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Wer schreibt, der...bleibt?


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84 Antworten in diesem Thema

#1 Mammut

Mammut

    DerErnstFall Michael Schmidt

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Geschrieben 04 August 2023 - 08:27

Ein Tagebuch führen, Kurzgeschichten schreiben, Lyrik mit und ohne Reim, einen Roman, ein Sachbuch oder die eigene Lebensgeschichte - Schreiben gehört nach repräsentativen Umfragen für 37 Prozent aller Deutschen zu den Dingen, mit denen sie sich im Alltag beschäftigen. Aber wer seine Freizeit mit Buchstaben und Wörtern füllen will, muss nicht gleich zum Schriftsteller werden. Es gibt jede Menge andere Möglichkeiten. Allein zu Hause oder in einer Schreibgruppe, mit Stift und Papier oder mit Laptop oder PC. Von Flensburg bis Garmisch bietet sich eine wahre Flut von Seminaren und Workshops zum Thema Schreiben, von preisgünstigen Volkshochschulkursen bis zu hochpreisigen Studiengängen bei privaten Anbietern oder persönlichem 1:1-Coaching. Dazu eine ebensolche Flut von Schreibratgebern aller Art. Woher kommt der Schreib-Boom? Warum schreiben so viele Menschen, auch und gerade im digitalen Zeitalter? Und: Kann wirklich jeder schreiben? Oder es lernen? Wie viel ist Handwerk, wie viel Talent

 

https://www.hr-infor...ode-122286.html



#2 Rezensionsnerdista

Rezensionsnerdista

    Yvonne

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Geschrieben 04 August 2023 - 15:08

Ich habe das Gefühl, das war auch schon vor zwanzig Jahren so

Vielleicht war nur das Gros der Leute weniger sichtbar

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#3 ChristophGrimm

ChristophGrimm

    Giganaut

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Geschrieben 04 August 2023 - 15:31

Nun, ich schreibe ständig, daher überrascht mich das nicht übermäßig.
Wir brauchen alle unsere Ventile. Jede Kunst, jedes Handwerk hat etwas Therapeutisches an sich. Schreiben können wir eben „alle“. Das Ergebnis muss auch nicht immer einen Zweck haben.

Was das „kreative Schreiben“ betrifft:
„Talent is as common as table salt. The difference between a talented person and a successful one is a lot of hard work.“ (Stephen King).
Wenn ich meiner Grundschullehrerin glauben darf, bin ich talentfrei. Aber da ich von Stephen King mehr halte, als von der ollen Schrapnelle, habe ich es eben trotzdem gemacht - und halte fest, dass sich harte Arbeit lohnt ;).
(Deutschlehrkräfte - zuverlässig im Versauen von Literatur seit Gründung der BRD.)

Und jetzt ohne Anekdote: Ja, jeder kann das Schreiben erlernen. Talent ist in meinen Augen nicht mehr als das Festhalten, dass manche Menschen manche Dinge am Anfang intuitiv besser hinbekommen, als andere. Etwas zu wollen und das Erbringen des dafür nötigen Einsatzes ist es, was den Unterschied macht.


Bearbeitet von ChristophGrimm, 04 August 2023 - 15:46.

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#4 Christian Hornstein

Christian Hornstein

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Geschrieben 04 August 2023 - 15:52

Ja, Christoph, genau. Wenn Du einfach schreibst, weil Du es gerne tust, dann ist es eben ein Zweck für sich; die Gedanken, die Fantasien in ein anderes Medium übertragen, sie schwarz auf weiß zu sehen, ihnen eine andere Realität geben, sie lesen und aufheben zu können, ...

 

Erst wenn Du einen Anspruch verfolgst, für andere etwas erbringen willst, dann beginnt die veranlagte Geburtshilfe (vulgo Talent) an Bedeutung zu gewinnen, aber auch vieles andere: der Spaß an der Sache als Katalysator und Proviant auf manchmal langen Wegen; die Ausdauer; die Fähigkeit sich zu konzentrieren, sich gut, plastisch erinnern und vorstellen zu können, achtsam wahrzunehmen, zu erkennen, worauf es ankommt; zu wissen, was auf welche Weise welche Wirkung hat und hier beginnen Erfahrung und Handwerk ein Rolle zu spielen.

 

Aber eines sollten wir wirklich nicht tun, da hat Ray Bradbury recht: Allein des Geldes wegen schreiben.


Bearbeitet von Christian Hornstein, 04 August 2023 - 15:53.


#5 Peter-in-Space

Peter-in-Space

    Kenonaut

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Geschrieben 05 August 2023 - 01:10

...

Aber eines sollten wir wirklich nicht tun, da hat Ray Bradbury recht: Allein des Geldes wegen schreiben.

wäre ja auch langweilig. Außerdem fällt es auf.


Wenn es eine Krisensituation gibt, sucht der intelligente Mensch nach einer Lösung,

der dumme Mensch nach Schuldigen.

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#6 Rezensionsnerdista

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    Yvonne

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Geschrieben 05 August 2023 - 06:10

Ich glaube auch daran, dass man Schreiben lernen kann. Und ich versichere euch, dass es in meinem Fall so war. Ich habe jüngst den Text eingescannt erhalten (Dank an Christel Scheja!), den ich 1996 bei ihr im Legendensänger veröffentlicht habe. Nun. Der kam damals ja ganz gut weg und für eine Siebzehnjährige war es auch gut und ich hatte ja auch tatsächlich schon einige Jahre lang intensiv geübt zu der damaligen Zeit.

 

Allerdings bevorzuge ich dann doch das, was ich einige Jahrzehnte später mache. 

 

Ich sehe alleine schon den Unterschied zwischen 2020 und 2023, 2020 habe ich mich sehr um Logik und Recherche bemüht und war nicht unbedingt stinkefaul; aber seither habe ich doch einiges dazugelernt. Schneller bin ich trotzdem nicht, ich kriege zwar bestimmte Dinge im ersten Entwurf jetzt besser hin, insgesamt sitze ich trotzdem wieder genauso lange da, weil ich inzwischen noch mehr Baustellen kenne und beackere. Und natürlich bleiben dann wieder etliche scheinbar fertige Texte in der Schublade, weil sie eben doch noch nicht veröffentlichungsreif sind.

 

 

Etwas Talent schadet nicht, das gibt einen vielleicht Anfangsmotivation. Wenn man Rechtschreibschwächen hat, dauert es eben auch länger oder man braucht mehr Hilfsmittel. Aber ansonsten glaube ich, dass man Schreiben lernen kann und auch lernen sollte und nie aufhören darf, daran zu arbeiten (sofern man Philip Roth glauben mag, was ich definitiv tue). 


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#7 Christian Hornstein

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Geschrieben 05 August 2023 - 08:46

Etwas Talent schadet nicht, das gibt einen vielleicht Anfangsmotivation. Wenn man Rechtschreibschwächen hat, dauert es eben auch länger oder man braucht mehr Hilfsmittel. Aber ansonsten glaube ich, dass man Schreiben lernen kann und auch lernen sollte und nie aufhören darf, daran zu arbeiten (sofern man Philip Roth glauben mag, was ich definitiv tue). 

 
Ich glaube, das ist ein bisschen zu euphemistisch. Talent ist nicht nur unschädlich, es kann auch massiv nutzen. Beim Schreiben wird das oft nicht klar erkannt, beim Fremdsprachenlernen oder Singen schon eher. Es ist aber ähnlich, denn auch wenn Schreiben eine Kulturtechnik ist, beruht die entsprechende Kompetenz auf Voraussetzungen, die auch genetischer Natur sind. Ich weiß, es ist nicht politisch korrekt das zu äußern, und alle Anbieteri von Schreibkursen werden mir vehement widersprechen, aber der Aufwand, um ein bestimmtes Schreibniveau zu erreichen, kann sehr groß werden, und nicht jeder Mensch kann jedes beliebige Niveau erreichen. Ich hoffe, dass mich jetzt keine Entrüstungsflut überschwemmt. :unsure:



#8 Helge

Helge

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Geschrieben 05 August 2023 - 08:55

Ich halte Talent, meinetwegen können wir es auch Begabung, Neigung oder wie auch immer nennen, für ganz wesentlich. Es gibt Leute, die versuchen über viele Jahre oder gar Jahrzehnte hinweg das Schreiben zu lernen und praktizieren es auch reichlich - und das, freundlich ausgedrückt, mit äußerst geringem Erfolg. Das gibts auch in anderen Kunstformen. Ich denke schon, dass sich da jeder die Kunstform aussuchen sollte, die ihm liegt. Mir z.B. liegt Musizieren überhaupt nicht - also wieso sollte ich es mit großem Aufwand lernen, um dann bestenfalls etwas halbwegs Anhörbares zustande zu bringen?,



#9 Rezensionsnerdista

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    Yvonne

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Geschrieben 05 August 2023 - 09:46

Mag sein, aber ich bin davon überzeugt, dass Faulheit und Nachlässigkeit das größere Problem sind, nicht Talentfreiheit

Eine Menge der von euch beschriebenen Szenarien wird eher Autory betreffen, die sich nicht verbessern, weil sie sich bereits für toll halten

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#10 Peter-in-Space

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Geschrieben 05 August 2023 - 13:25

...

Eine Menge der von euch beschriebenen Szenarien wird eher Autory betreffen, die sich nicht verbessern, weil sie sich bereits für toll halten

Das mag es in der Theorie geben; mir ist noch Keiner untergekommen. Selbstüberschätzung ist der Todfeind der Kreativität.


Wenn es eine Krisensituation gibt, sucht der intelligente Mensch nach einer Lösung,

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#11 Rezensionsnerdista

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Geschrieben 05 August 2023 - 14:59

Das verstehe ich nicht, ich kann ad hoc mehrere Dutzend nennen

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#12 Mammut

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Geschrieben 05 August 2023 - 15:56

Das verstehe ich nicht, ich kann ad hoc mehrere Dutzend nennen


Ich denke, sich selbst zu überschätzen ist eine menschliche Eigenschaft. Warum sollen Autoren davon ausgenommen sein?
Mir scheint auch unzweifelhaft dass manche talentierter sind als andere. Aber um wirklich gut zu sein, braucht es wohl Talent und den Willen sich zu verbessern und weiter zu entwickeln.

#13 Christian Hornstein

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Geschrieben 05 August 2023 - 16:30

Mag sein, aber ich bin davon überzeugt, dass Faulheit und Nachlässigkeit das größere Problem sind, nicht Talentfreiheit

Eine Menge der von euch beschriebenen Szenarien wird eher Autory betreffen, die sich nicht verbessern, weil sie sich bereits für toll halten

 

 

Ich denke, sich selbst zu überschätzen ist eine menschliche Eigenschaft. Warum sollen Autoren davon ausgenommen sein?
Mir scheint auch unzweifelhaft dass manche talentierter sind als andere. Aber um wirklich gut zu sein, braucht es wohl Talent und den Willen sich zu verbessern und weiter zu entwickeln.

 

Talent ohne Training oder Training ohne Talent: Beides führt, glaube ich, nicht zu besonders großer Entfaltung. Wir brauchen wohl beides, mal mehr vom einen, mal mehr vom anderen.

 

Es gibt tatsächlich Menschen, die ihr Werk ganz anders wahrnehmen als viele andere Menschen, zuweilen auch objektivierbar falsch, z.B. wenn jemand meint, er trifft die Töne, obwohl dies nachweislich nicht so ist. So etwas ähnliches gibt es tatsächlich auch beim Schreiben. Ich habe Menschen kennengelernt, die sich auch nach vielen Jahren immer noch sehr schwer getan haben, Nuancen von Wortbedeutungen zu differenzieren, unterschiedliche Wirkungen von Wortstellungen im Satz zu erfassen, Ironie zu verstehen, sich Figuren vorzustellen oder Geschichten zu merken, Handlungsmuster zu erkennen, Subtext zu ergänzen, ...

 

Ich habe auch Autori kennengelernt, die, wie Du sagst Yvonne, sich nicht viel verändern wollten, weil sie dachten, alles ist ok wie es ist, manchmal sogar trotz handfester Hinweise, das dem nicht so sein könnte. Es stimmt aber auch, dass ganz viele sehr daran interessiert sind, sich weiter zu entwickeln. Zum Beispiel ich :) . Leider ist es zuweilen schwer, konkretes Feedback zu bekommen. Oft gibt es nur Adjektive statt Zitate. Ich habe da Gottlob ein paar Menschen, die mich gut versorgen.


Bearbeitet von Christian Hornstein, 06 August 2023 - 09:41.


#14 Peter-in-Space

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Geschrieben 05 August 2023 - 16:56

Das verstehe ich nicht, ich kann ad hoc mehrere Dutzend nennen

na, ein gewisses Auftreten wird auch benötigt, aber das meiste ist dann doch eher Marketing oder selbstreferenzieller Humor. Ich kenne allerdings Autoren, die sich auf vergangene Erfolge ausruhen, obwohl sie die Qualität, die sie zum Erfolg geführt hat, nicht mehr erreichen.

 

Eitelkeit ist eine menschliche Schwäche. Sagt einer, der es wissen muss *duckunwech*


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#15 Michael Böhnhardt

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Geschrieben 05 August 2023 - 17:11

Das verstehe ich nicht, ich kann ad hoc mehrere Dutzend nennen

Wovon genau kennst du ad hoc mehrere Dutzend?

 

Autoren, die sich deiner Meinung nach nicht verbessern (wollen)?

Autoren, die dir im Gespräch erzählen, sie wären schon perfekt?

Überhebliche Autoren?



#16 Peter-in-Space

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Geschrieben 05 August 2023 - 17:34

Wovon genau kennst du ad hoc mehrere Dutzend?

 

Autoren, die sich deiner Meinung nach nicht verbessern (wollen)?

Autoren, die dir im Gespräch erzählen, sie wären schon perfekt?

Überhebliche Autoren?

oiszomm?


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#17 Michael Böhnhardt

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Geschrieben 05 August 2023 - 17:45

oiszomm?

Nun, ich kenne keinen einzigen Autoren, der nicht versucht, jeweils die beste Geschichte zu schreiben, die ihm möglich ist,

deswegen wäre es schon interessant, wo und woran sich das bei mehreren Dutzend ad hoc äußert.

 

Ergänzung: Vor allem um zu wissen, welche Orte man besser meidet


Bearbeitet von Michael Böhnhardt, 05 August 2023 - 18:03.


#18 Rezensionsnerdista

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    Yvonne

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Geschrieben 05 August 2023 - 18:34

Dann meidet Facebook!

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#19 Michael Böhnhardt

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Geschrieben 05 August 2023 - 18:50

Dann meidet Facebook!

Da habe ich mich schon vor Jahren abgemeldet.



#20 Rezensionsnerdista

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    Yvonne

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Geschrieben 05 August 2023 - 18:51

Okay, dann muss ich wohl doch ausführlicher werden. Ich sage vorsichtshalber schon mal an, dass ich nun drei Wochen kaum Laptopzeit habe (fast nur außer Landes) und vom Handy aus mag ich nicht so tief in Diskussionen einsteigen. Dann lese ich nur mit.

 

Jetzt aber doch mal ernsthaft: 

 

Kein Autor, der einigermaßen klug ist, wird sagen: "Ich bin schon gut genug, ich muss mich nicht mehr verbessern."

So einfach kriegt man die nicht überführt.

 

Nehmen wir mal Fall A. Frei erfunden, kommt aber etwa einmal im Monat vor:

Anton meldet sich bei mir. Er ist Autor und hat ein Buch herausgebracht. Entweder im Selbstverlag oder bei einem Verlag, das spielt eigentlich keine Rolle, es sind nur deswegen eher Selbstverleger, weil die eben selbst die Akquise der Rezensent:innen machen müssen. Anton fragt mich, ob ich sein Buch lesen, rezensieren oder gar einen Podcast machen will.

Ich lese das Buch an. Ich sage, dass es nicht mein Ding ist.

Er fragt, warum.

Ich sage naiv: weil es mich auf den ersten zehn Seiten nicht packt.

Er fragt, warum.

Ich erkläre ihm, welche Schwächen ich sehe, beispielsweise Infodump in Dialoge, unnötige Adverbien, you name it. 

Er erklärt mir, dass ich keine Ahnung habe und warum das alles so gut ist, wie es ist.

 

Fall B: Autor reicht Text ein und ich sitze dort, wo man über die Annahme bestimmt.

Ich lehne Text ab.

Autor fragt warum. Ich nenne die Gründe. Es passiert wieder obiges.

 

Fall C: Autor stellt bei Facebook eine Frage oder postet einen Textauszug. Ich kommentiere. Er dreht total durch, weil er der Beste ist und ich es gewagt habe, ihn zu kritisieren.

 

Fall D: Lesezirkel hier im Forum. Ich kritisiere einen Text. Autor loggt sich ein, nimmt meine Rezension auseinander.

 

Ich habe auch schon private Emails von mir völlig Fremden erhalten. Inklusive Androhung von Klage. Ich habe einen sehr langen Kommentar auf meinem Blog, den ich absichtlich nicht gelöscht habe, in dem mich ein Autor beschimpft, mich herabsetzt und mir den Tod wünscht, weil ihm eine Rezension nicht gefallen hat. 

 

 

Ernsthaft. Wenn jemand als weibliche Person einen Rezensionsblog in einer relativ kleinen Bubble pflegt, in der es nicht sooo viele Rezensionsmöglichkeiten gibt und man irgendwann wagt, wählerisch zu sein, dann kann man echt was erleben. Inzwischen sage ich immer nein: Wirklich immer. Und ich rezensiere auch quasi nichts mehr kritisch, es sei denn, ich habe das Gefühl, ich müsse vor einem Werk warnen.

 

 

 

Das Problem hier bei Prosa ist: Es ist nicht so leicht messbar. 

Wenn wir beim Langstreckenlauf wären, wäre es einfach. Jemand sagt "Ich bin gut, ich laufe den Halbmarathon in unter zwei Stunden" (was jetzt auch eher eine Hobby-Zeit ist). Dann kann ich mich hinstellen und das messen und danach sagen: "Du musst aber noch trainieren, du bist noch zu langsam."

Wenn ich jemandem sage: "Du musst noch üben, deine Prosa ist noch zu schlecht und ich zeige dir warum", dann ist das ein Stück weit immer noch subjektiv und lässt sich viel besser anzweifeln als beim Langstreckenlauf.

Jemand könnte mir sagen:

Nein, das Adverb ist da aber super, auch wenn's labelnd ist. Show don't tell ist total überholt.

oder

Wenn ich das szenisch mache, wird's noch länger.

oder

Wenn ich die Zeiten einhalte, wird's öde, ich will experimentieren!

 

Egal was. Alles schon gehört. Selbst für uneinheitliche Anführungszeichen scheint es künstlerische Gründe zu geben.

 

 

Es ist schön, dass ihr alle offenbar mit kritikfähigen Autoren zu tun habt, aber die Menschen, mit denen ich so zu tun habe, haben eher Erfahrungen gemacht, die meinen ähneln. Teilweise sogar noch deutlich heftigere.


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#21 Michael Böhnhardt

Michael Böhnhardt

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Geschrieben 05 August 2023 - 18:57

Danke, dass du dir die Mühe gemacht hast, so ausführlich zu antworten.

 

Jetzt kann ich nachvollziehen, was du meinst.



#22 Rezensionsnerdista

Rezensionsnerdista

    Yvonne

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Geschrieben 05 August 2023 - 18:57

Edit:

 

Ich vergas noch Fall E:

Wenn ich einen Autor testlesen sollte oder gar lektorieren ...

 

Aber ich denke, es reicht jetzt. Ich muss mich jetzt eh urlaubsbedingt zurückziehen, vielleicht kommt ja noch jemand anderes vorbei, dem schon mal ein Autor begegnet ist, der sich sicher war, dass er bereits alles kann und weiß. 


Danke, dass du dir die Mühe gemacht hast, so ausführlich zu antworten.

 

Jetzt kann ich nachvollziehen, was du meinst.

 

Oh, super! Dann kann ich ja nun beruhigt in die Ferien fahren :-)


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#23 Peter-in-Space

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Geschrieben 05 August 2023 - 19:20

Ich kann mir immer noch keinen Autor vorstellen, der das wirklich tut. Außerdem gehst Du von Deinem Leseempfinden aus, @Rezensionsnerdista - und das ist beileibe nicht allgemeingültig.

 

Sicher, ich habe auch mal mit einem Autor gesprochen, der hat sich scherzhaft als den besten Autor bezeichnet. Nur weil er mal einen Preis gewonnen hat. Da war er ganz sicher der Beste! Ja, ja ... das habe ich ihm auch geglaubt. Er übrigens auch. Also er hat geglaubt, das ich es geglaubt habe.

 

Sicher das!

 

Mensch, haben wir eine Zeit gehabt! Großartig. :baloon:


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#24 ChristophGrimm

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Geschrieben 05 August 2023 - 20:54

Yvonne, die Reaktionen von A und B sind die Gründe, warum ich ebenfalls keine Rezensionsexemplare mir nicht bekannter Autor:innen annehme und Absagen nicht begründe - außer, die Autor:innen sind nach subjektivem Empfinden mögenswert und gleichzeitig kritikfähig. Das weiß ich logischerweise aber nur, wenn ich mit besagten Autor:innen einen gewissen Kontakt über die Einreichung hinaus habe.
Ich hielt es am Anfang meiner Herausgeberkarriere für unhöflich, keine Begründungen für Absagen zu geben, aber mittlerweile bin ich zu dem Schluss gelangt, dass es sich nicht lohnt, Zeit darin zu investieren.
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#25 Mammut

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Geschrieben 05 August 2023 - 21:43

Einer der Highlights meiner Herausgebergeschichte war direkt im zweiten Buch (Schattenseiten): Der Autor zog seine Geschichte zurück, nachdem er vorher extrem motiviert am Buch mitgearbeitet hat, weil lapismont auf der Leselupe eines seiner Gedichte kritisiert hatte.
Künstler. Das sind nicht die heroischen Gestalten, die immer das Optimum aus sich heraus holen wollen. Das sind oft genug selbstverliebte Mimosen. Und die sind weniger selten als man glaubt.

#26 Naut

Naut

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Geschrieben 05 August 2023 - 21:51

Mag sein, aber ich bin davon überzeugt, dass Faulheit und Nachlässigkeit das größere Problem sind, nicht Talentfreiheit

Eigentlich hat sich die Diskussion ja schon zu den Entgleisungen von verkannten Genies verlagert, aber zu dem Thema wollte ich mich nochmal äußern: Es gibt durchaus Forschungen, die nahelegen, dass es so etwas wie Talent nicht gibt. Im Gegenteil existieren sehr wenige Fertigkeiten, die nicht von wirklich jeder und jedem erlernt werden können. Sicher, eine Geigerin, die seit ihrem vierten Lebensjahr übt, erreicht ein höheres Niveau als ich, wenn ich mich mit 50 noch dazu entschließe. Aber abgesehen davon existieren keine genetischen Voraussetzungen. Es gibt kein angeborenes "absolutes Gehör", das ist trainierbar. Es gibt kein "Genie", lediglich ein wenig unfairen Vorteil durch Intelligenz (die auch trainierbar ist). Es gibt kein räumliches Wahrnehmungsgen (das natürlich nur Männer hätten) und kein Farbunterscheidungsgen (das nur Frauen besäßen). Es gibt definitiv kein Mathegen und kein Fremdsprachengen. Und es gibt bestimmt kein Schreibgen. Das ist nur die bequeme Ausrede derer, die gern berühmte Autoren oder Schriftstellerinnen wären, aber - leider, leider - das Orm nicht haben.
Also, ich glaub nicht daran.

Sorry für die Unterbrechung, jetzt gerne weiter mit den gekränkten Genies ... :)

Bearbeitet von Naut, 05 August 2023 - 21:53.

Liest gerade: Atwood - Die Zeuginnen

#27 Fermentarius

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Geschrieben 06 August 2023 - 06:32

Es gibt durchaus Forschungen, die nahelegen, dass es so etwas wie Talent nicht gibt. Im Gegenteil existieren sehr wenige Fertigkeiten, die nicht von wirklich jeder und jedem erlernt werden können. Sicher, eine Geigerin, die seit ihrem vierten Lebensjahr übt, erreicht ein höheres Niveau als ich, wenn ich mich mit 50 noch dazu entschließe. Aber abgesehen davon existieren keine genetischen Voraussetzungen. Es gibt kein angeborenes "absolutes Gehör", das ist trainierbar. Es gibt kein "Genie", lediglich ein wenig unfairen Vorteil durch Intelligenz (die auch trainierbar ist). Es gibt kein räumliches Wahrnehmungsgen (das natürlich nur Männer hätten) und kein Farbunterscheidungsgen (das nur Frauen besäßen). Es gibt definitiv kein Mathegen und kein Fremdsprachengen. Und es gibt bestimmt kein Schreibgen. Das ist nur die bequeme Ausrede derer, die gern berühmte Autoren oder Schriftstellerinnen wären, aber - leider, leider - das Orm nicht haben.
Also, ich glaub nicht daran.

Das ist eine kurze Wiedergabe der "Tabula rasa"- oder "blank slate"-Hypothese. Danach sind alle Menschen mit gleichen geistigen Voraussetzungen geboren. Das hat unter Philosophen durchaus prominente Anhänger (Locke oder Descartes). Unter Psychologen und Genetikern ist diese Hypothese aber nicht sehr populär. Familien- und Zwillingsforschung legt nahe, dass etwa die Hälfte der kognitiven Leistungen oder der Intelligenz vererbt werden, und damit angeboren sind. Wer das vertiefen möchte, wird in der englischen Wikipedia unter den Stichworten "Tabula rasa", "Nature versus Nurture" oder "Heritability of IQ" fündig.

Also: Es gibt vermutlich ein Mathegen, genauer gesagt, eine günstige Kombination von Genen für eine Mathematikbegabung. Auch die Begabung zum Schreiben ist teilweise erblich. Eine Grundbegabung gibt Menschen natürlich einen fliegenden Start, aber Lernen und Üben bleibt unerlässlich.

Und zum Schreiben von Geschichten gehört auch mehr als die bloße Fähigkeit, grammatisch und orthografisch richtige Worte und Sätze aneinanderzureihen (brauche ich hier wohl niemandem zu sagen).

 

 

 

 



#28 Rezensionsnerdista

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Geschrieben 06 August 2023 - 06:57

Ich finde die Diskussion um Talent und Vererbbarkeit auch viel interessanter, wenn auch eher als Mutter als als Autorin und Leserin. 

Wir haben hier zwei Kinder, die wir vermeintlich gleich erziehen (wobei Kind 1 sicher mehr Zeit hatte als Kind 2, denn da gab es ja Kind 1 schon usw.) und es gibt Dinge, die beide auffällig gemeinsam haben, z. B. können sich beide sehr gut ausdrücken und gut rechnen.

 

K1 hingegen zeichnet sehr gut, hat das aber auch geübt, geübt, geübt, auch als sie noch im "Krikelkrakel-Stadion" war. K2 kriegt keinen geraden Strich hin. 

K2 singt sehr gut, tut das aber auch unablässig.

 

Ich habe keine Ahnung, ob und wie viel Talent damit zu tun hat, ich beobachte aber, dass sie "ihre" Sachen sehr stark üben (und die haben ja auch noch so viel Zeit!) und dabei beeindruckend besser werden. 

Ob man sich dann zum Besser-Werden etwas aussucht, das man eh schon gut konnte, weil das mehr Spaß macht, ist eine interessante Frage.

 

Ich habe ja auch mein "Geschichtenerzählen" als Kind schon ausgebaut, weil es gut angekommen ist beim Spielen mit anderen Kindern und bei den Erwachsenen und auch bei mir selbst - und später dann auch von komplett Fremden gelobt wurde. Das motiviert zum Weiter-Üben.

(Natürlich hatte auch ich vernichtende Rezensionen und Ablehnungen von Geschichten.)

 

 

Zu Christophs Bemerkung zu begründeten Ablehnungen von Texten:
Ja, das ist heikel. Marianne und ich haben das bei der NOVA trotzdem gemacht, bei jenen Texten, die irgendwie schon gut waren, aber eben noch nicht ganz so, dass wir sie drucken wollten. Dabei haben wir einige interessante und durchaus nicht nur negative Erfahrungen gemacht, einer hat seine Story überarbeitet, dann war sie deutlich besser und wir haben sie dann beim zweiten Versuch angenommen.

 

Ich bin zwar überzeugt davon, dass es richtig krasse Autory gibt, die sich für die tollsten halten, aber natürlich gilt das nicht für alle. Es ist schade, dass die anderen, die gern auch kritisches Feedback hätten, auch darunter leiden, weil viele Herausgebenden und Rezensierende sich nicht mehr kritisch äußern wollen


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#29 Michael Böhnhardt

Michael Böhnhardt

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Geschrieben 06 August 2023 - 08:32

Eigentlich hat sich die Diskussion ja schon zu den Entgleisungen von verkannten Genies verlagert, aber zu dem Thema wollte ich mich nochmal äußern: Es gibt durchaus Forschungen, die nahelegen, dass es so etwas wie Talent nicht gibt. Im Gegenteil existieren sehr wenige Fertigkeiten, die nicht von wirklich jeder und jedem erlernt werden können. Sicher, eine Geigerin, die seit ihrem vierten Lebensjahr übt, erreicht ein höheres Niveau als ich, wenn ich mich mit 50 noch dazu entschließe. Aber abgesehen davon existieren keine genetischen Voraussetzungen. Es gibt kein angeborenes "absolutes Gehör", das ist trainierbar. Es gibt kein "Genie", lediglich ein wenig unfairen Vorteil durch Intelligenz (die auch trainierbar ist). Es gibt kein räumliches Wahrnehmungsgen (das natürlich nur Männer hätten) und kein Farbunterscheidungsgen (das nur Frauen besäßen). Es gibt definitiv kein Mathegen und kein Fremdsprachengen. Und es gibt bestimmt kein Schreibgen. Das ist nur die bequeme Ausrede derer, die gern berühmte Autoren oder Schriftstellerinnen wären, aber - leider, leider - das Orm nicht haben.
Also, ich glaub nicht daran.

Sorry für die Unterbrechung, jetzt gerne weiter mit den gekränkten Genies ... :)

Es gibt ganz definitiv ein "Mathegen", und es leiden auch mehr Männer als Frauen darunter.

 

Es wird auch bei den Fähigkeiten, die zum Schreiben von Geschichten gehören, deutliche Talentunterschiede geben. Wenn ich zum Beispiel "Das Parfum" von Patrick Süskind lese, bin ich mir sicher, dass hier noch so hartnäckiges Üben allein nicht ausreichen würde.

Allerdings ist es m.E. schon so, dass die Fähigkeit, lesenswerte Geschichten zu erzählen, von jedem erlernt werden kann.



#30 Naut

Naut

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Geschrieben 06 August 2023 - 08:39

Noch als Nachtrag zu Fermentarius' Ergänzung: Ich bin kein Anhänger der "Tabula Rasa"-Idee: Es sind nicht alle Menschen von Geburt an mit gleichen Startvoraussetzungen geboren, da gibt es durchaus Unterschiede (und es gibt ja Phänomene wie Legasthenie, die das im Extrem zeigen). Aber ich denke, dass deren Einfluss auf Fertigkeiten wie Schreiben, Mathe (nicht Rechnen! Ich bin Mathematiker, kann aber kaum rechnen) und Musizieren besonders in Deutschland krass überschätzt wird.

Ich glaube, dass mein schriftstellerisches Niveau von nahezu jeder und jedem erreicht werden könnte. Oder, um es ein wenig höher zu hängen, sagen wir mal das von Susanne Mischke (völlig beliebiges Beispiel, soll jetzt kein Bashing sein).
Liest gerade: Atwood - Die Zeuginnen


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