Ohne behaupten zu wollen, auch nur ein Fünftel der deutschen SF-Publikationen gelesen zu haben, ist mein Eindruck auch bei den nicht gelesenen Werken, aufgrund der Inhalte und vielen Probetexten, die ich gesichtet habe: Oft fehlt es an Kühnheit, an Grenzerfahrungen, an dem was Englischsprachige Mindbending und Sense of Wonder nennen. Oft sind mir Remixes wohlbekannter Topoi begegnet. Dies gilt für alle Quellen, wenn auch in unterschiedlichem Ausmaß (Publikumsverlag, Kleinverlag, Selfpublishing) und natürlich stichprobenartig. Ich sichte auf diese Weise pro Woche etwa eine Handvoll Werke.
Was meine SF-Präferenzen angeht, bin ich offen für alles, was wissenschaftlich halbwegs plausibel, originell und inspirierend ist. Wenn es dann noch sprachlich brilliert, psychologische Tiefe und sogar Spannung anbietet, umso besser.
Ich glaube, ein Teil des Problems liegt in der traditionellen Unterscheidung zwischen U- und E- Literatur (oder auch Musik) in Deutschland.
Das Schattendasein der SF im deutschen Literaturmarkt hat verschiedene Ursachen. Eine von denen wird sich schwer beheben lassen. Es gibt nicht wenige Menschen, die den fiktionalen Traum nicht träumen können, wenn die Inhalte zu stark von ihrem Realitätsverständnis abweichen oder sie zu sehr an ungeliebte Fächer aus der Schule erinnern. Manche empfinden SF sogar als unheimlich. Eine große Ausnahme in Bezug auf diese Ursachen sind bestimmte Spielarten der Fantasy, weil sie Märchen ähneln, einem Narrativ, das wir in Kindestagen gelernt haben zu lieben.
Wir haben auch keinen Bundeskanzler, der durch seine Sommerlektüreliste auffällt. Stellt euch mal vor, Annalena Baerbock würde von Dies ist mein letztes Lied schwärmen. Oder Pistorius empfähle Athos.
Ich vermute, hier spielt es auch eine Rolle, dass Prominente dieser Art ein bestimmtes Image in der Öffentlichkeit pflegen. Da das Image von SF immer nur sehr U ist und nicht E, diese Personen aber bestimmt als E wahrgenommen werden möchten ...
Ich sehe diese Unterscheidung auch als schwierig an. Es muss doch Möglichkeiten geben, mit Anspruch und trotzdem unterhaltsam zu schreiben.
Ganz sicher ist das möglich. Es gibt ja viele Werke, die das beweisen. Es sind nur oft keine deutschen Werke.
Mein Gefühl ist, dass auch Agenturen wenig Fantastik vertreten und SF gleich gar nicht. Ich habe es daher als Autorx schwer, überhaupt in einen Publikumsverlag zu kommen. Aber das kann natürlich auch kein Maßstab für irgendwas sein. Ich nahm es bislang als Hinweis darauf, dass mein Lieblingsgenre wenig nachgefragt wird.
Meine Recherchen haben bislang auch ergeben, dass im Gesamten nur wenige Agenturen SF-Texte annehmen. Das ist vielleicht einfach dadurch bedingt, dass SF im Gesamtvolumen des Angebotes auf dem Buchmarkt nur wenige Titel anbietet, was wohl mit den Verkaufserwartungen zu diesem Genre zusammenhängt.
Bearbeitet von Christian Hornstein, 25 Januar 2024 - 10:13.