Geschrieben 09 September 2024 - 18:03
Hallo zusammen,
Paul Lynch "Das Lied des Propheten" ist eine an Düsternis wohl kaum noch zu überbietende Near-Future Dystopie. Irland ist in die Fänge einer per Notverordnung "regierenden" Partei geraten, die anfangs subtil, später mit extremer Brutalität ihre Macht zu erhalten versucht. Gewerkschafter verschwinden, Schlägertrupps terrorisieren Angehörige von Verhafteten, Demonstrationen werden zusammengeschossen - internationaler Druck bewirkt nichts, es kommt zum Bürgerkrieg. Und inmitten dieses Alptraums versucht eine Frau mit ihrer Familie zu überleben (ihr Mann gehört zu den früh "Verschwundenen", der älteste Sohn schließt sich den Rebellen an). Als der zweitälteste Sohn (13) zu Tode gefoltert wird, beschließt sie zu fliehen ...
Der im Roman beschriebene "Alptraum" ist nicht erst heutzutage in vielen Ländern brutale Realität, insofern geschieht in dem Roman nichts, was man nicht aus den Nachrichten kennt. Und doch verliert der Roman nichts von seiner Sogwirkung, denn was Lynch da sprachlich veranstaltet, ist trotz der Thematik mitreißend, weil emotional zutiefst berührend. Der sprachlich intensivste Roman, den ich bislang gelesen habe. Einfach großartig!
Paul Lynch hat für den Roman 2023 den Booker Prize erhalten.
Viele Grüße
Tobias
"Wir sind jetzt alle Verräter."
"Ha!", machte die alte Dame. "Nur wenn wir verlieren."
(James Corey, Calibans Krieg)
"Sentences are stumbling blocks to language."
(Jack Kerouac in einem Interview mit der New York Post, 1959)
"Na gut, dann nicht, dann bin ich eben raus
Ich unterschreib' hier nichts, was ich nicht glaub'
Na gut, dann nicht, nicht um jeden Preis
Ich gehöre nicht dazu, das ist alles was ich weiß"
(Madsen, Strophe 1 des Songs "Na gut dann nicht")