Weiter geht es mit der Lesechronik aus dem Juli 2019, weiter geht es auch mit der Lektüre für den Deutschen Science Fiction Preis.
Robert Corvus: Das Imago-Projekt
Nachdem ich mit dem Vorgänger „Feuer der Leere“ so gar nicht warm geworden war, bin ich an den Nachfolge-Roman mit entsprechenden Vorbehalten rangegangen.
Überraschenderweise entpuppt sich "Das Imago-Projekt" als solide, gut ausgearbeitete Space Opera, die bisweilen an die besten Werke Brandhorsts erinnert, insbesondere an die erste "Kantaki"-Trilogie. Wir steigen ein in ein faszinierendes Universum voller exotischer Zutaten (die Astriden, das Schleier-System mit der Dyson-Sphäre, das lebende Raumschiff SQUID), erleben interessante Figuren und folgen einem solide gebauten Plot, der nur selten Gefahr lief, die Aufmerksamkeit des Lesers zu verlieren. Das Ende fand ich nicht 100%ig zufriedenstellend, aber das ist sowieso schwierig.
Unterm Strich: Eine solide bis faszinierende Space Opera, die mich zwar nicht überwältigt hat, deren Lektüre mich aber auch nicht reut.
Klaus Bollhöfener (Hg.): phantastisch! Nr. 75
Die Kronjuwelen-Ausgabe von „phantastisch!“, und es sind immer noch keine Abnutzungserscheinungen zu erkennen. Im Gegenteil: Die Nr. 75 habe ich wieder richtig gern gelesen. Hier mein Fazit aus dem
entsprechenden Thread[ wo man auch Details zu den einzelnen Artikeln findet:
Das ist wieder einmal ein rundum gute, interessante Ausgabe. Ich habe über 80% der Artikel inkorporiert und nichts bereut. Highlights sind Schnurrers Artikel über Beelzebub und den Orchideengarten, Hofmanns Heinlein-Hommage, Illmers Artikel über die Folio Society und Klaudia Seibels Sport-Artikel.
Klaus, bitte mach weiter so!
Dirk van den Boom: Die Reise der Scythe 1 - Aszendenz
Als Vorbereitung auf die "Abweichung" habe ich erst einmal den "Aufgang eines Gestirns" gelesen. Sprich: "Aszendenz" vor "Varianz".
Dirk wird immer professioneller. Der erste Band der "Scythe"-Trilogie punktet mit interessantem Personal, konfliktreichen Beziehungen, einer interstellar vagabundierenden Hohlkugel, die sich Raumschiffe diverser Spezies einverleibt, einer flüssig lesbaren Schreibe mit einer gehörigen Portion van den Boom'schen Sarkasmus', einem auf verschiedene Handlungsstränge aufgeteilten Spannungsbogen, die sich am Ende in der geheimnisvollen Riesenhohlkugel vereinen, spannungsreiche Machtkonstellationen und merkwürdigen extraterrestrischen Ritualen. Ein spannende, rundum farbige Space Opera, die sich gut runterliest und Lust auf die Fortsetzung macht.
Dennoch: strukturelle Ähnlichkeiten mit "Canopus" drängen sich geradezu auf. Dirk fügt die üblichen Versatzstücke zu einer bewährten Dramaturgie zusammen.
Außerdem fand ich es schade, dass ausgerechnet wieder mal die Menschen in der Hohlkugel eine Sonderrolle zu spielen scheinen.
Dieses war der erste Streich,
doch der zweite folgt sogleich:
Dirk van den Boom: Die Reise der Scythe 2 - Varianz
Was bin ich froh, dass ich die "Aszendenz" noch vorgeschaltet hatte! Ohne den ersten Teil hätte ich bei "Varianz" nicht allzu viel kapiert.
"Varianz" leidet allerdings unter dem typischen Mittelband-einer-Trilogie-Problem: Da wurde in „Aszendenz“ ein vielschichtiges, konfliktreiches Ensemble eingeführt, viele interessante Spezies und rätselhafte Phänomene aufgetan und der Leser mit einem veritablen Cliffhanger zurückgelassen - aber was geschieht damit? Statt die eingefädelten Konflikte konsequent fortzuführen und das bereits recht umfangreiche Personal uns noch näher zu bringen, werden jede Menge zusätzlicher (und mE völlig unnötiger) Kaninchen aus dem Hut gezogen: Kyen, der Wagemutige, dem doch tatsächlich die Flucht gelungen ist (aber als es drauf ankommt, zieht er den Schwanz ein - wozu brauchte man diese Figur eigentlich?), das Raumschiffpärchen der An'Sa und der Skendi, das die Sphäre verfolgt, der Sonnenherr mit den sieben Brüdern, Tizia, ...
Unter dem Druck dieser viel zu vielen neuen Figuren werden die bereits eingeführten Charaktere zu sehr aus den Augen verloren.
Die Zerfaserung passt zwar irgendwie zum Titel ("Varianz"), führte bei mir aber zu zunehmender Konfusion (wer ist das jetzt schon wieder?) und deutlich nachlassenden Interesse. Während ich am Ende von Teil 1 wirklich gespannt auf Teil 2 war, möchte ich mir Teil 3 am liebsten sparen.
Bei der Skiir-Trilogie hatte ich ein ähnliches Problem mit Band 2.
Gruß
Ralf
Bearbeitet von ShockWaveRider, 20 August 2019 - 15:01.