Okay, hoffentlich bleiben wir alle brav, wenn ich sagen:
Viele Menschen interessieren sich deutlich mehr für ihre eigene Prosa als für andere. Michael hat das ja selbst zu einem früheren Zeitpunkt mal geschrieben: Wenn er deutschsprachige Phantastik-Autor:innen fragt, was sie den so in jüngster Zeit an deutschsprachiger Phantastik gelesen haben, kommt da oft ... nicht viel. (Ich weiß nicht mehr, wo und wann du das gesagt hattest, es ist eine Weile her, ich hoffe, ich zitiere hier etwas, das du auch öffentlich gesagt hast oder sagen würdest, sonst schulde ich dir Samstag ein Bier.)
Ich halte es für richtig wichtig, sich mit der Szene, in der man veröffentlichen will, auch vorher zu beschäftigen und hatte dazu letztens einen Blogpost verfasst (fast hätte ich den Begriff "Pamphlet" verwendet). So hatte ich beispielsweise alle zehn Ausgaben der Queer*Welten gelesen, bevor ich dort zum ersten Mal einen Text eingereicht habe (aber ich weiß noch nicht, ob sie ihn haben wollen).
Von Simones Hugo-Nominierung habe ich erst so ungefähr 2021 erfahren, ziemlich cool! Vorher hatte ich auch nicht von ihr gehört, ich bin aber auch eigentlich erst seit 2020 verstärkt in der deutschsprachigen Phantastik unterwegs. Und ja, es ist schade, und Cora Buhlert hat ja auch den Best-Fan-Writer gewonnen und davon hatte ich auch erst beim MetropolCon erfahren. Davon wurde offenbar wenigstens in der Regionalpresse viel berichtet, wenn ich mal so google.
Wagners Stimme (DSFP Gewinn 2021) hat auch viel, viel zu wenig Aufmerksamkeit erlangt hier, für meinen Geschmack, weil das noch immer eine der geilsten und schönsten SF-Short-Storys der letzten Jahre ist (und ich habe 1000+ davon gelesen, bilde mir also ein, mir ein umfassendes Bild gemacht zu haben).
Ein klein bisschen mehr Aufmerksamkeit hat wohl Aiki Mira später gewonnen, weil gleich drei Storys von Mira nominiert waren und Utopie27 sogar beide Preise (DSFP und KLP) hat holen können.
Insgesamt sage ich mal:
Die deutschsprachige SF-Kurzprosaszene hat generell zu wenig Aufmerksamkeit, gerade mal die Storys der Exodus erhalten einen Hauch mehr, aber auch noch lange nicht genug. Wenn wir mal sehen, wie viel Aufmerksamkeit in unserer deutschsprachigen Szene dem gegeben wird, was in der anglo-amerikanischen Welt so an SF-Kurzprosa abgeht, dann ... redet überhaupt wer darüber? Das ist zum Teil verständlich, es wird ja auch kaum etwas übersetzt.
Ich gehe mal auf Carsten ein (den ich nicht für einen grumpy Troll halte, im Gegenteil):
Als 2003 der fünfte Teil von Harry Potter rauskam, konnte ich nicht warten und habe ihn auf Englisch gelesen. Ich habe mich sehr gequält und jeder Witz ging über meinen Kopf. Seither habe ich viel daran gearbeitet und auch beruflich viel mit der Sprache zu tun. Lesen geht sehr gut, beim Schreiben kann ich quasi alles, was Nina über sich selbst dazu sagt, eins zu eins so unterschreiben.
Ich war mal drei Monate lang in Utah, das hat geholfen, aber gut genug ist es nicht.
Ach ja und mein Akzent ist fürchterlich! (Ist beim Schreiben aber wurscht.)
Eine Rückfrage habe ich noch zu deiner Bemerkung mit den Testlesenden und Sensitivity Readern:
In welchem Markt ist es üblich, die Story so viel lesen zu lassen? Ich hatte bisher den Eindruck, im anglo-amerikanischen. Was ich sehr professionell finde!
Hier bin ich mir fast sicher, dass die meisten ihre Texte mehr oder weniger un-test-gelesen* einfach an die Herausgebenden schicken und das Beste hoffen. Wenige Ausnahmen inklusive.
*manche lesen es wohl auch selbst nicht unbedingt noch mal