Bedey & Thoms Umfrage: „Nur jeder fünfte Verlag lebt von seiner Arbeit“
#1
Geschrieben 04 Juli 2023 - 08:39
Nun, das ist jetzt nicht wirklich überraschend.
Eine Aussage von Sandra Thoms, bei der ich nicht mitgehen kann:
„(…) Weil wir eben nicht „Wirtschaftsgüter“ produzieren, sondern Inhalte, Gesellschaftsbilder und Wissen vermitteln. Daher sind Verlage keine Wirtschaftsunternehmen, sondern Kulturunternehmen und sollten als solche auch gefördert werden – wenn wir in unserem Land der Dichter und Denker eine vielfältige Buchlandschaft erhalten wollen.“
Ich verstehe die Leidenschaft und auch die Motivation, die hinter diesen Worten steckt. Ich selbst gebe ja eine Phantastik-Zeitschrift und Anthologien heraus. Würde ich es ökonomisch betrachten, müsste ich es bleiben lassen. Ich mache es, weil ich phantastische Kurzgeschichten liebe und gelungenen, einheimischen Veröffentlichungen in meinem bescheidenen Rahmen Aufmerksamkeit verschaffen will.
Andererseits: Nein, der Großteil aller Veröffentlichungen - so gut sie im Einzelfall sein mögen - ist nicht förderungsrelevant. Ich schätze bspw. Thoms‘ Dryas-Verlag als Liebhaber von Cosy Crimes und Krimis „der alten Schule“ und Plan9 für das SF-Programm sehr, aber mir fiele in Bezug auf ihre Aussage kein valider Grund ein, diese beiden Verlage zu fördern. Dafür sind viele Titel, sorry, eben zu sehr leichte Unterhaltung und würden weder einer historischen noch wissenschaftlichen Überprüfung standhalten.
Eure Gedanken dazu?
- • (Buch) gerade am lesen:„Psyche mit Zukunft“ (Anthologie), „Marple“ (Anthologie)
- • (Buch) als nächstes geplant:„Die dunkle Seite der Erde“ (Achim Stößer), "Proxi" (Aiki Mira)
#2
Geschrieben 04 Juli 2023 - 09:08
Ich stimme Dir da vollumfänglich zu. Das Problem liegt hier - wie so oft - in der Unmöglichkeit einer voll polarisierten Betrachtungsweise: Es gibt eben nicht "das Buch". Es gibt Kunstwerke, die über Jahrzehnte hinweg sorgfältig und mit viel Liebe recherchiert, erdacht, geschrieben, verworfen und neu geschrieben wurden und dann in einem fast ebenso langen Prozess zum Leser gebracht wurden. Und es gibt Gebrauchsliteratur, die auf einen bestimmten Zweck hin designt, produziert (ja, produziert - so wie ein Regal oder ein Autoreifen) und gedruckt wurden. "Das Labyrinth der träumenden Bücher" vs. "1000 Tricks für Microsoft Excel".
Es wäre absurd, einen Verlag wie Heise mit einer Kulturförderung zu beglücken. Das ändert aber nichts daran, dass ein Teil (ich zögere, es einen Großteil zu nennen, denn so viele sind das wieder nicht) der Verlage wirkliche Herzblut-Projekte sind, die manchmal auch große Kunst hervorbringen.
#3
Geschrieben 04 Juli 2023 - 09:14
Es ist eben auch die Frage, wie viel von der zeitgenössischen Prosa denn wirklich sein muss (duck und weg). Mein Mann formuliert das manchmal sehr krass "Wieso sollte ich Thomas Schmidt aus Pusemuckel lesen, wenn ich auch noch mal Dostojewksi lesen kann?"
Da ist was dran, wenn ich das auch nicht ganz so sehe wie er (wie man leicht an meinem Leseverhalten sehen kann, viel aus Pusemuckel und recht wenig Dostojewksi).
Es erscheint viel, viel zu viel, ja, aber wer entscheidet, was davon gut ist, was davon erhaltenswert ist?
Podcast: Literatunnat
- • (Buch) gerade am lesen:meistens viele
-
• (Film) gerade gesehen: The Whale, Everything everywhere at once, Zurück in die Zukunft III
#4
Geschrieben 04 Juli 2023 - 09:49
Es ist eben auch die Frage, wie viel von der zeitgenössischen Prosa denn wirklich sein muss (duck und weg). Mein Mann formuliert das manchmal sehr krass "Wieso sollte ich Thomas Schmidt aus Pusemuckel lesen, wenn ich auch noch mal Dostojewksi lesen kann?"
Da ist was dran, wenn ich das auch nicht ganz so sehe wie er (wie man leicht an meinem Leseverhalten sehen kann, viel aus Pusemuckel und recht wenig Dostojewksi).
Es erscheint viel, viel zu viel, ja, aber wer entscheidet, was davon gut ist, was davon erhaltenswert ist?
Definitiv sollte man sich nicht daran klammern, dass mal was Gutes erschienen ist und es braucht nichts Neues. Literatur lebt ja davon, sich zu erneuern und weiter zu entwickeln.
Aber die Literaturlandschaft ist aktuell sehr vielfältig, ich glaube, von vielem gibt es sogar zu viel.
Jetzt ist das in Ordnung, wenn jemand ein Buch veröffentlicht weil ihm daran was gelegen ist. Aber fördern um die Masse an Veröffentlichungen beizubehalten, davon halt ich persönlich überhaupt nichts. Es gibt sowieso schon zuviel vom Gleichen und die meisten Veröffentlichungen zeigen ja nicht unbedingt Mut zur Innovation und Erneuerung. Und ich sehe es auch wie Yvonne, wer soll denn am Ende entscheiden, welche Art von Literatur förderungswürdig ist und welche nicht.
#5
Geschrieben 04 Juli 2023 - 10:05
#6
Geschrieben 04 Juli 2023 - 10:06
Dann müsste es ja einen Kriterienkatalog geben - und der läuft dann der Begründung der Vielfalt entgegen. Verlage, und das ist ja der Knackpunkt, haben in jeder wirtschaftlichen Größe zwangsläufig eine Sturgeon-Regel-Quote. Zu klein/spezialisiert: zu uninteressant (Glückstreffer), mittel: mehr Glückstreffer - mehr Pechpfützen, groß: sicher noch die meisten Glückstreffer und der größte Anteil Gebrauchs-/Mainstreamliteratur, um die Infrastruktur zu erhalten.
Wer es entscheidet? Seeeeeeeeeeehr verkürzte Antwort: Einerseits die Masse, andererseits „Institutionen“. Das befeuert sich ab einem gewissen Level ja gegenseitig. Goethe würde sicher auch noch verlegt, wäre er nicht Schulliteratur - aber vermutlich in einer anderen Auflage. Und ich nehme an, „Die Leiden des jungen Werther“ und „Faust“ sind nach wie vor die Topseller).
Na ja, Yvonne, dein Mann macht mit dem alten Russen nix falsch - aber das sorgt ja nur für Bekanntes.
Bearbeitet von ChristophGrimm, 04 Juli 2023 - 10:07.
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#7
Geschrieben 04 Juli 2023 - 12:23
Natürlich funktioniert hier kein Gießkannenprinzip. Die Verlage, die gefördert werden (sollen), müssen ausgewählt werden. Von wem auch immer. Aber ich sehe es eher wie Sandra Thoms, denn: Bücher sind Sprache, Sprache ist Kultur. Und wie nötig hier eine echte (!) Kulturförderung ist, sieht man daran, was derzeit von einer Minderheit mit unserer Sprache angestellt wird.
My.
#8
Geschrieben 04 Juli 2023 - 18:03
Natürlich funktioniert hier kein Gießkannenprinzip. Die Verlage, die gefördert werden (sollen), müssen ausgewählt werden. Von wem auch immer.
Ganz genau das wäre der Fall, und nach allem zu urteilen, wie es in diesem Staat derzeit läuft, wäre vom Schlimmsten auszugehen. Der Buchmarkt würde durch und durch politisiert werden und nur obrigkeitshörige Propagandaverlage könnten überleben. Aber selbst in halbwegs gesunden und demokratischen Staatswesen bringt staatlicher Protektionismus langfristig gesehen eher selten Gutes.
Bearbeitet von Helge, 04 Juli 2023 - 18:03.
#9
Geschrieben 04 Juli 2023 - 18:12
Wenn ich diese Studie richtig lese, wird eine „Strukturförderung“ - tatsächlich nach Kannenprinzip, abhängig vom Umsatz - empfohlen, die verlegerische Vielfalt zu wahren. Wohlgemerkt: Empfohlen - nicht ein „das kommt“. Ob und was letztendlich passiert bzw. passiert ist (ist ja von 2021) weiß ich nicht.
https://www.bundesre... stark gesunken.
Edit: Wir haben doch ein paar Verleger hier. Was sagt denn ihr dazu? (My hat ja schon )
Bearbeitet von ChristophGrimm, 04 Juli 2023 - 18:15.
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#10
Geschrieben 04 Juli 2023 - 20:54
Ich wäre ohnehin dafür, ganz viele Dinge aus kaptialistischen Verwertungszwängen auszunehmen. Daseinsvorsorge, Transport und ja ... auch Kunst. Dazu würden aber für mich nicht nur die Verlage gehören, sondern auch die Literaturschaffenden. Ich vermute sogar, dass dann mehr wirklich künstlerisch Wertvolles entstehen würde.
Ernsthafte Textarbeit gefällig? https://www.federteufel.de/
Science-Fiction-Buchblog: https://www.jol-rose.../de/rezensionen
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#11
Geschrieben 23 Oktober 2023 - 16:53
Anders herum: werden viele "Überzeugungstäter" in Deutschland nicht ihre verlegerischen Tätigkeit einstellen, weil sie es sich einfach nicht mehr leisten können (Stichwort Inflation), ihre Bücher zu subventionieren?
Das wäre das Ende der Vielfalt an Klein- und Kleinstverlagen in D.
Meistens gut gelaunt, offen für sehr viel und immer für eine angeregte Diskussion zu haben!
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Auch mit einem oder mehreren dieser Stichwörter versehen: Wirtschaft, Buchmarkt, Sandra Thoms, Bedey und Thoms, Schöne Bücher
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