Arkadi & Boris Strugatzki: Picknick am Wegesrand
#61
Geschrieben 07 April 2005 - 07:55
#62
Geschrieben 07 April 2005 - 10:52
Herzlich willkommen im Lesezirkel!
Diese Hoffnung habe ich auch, sonst werden wir ziemlich alt aussehen, wenn wir es mit anderen Intelligenzen zu tun haben sollten. Andererseits darf man ja gerade in der SF die ausgetreten Pfade verlassen und andere Positionen einnehmen, die sehr interessante Reflexionen auf die eigene Stellung erlauben.Generell glaube ich allerdings an die Theorie der "Selbstähnlichkeit des Lebens" generell und universell, d.h. das sich Leben auf anderen Planeten eher ähnlich wie hier bei uns , zumindest aber verständlich für uns entwickeln wird.
@Märchenmotiv:
Zu den Märchenmotiven in Picknick ist mir noch etwas eingefallen was Lem (in der Phantastik und Futorologie) über die Unterschiede zwischen klassischen Märchen und der Fantasy schreibt.
Wie tichy schon sagte, sind Märchen so aufgebaut, dass sie immer gut ausgehen. Egal wie schlimm es zu Anfang aussehen mag, der verstossene Prinz, findet seine Prinzessin, versöhnt sich mit dem Vater und wird König. Aber es kommt noch was hinzu, was Konrad hinzugefügt hat: die moralische Komponente. Nur diejenigen die gut, ehrlich und reinen Herzens sind, werden am Ende belohnt werden, die Bösen werden bestraft.
Das Universum in klassischen Märchen besitzt eine moralische Struktur, sie bewirkt, dass die Guten belohnt und die Bösen bestraft werden. Sie wirkt wie ein Naturgesetz. Im Märchen wird es nie passieren, dass die böse Hexe, die armen kleinen Kinder auffrisst. Genauso wie es in unserem Universum nicht passiert, dass Äpfel plötzlich anfangen senkrecht in den Himmel zu fallen anstatt auf den Boden oder Pfannkuchen durch die Luft flattern. Das sind die Struktur-Regeln, die in den jeweiligen literarischen Universen herrschen.
Diese Regeln der Märchenwelt können auch invertiert werden, dann gewinnt bespielsweise immer das Böse. Das wären die Anti-Märchen.
In der Fantasy ist der garantiert gute Ausgang bereits aufgeweicht, die Bösen können ebenfalls gewinnen. Die Welt in der Fantasy hat bereits einen höheren Realitätsgrad und ähnelt gesetzmässig schon stark der realen Welt. Es gibt da zwar Drachen, Zauberer und andere magische Dinge, die es unserer Welt nicht gibt, sie werden aber funktional so behandelt, als seien sie real existierende Dinge. Ein Zauberer praktiziert sein magisches Handwerk im Prinzip genauso professionell wie ein Hufschmid, ein Bäcker oder ein Wissenschaftler.
Das Schlimme an diesen literarischen Klassifizierungen ist, dass sie in reiner Form nur selten vorkommen. Als Leitfaden finde ich die Vorschläge Lems sehr brauchbar und einleuchtend. Er bringt noch eine Reihe weiterer Beispiele und führt seine Argumentation viel ausführlicher aus, nicht so verkürzt, wie ich das tue. Wen's interessiert sollte sich das mal durchlesen. Ich fand's ganz lehrreich. :baaa:
Auf das Picknick bezogen hat der Schluß eindeutig märchenhafte Züge, mit dem Fleischwolf als bösem Drachen, der nach einem Menschenopfer verlangt, als Belohnung darf man vor der guten Fee seine drei Wünsche vorbringen. Ist das jetzt schlecht? Wenn man streng ist, ja, denn es bringt die realistische Grundstruktur des Romans aus dem Gleichgewicht. Andererseits ist das Schlusskapitel so intensiv geschrieben, dass der märchenhafte Charakter gar nicht so augenfällig ist. Das Schlusskapitel spiegelt nämlich sehr gut die völlige psychische Erschöpfung Schucharts wieder. Dieser Mensch hat mit dem optimistischen Typ an Anfang fast nichts mehr gemein. Das ist ein Mann der am Ende ist und nicht mehr weiter kann, der seine Umgebung wie in einem Fiebertraum wahrnimmt und sich nur noch wünscht, dass endlich alles gut wird. Ich finde das haben die Strugatzkis phantastisch erzählt, Märchenmotiv hin und her.
Trurl
Wie die Welt noch einmal davonkam, aus Stanislaw Lem Kyberiade
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#63
Geschrieben 07 April 2005 - 12:16
Ich beziehe mich auf Dein erstes Posting vom 6. April und nicht auf das Obige vom 7. April; bin leider auch nicht früher dazu gekommen:
Wegen meiner Argumentation: Ich Argumentiere nicht, dass man davon ausgehen muss, sondern dass man durchaus davon ausgehen könnte, eine außerirdische Rasse sieht uns nur als Bakterien oder als Ameisen an. Klar, muss man nur die Augen aufmachen, um zu erkennen, dass auch diese Spezies eine gewisse Intelligenz haben. Nur genau da sind wir ja beim Knackpunkt: Ja, sie müssen die Augen aufmachen um das zu erkennen. Nur, tun sie das auch? Tun wir das immer und unter allen Umständen? Denke an mein Beispiel mit den zerquetschten Mikro-Organismen. So gesehen finde ich eigentlich eher die gegenteilige Annahme albern, und auch da wirst Du mir zustimmen. Du meinst also, dass ausnahmslos jeder Außerirdische - also wirklich alle komischen Kreaturen, die es jemals geschafft haben, aus dem Urschleim ihres jeweiligen Heimatplaneten hervor zu kriechen, sich dabei nicht gegenseitig ausgerottet und dann noch eine technisch fortgeschrittene Zivilisation gegründet haben - dass also all diese Lebewesen voll des Forscherdrangs und bis zur Halskrause voller löblicher Absichten sind (falls sie überhaupt Halskrausen haben)?
Entschuldigung meine drastische Wortwahl: Aber das ist Blödsinn! Und zwar auch noch in zweifacher Hinsicht: Das was wir als menschlich, gutmütig, löblich oder sonstwie bezeichnen - jeder darf sich gerne weitere Adjektive einfallen lassen, aber ich denke es kommt rüber, was ich meine - das ist nun mal auf uns Menschen bezogen. Alleine schon auf unserem Planeten gibt es genug Lebewesen, die eben genau diese Regeln nicht befolgen. Weil sie eben keine Menschen sind. Und selbst wenn wir von diesen Eigenschaften ausgehen, wenn also tatsächlich eine Alien-Rasse diese Gesetzmäßigkeiten genau so befolgt wie wir, dann gibt es immer noch genug Situationen, wo die auch mal fünfe gerade sein lassen. Wie nämlich auch wir Menschen, die sich gerne mal gegenseitig aus den niedersten Gründen umbringen, obwohl das ja eigentlich nicht gewünscht ist.
Und dann wären wir wieder beim Ausgangspunkt des Buches: Ja, es könnte sein, dass die Aliens gutmütig sind. Ja, es könnte sein, dass sie eigentlich Gutes mit uns im Sinn haben. Ja, es könnte sein, dass die Zonen eine Art Kontaktaufnahme sind. Aber: Es könnte genau so gut sein, dass die Aliens eben genau nicht so sind. Weil wir Menschen eben auch nicht so sind. Oder es könnte eben auch sein, dass nicht alle Aliens so sind. Es werden unter denen sicherlich ein paar oder sogar mehrere schwarze Schafe sein. Und die haben hier - nur um mal eben ein vorstellbares (!) Szenario aus der Luft zu greifen - eben nun mal Picknick gemacht und ihren Müll hier gelassen. Trotzdem man keinen Müll zurück lassen sollte.
Vorstellbar?
Und: Wenn wir als Menschen, die wir hier im SF-Forum diskutieren, uns das schon vorstellen können, können sich das dann auch technisch und intellektuell fortgeschrittene Rassen vorstellen?
@dyanarka:
Warum?†¦ Generell glaube ich allerdings an die Theorie der "Selbstähnlichkeit des Lebens" generell und universell, d.h. das sich Leben auf anderen Planeten eher ähnlich wie hier bei uns, zumindest aber verständlich für uns entwickeln wird. †¦
Für mich schließen sich Deine erste Aussage und die Obige gegenseitig aus. Denn wenn eine außerirdische Zivilisation tatsächlich der unseren in einer wie auch immer gearteten Weise ähnlich sein sollte, dann wird diese nur eines im Sinn haben: Gnadenlose Ausbeutung der Erde und damit ein vernichtender Krieg. Ok, das ist zwar auch eine Form der Kontaktaufnahme, aber sicher nicht die, die Du im Sinn hattest, oder?†¦ Und da die Idee der Technik nicht dem System des naturhaft-lebendigen inhärent ist, werden technische Zivilisationen immer versuchen mit anderen solchen Kontakt zu haben oder sich in irgendeiner Weise zu erkennen geben. †¦
Geht man von meiner wenig friedlichen Annahme aus, dann ist doch die Form des Kontaktes - oder wie man das auch immer bezeichnen mag - doch eigentlich noch eine erfreuliche.
Bis dennen,
Henrik
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#64
Geschrieben 07 April 2005 - 12:58
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#65
Geschrieben 07 April 2005 - 13:06
Dann wären die Hinweise in dem Roman aber schon recht subtil versteckt. Klar, so könnte man das natürlich interpretieren. Was ich aber bisher von den Strugatzkis las und was sie auch selber zu dem Thema gesagt haben, das hört sich nicht nach Systemkritik an. Eher noch, als könnte man den Roman falsch als Systemkritik interpretieren und müsste ihn deshalb noch einmal umschreiben.
Und: Natürlich geht es nicht um die Aliens. Ich reite nur so darauf herum, weil die Möglichkeit einer zufälligen Kontaktaufnahme anscheinend so völlig abwegig erscheint.
Bis dennen,
Henrik
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#66
Geschrieben 07 April 2005 - 15:23
Schön. dass Du noch einmal geantwortet hast, ich dachte schon Du hättest langsam keine Lust mehr.
Zunächst einmal: an Deiner obigen Argumentation ist grundsätzlich nichts auszusetzen. Ich habe ebenfalls nie die "Möglichkeit" bestritten, dass die Außerirdischen so sein könnten wie Du sagst (ich hoffe nur, dass ich mich immer klar genug ausgedrückt habe; viele Missverständnisse ergeben sich ja nur aus unklaren Formulierungen).
Es scheint mir nur nicht die "wahrscheinlichste" aller "möglichen" Optionen zu sein. Deshalb verwundert es mich etwas, dass es anscheinend als die pure Selbstverständlichkeit hingenommen wird, die Aliens seien entweder absolut gleichgültig, weil abartig fremd (möglich), vielleicht sogar "böse" (auch möglich) oder irgendwelche Extremisten des Kosmos (auch möglich). Diese Ansicht wird von den Autoren zwar suggeriert, aber so muß es nicht sein. Vor allem: solche Folgerungen lassen sich weder aus der Aktivitäten der Zone, noch aus den tödlichen Gegenständen, noch aus der Unsichtbarkeit der Fremden direkt ableiten. Du behauptest die Fremden könnten so fremd sein, dass sie uns wie Maden betrachten. Sicher könnten sie das, aber wo ausser den provozierenden Bemerkungen Pillmans, kann man diese Eigenschaft der Außerirdischen aus den Umständen der Zone ableiten. Das einzige was wir wissen ist, dass an sechs Stellen der Erde "etwas" passiert ist. Alles was an Vermutungen und Hypothesen in die Diskussion geworfen wird sind auschliesslich Folgerungen aus den merkwürdigen Begleitumständen diese Ereignisses, das man sich nicht anders erklären konnte, als die Folge einer außerirdischen Einflußnahme (bewußt oder unbewußt sei einmal dahingestellt), um es ganz vorsichtig auszudrücken.
Die Erklärung der Zonen als Überbleibsel eines Besuchs von Außerirdischen ist im Grunde bereits eine ziemlich weitgehende Interpretation dieses "Ereignisses". Aber es ist zumindest eine wissenschaftliche Erklärung, die im Einklang mit den Naturgesetzen steht, weil man ansonsten von Zauberei oder einem unerklärlichen Wunder ausgehen müsste, das die Zonen aus dem Nichts geschaffen hat (wäre ja auch irgendwie möglich).
Noch schwieriger wird es, wenn man über die Motive, das mögliche Aussehen oder gar die Moral der Außerirdischen spekuliert. Hier sind wir schon im Bereich der reinen Vermutung, die durch keinerlei Fakten gestützt werden. Jedenfalls nicht die der Zonen. Warum? Zunächst einmal sind die Zonen einfach nur da. Allerdings nicht genauso wie die Berge oder das Meer, den sie entfalten geheimnisvolle Aktivitäten, üben Wirkungen aus, die völlig neu und unbekannt sind und nach einer Erklärung verlangen. In der Wissenschaft gibt es in der Theoriebildung ein Ökonomie-Prinzip nach dem diejenige Theorie zu wählen ist die mit den wenigsten zusätzlichen Annahmen auskommt: die "ockham'sche Raziermessermethode", nach William v. Ockham, scholastischer Philosoph des Mittelalters ("Entitäten dürfen nicht sinnlos vermehrt werden"). Letztlich ist es ein ästhetisches Auswahl-Prinzip, leistet aber in der Wissenschaft gute Dienste, um zu komplizierte Theorien auszusortieren. Was hat das nun mit unserem Fall zu tun. Ganz einfach. Die Ursache der Zonen muß erklärt werden und zwar durch eine wahrscheinliche (im Sinne von zutreffend und einfach) und nicht durch irgendeine mögliche Theorie, die den Außerirdischen extreme Eigenschaften zuweist, wie: die Aliens als Volk von Psychpathen und Mördern, die Aliens als superintelligente aber auch superstumpfsinnige Autisten. Das sind banale SF-Schemata vom Fließband. Wenn wir von einer Normalverteilung des Lebens und der Intelligenz im Universum ausgehen, so werden extremistische Ausreisser eher selten sein. Psychopathische Mörder sind in unserer Gesellschaft ebenfalls eher selten und die Wahrscheinlichkeit so einem Typen zufällig über den Weg nicht sehr hoch. Genauso "unwahrscheinlich" kommt es mir vor, dass die Erde von verrückten Aliens oder Alienhooligans heimgesucht wird. Ebenso scheint es mir einfach "unwahrscheinlich" anzunehmen, die Aliens wären geniale Autisten, die wie Elefanten im Porzellanladen herumlaufen und alles zusammenrumpeln was ihnen in die Quere kommt.
Wie gesagt, es kommt mir UNWAHRSCHEINLICH vor, nicht UNMÖGLICH.
Deshalb glaube ich einfach mal - solange bis mir so ein durchgeknallter Alien das Gegenteil beweist - einfach daran, dass die Mehrzahl der Außerirdischen gutmütige Jungs sind und keinen RATIONALEN Grund darin sehen minderwertige, etwas zurückgebliebene Erdlinge zu pisacken.
Trurl
Bearbeitet von Trurl, 07 April 2005 - 15:34.
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#67
Geschrieben 07 April 2005 - 15:33
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#68
Geschrieben 07 April 2005 - 16:28
Finde ich nicht.Auf das Picknick bezogen hat der Schluß eindeutig märchenhafte Züge, mit dem Fleischwolf als bösem Drachen, der nach einem Menschenopfer verlangt, als Belohnung darf man vor der guten Fee seine drei Wünsche vorbringen. Ist das jetzt schlecht? Wenn man streng ist, ja, denn es bringt die realistische Grundstruktur des Romans aus dem Gleichgewicht.
Das Interessante an dem "Picknick" ist ja, daß die Deutungsversuche der Protagonisten sehr viel über das Denken der Menschen abseits der Wissenschaft sagt.
Was die goldene Kugel wirklich ist, weiß niemand.
Sie ist in ihrer Rätselhaftigkeit eine ideale Projektionsfläche für die Wünsche und Vorstellungen der Protagonisten.
Das Märchenmotiv ist eine Spiegelung von Schuchards Weltsicht und zeigt letztlich, mit welchen atavistischen anthropozentrischen Denkmodellen wir uns die Welt erklären.
Bearbeitet von Konrad, 07 April 2005 - 20:16.
#69
Geschrieben 07 April 2005 - 16:34
Ich wünschte, Du hättest Recht, denn dann würde mir der Roman sogar noch besser gefallen. Leider gewährt die Kugel aber anscheinend wirklich die Erfüllung von Wünschen. Das finde ich schon etwas schwer zu schlucken ...
-- tichy
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#70
Geschrieben 07 April 2005 - 16:41
#71
Geschrieben 07 April 2005 - 16:46
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#72
Geschrieben 07 April 2005 - 16:54
War das nicht auch nur eine Erinnerung Schuchards ? Muß noch ein bißchen lesen.Na, der fiese alte Ober-Schatzgräber (Name ist mir gerade entfallen) hat sich beispielsweise seine beiden Kinder von der Kugel gewünscht und sie genau nach seinen Wünschen geliefert bekommen.
#73
Geschrieben 08 April 2005 - 08:05
#74
Geschrieben 08 April 2005 - 08:28
Überlicht und Beamen wird von Elfen verhindert.
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#75
Geschrieben 08 April 2005 - 10:03
So habe ich es auch bisher gelesen und auch in der Erinnerung. Selbst der alte Barbridge war in seinen wenigen ehrlichen Momenten skeptisch, was die Wunscherfüllung angeht. Ich denke da an die Friedhofsszene am Anfang des zweiten Kapitels.Dass die goldene Kugel tatsächlich Wünsche erfüllt, sehe ich nicht als Tatsache an. Alle aufgezählten, vermeintlich erfüllten Wünsche lassen sich meiner Meinung nach nicht als Beweise dieser These heranziehen.
Offenbar hat er sich doch wohl Geld und die ewige Jugend gewünscht, und sie nicht bekommen. Das, was er scheinbar bekommen hat, läßt sich nicht zweifelsfrei als Wunscherfüllung beweisen. Ich halte daher die Wunscherfüllung der goldenen Kugel für eine Legende, die allerdings auch instrumentalisiert wird. Für mich ein klassisches Beispiel, wie Wunschvorstellungen und handfeste Interessen sich selbständig machen können und schließlich den Blick trüben, wenn keine objektiven Informationen vorhanden sind. Das bekannte "Wunderheilerphänomen"."Von wegen ewige Jugend", brummte Barbridge, "den Teufel hab' ich bekommen. Von wegen Geld - nicht die Bohne! Nur was die gute Gesundheit betrifft, die hab' ich. Auch mit meinen Kindern hab' ich Glück. Und immer die Kurve gekratzt. Nicht mal im Traum hast du das erlebt, was ich hinter mir hab'. Trotzdem hab' ich immer die Kurve gekratzt, bin mit dem Leben davongekommen.
Bearbeitet von Konrad, 08 April 2005 - 10:05.
#76
Geschrieben 08 April 2005 - 11:42
#77
Geschrieben 08 April 2005 - 12:23
Überlicht und Beamen wird von Elfen verhindert.
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#78
Geschrieben 08 April 2005 - 19:51
Bearbeitet von Konrad, 08 April 2005 - 21:00.
#79
Geschrieben 09 April 2005 - 09:08
Ich habe das Buch jetzt gerade gestern Abend beendet und bin auch nach dem zweiten mal Lesen völlig hin und weg. Mir gefällt an dem Buch vor allem, dass die Zone nicht erklärt wird und die Protagonisten genau wie der Leser im Dunklen tappen, was es damit auf sich hat (ich liebe ja so etwas). Das lässt viel Spielraum für eigene Überlegungen und Phantasien (hallo Trurl ). Weiter bin ich genau Konrads Meinung: Es geht eben nicht um das technische Brimborium, sondern eigentlich um die Menschen und wie sie mit dem Kram umgehen.
Das Buch kann man außerdem noch unter verschiedenen Gesichtspunkten lesen: Es ist ein Abenteuerroman, es ist ein SF-Roman, es ist ein Gedankenexperiment zum Thema Kontaktaufnahme von Außerirdischen und es ist obendrein auch noch eine psychologische Spielwiese. Und dann - das darf man auch nicht unterschätzen - ist das Buch nur 190 Seiten lang. Hier labern die Autoren also nicht lange herum, sondern kommen sofort zur Sache. Sehr erfrischend, nicht nur nach Strosses singulärem Gehirnausfall (Lesezirkel März; zumindest im letzten fünftel).
Aus der Warte der Fans von Außerirdischen ist das dritte Kapitel am wichtigsten. Ich meine hier das Gespräch zwischen Nunnan und Dr. Pillman. In dessen Verlauf sagt der Doktor doch so einiges Interessantes über die Theorien der Kontaktaufnahme und die damit verbundene Psyche der Menschen. Die Abenteurer unter den Lesern kommen im ersten sowie im letzten Kapitel auf ihre Kosten. Und zum Thema Psyche lässt sich einiges aus dem zweiten sowie dem vierten Kapitel herauslesen.
Ist Euch aufgefallen - ich selber bin erst bei der zweiten Lesung darüber gestolpert - dass im letzten Kapitel Schuchart zu einem eiskalten Killer mutiert? Vor allem auch noch, weil er dort den hübschen Sohn von Barbridge mit dabei hat? In den anderen beiden Kapitel mit Roderic war dieser zwar ein Rauhbein, aber doch sehr sympathisch. Aber hier im letzten Kapitel kommt sehr deutlich heraus, dass Rotfuchs ihn nur als Futter für den Fleischwolf mitgenommen hat.
Noch ein kleiner Gedanke am Rande ich habe das halbe Buch lang die ganze Zeit „Suchart“ (also der Schokoladen-Hersteller) gelesen und nicht „Schuchart“.
Bis dennen,
Henrik
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#80
Geschrieben 09 April 2005 - 13:11
Eiskalt, würde ich nicht sagen. Alle Personen bei den Strugatzkis sind wirklich realistisch mit ihren Brüchen gezeichnet. Um seine Tochter zu retten mußte Schuchard eine "Entscheidung" treffen. Sein martialisches Abrechnungsgefasel bzw. -gedenksel sehe ich als Versuch an, diese Entscheidung irgendwie für sich zu rechtfertigen. Daß dies nicht funktioniert hat, sieht man an seinem Scheitern am Ende. Denn als er schließlich am Ziel ist, und nur noch Gesundheit für sein "Äffchen" zu wünschen braucht, stellt ihm sein eigenes Gewissen ein Bein. Ich finde dies ganz großartig beschrieben. Konrad PS: Hat jemand eine Ahnung, was es mit dem Fotoapparat auf sich hat, den der "Heisere" haben will ?Ist Euch aufgefallen - ich selber bin erst bei der zweiten Lesung darüber gestolpert - dass im letzten Kapitel Schuchart zu einem eiskalten Killer mutiert?
Bearbeitet von Konrad, 09 April 2005 - 13:58.
#81
Geschrieben 09 April 2005 - 15:55
#82
Geschrieben 10 April 2005 - 00:28
Bearbeitet von Konrad, 11 April 2005 - 10:39.
#83
Geschrieben 10 April 2005 - 12:25
Unter den psychologischen Gesichtspunkten des realistischen Romans betrachtet, hast Du sicher Recht. Ich finde, die Strugatzkis haben die innere Zerrissenheit Schucharts im letzten Kapitel sehr gut rüberbringen können.
Ich sehe in Roderic auch keinen "eiskalten" Killer, das wäre, glaube ich, zu viel gesagt, aber Arthurs†™s Tod wird von ihm ganz klar eingeplant um an die goldene Kugel heranzukommen. Es fällt ihm allerdings alles andere als Leicht. Deshalb die ständigen Selbstgespräche, in denen er die Tat zu rechtfertigen sucht: er kann ja nicht anders, jeder muss an sich zuerst denken, alles geschieht ja nur fürs Äffchen, dessen Verwandlung in ... ja was eigentlich? Ein nichtmenschliches Wesen? ... er und Gutta psychisch nicht mehr ertragen. Roderic ist seelisch am Ende, er ist jetzt sogar bereit einen Mord zu begehen. Soetwas wäre ihm früher nie im Traum eingefallen, wo er sogar den Aasgeier, den er selber für einen Mörder hielt, ohne mit der Wimper zu zucken rettet, weil er einfach nicht anders kann. Diese Verwandlung wird im Schlusskapitel menschlich absolut glaubhaft geschildert.
Wenn die Autoren es dabei belassen hätten, wäre alles in Butter gewesen. Die realistische Grundkonstruktion bliebe gewahrt, die goldene Kugel wäre nur ein weiterer Mythos der Zone, an den verzweifelte und abergläubische Schatzgräber eben so glauben, weil in der Zone fast alles möglich zu sein scheint, vielleicht auch Wunder.
Das was Lem, glaube ich, den Strugatzkis ein wenig ankreidet, ist dass sie es mit der Legende zu genau genommen haben, dass sie das Märchenhafte an der Kugel in die Struktur des Schlusskapitels implementiert haben. Es ist dadurch kein reines Motiv mehr, mit allein symbolischer Aussagekraft, der man nur eine reale Bedeutung zuweisen muss, sondern das Buch wird am Ende zu einem echten Märchen. Es hat Märchenstruktur: die beschwerliche Reise in der sich die Helden bewähren müssen, ein böse Drache der den Schatz bewacht und ein Menschenopfer verlangt, dann der Schatz als Belohnung. Die Strugatzkis haben es bis zum Schluss sehr geschickt verstanden, die Wunderwirkung der Kugel als reine Zufälle zu tarnen und den realistischen Grundtenor des Romans zu bewahren. Durch das märchenhafte Ende rückt der Roman ein Stück weit in Richtung reine Phantastik und es wird das denkbar, was bislang nur eine abergläubische Vorstellung in den Köpfen der Schatzgräber war: dass die Kugel tatsächlich Wünsche erfüllt. Der offene Schluss sieht wie ein letzter Rückzieher aus dieser Falle aus.
Die Aussagen des Buches werden dadurch zwar nicht automatisch entwertet, aber es nimmt ihnen doch ein wenig an Durchschlagskraft.
Trurl
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#84
Geschrieben 10 April 2005 - 13:31
Völlig d'accord; ich wollte Schuchart auch nicht rechtfertigen. Er hat zwar den Tod nicht aktiv verursacht, aber "billigend in Kauf genommen", wie ein Jurist wohl dazu sagen würde. Moralisch absolut verwerflich, und er selbst sieht das auch so. Seine Unfähigkeit am Ende, den Wunsch nach "Äffchens" Gesundung zu formulieren, kommt ja von seinem eigenen Gewissen, das ihm ein Bein stellt und ihn statt dessen den Wunsch seines Opfers übernehmen läßt. Psychologisch und poetisch wunderbar beschrieben und als Ende absolut schlüssig. Ich muß daher auch wiederholen, daß ich Lems Bedenken gegen das Ende nicht teile. Natürlich wirkt das Ende wie ein Märchen, denn es ist ja aus der Sicht des Protagonisten geschildert, der für sich die Legende als Realität akzeptiert hat. Seine Gedanken interpretieren die Realität im Sinne des Märchens. Trotzdem ist es realistisch, denn objektiv gesehen findet das Märchen nur in Schucharts Kopf statt. Wenn man schon eine Schwachstelle im Roman suchen will, dann muß ich ehrlich sagen, daß ich mehr Probleme mit den "Phantomen" hatte. Ich dachte, das hat's jetzt wirklich nicht gebraucht, daß das "Picknick" auch noch Zombiefilmen Konkurrenz machen muß. Zudem paßt dieses Motiv überhaupt nicht recht in das "Picknick"-Konzept. Also stellt sich die berechtigte Frage, warum haben die Autoren dieses Motiv eingeführt ? Mich würde die Theorien der Foristen zu dieser Frage interessieren. Gruß, KonradIch sehe in Roderic auch keinen "eiskalten" Killer, das wäre, glaube ich, zu viel gesagt, aber Arthurs†™s Tod wird von ihm ganz klar eingeplant um an die goldene Kugel heranzukommen.
Bearbeitet von Konrad, 10 April 2005 - 16:07.
#85
Geschrieben 10 April 2005 - 16:52
Ich denke, die Phantome gehören schlicht und einfach in die Kategorie: weitere merkwürdige Phänomene der Zone. Die Autoren mussten eben, um die Unverständlichkeit der Zone zu postulieren, einen Katalog vollkommen unterschiedlicher Absonderlichkeiten erfinden, Phänomene unterschiedlicher Kategorie, die sich in kein einfaches Schema einfügen lassen. Über die Originalität kann man sicher geteilter Meinung sein, aber im Grunde steckt doch nichts dahinter, was man extra deuten müsste, mir fällt dazu jedenfalls nichts Schlaues ein. Inwiefern meinst Du aber, die Phantome passten nicht zum Konzept des Picknicks? Was sagst Du dann erst zu der merkwürdigen Häufung von Unfällen, die im Umfeld ehemaliger Harmonter stattfinden? TrurlWenn man schon eine Schwachstelle im Roman suchen will, dann muß ich ehrlich sagen, daß ich mehr Probleme mit den "Phantomen" hatte. Ich dachte, das hat's jetzt wirklich nicht gebraucht, daß das "Picknick" auch noch Zombiefilmen Konkurrenz machen muß. Zudem paßt dieses Motiv überhaupt nicht recht in das "Picknick"-Konzept. Also stellt sich die berechtigte Frage, warum haben die Autoren dieses Motiv eingeführt ?
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#86
Geschrieben 10 April 2005 - 18:15
Ich kann mir vorstellen, daß Objekte mit ungewöhnlichen Eigenschaften in der Zone herumliegen. Evtl. kann ich mir auch noch vorstellen, daß sich ungewöhnliche Eigenschaften auf Objekte oder Lebewesen der Zone übertragen im Sinne einer Kontamination oder Krankheit. Aber bei wiederbelebten Menschenskeletten, die dann auch noch ihre Familien heimsuchen, hakt's bei mir irgendwie. Dieses Phänomen ist zu spezifisch auf Menschen bezogen und verletzt damit den Neutralitätsgesichtspunkt der "Picknick"-Theorie. Es müßten also auch Tierzombies rumlaufen. Außerdem ist die für dieses Phänomen erforderliche Manipulation viel zu komplex und zu spezifisch, um zufällig passieren zu können.Inwiefern meinst Du aber, die Phantome passten nicht zum Konzept des Picknicks?
Bearbeitet von Konrad, 10 April 2005 - 18:59.
#87
Geschrieben 10 April 2005 - 22:33
Oder wir stecken die ganze SF samt und sonders in die Märchenecke; womit ich definitionsgemäß auch kein Problem hätte. Ich sage mal vorsichtig aber doch deutlich ketzerisch, dass sich Lem bestimmt ganz wichtig vorkam, als er die These mit dem „Märchen“ hervorkramte. Aber wenn man Lem heißt, dann erwarten die Leser bestimmt auch nichts anderes.
Soviel erstmal dazu.
Dann zum Killer; den lasse ich mir nicht ausreden. Jemanden mit Vorsatz umzubringen oder gnadenlos und eiskalt - und das ist Roderick am Schluss - in eine tödliche Falle laufen zu lassen; das macht für mich einen Killer aus. Noch schlimmer: Er rettet ja vorher sogar den Bengel aus der Bratpfanne um ihn später zu opfern, seinen „Dietrich“ wie er es selber sagt. Das Motiv spielt dabei keine Rolle. Anders sähe es aus moralischer Sicht aus, wenn der Schönling im Laufe der Vorgeschichte selber noch irgend welche fiesen Aktionen durchgeführt hätte. Aber das ist nicht der Fall. Also ist Schuchart für mich ein eigennützig handelnder Killer. Wobei dann natürlich trotzdem die Wandlung seines Charakters höchst interessant ist.
Weiter mit der Kugel: Warum ist das denn so schlimm, dass die Kugel tatsächlich existiert? Die anderen verrückten Gegenständ existieren ja auch. Scheint mir deshalb nicht so abwegig zu sein, dass die Kugel kein Phantasiegebilde ist. Im Gegenteil: Ich wäre eigentlich enttäuscht gewesen, wenn im vierten Teil, nach den Strapazen, die Kugel nicht tatsächlich vorhanden gewesen wäre.
Da mag ich übrigens gleich noch eine Theorie formulieren, die mir beim zweiten mal lesen durch den Kopf schoss und die allerdings in keiner Weise vom Buch gestützt wird: Was ist denn, wenn die Kugel eigentlich das einzige außerirdische Artefakt wäre? Wenn also lediglich ein einziger Gegenstand zur Erde geschickt würde, einer der Wünsche erfüllt? Eine Kugel durchs All zu schicken wäre jedenfalls nicht so wirklich komliziert und der geneigte Perry-Rhodan-Leser wird mir zustimmen, das die Kugelform die optimale für Weltraumreisen ist. Das ganze andere Brimborium ist erst durch die krausen Gedanken und Wünsche der Menschen entstanden. Es gibt halt genug Einfaltspinsel, die sich irgend einen krausen undefinierten Kram zusammendenken, und das hat die Kugel dann leider wahr gemacht. Das würde auch erklären, warum im Laufe der Geschichte immer mehr komische Gegenstände auftauchen. Und auch die Zombies wären damit abgehakt. Nur mal so ein Gedanke ...
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#88
Geschrieben 11 April 2005 - 08:06
Ich würde Roderick nicht als Killer bezeichnen. Er ist vielmehr jemand, der den Tod seines Gefährten in kauf nimmt und auf ihn angewiesen ist, denn er ist sein Versuchkaninchen. Er schickt in voraus und dirigiert ihn durch die Zone. Aber ermorden wollte er ihn nicht. Es ist reiner Selbstschutz: Geht er drauf erwischt es mich nicht. Was mich überrascht ist, dass sich der andere einfach in die Rolle zwängen läßt. Es macht überdies durchaus Sinn, dass Roderick ihm das Leben rettete, denn der Weg war ja noch nicht zu Ende. Außerdem ist Roderick kein solcher Unmensch, denn er hat ja schon einige aus der Zone geschliffen.Dann zum Killer; den lasse ich mir nicht ausreden. Jemanden mit Vorsatz umzubringen oder gnadenlos und eiskalt - und das ist Roderick am Schluss - in eine tödliche Falle laufen zu lassen; das macht für mich einen Killer aus. Noch schlimmer: Er rettet ja vorher sogar den Bengel aus der Bratpfanne um ihn später zu opfern, seinen „Dietrich“ wie er es selber sagt. Das Motiv spielt dabei keine Rolle. Anders sähe es aus moralischer Sicht aus, wenn der Schönling im Laufe der Vorgeschichte selber noch irgend welche fiesen Aktionen durchgeführt hätte. Aber das ist nicht der Fall. Also ist Schuchart für mich ein eigennützig handelnder Killer. Wobei dann natürlich trotzdem die Wandlung seines Charakters höchst interessant ist.
Weiter mit der Kugel: Warum ist das denn so schlimm, dass die Kugel tatsächlich existiert? Die anderen verrückten Gegenständ existieren ja auch. Scheint mir deshalb nicht so abwegig zu sein, dass die Kugel kein Phantasiegebilde ist. Im Gegenteil: Ich wäre eigentlich enttäuscht gewesen, wenn im vierten Teil, nach den Strapazen, die Kugel nicht tatsächlich vorhanden gewesen wäre.
Da mag ich übrigens gleich noch eine Theorie formulieren, die mir beim zweiten mal lesen durch den Kopf schoss und die allerdings in keiner Weise vom Buch gestützt wird: Was ist denn, wenn die Kugel eigentlich das einzige außerirdische Artefakt wäre? Wenn also lediglich ein einziger Gegenstand zur Erde geschickt würde, einer der Wünsche erfüllt? Eine Kugel durchs All zu schicken wäre jedenfalls nicht so wirklich komliziert und der geneigte Perry-Rhodan-Leser wird mir zustimmen, das die Kugelform die optimale für Weltraumreisen ist. Das ganze andere Brimborium ist erst durch die krausen Gedanken und Wünsche der Menschen entstanden. Es gibt halt genug Einfaltspinsel, die sich irgend einen krausen undefinierten Kram zusammendenken, und das hat die Kugel dann leider wahr gemacht. Das würde auch erklären, warum im Laufe der Geschichte immer mehr komische Gegenstände auftauchen. Und auch die Zombies wären damit abgehakt. Nur mal so ein Gedanke ...
Der mit der Kugel als einziges außerirdisches Artefakt ist eine interessante Theorie. Leider haben die Strugatzkis dies nicht weiter ausgeführt. Das übrigens mein einziger Kritikpunkt an dem Buch: Die Zone und die Artefakte hätten noch genauer beschrieben werden können. Andererseits: Vielleicht wäre dann der Reiz und die Atmosphäre des Buchs abhanden gekommen.
#89
Geschrieben 11 April 2005 - 09:48
Hallo Henrik, die Diskussion über die Märchenbuch-Theorie ist sicherlich etwas akademisch. Sie erinnert mich ein bißchen an den Streit zwischen absoluter Musik und Programmusik. Die Schwierigkeit mit der Programmusik entsteht dann, wenn das Programm bekannt wird. Dann glauben manche Kritiker einen Mangel an innerer Plausibilität heraushören zu können. Übertragen auf das Picknick bedeutet dies, daß es um den Unterschied geht, ob Schuchard seinen eigenen psychologischen Motiven oder einem Märchenklischee als Handlungsvorlage folgt. Wie bei guter Musik ist diese Unterscheidung rein akademisch, wenn die Zusammenhänge derart stimmig verflochten sind, wie beim "Picknick". Was den Killer Schuchart betrifft, stimmen wir überein, daß er einen Tötungsvorsatz hatte. Allerdings macht es durchaus einen Unterschied, ob er diesen Vorsatz aktiv ausgeführt hat oder nicht. Die Frage ist also, hätte er Arthur in den Fleischwolf geworfen, wenn er nicht freiwillig gegangen wäre ? Ein letzter Zweifel bleibt, denn seine Rettungsaktion in der Bratpfanne war spontan, auch wenn er sie später als Rettung seines Dietrichs rationalisiert. Allerdings ist seine Schuld schon sehr weitreichend, wenn man an die "Verletzung der Fürsorgepflicht für einen Abhängigen mit Todesfolge" denkt. Es wäre vielleicht interessant, sich die Feinheiten in diesem Fall mal von einem Juristen erklären zu lassen. Übrigens halte ich es nicht für schlimm, daß es die Kugel wirklich gibt. Ich finde das völlig in Ordnung, denn Legenden haben häufig einen rationalen Kern. Man muß bei der Beschreibung allerdings sehr genau lesen, um zu sehen, was sind objektive und was erträumte Eigenschaften. Gruß, KonradIch weiß ja nicht, aber findet Ihr die Diskussion um das Märchenhafte der Geschichte nicht ein wenig unwichtig? Ich meine, was bringt es mir als Leser, wenn ich weiß, dass ich hier ein Märchen vor der Nase habe?
#90
Geschrieben 11 April 2005 - 16:56
Bisher für mich DIE Erklärung, so plausibel wie jede andere. Die Erklärung, warum Nullen Nullen heißen. Einfach genial. Für mich gibt es in der Erzählung keinen Beweis, dass die Kugel wirklich Wünsche erfüllt. Es ist eine Möglichkeit, die auf Mutmaßungen basiert, ähnlich "ich bin die Treppe hinuntergefallen weil Freitag der 13. ist" und nicht weil die Treppe da ist, ich auf der Treppe war und einfach einen ungechickten Schritt gemacht habe. Die Kugel dient als Erklärung für etwas, was nicht zu erklären ist. In diese Geschichte kann jeder das interpretieren, was ihm gerade passt. Und alles ist richtig und gleichzeitig falsch, da es keine Lösung gibt. Das 4. Kapitel mag Anleihen aus Märchen nehmen, nur Märchen haben ein Happy End. Ich kann hier keines entdecken. Das Ende ist vollkommen offen. Für mich liegt diese Erzählung eher in der Tradition der "Noir"-Romane, der AntiHeld löst den Fall (findet die Kugel), aber scheitert daran. LG DykeDa mag ich übrigens gleich noch eine Theorie formulieren, die mir beim zweiten mal lesen durch den Kopf schoss und die allerdings in keiner Weise vom Buch gestützt wird: Was ist denn, wenn die Kugel eigentlich das einzige außerirdische Artefakt wäre? Wenn also lediglich ein einziger Gegenstand zur Erde geschickt würde, einer der Wünsche erfüllt? Eine Kugel durchs All zu schicken wäre jedenfalls nicht so wirklich komliziert und der geneigte Perry-Rhodan-Leser wird mir zustimmen, das die Kugelform die optimale für Weltraumreisen ist. Das ganze andere Brimborium ist erst durch die krausen Gedanken und Wünsche der Menschen entstanden. Es gibt halt genug Einfaltspinsel, die sich irgend einen krausen undefinierten Kram zusammendenken, und das hat die Kugel dann leider wahr gemacht. Das würde auch erklären, warum im Laufe der Geschichte immer mehr komische Gegenstände auftauchen. Und auch die Zombies wären damit abgehakt. Nur mal so ein Gedanke ...
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