Spaß gemacht, mich durchaus öfters angeregt und gehört definitiv in die Sammlung.
Ist auch eine von denen über die ich gerne mit der Macherin sprechen würde. Da gibt es viele Nuancen, die mich interessieren.
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Herr Gott
von Soenke Scharnhorst
Die Geschichte zu bewerten fällt mir ehrlich gesagt nicht leicht, weil: Sie ist gut geschrieben, sie eröffnet eine interessante Interpretation von Gott bzw. einem gottgleichem Schöpferwesen und zeigt eine relativ interessante Prämisse auf (auch wenn die Hauptperson manchmal etwas stur wirkt). Aber es ist die, ohne Übertreibung, zwanzigste Geschichte, die ich über genau dieses Thema lese: Gott erscheint irgendwem, demonstriert seine gewaltige Macht und urteilt dann von oben herab über die Dummheit / Ignoranz / Bösartigkeit der Menschen.
Wie so ziemlich alle Geschichten in der Anthologie war auch diese gut und flüssig zu lesen, ist mir aber jetzt einfach schon viel, viel zu oft erzählt worden. Fällt für mich unter die Kategorie von "Ich kannte deinen Vater, er war ein guter Mann." und "Wir sind gar nicht so verschieden, du und ich.".
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Ich bin Quai
von Ralph Edenhofer
Eine KI sinniert, über sich und die Menschen. Die Kernaussage war mir vielleicht ein bisschen zu sehr Skynet, aber interessant interpretiert. Sehr mechanisch und auf diese Art nachvollziehbar beschreibt Ralph das Denken und Wesen eines Programms. Sobald ich einmal drin gewesen bin, hatte ich Spaß und wurde zu durchaus neuen Gedankenspielen geführt. Mir gefiel auch, dass die Geschichte exakt so lang gewesen ist, wie sie hätte sein sollen, obwohl die Geschichte aus schriftstellerischer Sicht durchaus dazu einlädt.
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Macawrongs
von Sarah Jahed
Außerirdische Körperdiebe werden im Stile von Jhonen Vasquez' "Invader Zim" ausgesandt, um ihrer Königin neue Delikatessen zu besorgen. Wohin es den Protagonisten verschlägt, kann man sich fast denken ;-) Die Geschichte machte Spaß und erinnerte mich vom überzogenen, teilweise schwarzen Humor an die Frühwerke von Uwe Post (bzw. an eines, über das ich 2011 durch kompletten Zufall gestolpert bin). Das Ende war mir etwas zu positiv, zu abrupt und passte nicht ganz zum Rest der Geschichte. Dennoch hat sie Spaß gemacht und war von der Stimmung so ganz anders als die anderen. Sie blieb auch bis zum Schluss ihrer schrägen Linie treu.
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Menschgemacht
von Janne Reuel
Ein Paar plant das genetische Wunschkind. Auch wieder ein Klassiker des Sci-Fi, aber erfrischend und intelligent geschrieben. Der Streit der Hauptpersonen fühlt sich echt an. Die Aussage am Ende war allerdings vorhersehbar (es gab bereits, meiner Erinnerung nach, 2005 auf Newgrounds gut ein Dutzend Filmchen mit demselben Schluss). Mir hat auch gefallen, dass die Umgebung und die Zukunft sehr gut beschrieben wurde: Ich hatte nie Schwierigkeiten, mir irgendwas davon vorzustellen.
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Ophion
von Maximilian Wust
Seit Kindertagen, genauer gesagt seit der Anime-Serie "Odysseus 31", wollte ich unbedingt einmal einen griechisch-antiken Epos in ein Science-fiction-Gewand hüllen. Für mich stellt diese Geschichte die Erfüllung eines lange, wirklich lange gehegten Wunsches dar und ist wichtiger Punkt auf meiner schriftstellerischen To-Do-Liste gewesen. Tat gut, das jetzt nach 30 Jahren abzuhacken.
Meine Expression (weil Autor und so): LINK
Schwarzer Draht
von T.B. Persson
Ein virtueller Jäger verliebt sich in seine Beute. Mein liebstes Klischee! Ernstgemeint. Ich bin tatsächlich ein Genießer von Liebesromanen und guten Romanzen und mag romantische Zusammentreffen dieser Art. Die Charaktere sind nett gemacht, ihre Beziehung nachvollziehbar, auch wenn ihr ab und an etwas die Tiefe fehlt (gerade bei so einem wahnsinnig intensiven Verhältnis). Das Ende habe ich leider nicht ganz interpretieren können, obwohl ich die Geschichte zweimal gelesen habe.
Kam es nur mir so vor oder ist der Schreibstil ein wenig eigen gewesen? Er trennte sich aus meiner Sicht jedenfalls spürbar vom Rest, wobei ich damit nicht die Qualität meine.
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Selbsterkenntnis
von Joachim Tabaczek
Jemand lässt eine exakte Roboterkopie von sich anfertigen. Wieder eine Neuinterpretation einer Lem-Geschichte, dieses Mal die von Dr. Zazul ... wenn auch sehr gut und dann auch noch mit dem philosophischen Problem des Münzwurfs kombiniert. Wo mir bei Lem stark die menschliche Komponente fehlte, fügt Joachim nicht nur sie hinzu, sondern erzählt auch eher von Freundschaft und Gemeinsamkeiten als Feindseligkeit. Das Ende war mir (glaube ich) ein bisschen zu einfach, aber die Geschichte gefiel mir sehr und lies sich gut lesen.
Meine Impression: LINK
Terr@former
von Christian Endres
Während eines Terraforming-Vorgangs beschwert sich die lokale Fauna bei dem zuständigen Controller. Locker und humorvoll geschrieben ... mit leider vorhersehbarem Ende, das sich so ein bisschen verliert. Leider ist die Geschichte zu kurz, als das ich sonst noch viel dazu sagen könnte. Sie war kurzweilig und leichtgängig.
Was aber nicht für die Kurzvita des Autoren gilt: Ich muss zugeben, ich konnte noch nie etwas mit solchen anfangen, die einfach nur aus "Wurde in diesen oder jenen Magazinen veröffentlicht" und "Hat diesen oder jenen Preis gewonnen" bestehen. Vor allem nicht, wenn ich weiß, dass die Vita vom Autoren selbst erstellt wurde. Ich verstehe durchaus, dass man auf solche Errungenschaften stolz ist und auch sein sollte, aber wenn irgendwie die gesamte Beschreibung nur auf Erfolge abzielt und nicht ein auch nur annähernd interessantes Detail zur Person beinhaltet, kann man aus meiner Sicht genauso gut auch keine abliefern. Sie ist kein Bewerbungsschreiben für einen Posten als Art Director, sondern soll mir Lust auf mehr von diesem Menschen machen. Angeberei tut das nicht. Sie erinnert mich nur daran, dass Narzissmus in der Schriftstellerszene epidemisch ist – und aus meiner Erfahrung ein Symptom dafür, dass die Qualität der Geschichten bald nachlassen wird.
Hat jetzt gar nicht nur (oder überhaupt) mit Christian Endres zu tun, nur bin ich im Allgemeinen schon zu oft über Vitas gestolpert, die sich wie hilflose Werbetexte lesen. Wenn es schon eine Liste an Ich-bin-so-tolls sein muss, dann sollte sie wenigstens mit einem Witz oder lockeren Spruch beginnen. Das lernt man in jedem Copy-Workshop ;-)
Meine Impression zur Geschichte jedenfalls: LINK
Toiberanium
von Tea Loewe
Nachdem die Erde untergegangen ist, findet eine baufällige Arche der Menschen einen Wasserplaneten. Dort infiziert sich eines der Besatzungsmitglieder mit Toiberanium, einem ganz typischen Spezialeigenschaft-Metall, wie es sie in jedem Sci-Fi geben muss. Und aus irgendeinem Grund bleibt der infizierten Hauptperson die Quarantäne erspart. Einmal wieder.
Wo ich allerdings jetzt einen Mutanten vermutete, der dann seine Freunde entweder auch der Reihe nach infizieren oder absorbieren muss, kam dann eine ganz angenehme Charakterdynamik. Auch diese Geschichte war eigentlich gut geschrieben und angenehm zu lesen. Sie erinnerte mich an eine gute Mischung aus "Outriders" und "Schleichfahrt", ist aber vermutlich eher unabsichtlich von beiden inspiriert worden. Und obwohl ich das Klischee des "Infizierte Person kommt nicht in Quarantäne" nicht besonders mag, gestaltete es in diesem Fall nicht besonders störend. Das Ende gefiel mir dann sogar sehr.
Falls mit dem Metall Toiberanium in Meta-Ebene Klaus Toiber gemeint ist, so ist das gelungen: Klaus Toiber erschafft vor allem Brettspiele, die sich immer wieder stochastisch einspielen, was auch die Eigenschaften des Metalls ganz gut beschreibt.
Impression: LINK
Leider muss ich jetzt los. Der Rest der Anthologie so wie eine Zusammenfassung kommen später.
Bearbeitet von Maxmilian Wust, 13 Februar 2024 - 09:33.