Ma jada von Hollarius
Da würde ich als Genre mal Fantasy unterstellen. Queer Fantasy, falls es sowas gibt.
Obwohl die Story kurz ist, hat sie beachtlich viel Weltenbau. Ich denke da vor allem an die Sprachen, die angerissen werden und die auch einiges über die Kultur dahinter sagen.
Eigentlich umreißt die Geschichte nur einen Tag. An dem extrem viel passiert! Der geliebte Cousin der Hauptfigur wird getötet (wegen einer Nichtigkeit von "den Reinen") und er war erst dreizehn und das Verhältnis zu ihm war eher väterlich als alles andere. Der Ich-Erzähler trauert hier fast wie um einen Sohn. Das war schon extrem gut dargestellt. (Vor allem dann, wenn ich mir überlege, wie sonst in unserer Szene Trauer geschildert wird, oder vielmehr: Einfach nicht geschildert wird und ich spreche hier nicht von gekonnten Leerstellen.)
Dann trifft der Ich-Erzähler seine erste Liebe, die auch körperlich wird, Gefrion, die eine Frau ist, und zwar eine Frau mit einem anderen kulturellen Hintergrund und einer anderen Muttersprache, die aber dennoch ein paar (wichtige!) Worte in seiner Sprache kennt (siehe auch Titel). Er tötet jemanden, es gibt Sex.
Da passiert schon massiv viel in so einer kurzen Story und an immerhin nur einem Tag (der rückblickend erzählt wird und der Schluss lässt vermuten, dass die Beziehung zu Gefrion nicht bis zum erzählten Zeitpunkt überdauert hat, eine unglaublich geniale literarische Art, eine Leerstelle zu setzen, ihr seht mich begeistert! Was für ein Niveau!).
Ja, es ist nicht chronologisch, ich hab's auch zweimal (mit etwas Abstand) gelesen und mir dann beim zweiten Lesen erst so richtig zusammengebastelt.
Zuerst wird Goidi (dreizehnjähriger Cousin) getötet. Dann trifft er (ca. einen halben Tag später) Gefrion. Und tötet jemanden. Ich glaube, den Sex mit Gefrion gibt es erst danach (der wird aber davor erzählt), da bin ich mir aber auch nicht komplett sicher, würde aber am meisten Sinn ergeben.
Meine Begeisterung bei dieser Geschichte (denn einfach nur: Jemand verliert einen geliebten Menschen, lernt Frau kennen, tötet den Feind und hat danach Sex und erinnert sich deutlich später nostalgisch an ihre Küsse) wäre jetzt irgendwie nichts, was mich so richtig aus der Abstellkammer locken würde) liegt in den Details.
Hier die Beschreibung von Goidi:
Er war so ein kleiner Spinner. So herrlich voll mit sich selbst, wie Jungen es halt mit dreizehn sind, hatte er sie [eine Schnur aus gesponnenem Silberstrahl, die später noch sehr wichtig wird] wirklich zu einer Waffe gemacht.
Wer hat da bitte nicht sofort ein Bild im Kopf?
Und der Ich-Erzähler nennt Gefrion "ma Jada" (mein Schatz, siehe Titel), und sie nennt ihn "mo jado", offenbar die männliche Version dessen, was cool ist, weil er "ephemo" ist. Es gibt in seiner Sprache ein Wort für das, was er ist (ein trans Mann) und sie kennt dieses Wort und benutzt es auf eine Art und Weise, die ihn erleichtert und ihm ausreichend viel Vertrauen und Selbstvertrauen einflösst, dass er später mit ihr schläft. Das ist schon bedeutsam. Es ist nicht selbstverständlich, dass sie seine Sprache (die sie ja nur in kleinen Stücken beherrscht) so gut einsetzen kann. Fand ich klasse.
Und das ist alles so subtil, dass ich es nur feiern kann!
Der Tod von Goidi wird auch so krass dargestellt, aber gleichzeitig authentisch ohne Ende, ich fühle richtig mit.
... wie das Ding Goidi oberhalb der Hüfte traf. Der kleine Körper knallte hin und lag so auf dem Boden, wie man nicht liegen kann.
[...]
Der nächste Schlag, sein Kopf war rot und auch falsch und ich rannte.
Schön auch seine Sicht auf Cis-Männer:
Jeder Witz widerlich und dumm. Hätte ich mich entscheiden können, ich hätte kein Mann sein wollen, nicht wie sie. Aber es ist nun mal keine Entscheidung, ephemo zu sein.
Die Tötungsszene war auch großartig geschildert. Mensch nochmal. Wo kriegen die nur immer solche Texte her?
Und wo sind mehr davon?