Die Realität sieht leider anders aus. Mehrfach wurde getestet wie Lehrkräfte einen Aufsatz bewerten. Es waren immer alle Noten vorhanden. Wohlgemerkt für den gleichen Aufsatz.
https://www.grin.com/document/372206
Ansonsten kann ich nur sagen, das ich das Statement des SFCD Vorstands sehr begrüße.
Der Link führt auf eine Leseprobe, die leider nur die einleitenden Überlegungen, nicht aber die Studie selbst, enthält.
Abweichende Benotungen desselben Aufsatzes können legitime Gründe haben, weil im Deutschunterricht abgeprüft wird, was vorher unterrichtet wurde. Unterschiedlicher Lehrplan (bspw. in unterschiedlichen Bundesländern) - unterschiedliches Ziel - unterschiedliche Note. Abgesehen davon gibt es auch schlechte Lehrer, so, wie es auch Leute gibt, die als Juror ungeeignet sind. Auch im Sport ist nicht jeder ein guter Schiedsrichter.
Verneint man die prinzipielle Möglichkeit der objektiven Beurteilung von Literatur, wird ein Preis obsolet, denn dann ist dieser lediglich eine Geschmacksäußerung. So habe ich die Begründungen zur Preisvergabe beim DSFP bisher nie gelesen, eher im Gegenteil: Man bemüht sich dort, erheblich mehr anzuführen als "es hat uns halt gefallen".
Verneint man diese Möglichkeit nicht prinzipiell, aber für sich persönlich ("ich kann Literatur nicht jenseits meiner ideologischen Schranken beurteilen"), ist das eine respektable Selbsterkenntnis, die zur Konsequenz haben sollte, dass man nicht in einer Jury mitarbeitet.
Bezüglich der Offenlegung der Jurymitglieder (in die Zukunft gedacht, nicht, was abgeschlossene Jahrgänge angeht), kann ich mir nicht vorstellen, dass das rechtlich in irgendeiner Form problematisch wäre - dafür gibt es zu viele Jurys, die ihre Besetzung offen legen (nämlich so gut wie jede). Wenn so etwas in der Geschäftsordnung steht, kann sich jeder überlegen, ob er unter diesen Bedingungen mitmachen möchte oder nicht. Würde die Jury des Ingeborg-Bachmann-Preises vor den Internationalen Gerichtshof für Menschenrechte gestellt, weil ihre Zusammensetzung öffentlich ist, würde mich das sehr wundern.
Man kann sich ja überlegen, was mehr überzeugt:
A)
Jurymitglieder sind wahlweise geheim (wie bislang), Entscheidungskriterien sind nicht leicht zu erkennen.
Möglicher negativer Eindruck: "Ein (teil-)anonymes Gremium verschenkt nach geheimer, interner Diskussion ohne für Außenstehende nachvollziehbare Kriterien jeweils 1000 Euro für eine Kurzgeschichte und einen Roman, die dem Mehrheitsgeschmack in dieser abgeschlossenen Gruppe entsprechen." Jeder darf anderen Leuten Geld schenken, wie er will - aber wieso sollte das für irgendwen relevant sein?
Vorteil: Niederschwellig, die wahlweise Anonymität mag den Kreis derjenigen erweitern, die sich dem Komitee anschließen; man scheint ja Bedarf an möglichst vielen Juroren zu haben, um die anfallende Arbeitslast schultern zu können, daher ist das relevant.
B)
Jurymitglieder stehen mit ihrem Namen hinter der Jury und veröffentlichen in einigen Stichpunkten die Kriterien, die sie bei einer Bewertung anlegen (wollen).
Möglicher negativer Effekt: unsachliche Diskussion von Außenstehenden über die Eignung einiger Jurymitglieder. Eventuell unangemessene Beeinflussungsversuche, die auf einzelne Jurymitglieder gezielt sind. Vielleicht gibt es da Erfahrungswerte derjenigen, die ihre Juryarbeit offengelegt haben? Jedenfalls könnte die Öffentlichkeit potenzielle Jurymitglieder von einer Mitarbeit abhalten.
Positiver Effekt: Jeder kann ersehen, ob die ihm für SF-Werke wichtigen Kriterien angemessen in der Jury vertreten sind oder nicht. Potenziell an der Juryarbeit Interessierte können abschätzen, ob sie möglicherweise einen Hintergrund einbringen würden, der bislang unterrepräsentiert ist (obwohl ich persönlich das für nachrangig halte, könnte es ja für andere so wichtig sein, dass sie sich zur Mitarbeit entschließen).
Generell zur Gewinnung von Jurymitgliedern:
Ich habe den Eindruck, in der Diskussion liegt ein Schwerpunkt darauf, wie viel Arbeit die Mitarbeit im Komitee ist, wie wenig Dankbarkeit man dafür bekommt und wie unangenehm einige Diskussionen zur Preisfindung sind. All das soll natürlich nicht verschwiegen werden, wenn es denn so ist, aber möglicherweise wäre es sinnvoll, daneben auch darzustellen, worin Spaß, Freude und Befriedigung der Mitarbeit im Komitee liegen - mithin, was positiv zu erwarten ist, wenn sich jemand zu einer Mitarbeit entschließt.
Bearbeitet von Bernard, 01 November 2023 - 10:44.