Diesmal Re-Aktionen:
Jürgen schrieb:
Zitat
und zwar von den elitären und hermeneutischen Gruppen ( gut ausgedrückt, gell molosovsky ), die eine Abgrenzung zur "ihrer" Literatur WOLLEN.
Jupp. Eine ebensolche Abgrenzung der Freunde von Genre-, Trivial-, SF-Literatur finde ich aber genauso verkehrt. ich bin so größenwahnsinnig, beiden Speratisten-Grüppchen den Kopf waschen zu wollen. Die von Dir skizzierte »Literaturelite« wertet SF ja gar nicht mal groß aktiv ab, sie macht etwas noch perfideres: sie ignoriert solche Dinge wie SF und Genre-Phantastik einfach. Teils wohl aus ästhetisch-ideologischer Abneigung, teils wohl, weil sie auf diesen Gebiet mit ihren Routinen der Unkompetenzkompensierungskompetenz kaum so weit kommt, wie beim witzlosen Belobhudeln eines öden Freulleinwunders.
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Zu SENSE OF WONDER.
Tja-Ähm, der Begriff bezieht sich meiner Meinung auf eine Werk-Leser-Beziehung mit Augenmerk auf die religiös-mystische Grundqualität von fiktionalen Erzählungen. Im Laufe des Lebens nimmt die Gravitation der Realität überhand, aus einem Eingebohrensein in eine Schöpfung wird immer mehr ein Hineingeworfensein in ein Chaos. SoW ist ein Manna, das diesen Basso Continuo des Lebens erträglicher macht.
Gesellschaftlich-politisch verstehe ich daher als kritische Aufgabe (im Sinne des Satre'schen »Engagements«) von Phantastik, dieses Manna anzubieten, ohne der »Degeneration« oder Unmündigkeit Vorschub zu leisten.
Lustig übrigens, daß SoW nichts über die Färbung des »sich Wunderns« aussagt. Ob man sich wie bei Lovecraft kosmologisch graust, oder wie bei Tolkien trotz Vergänglichkeit einkuschelt, es wird in beiden Fällen die gleiche Tranzendental-Leitung zum Leser angezapft.
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Zu
smartsmarts Anfrangs-Problem:
Man muß sich schon arg nach guter SF sehnen, um einen Frust wie Deinen so zu äußern. Das mag ich.
Ich jammere diesbezüglich immer, daß die Übersetzer zu wenig Zeit und Geld bekommen. An dem Ende werden Turbulenzen der (globalen) Verlagswelt unangenehm manifest.
Habs im Lesezirkel dieses Jahr gemerkt. Der aktuelle Matt Ruff bei Hanser mit wenigen Schnitzern fein übersetzt; H.G. Wells bei Zsolnay/dtv war eine ältere Übersetzung, entsprechend aus einem Guss, solide; Charles Stross bei Heyne aber dann eine mittlere Katastrophe. Bei Ruff und Wells wurden die flüchtigeren Qualitäten der Originale ganz gut entsprechend ins Deutsche übertragen, bei Stross verfiel der flappsig-respektlose Ton zu einem verkniffen-ironischen.
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Gute Zeitgenossen:
Thomas Bernhard ist (leider, gottseidank) tot. Da ergänz ich den zu früh verstorbenen Heiner Link.
Und sonst - echt nichts bekannt, wertgeschätzt? Wie wärs mit:
Helmut Krausser, Gisbert Haefs, Thor Kunkel, Jakob Arjourni, Doris Dörrie, Thea Dorn, Michael Roes, Frank Schulz, die bereits erwähnten Herrn Owald und Lenz, der Enzensberger, Christoph Ransmayer, Alban Nicolai Herbst, Eckhard Henscheid, Hans Plenschinski, Christian Kracht, Rainald Goetz, Stan Nadolny, Josef Haslinger, Thomas Hetche.
Leben alle noch, und schreiben (imho) exzellente bis gute Bücher.
Neben diesen »allgemeinen« guten Literaten, können »Genre«-Autoren wie Andreas Eschbach, Marcus Hammerschmitt und Michael Marrak durchaus bestehen. Auch ich bin manchmal ein wenig traurig, weil man sich Hüben wie Drüben ein wenig schwer damit tut, die Bücher dieser Autoren zuvörderst als gute Literatur zu nehmen.
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Und
Lomax: Du konstruierst da ja einen interessanten Teufelskreis!
Wenn ich Dich richtig verstehe, befürchtest Du, daß einerseits daß sich Autoren, Lektoren und Verlage mit Blockaden und Backformen eine erfrischende Sicht auf das Genre verbaun; andererseits, daß die Leser im SF-Genre gar kaum nach sprachlichen Kriterien auf Lustsuche gehen.
Tragisch tragisch, denn das hieße ja, daß es auf beiden Seiten dann Minderheiten gibt, die gerne mit Anspruch und auf der Höhe der Zeit SF schreiben und lesen wollerten, aber als Marktgruppe eben zu popelig sind, um tatsächlich befriedigende Produkte möglich werden zu lassen.
Da frag ich dann mal mit Suche nach einem Ausweg: fehlt es vielleicht an wirtschaftlich kecken Leuten, die diese »Middlebrow«-Marktnische erfolgreich bedienen? Fehlt es den großen Publikumsverlagen an Gespür und Geschick bei ihrem Marktauftritt. Leiden »wir« an zu schwächlichen Mittlern zwischen den Produzenten und dem Publikum. Liegts am End gar am Fandom?
Jetzt aber Schluß mit den sokratischen Schuldzuweisungsüberlegungen.
Entschuldigt die Devianz.
Grüße
Alex / molosovsky
EDIT: Ror Wolf lebt!
Bearbeitet von molosovsky, 16 M�rz 2005 - 15:30.