Naja, vermutlich suchen die jungen Männer sehr verschiedene Sachen. Aber die Antworten sind wirklich interessant. Ich hätte bei manchen Sachen genau das Gegenteil vermutet, aber offenbar gibt es eine Sehnsucht nach Helden, aber genauso nach sich real anfühlenden Beziehungen und Dialogen. Murderbot würde ich da wohl auch empfehlen, aber auch Ivan Ertlov könnte passen, was die Action angeht.
Für mich ist die Ironie daran, dass du durchaus woke Elemente mit dem Casual zu vereinen weißt. Gerade was Queer-SF angeht, lese ich aktuell deine Storys lieber als die von Aiki Mira, zumal sie sich mir näher anfühlen. Und bevor du jetzt gegen mich ausholst, was mir einfiele, dich vor Aiki zu stellen: Das ist mein Gusto. Darüber streiten lohnt sich sowieso fast nie.
Aber was junge Männer angeht: Ich glaube, mal auf der BuCon gehört zu haben, dass du hauptberuflich Therapeutin bist. Ich kann jetzt nur aus der Sicht eines Ausbilders mitreden, aber die Probleme, Sorgen und Wünsche junger Männer manifestieren sich zunehmend. Viele suchen nach einem Wert in der Gesellschaft, nach Vorbildern und sind unglaublich zwischen dem immer noch stark propagierten Männerbild (Stärke, Stoik, Effizienz, Ambition) und dem neuen Frauenbild hin und her gerissen. Gleichzeitig nimmt das Mobbing an den Schulen zu, das sich mehr und mehr gegen "unmännliche" Männer richtet, die zu schnell ihre emotionale Seite zeigen oder zu wenig Widerstand geben. Der Bedarf an Vorbildern ist aus meiner Erfahrung stark angewachsen, was die Medien im Moment gar nicht mehr bedienen können. Von daher wundert es mich nur wenig, dass ich junge Männer die Podcasts von Jordan Peterson, Matt Walsh oder dem schwer geisteskranken Andrew Tate anhören. Gerade bei den zukünftigen Intellektuellen ärgert es mich massiv.
Die hatten früher Spock, Obi-Wan, Captain Picard oder Han Solo. Shinji (aus Neon Genesis Evangelion) brachte vermutlich eine ganze Generation mit den Tücken und dem Wesen der Depression in Berührung. Jetzt blieb ihnen ... was? Captain Titus? Wobei ich den eher als nostalgische Power-Fantasy von Nerds für 30+ sehe. Vielleicht noch Jack Reacher. Aber die Liste ist kurz geworden.
Und gerade DAS ist aus meiner Sicht der Zweck der Phantastik: Eskapismus zur Selbstreflektion. Ich will gar nicht wissen, wie oft ich als Jugendlicher in Romane nach Rat oder Zuflucht gesucht habe, weil ich meinen Selbsthass kaum in Griff bekommen – und gefunden habe. Und besonders in einer Zeit, in der viele, seit Jahrtausenden bestehenden Werte massiv überdacht werden, braucht es das eigentlich mehr denn je.