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95 Antworten in diesem Thema

#31 Jürgen

Jürgen

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Geschrieben 15 März 2005 - 12:54

@Nessuno

Diesen Satz verstehe ich nicht, Jürgen. Ich bin der erste, der einräumt, dass "Sternentanz" ein gescheitertes Experiment ist (bzw. sein kann), aber als KRITIKER ist Clute doch wohl nicht "vollkommen überschätzt", oder?

Also... hast du schon einmal Clute´s Rezensionen, die er in den letzten Jahren verfasst hat, gelesen. Wenn ja, sage mir doch einmal ehrlich, ob du für dich irgendeine nützliche Information daraus gewonnen hast... z. B. ob das rezensierte Buch dein Geschmack ist oder ob es dich thematisch anspricht ? Ist es nicht die Essenz einer Rezension, dass der Leser dieser Rezi einen Einblick erhält, ob das besprochene Buch für ihn überhaupt interessant ist ? Clute schreibt keine Rezi´s mehr, er inszeniert seine Meinung in einem Schwall nichtssagender Worte. @Jakob

ich denke aber, dass auch Science Fiction noch anderes machen kann als unterhalten

Sehe ich auch so. SF kann Denkanstöße geben, extrapolierte Entwicklungen beschreiben, kann sogar laufende Foschungen in eine bestimmte Richtung beinflussen... SF kann viel, zumal eine Menge Autoren aus diesem Bereich ansgebildetet und fachkundige Naturwissentschaftler sind. Und trotzdem... SF ist Unterhaltungsliteratur ! Wenn ich SF lese, möchte ich in erster Linie unterhalten werden (muss mal schauen, ob ich nicht ein Platz beim FESTIVAL ergattern kann ;) ) Sprachliche Experimente behindern die Unterhaltung. Natürlich gibt es Ausnahmen, die einen persönlich ansprechen... in meinem Fall der Stil von William Gibson, aber ich kann es durchaus nachvollziehen, dass einige Leser mit Gibson´s Stil überhaupt nicht zurechtkommen. Aber jetzt schweife ich doch stark ab, denn ein Vergleich Gibson - Clute ist einfach nur abwegig ! @Konrad

Scheint einmal mehr mein Vorurteil zu bestätigen, daß Kritiker keine Bücher schreiben sollten.

Gott erhalte die Arbeitskraft meiner Frau und meine Vorurteile ^_^ Ich werde einfach den Eindruck nicht los, dass Clute´s Buch aus völlig eigennützigen Gründen von einigen Autoren so hochgelobt wurde. Clute´s Einfluss auf die internationale SF-Szene ist nicht ohne und eine schlechte Rezension zu einem Buch kann sich in nackten Verkaufszahlen niederschlagen. Ich befürchte, einige Autoren haben ganz einfach keine Lust dazu, sich mit DEM John Clute anzulegen. Aber das ist mehr eine persönliche Annahme, die ich in keinster Weise beweisen könnte... nachdenken darf aber erlaubt sein. Gruss Jürgen (der sich hiermit dafür entschuldigt, dass ein unschuldiger Thread für seine Auseinandersetzung mit einem Halbgott der SF missbraucht wird )

Bearbeitet von Jürgen, 15 März 2005 - 12:55.

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#32 Nessuno

Nessuno

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Geschrieben 15 März 2005 - 12:55

Was ist gut geschrieben?  Eine sehr schwere Frage, die wahrscheinlich nicht einmal ein Literaturkritiker objektiv beantworten kann.

Ja, das sehe ich genau so. Aber wenn Literaturkritik tatsächlich Literaturwissenschaft sein will, muss es objektive und für alle nachvollziehbare Kriterien für die Wertung geben. Ansonsten ist es halt keine (objektive) Wissenschaft, sondern (subjektive) Kunst. Nessuno

#33 Jürgen

Jürgen

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Geschrieben 15 März 2005 - 13:00

Aber wenn Literaturkritik tatsächlich Literaturwissenschaft sein will, muss es objektive und für alle nachvollziehbare Kriterien für die Wertung geben. Ansonsten ist es halt keine (objektive) Wissenschaft, sondern (subjektive) Kunst.

Ich hätte es nicht besser ausdrücken können !
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#34 Konrad

Konrad

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Geschrieben 15 März 2005 - 13:09

Äh, das scheint mir doch in der Tat ein Vorurteil zu sein, Konrad.  ;) Unter den Kritikern, die SF geschrieben haben, fallen mir auf Anhieb Arno Schmidt, Kurt Tucholsky, Albert Ehrenstein, O. J. Bierbaum, Karl Hans Strobl ein. Ich denke, es ist bei den Kritikern wie bei den anderen Schreiberlingen ... 90% ist Mist ...

Du hast mich erwischt, Nessuno. ^_^ Ich gebe es ja zu. Aber die Diskrepanz zwischen Anspruch und (eigener) Wirklichkeit bei Kritikern reizt einfach zu sehr. ;) Konrad

#35 smartsmart

smartsmart

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Geschrieben 15 März 2005 - 13:20

@NessunoObjektive Kriterien halte ich für extrem schwierig.Ich kann mit Kritiken dann etwas anfangen, wenn ich den Kritiker und dessen Meinungen, Vorlieben etc. kenne, d.h. im übertragenen Sinne muß ich das Meßgerät und seine Eichung kenne, mit dem gemessen wird. Dann kann ich auch das Meßergebnis entsprechend würdigen und verstehen. (ist so ein bßchen wie in der Physik, wo auch die Erkenntnis besteht, dass eine Messung das Meßobjekt beeinflusst - da kennen sich aber die Natirwissenschaftler besser aus).Wie ist das hier im Forum denn so, was wird denn über die SF hinaus noch so gelesen? (vielleicht ein Thema für einen eigenen Thread)

#36 Jürgen

Jürgen

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Geschrieben 15 März 2005 - 13:34

Als Beispiel für eine "typische" Clute Rezi, habe ich mal folgenden Beitrag herausgesucht, der in AC erschienen ist. Als ich DAS gelesen hatte, fragte ich mich ernsthaft, "was hatte Clute denn da gelesen ?" Link

Bearbeitet von Jürgen, 15 März 2005 - 13:35.

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#37 Jakob

Jakob

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Geschrieben 15 März 2005 - 13:37

Aber wenn Literaturkritik tatsächlich Literaturwissenschaft sein will, muss es objektive und für alle nachvollziehbare Kriterien für die Wertung geben. Ansonsten ist es halt keine (objektive) Wissenschaft, sondern (subjektive) Kunst.

Dazu kann ich smartsmart nur zustimmen. Ich will nicht sagen, das alles Geschmackssache ist - aber Literatur basiert nun wirklich mehr als alles andere auf veränderlichen gesellschaftlichen Konventionen, udn was heute Müll ist, kann morgen eine Perle sein ... oder andersrum. "Objektiv" im Sinne von "zeitlos" hätte sich damit schon mal erledigt. Das objektivste, was geht, ist meiner Meinung nach, die eigenen Kriterien möglichst klar offenzulegen. Und ich hab eigentlich den Eindruck, dass Clute das meistens macht ... Auf jeden Fall ist die Literaturwissenschaft ganz sicher nicht objektiv in Abgrenzung zur "Kunst" (und über die Behauptung, die wäre rein "subjektiv", wären sicher zwahlreiche kunstiwssenschaftler bestürzt ...). Da muss man nur mal ein paar Literaturwissenschaftler reden hören, und zwar gerade die der "klassischeren" Spielart - bei denen geht es dann regelmäßig um "Einfühlung" ... Jedenfalls ist unsere Vorstellung davon, was gut ist, ohnehin durch Jahrzehnte der "Kritik" gebildet. Und die ist damit in letzter Instanz doch wieder recht willkürlich.
"If the ideology you read is invisible to you, it usually means that it’s your ideology, by and large."

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#38 Konrad

Konrad

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Geschrieben 15 März 2005 - 13:56

Ich kann das nur rein subjektiv für mich erklären. Ab und zu findet man Bücher, die einen ansprechen. Das geht mir insbesondere mit solchen Büchern so, bei denen es der Autor schafft etwas so zu beschreiben, dass man sich in diese Stimmung oder das Gefühl hineinversetzen kann und für sich denkt: Da hat der Autor genau auf den Punkt getroffen und etwas beschrieben, was man selbst mit Worten nicht so beschreiben könnte, gefühlsmäßig aber genau so empfindet.

Das geht mir ähnlich und wenn man ein solches Buch mal wieder gelesen hat, wird einem bewußt, was im SF-Genre fehlt. Interessanterweise ist diese Empfindung völlig unabhängig von der Gesamtbewertung des Inhalts des Buches. Ich habe vor einiger Zeit Hesse's Steppenwolf mal wieder gelesen. Zuletzt hatte ich ihn im Gymnasium vor 30 Jahren gelesen und war damals ganz begeistert. Diesmal dachte ich, was für ein kitschiger exaltierter Schmus, aber was kann der Mann schreiben! Diese punktgenaue Formulierungen, diese glasklare Diktion, einfach toll. Gruß, Konrad

#39 Nessuno

Nessuno

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Geschrieben 15 März 2005 - 14:08

@ Jakob und SmartsmartIch denke, wir sind uns in dem Punkt einig, dass es absolute, d.h. transhistorische Kriterien und Maßstäbe in der so genannten Literaturwissenschaft nicht gibt (m.E. darf man daher den meisten - nicht allen - Geisteswissenschaften nicht den Rang einer Wissenschaft einräumen. Ob man das dann Kunst oder anders nennen möchte, darüber will ich gerne diskutieren). Die Frage ist dann nur, was überhaupt dann Wertungen (außer vielleicht einer sehr groben Verständigung) in Literaturdingen sollen. Denn die Konsequenz aus dem Gesagten wäre dann doch zu folgern, dass eine Aussage wie "Ich mag John Clutes "Appleseed" nicht" genau denselben Stellenwert hat wie z.B. "Ich mag die Farbe Gelb nicht".Beide Aussagen sind letzten Endes völlig subjektiv. Eine Diskussion erübrigt sich daher.NessunoEDIT 1: Hinter meinem letzten Satz möchte ich noch ein "ODER?" setzen.EDIT 2: Gutes Beispiel, Jürgen ... ;)

Bearbeitet von Nessuno, 15 März 2005 - 14:29.


#40 Jürgen

Jürgen

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Geschrieben 15 März 2005 - 14:10

@KonradStilistische Feinheiten sind aber nicht zeitlos.Als ich mich in letzter Zeit ein wenig mehr mit John Brunner beschäftigt habe, wurde ich den Eindruck nicht los, mich in Sachen Stil und Sprache voll in den Sechzigern zu bewegen.Damals waren wohl Brunners Sprachelemente up to date; heute wirken sie ein wenig überholt und "altmodisch". Dadurch verliert z. B. Morgenwelt einiges an Glanz.Hesse´s Steppewolf ist auch für mich ein ganz klares Beispiel dafür, dass man die deutsche Sprache bis zum Anschlag ausreizen kann, ohne dabei modische Sprachkomponenten einzubauen.GrussJürgen
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#41 Konrad

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Geschrieben 15 März 2005 - 15:09

Hesse´s Steppewolf ist auch für mich ein ganz klares Beispiel dafür, dass man die deutsche Sprache bis zum Anschlag ausreizen kann, ohne dabei modische Sprachkomponenten einzubauen.

Ich vermute mal, daß du einen schnörkellosen Sprachstil favorisierst, Jürgen. In diesem Sinne war Hesse's Stil damals sicherlich sehr modern. Für mich ist dies nicht so wichtig. Ich akzeptiere auch einen altertümlichen Stil, wenn die Formulierungen treffend und der "Ton" stimmig ist. Gruß, Konrad

#42 Lomax

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Geschrieben 15 März 2005 - 15:48

dass es absolute, d.h. transhistorische Kriterien und Maßstäbe in der so genannten Literaturwissenschaft nicht gibt (m.E. darf man daher den meisten - nicht allen - Geisteswissenschaften nicht den Rang einer Wissenschaft einräumen.

Dieser Definition zufolge gibt es wohl gar keine Wissenschaft. Man sollte ja nicht vergessen, dass auch die meisten bahnbrechenden naturwissenschaftlichen Erkenntnisse zunächst als Spinnereien angesehen wurden, die angeblich unter Beachtung aller (und auch heute nicht in Frage gestellten) "transhistorischen Kriterien und Maßststäbe" von der Masse des Wissenschaftsbetriebes abgelehnt und stets nur als Minderheitenmeinung angefangen haben. Anfangen kann man damit meinetwegen bei Galilei, bis man über die Plattentektonik irgendwann zu Tunneleffekten und Verschränkungsphänomenen kommt. Die Literaturwissenschaft leidet da nur unter demselben Problem wie jede andere Wissenschaft auch: Dass jeder einzelne Wissenschaftler zwar auf der einen Seite seine lupenreine Methodik hat, auf der anderen Seite aber gerne mal nicht so genau auf die Details schaut, wenn er sich in seine Meinung verliebt hat. Und erschwerend kommt hinzu, dass sich die Literaturwissenschaft allzu sehr mit fachfremden Einflüssen auseinandersetzen muss und daher einfach viele Begriffe mehrfach besetzt sind und alle Leute dasselbe sagen, aber etwas anderes meinen - oder umgekehrt. Da hat ein Physiker es ja vergleichsweise gut: Es laufen wenig Laien herum, die ihm erzählen wollen, wie ein Atomkraftwerk funktioniert; und die wenigen finden auch nicht so viel Gehör. Aber in der Literaturwissenschaft reicht mitunter schon der Vorsitz im kleinstädtischen Hausfrauen-Literaturkränzchen, um in der Zeitung als Experte zitiert zu werden ;) Und wie ich nicht aus den Diskussionen der Kommission für Bioethik oder einer Parlamentsdebatte zur Kernkraft auf den Zustand der Naturwissenschaften schließen will, so wenig sagen Literaturkritiken oder Lesermeinungen über die Literaturwissenschaft aus. Ich erinnere mich noch sehr gut an das Gesicht meines Profs, als ein Kommilitone mal einen Artikel von Reich-Ranitzki als Beleg für seine Aussage anführen wollte ... ;) Ich denke, in der laufenden Diskussion muss man auch nicht so abheben und über "gute und schlechte Literatur" sprechen, über "Anspruch" oder "sprachliche Experimente". Ganz ohne Wertung und aus der Praxis stelle ich auch fest, dass im Bereich der SF-Literatur auf die Texte ein starker Druck zu "sprachlich einfach" und "Grundwortschatz" existiert und durch Feedback von Kollegen, Auftraggebern und Leser spürbar ist. Das ist in anderen Genres nicht so ausgeprägt. Dass dieser Druck des Marktes natürlich auch die verfügbaren Texte in gewisser Hinsicht beeinflusst, ist klar. Denn von irgendwas wollen Autoren, Verlage und Lektoren ja auch leben ^_^ Aber ich finde es auch schade, dass der Kompromiss so selten ist: Nämlich ein Buch, dass einfach eine spannende Geschichte erzählt und das trotzdem alle Möglichkeiten der Sprache mutig ausreizt. Und zwar ohne manieristische "Experimente". Aber die wirklich entscheidende Frage dafür ist doch: Wer traut sich das, wenn er von so vielen Leuten missträuisch beäugt wird, die eine einfache Inversion schon für einen Grammatikfehler halten? ;)
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#43 Jakob

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Geschrieben 15 März 2005 - 15:54

Lomax vorheriges Posting

Unterschreib ich. Inklusive Kleingedrucktes.
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#44 Pogopuschel

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Geschrieben 15 März 2005 - 16:12

@ LomaxIm Gegenteil zu den Geisteswissenschaften, lassen sich in den Naturwissenschaften, die meisten Theorien durch Experimente, Beobachtungen oder mathematische Beweisen auch belegen bzw widerlegen. Die Geisteswissenschaften insbesondere die Literaturwissenschaft halte ich für eine sehr subjektive Wissenschaft. Die "Intention" eines Autors lässt sich schlecht Beweisen, man kann sie auch nicht empirisch nachweisen. Man kann nur Vermutungen anstellen. Damit möchte ich die Geisteswissenschaften aber nicht abwerten. Ich bin selber kein Naturwissenschaftler sondern studiere Sozialpädagogik. Fazit dieses Posts soll sein, dass sich meiner Meinung nach Naturwissenschaften und Geisteswissenschaften schlecht vergleichen lassen. Gruß Markus

#45 Jakob

Jakob

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Geschrieben 15 März 2005 - 17:20

Die "Intention" eines Autors lässt sich schlecht Beweisen, man kann sie auch nicht empirisch nachweisen. Man kann nur Vermutungen anstellen

Darum geht es aber auch gar nicht, zumindest in der Literaturwissenschaft neueren Datums - das wird dir sicher nahezu jeder Literaturwissenschaftler so bestätigen. Auf englisch gibt's dafür, wenn ich mich richtig erinnere, den schönen begriff "intentional fallacy" - die Vorstellung, ein Roman bedeute das, was der Autor gemeint habe. Daneben gibt es auch die schöne "affectional fallacy" - das ist dann der Subjektivismus, der sagt, "Das Buch bedeutet genau das, was es für mein Empfinden bedeutet". Beide herangehensweisen sind zwar legitim, aber als Wissenschaft schlicht und einfach langweilig, weil sie nicht diskutabel sind. Viel eher versucht Literaturwissenschaft (wenn sie m.E. gut ist), Literatur in gesellschaftliche Verhältnisse einzuordnen. Und dabei folgt sie Methoden, die sich von Naturwissenschaften kaum unterscheiden: 1. Es wird Datenmaterial zusammengestellt (In der NW meistens durch Sichtung und Experimente, in der LW eher nur durch Sichtung) 2. Es wird eine Theorie entwickelt. 3. Es wird überprüft, ob die Theorie zum ermittelten Datenmaterial passt. 4. Dann beginnt die Suche nachDatenmaterial, dass die Theorie widerlegt - der eigentlich entscheidende Punkt. Solange diese Suche erfolglos bleibt, kann die Theorie (vorläufig, und immer nur vorläufig ...) Gültigkeit beanspruchen. Bei Punkt vier gibt es zugegebenermaßen einen Unterschied: Natürlich widerlegt in der Literaturwissenschaft nicht ein einziges Gegenbeispiel eine Theorie über eine Literaturgeschichtliche Epoche. Andererseits gilt das in einem gewissen Rahmen auch für die naturwissenschaften, wo unerwünschte Messergebnisse als Messfehler gesehen werden oder als "einzurechnender Fehler". Schöne Beispiele dafür gibt immer wieder der Biologe Stephen Jay Gould in seinen Büchern. Da stellt er zum Beispiel den recht streng wissenschaftlich vorgehenden italienischen Anthropologen Lombroso dar, der seinerzeit nach heutigen Erkenntnissen absolut unhaltbare Theorien darüber entwickelte, dass kriminelles Verhalten ein genetisch bedingter Atavismus sei. Zu seinen berühmten Fehlern gehörte, dass er die Auffassung vertrat, das menschen mit proportional längeren Armen den schimpansen genetisch näher seien, die proportional längere Arme als Menschen hätten. Das ist Unsinn, inzwischen ist es für jeden einleuchtend, das bei Menschen wie Schimpansen die Armlänge in einem gewissen Rahmen Proportional schwankt, dass beide Skalen aber genetisch schlicht und einfach nichts miteinander zu tun haben. Nach dem damaligen Verständnis von Genetik war Lombrosos Schluss aber vollkommen logisch (natürlich hat er sich die "kriminellen Neigungen langarmiger" dann noch etwas mühevoller zurechtkonstruieren müssen, aber mit Hilfe von Testgruppenauswahl und eingerechneten Fehlern können auch naturwissenschaftlich vorgehende Menschen sich einie Menge als richtig vormachen ...) Will sagen: was heute naturwissenschaftlich objektiv erscheint, ist in hundert Jahren vielleicht schlimmster Blödsinn. Und das ist nun mit der Literaturwissenschaft kaum anders ...
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#46 Lomax

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Geschrieben 15 März 2005 - 17:27

Fazit dieses Posts soll sein, dass sich meiner Meinung nach Naturwissenschaften und Geisteswissenschaften schlecht vergleichen lassen.

Und genau diese Einschätzung wollte ich ein wenig relativieren. Natürlich gibt es einen Unterschied zwischen Natur- und Geisteswissenschaften - besser gesagt: Es gibt einen fließenden Übergang zwischen Geisteswissenschaften und empirischen Wissenschaften. Am Anfang des geisteswissenschaftlichen Spektrums steht wohl die Mathematik, und danach kommen in zunehmendem Maße Mischformen. Sonderrechte für Geisteswissenschaften sehe ich nicht gerne. Ich halte es für eine Ausrede für schlampiges Arbeiten, die leider immer wieder auch von Vertretern der Disziplin in Anspruch genommen wird. Denn natürlich kann man auch in Geisteswissenschaften eine geschlossene Theorie bilden, man kann methodisch präzise arbeiten und empirische Daten (in der Literaturwissenschaft also z.B. Bücher) einordnen, auswerten und Aussagen treffen. Ich erinnere mich z.B. an einen Professor, der in der einen Hauptseminarssitzung erklärt hat, dass "Trivialliteratur" ja gar nichts mit dem Genre oder "Qualität" zu tun hat, sondern sich an strikt formalen Kriterien messen lässt. Er hat die Kriterien genannt, und er hat auch erklärt, warum Bücher diese Merkmale aufweisen, was für einen rezeptorischen Nutzen sie haben etc. Das ganze war gut mit Empirie unterfüttert, mit Studien zum Buchmarkt, Verteilungen ... Es war halt sehr nützlich und auch praktisch einsetzbar. Bei der nächsten Sitzung hat ein anderer Student in einem anderen Kontext ein Buch angesprochen, und der Professor hat nur die Nase gerümpft und meinte, dass täte hier nichts zur Sache, weil es ja nur Trivialliteratur wäre. Der Professor kannte das Buch nicht, er hat es nicht auf die von ihm vorgestellten Kriterien hin untersucht - er hat die Einordnung nur am Genre festgemacht. Er hat also schlichtweg selbst nicht getan, was er selbst als "literaturwissenschaftliches Arbeiten" vorgestellt hat. Das war natürlich sehr subjektiv, aber es war sicher kein Beispiel für gutes literaturwissenschaftliches Arbeiten. Zugegeben, in vielen Geisteswissenschaften und insbesondere auch in der Literaturwissenschaft spielen sehr stark Fragen der kulturellen Identifikation und der persönlichen Sozialisierung hinein. Viele Literaturwissenschaftler haben vermutlich mal von irgendwelchen Autoritäten gelernt, was ein "gutes Buch" ist. Und wahrscheinlich haben auch die meisten Sozialpädagogen unabhängig vom Studium schon von diversen Leuten gehört, wie man auf seine Mitmenschen eingehen sollte. Im Vergleich dazu kann ein Biologe sich doch recht unvoreingenommen und frei von sozialem Druck der Frage des Zellstoffwechsels widmen. Aber umso wichtiger ist es, die subjektiven Einflüsse von der methodischen Wissenschaft zu trennen, sie immer wieder zu hinterfragen und eben nicht zum konstitutiven Bestandteil der Disziplin zu erheben. Die Frage "was will der Autor uns damit sagen?" kenne ich übrigens ohnehin nur von schlechten Deutschlehrern; mit Literaturwissenschaft hat das wenig zu tun, und somit ist es auch recht irrelevant, ob man eine Intention des Autors beweisen kann. Ich sage dazu immer: Ich bin Germanist, kein Psychologe. Mich interessiert nicht, was der Autor sagen wollte, mich interessiert, was er geschrieben hat. Und "Beweise" gibt es ohnehin nur innerhalb der geschlossenen, rein geisteswissenschaftlichen Systeme. Die Naturwissenschaften und auch die empirischen Betrachtungen der Geisteswissenschaften müssen sich stets nur mit Belegen zufriedengeben. Und das lässt ja überall noch einen gewissen Raum für subjektive Meinungen, den man mehr oder minder ausnutzen kann. Nicht zuletzt auch in der SF-Literatur ;)
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#47 Lomax

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Geschrieben 15 März 2005 - 17:45

Äh, ja, ich sehe gerade: Da hatte schon jemand Stellung genommen und mein Posting kam leider nur auf den zweiten Platz. Das führt dann doch etwas ab, denn eigentlich wollte ich auch nicht, dass hier jetzt eine Wissenschaftsdiskussion draus wird.Eigentlich wollte ich bei meinem ersten Posting (Intention des Autors :D ) nur darauf hinweisen, dass sich die Diskussion in Bezug auf grundsätzliche Fragen der Literaturwissenschaft etwas verstiegen hat und dass das eigentlich interessante Thema ja die ganz praktische Frage nach der Bedeutung und den Grenzen von Sprache in der SF-Literatur war.Und ich wollte ein wenig Widerspruch ernten, um vielleicht selbst noch etwas zu lernen über ein Phänomen, das ich irgendwie nur missmutig zur Kenntnis nehmen kann ... Warum gibt es in diesem Genre so extrem die Spaltung zwischen "einfach erzählten Geschichten" und "verquasten, sprachlichen Experimenten" und so wenig Toleranz dazwischen?
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#48 Pogopuschel

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Geschrieben 15 März 2005 - 20:01

Ich hoffe es ist nicht der Eindruck entstanden, dass ich Literaturwissenschaft für unwissenschaftlich halte. Die Intention des Autors hatte ich nur als plakatives Beispiel genommen, wei mit gerade nichts besseres eingefallen ist. Ich muß aber zugeben, dass ich der Literaturwissenschaft gegenüber gewisse Vorurteile habe, weil ich den Eindruck habe das Literaturwissenschaftler Science Fiction und Fantasy immer gerne als trivial abstempeln. Wie in deinem Beispiel erwähnt, Lomax. Ich weiß, ich sollte hier auch nicht pauschalisieren. Es ist eben nur so ein Gefühl.

#49 Lomax

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Geschrieben 15 März 2005 - 20:42

Ah, ja - da haben wir doch eine hervorragende Ãœberleitung zu dem von smartsmart angesprochenen Thema:

weil ich den Eindruck habe das Literaturwissenschaftler Science Fiction und Fantasy immer gerne als trivial abstempeln.

Man kann durchaus Germanistik studieren, ohne sich auf dieses Vorurteil einzulassen. Ich gehe mal davon aus, dass ich dafür nicht das einzige Beispiel hier bin. Aber: Es ist mitunter schwierig, lange Zeit in diesem Genre zu lesen, ohne sich irgendwann zu fragen, ob es nicht doch Gründe für dieses Vorurteil gibt.
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#50 Pogopuschel

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Geschrieben 15 März 2005 - 21:08

Einer der wichtigsten Punkte ist sicher: Warum lese ich ein Buch. Ich selber lese Bücher um unterhalten zu werden. Am besten unterhalten mich abeneuerliche Bücher. Und da bietet die Science Fiction sehr vielseitige Möglichkeiten(viel mehr als es in der Fantasy.) Um gut unterhalten zu werden brauche ich keine anspruchsvolle Sprache, da bin ich nicht so wählerisch. Wichtig sind hier für mich die Ideen, die Gestaltung der Charaktere, die Spannung und eine gute Umsetzung des Ganzen. Wenn ich sprachlich anspruchsvolles lesen möchte, greife ich zur Abwechslung auch mal zu einem Klassiker (wie z. B. Thomas Mann, James Joyce, Thomas Pynchon usw...). Natürlich freue mich darüber wenn es einem SF- oder Fantasyautor gelingt, einen sprachlich anspruchsvollen Roman zu schreiben( wie zuletzt z. B. China Miéville), das macht dann beim Lesen doppelt Spaß. Es gib aber auch Autor die inhaltlich sehr anspruchsvoll schreiben, stilistisch aber eher bescheiden sind( z. B. Frank Herbert). Das stört mich dann nicht so. Ich beurteile Bücher normalerweise aber auch nicht nach Genres. Für mich gibt es nur zwei Arten von Büchern. Bücher die mir gefallen und Bücher die mir nicht gefallen.

#51 Pogopuschel

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Geschrieben 15 März 2005 - 21:34

@ smartsmartWelche SF Bücher haben dir den gut gefallen. Und welche Fehlgriffe haben dich den dazu bewogen SF in Zukunft zu meiden@ allDen Begriff Trivialliteratur finde eigentlich beleidigend. Laut Duden heißt trivial platt und abgesroschen. Ich denke aber nicht, dass man alle anspruchslosen Bücher als platt bezeichnen kann.

#52 Lomax

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Geschrieben 15 März 2005 - 21:53

Um gut unterhalten zu werden brauche ich keine anspruchsvolle Sprache, da bin ich nicht so wählerisch. Wichtig sind hier für mich die Ideen, die Gestaltung der Charaktere, die Spannung und eine gute Umsetzung des Ganzen. ... Natürlich freue mich darüber wenn es einem SF- oder Fantasyautor gelingt, einen sprachlich anspruchsvollen Roman zu schreiben( wie zuletzt z. B. China Miéville), das macht dann beim Lesen doppelt Spaß.

Das kann ich genau so unterstreichen. Der "Skinner" von Neal Asher war beispielsweise das letzte Buch, in dem ich regelrecht versunken bin. Überhaupt bin ich ein großer Fan von Space Opera. Ich habe auch immer gerne Star-Trek-Romane gelesen, und die Conan-Romane füllen hier ein ganzes Regalbrett :D Also, ich glaube nicht, dass ich allzu "literarisch verdorben" bin und zu hohe Ansprüche habe. Nur würde ich halt auch sagen: Wenn die Geschichte gut ist UND der Stil vielseitig, dann ist es halt noch besser. Die SF habe ich da oft als zweigeteilt empfunden: Da sind die normalen, inhaltslastigen Geschichten, wo die Fans dann gleich erschrecken, wenn sie mal ein ungewohntes Wort sehen. Und auf der anderen Seite verquaste SF mit dem dicken Stempel "Vorsicht Literatur". Es ist in etwa das Syndrom, was auch aus Mommers Rezension zum Nova anklingt: Wenn hier in Deutschland SF anspruchsvoll sein soll, wird's gleich manieristisch; andererseits: Wenn eine unterhaltsame Geschichte sprachlich mal etwas anspruchsvoller ist, wird ihr gleich vorgeworfen, manieriert zu sein. Und das sorgt dafür, dass die Mitte zwischen diesen beiden Polen recht dünn gehalten wird.
"Modern Economics differs mainly from old Political Economy in having produced no Adam Smith. The old 'Political Economy' made certain generalisations, and they were mostly wrong; new Economics evades generalisations, and seems to lack the intellectual power to make them." (H.G. Wells: Modern Utopia)

#53 Jürgen

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Geschrieben 15 März 2005 - 21:59

ahhhh... jetzt gleitet der Thread aber vollkommen in den falschen Bereich. @Pogopuschel

Den Begriff Trivialliteratur finde eigentlich beleidigend. Laut Duden heißt trivial platt und abgesroschen. Ich denke aber nicht, dass man alle anspruchslosen Bücher als platt bezeichnen kann.

Jetzt habe ich 10 Minuten über diese drei Sätze nachgedacht... und bin zu dem Schluß gekommen, dass du A: entweder die Worte falsch zusammengebaut hast. B: oder ein Tipfehler vorliegt Ein anspruchloses Buch ist nun mal... ähm... platt !!! und damit trivial, ergo ist es eigentlich im Sinne des Wortes unwichtig. Was die SF angeht, kann man eigentlich in den den letzten 30 Jahren diesen Begriff nicht mehr anwenden. Autoren wie Eagan, Brunner, Dick haben alles andere als "triviale" Werke vorgestellt. Egal ob politisch ambitioniert oder wissentschaftlich fundiert, diese Art der SF hat nichts mehr mit den Fanzines oder Groschenheften der Fünfziger Jahre zu tun. Aber zu einer Diskussion in diesem Bereich gibt es einen anderen Thread bei AC ... siehe hier Gruss Jürgen

Bearbeitet von Jürgen, 15 März 2005 - 22:08.

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#54 lapismont

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Geschrieben 15 März 2005 - 22:12

Man kann durchaus brilliante Reden halten, ohne Rhetorik studiert zu haben.Aber ein Rhetoriker kann erklären, warum die Rede brilliant war.Nimm ein anderes Beispiel.Du kannst Gawain und der Grüne Ritter lesen.Wenn Du keine Ahnung von Anglistik und Geschichte hast, wird das Gedicht maximal unterhaltend sein.Sein eigentlicher Inhalt aber bleibt verborgen. Denn den kann nur ein Wissenschaftler herleiten, der sich mit dem Ehrenkodex der Zeit auskannte, die Bedeutung der Bilder zu erklären vermag und hinter der längst vergessenen Färbung der Sprache schauen kann.
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#55 Jürgen

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Geschrieben 15 März 2005 - 22:22

@lapismont

Du kannst Gawain und der Grüne Ritter lesen. Wenn Du keine Ahnung von Anglistik und Geschichte hast, wird das Gedicht maximal unterhaltend sein. Sein eigentlicher Inhalt aber bleibt verborgen. Denn den kann nur ein Wissenschaftler herleiten, der sich mit dem Ehrenkodex der Zeit auskannte, die Bedeutung der Bilder zu erklären vermag und hinter der längst vergessenen Färbung der Sprache schauen kann.

Eine wirklich eindrucksvolle Analogie :lookaround: In den Bereich der SF übertragen könnte es sogar bedeuten, dass man/frau in zwei Gebieten firm sein muß... in Literatur UND in Naturwissentschaften. Eigentlich ahnte ich schon immer, dass es etwas besonderes ist, SF-Literatur-Leser zu sein. :D Gruss Jürgen

Bearbeitet von Jürgen, 15 März 2005 - 22:24.

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#56 Konrad

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Geschrieben 15 März 2005 - 22:53

Eigentlich ahnte ich schon immer, dass es etwas besonderes ist, SF-Literatur-Leser zu sein.  :rolleyes:

Äh, ich finde diese Diskussion wirklich sehr interessant. :D Nur geht sie irgendwie an der Frage vorbei, warum sich die Sprachästhetik der meisten SF-Romane auf Zeitungsniveau bewegt. Konrad PS: Oder fragen wir doch mal konkret: Hätte ein Pendant zu Süskind's "Parfum" im SF-Genre eine Chance ?

Bearbeitet von Konrad, 15 März 2005 - 23:41.


#57 Pogopuschel

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Geschrieben 16 März 2005 - 01:05

@Pogopuschel

Den Begriff Trivialliteratur finde eigentlich beleidigend. Laut Duden heißt trivial platt und abgesroschen. Ich denke aber nicht, dass man alle anspruchslosen Bücher als platt bezeichnen kann.

Jetzt habe ich 10 Minuten über diese drei Sätze nachgedacht... und bin zu dem Schluß gekommen, dass du A: entweder die Worte falsch zusammengebaut hast. B: oder ein Tipfehler vorliegt Ein anspruchloses Buch ist nun mal... ähm... platt !!! und damit trivial, ergo ist es eigentlich im Sinne des Wortes unwichtig. Was die SF angeht, kann man eigentlich in den den letzten 30 Jahren diesen Begriff nicht mehr anwenden. Autoren wie Eagan, Brunner, Dick haben alles andere als "triviale" Werke vorgestellt. Egal ob politisch ambitioniert oder wissentschaftlich fundiert, diese Art der SF hat nichts mehr mit den Fanzines oder Groschenheften der Fünfziger Jahre zu tun.

Vielleicht habe ich mit "anspruchslos" das falsche Wort gewählt. Ich meinte das es durchaus Bücher gibt, deren sprachlicher Stil einfach gehalten ist, die aber insgesamt trotzdem nicht platt sind. Man kann auch mit einfachen Worten eine gute Geschichte erzählen. Gruß Markus

#58 molosovsky

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Geschrieben 16 März 2005 - 07:32

TRIVIAL bedeutet »Dreiwegeeck«.Bezeiht sich auf Nachrichten, Zettel, Verlautbarungen, »Tot oder Lebendig«-Plakate ect., die auf Tafeln an Straßenkreuzungen, Plätzen usw aushingen. Die Breitenkommunikationsform vor Radio und Zeitungen.Bevor TRIVIAL also durch das Unglück der Konflikte im Ideenkrieg zu einer Diffamierung wurde, hatte es ehr die Bedeutung: »Jedem zugänglich, allbekannt.«Das Gegenteil von TRIVIAL wäre wohl eine Konstruktion wie, die »nur Ausgewählten, Eingeweihten«. Die Begriffe »hermeneutisch« und »elitär« fallen mir als Gegenteile ein. Ich finde, es lohnt sich, TRIVIAL als ästhetische Absicht und Haltung stolz zu verteidigen.SF war immer schon eine ideologisch extrem aufgeladenen Literaturform.Die viele »platte« Sprache auf dem Feld der SF ist vielleicht Erbe dieser Agitprob-Natur von SF. Selten wird ja einfach nur z.B. die Idee einer technischen, gesellschaftlichen, zivilisatorien Entwicklung in den Raum gestellt, sondern meist sind in den SF-Geschichten Hoffnungen, Ängste mit ihnen verbunden.SF ist eines der Felder, auf denen ziemlich heftig Stimmungswetterkriege betreffs der Haltung zur Zukunft ausgetragen werden †¦ das ist nicht meine feste Meinung, sondern ein leiser Verdacht.GrüßeAlex / molosovsky

Bearbeitet von molosovsky, 16 März 2005 - 07:55.

MOLOSOVSKY IST DERZEIT IN DIESEM FORUM NICHT AKTIV: STAND 13. JANUAR 2013.

Ich weiß es im Moment schlicht nicht besser.

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#59 Jürgen

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Geschrieben 16 März 2005 - 08:41

TRIVIAL bedeutet »Dreiwegeeck«. Bezeiht sich auf Nachrichten, Zettel, Verlautbarungen, »Tot oder Lebendig«-Plakate ect., die auf Tafeln an Straßenkreuzungen, Plätzen usw aushingen

Wozu doch Wikipedia so alles gut ist. ;) Streiten wir uns nicht über die Bedeutung oder Auslegung des Wortes... in der Literatur ist Trivial ganz klar negativ besetzt... und zwar von den elitären und hermeneutischen Gruppen ( gut ausgedrückt, gell molosovsky :D ), die eine Abgrenzung zur "ihrer" Literatur WOLLEN. Wenn man es negativ sieht, könnte man annehmen, daß sich diese selbsternannte Literatur-Elite damit selbst entlarvt hat, weil sie nicht einmal die Bedeutung der Worte kennt, mit denen sie andere Literaturgattungen abqualifiziert... aber wer sieht das schon negativ. :rolleyes: Aber schlagen wir mal einen Bogen zum eigentlichen Thema. Nemesis von Asimov, Solaris von Lem, Huxleys Schöne neue Welt - das ist alles echte Literatur und wird auch von niemanden der selbsternannten Literatur-Götter bestritten. Leider besitzen all diese genannten Werke keine neuen sprachlichen Elemente. Deshalb lautet die Frage eigentlich: MUSS denn ein Werk unbedingt neben einem interessanten Thema auch einen neuen Sprachstil beinhalten, um in die ewige Ruhmeshalle der SF aufgenommen zu werden. Die Geschichte der SF beantwortet diese Frage mit einem klaren JEIN. Ich kann an dieser Stelle nur meine persönliche Meinung ins Feld führen... eine gute Story ist kein Garant für ein gutes Buch. Es gehört auch ein stilistisch guter Ausdrucksstil dazu. Erst wenn beide Elemente eine lesbare Symbiose eingehen, ist das Buch gut... und um damit wieder zur ursprünglichen Frage zu kommen: Es gibt gute Literatur in der SF, auch in letzter Zeit. "Unendlichkeit" von Reynolds führe ich da gerne auf, weil hier gekonnt mit Worten eine so faszinierend beklemmende Umgebung geschaffen wurde. Die Macht der Worte UND eine gute Story sind hier definitiv vorhanden; von den neuen "sense of wonder" Begriffen wie Schmelzseuche ganz zu schweigen. Gruss Jürgen

Bearbeitet von Jürgen, 16 März 2005 - 08:49.

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#60 smartsmart

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Geschrieben 16 März 2005 - 09:00

Weiter oben wurde gefragt, welche meine letzten SF waren, die mir nicht gefallen haben.Ich habe zunächst die Endzeitingenieure im Lesezirkel mitgelesen und konnte dem Buch nicht viel abgewinnen. Auch der von mir bereits erwähnte Frank Schätzing mag zwar spannend gewesen sein, jedoch hatte ich nach Lektüre des Buches wieder ein wenig das Gefühl, meine Zeit vergeudet zu haben.Zuletzt habe ich "Nach der Bombe" von Dick gelsen. Den Autor bewundere ich sehr, aber dieses Buch ist nicht unbedingt unter seinen besten einzureihen.Über "Illuminati" von Dan Brown (ist das eigentlich SF?) schweige ich mich aus und schäme mich still dafür, das gelesen zu haben.Vielleicht bin ich auch einfach kein richtiger Liebhaber von SF mehr? Am meisten SF habe ich ca. im Alter von 12 bis 20 gelesen. Danach brach es regelrecht ab, da ich auch mit der aufkommenden Fantasy-Welle nichts anfangen konnte. Ich habe seitdem mehrfach versucht, den Wiedereinstieg zu finden, konnte mich aber für keine gelesenen SF-Bücher mehr begeistern.Letztlich glaube ich aber schon, dass das schriftstellerische Niveau bei den SF-Büchern einfach nicht besonders hoch ist. Sicher gibt es Perlen, aber die Masse ist nicht so toll. Ich würde mir eine Entwicklung wie bei den Krimis wünschen. Dort stieg auch das Angebot mit wachsender Nachfrage an und die Qualität wurde immer höher. Vielleicht gibt es ja mal einen entsprechenden Boom! Zumindest habe ich aufgrund der regen Teilnahme an diesem Thread das Gefühl, dass ich mit meinem Problem nicht alleine da stehe.

Bearbeitet von smartsmart, 16 März 2005 - 09:01.



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