Nehmen wir uns noch einmal Dein Zitat vor, Jol Rosenberg:
Ich bin aber auch eine von den Personen, die zwei Berufe haben - solche Personen sind als Autor*innen von PR außen vor, ebenso wie welche, die aufgrund von Erkrankungen und Behinderungen oder auch einfach nur dem Vorhandensein von Familie nicht in 6 Wochen 120 Seiten schreiben können.
Falschbehauptung 1: Personen, die zwei Berufe haben, seien außen vor. Beispiele habe ich geliefert, meine Liste ist sogar noch unvollständig.
Falschbehauptung 2: Personen, bei denen Familie vorhanden ist, seien außen vor. Dito.
Erkrankungen/ Behinderungen: Da bitte ich um Verständnis, dass ich so private Informationen nicht darlegen kann. Öffentlich gemacht hat der Autor Arndt Ellmer den Umstand, dass er unter einem Hirntumor litt und es (wegen Fehldiagnose) sehr ernst stand, und zwar über Monate und Jahre hinweg. In all dieser Zeit war er Teil des Autorenteams, wobei seine Beiträge/ das Arbeitspensum der gesundheitlichen Lage angepasst war. Das Team hat es aufgefangen. Inzwischen geht es ihm wieder gut, er hat gute Ärzte gefunden, eine schwierige Operation ist glücklich verlaufen. Das freut uns alle. Ein Einzelfall ist das leider nicht, es gibt Personen mit besonderen gesundheitlichen Problemen im Team - aber das ist zu privat, wenn sie es nicht von sich aus öffentlich machen. Für unsere Diskussion nur relevant: Auch hier - falscher Eindruck Deinerseits.
Warum ist das relevant? Nun, weil unser biografischer Hintergrund bestimmt, wie wir die Welt sehen. Und weil das wiederum Einfluss darauf hat, welche Texte wir wie schreiben. Aufgrund meiner eigenen Zugehörigkeit zu einer marginalisierten Gruppe und meiner eigenen Vorlieben schaue ich bei einem Qualitätsurteil immer darauf, ob -ismen reproduziert werden.
Wieso reicht Dir da der Text nicht aus? Wieso ist die Information wichtig, wer diesen Text verfasst hat und auf welche Weise?
Ich kenne Frauen, die sehr gut Männer charakterisieren können. Ich kenne Homosexuelle, die schwulenfeindlich sind. Eine Rose ist eine Rose ist eine Rose, und ein Text ist ein Text ist ein Text.
Andere setzen andere Schwerpunkt, die auch valide sind.
Deswegen ist die Juryzusammensetzung bei Jurypreisen oft von Interesse: Dann kann das Publikum abschätzen, ob die eigenen Schwerpunkte in der Jury angemessen vertreten sind. Wobei ich, wie mehrfach erwähnt, verstehe, dass man beim DSFP diese Möglichkeit nicht nutzt, weil das zu ungewünschter Einflussnahme auf Jurymitglieder führen könnte.
Der KLP macht es hier über die Masse - auch beim KLP weiß man nicht, wer abstimmt, man sieht aber, dass 2022 in der Romankategorie 77 Personen abgestimmt haben und vermutet, dass bei dieser Anzahl alle wesentlichen Strömungen vertreten sind und besonders exotische Geschmäcker wegnivelliert werden.
Ich habe die Bedeutung von PR in der SF unterschätzt. Das kann ich einräumen und ich danke dir dafür, mir das deutlich zu machen. Zur Wirkung, kulturellen Bedeutung und gesellschaftlichen Strahlkraft kann ich leider nur einräumen, dass ich nichts darüber weiß.
1) Danke.
2) Hm, wir hatten ja schon über Wahrnehmung im Feulliton, in Kultursendungen im Fernsehen, über eine lebendige Fankultur gesprochen und ich hatte einen einstündigen Podcast verlinkt, in dem ein namhafter Wissenschaftler genau diese Thematik beleuchtet ...?
Dass rein von der Zahl her nicht auf Qualität geschlossen werden kann, ist für mich eine Binsenwahrheit - sonst wäre Aldi der qualitativ beste Discounter und welches wohl das beste Bier? Und Bockwurst das beste Essen? Und was die beste Serie? Bild die beste Zeitung? Bitte, lass uns die Diskussion nicht auf diesem Niveau führen.
...
Auf jeden Fall werden die meisten Preiskomitees nicht darauf setzen, dass es rein um gute Unterhaltung geht. Ich erwarte auch anderes von ihnen.
1) Alle diese Beispiele sind vielfach studiert und ihr Erfolg ist erklärt worden. Aldi hat eine sehr kluge Sortimentsstrategie (habe ich in BWL-Vorlesungen gelernt), Bild hat - bei aller angebrachten Kritik - oftmals zuerst die Meldungen draußen etc.
2) Ich erwarte, dass der Untersuchungsgegenstand "deutsche SF" in den Kernbereichen erfasst wird - auch, um überhaupt einen Dialog mit der Zielgruppe "SF-Fans" zu ermöglichen. Dazu gehört, dass Perry Rhodan angemessen betrachtet wird, aber auch, dass zum Beispiel SF-Titel, die es auf die Bestsellerlisten geschafft haben (selten genug ...) begutachtet werden.
3) Mir ist im Grunde egal, welche Kriterien Preiskomitees anlegen - sie sollten nur transparent sein. Daraufhin kann ich entscheiden, ob der Preis für mich relevante Leseempfehlungen produziert. Falls nicht, ist das aber auch nicht schlimm - andere Leute werden ihn dann schon interessant finden.
Zu untersuchen, was dazu führt, dass Leute PR kaufen oder abonnieren, wie viele davon die Hefte wirklich lesen, wie sich die Käufer*innenschaft zusammensetzt - fände ich alles spannend. Kennst du dazu Studien?
Es gibt subjektive Eindrücke und ein paar auf witzige Weise gescheiterte Studienversuche, aber nichts belastbares - was übrigens für den gesamten Literaturbetrieb gilt. Der Kunde ist und bleibt ein unbekanntes Wesen. Was ich auf gewisser Ebene sogar beruhigend finde.
[OT]
Das erinnert mich an eine Diskussion, die vor vielen Jahren einmal im Schwesterforum geführt wurde.
Ich zitiere sinngemäß aus dem Gedächtnis:
Andreas Eschbach (lebte damals und lebt heute immer noch in der Bretagne, der Vorschlag war erkennbar scherzhaft gemeint): "Wie wäre es mit einer Kategorie 'Bester deutschsprachiger SF-Roman eines im nicht-deutschsprachigen Auslands lebenden deutschsprachigen SF-Autors'?"
Andreas Brandhorst (lebte damals noch in Norditalien): "Da sind es schon zwei."
Shock Wave Rider (reitet auf dem Kamm der Schockwelle): "Da würde es noch nicht einmal helfen, wenn man den Vorschlag auf 'Bester deutschsprachiger SF-Roman eines im nicht-deutschsprachigen Auslands lebenden deutschsprachigen SF-Autors mit Vornamen Andreas' erweiterte."
Andreas Eschbach (s.o.): "Ja, das ist schon schwierig mit diesen Kategorien."
Gruß
Ralf
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Meiner Meinung nach hat PR außerhalb der PR-Blase keinerlei Bedeutung. Weder für die deutschsprachige SF noch für die deutschsprachige Kultur generell. Das mag vor einem halben Jahrhundert noch anders gewesen sein, aber wer heute SF auf Deutsch schreibt, bezieht sich nicht auf irgendetwas, das in den PR-Heften stattfindet. Zumindest nicht in den deutschsprachigen SF-Werken, die ich in den letzten Jahren las.
Nun, das sehen Leute wie Frank Schätzing, Andreas Eschbach, Dietmar Dath, Tanja Kinkel, Denis Scheck etc. anders.
Dass PR bei den Preisen nicht stattfindet spiegelt das nur wieder.
Welchen kulturellen Einfluss siehst Du bei den Werken, die mit diesen Preisen ausgezeichnet wurden - und der den von Rhodan übersteigt?
Bearbeitet von Bernard, 04 März 2023 - 14:44.