Was muss sich ändern in der SF?
#1
Geschrieben 11 April 2005 - 08:31
#2
Geschrieben 11 April 2005 - 08:44
Sagt wer? Ich bin durchaus zufrieden, und dabei entsetzlich eingefleischt.Die heute erscheinende Science Fiction entlockt selbst eingefleischten Fans oft nur ein müdes Gähnen.
Das kann natürlich immer mal passieren. Ist aber nicht symptomatisch. Es gibt auch 600 Seiten starke Bücher mit Handlung für 600 Seiten.Die Bücher sind zu dick, eine nur für 200, 300 Seiten taugende Handlung wird auf 600 oder 700 Seiten aufgeblasen
Mumpitz. So lange wir nur in unserem Sonnensystem herumkriechen können, wird die SF auf absehbare Zeit nicht überholt sein. "Weltraum" war schon immer Realität, denn er war ja auch schon immer da. Soll man deswegen keine Romane mehr dort ansiedeln? Dann könnte man genauso sagen, es dürften keine Romane mehr auf der Erde spielen, die ist ja auch "Realität" und eo ipso langweilig.Die x-te Space-Opera nach Schema F mit fiktiven Technologien, welche die SF schon vor 60 oder 70 Jahren beherrschte (Raumschiffe etc.). "Weltraum" ist zudem trotz stagnativer Tendenzen in der Raumfahrt auf dem besten Wege, Realität zu werden, man denke nur an die Entdeckung von immer mehr extrasolaren Planeten. Hier hat die Wirklichkeit die SF längst eingeholt.
Echt? Ich fand Reynolds Romane bisher gar nicht deprimierend. Und sie sind nebenher auch nicht symptomatisch. Deine Zufallsbekanntschaft sollte mal ihren Horizont erweitern.Eine Zufallsbegegnung sagte bezüglich SF mal "das ist alles so finster und deprimierend". Stimmt, wenn man an die Szenarien in "Outland", den "Alien-Filmen" oder den Romanen von Alastair Reynolds denkt
Ausgerechnet Sternendreck als positives Beispiel zu nehmen, ist sozusagen der Gipfel. Sorry.Es gibt keine Arbeitslosigkeit, jeder hat seine Aufgabe und ein gescheites soziales Umfeld. Und wem das zu brav ist, der geht halt nicht nur Sternenflotte, sondern lässt sich auf einer gammeligen Starbase nieder oder läuft zum Maquis über.So sehe ich Star Trek oft nur wegen dieser angenehmen Atmosphäre, weil die Handlung und die Ideen oft alles andere als top sind.
Was ist bitteschön "SF im eigentlichen Sinne"? Da hätte ich jetzt gerne mal eine schöne Definition! Sorry, ich glaube, Du schwurbelst ein bisserl.Die Literatur des 21. Jahrhunderts, die keine SF im eigentlichen Sinne mehr ist, sollte vielleicht schon hier und jetzt realisierbare gesellschaftliche Experimente zu ihrem Thema machen
"Alles, was es wert ist, getan zu werden, ist es auch wert, für Geld getan zu werden."
(13. Erwerbsregel)
"Anyone who doesn't fight for his own self-interest has volunteered to fight for someone else's."
(The Cynic's book of wisdom)
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#3
Geschrieben 11 April 2005 - 08:47
#4
Geschrieben 11 April 2005 - 08:53
Ich finde es immer wieder amüsant, dass Leute von "Fakten" reden, wo sie doch eigentlich nur "Meinungen" meinen. Da gibt es einen kleinen Unterschied.Fakt ist, dass immer mehr Müll den Buchmarkt überflutet (gilt auch für den Musikmarkt) und wahre Visionäre immer seltener werden. Teilweise ist diese Behauptung natürlich subjektiver Natur, aber da diese Meinung von sehr vielen Personen vertreten wird, wird wohl auch was dran sein.
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#5
Geschrieben 11 April 2005 - 09:00
Ist doch schön, dass es noch lustige Menschen gibt. Seltsamerweise bekomme ich von dir langsam den Eindruck, dass du dich über jeden lustig machst, der mit der heutigen Situation am Buchmarkt nicht glücklich ist. Woher kommt das wohl? Rätsel über Rätsel ...Ich finde es immer wieder amüsant, dass Leute von "Fakten" reden, wo sie doch eigentlich nur "Meinungen" meinen. Da gibt es einen kleinen Unterschied.
#6
Geschrieben 11 April 2005 - 09:06
Ich bin nur für ein wenig mehr Redlichkeit in der Argumentation. Und dazu gehört, Meinungen nicht als Tatsachen verkaufen zu wollen. Das ist alles. Und lustig ist das übrigens nicht, aber Dein Ironiedetektor scheint eine neue Justierung zu brauchen.Seltsamerweise bekomme ich von dir langsam den Eindruck, dass du dich über jeden lustig machst, der mit der heutigen Situation am Buchmarkt nicht glücklich ist. Woher kommt das wohl? Rätsel über Rätsel ...
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#7
Geschrieben 11 April 2005 - 09:25
Bearbeitet von tichy, 11 April 2005 - 09:41.
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#8
Geschrieben 11 April 2005 - 09:41
Ich habe mir Deine Thesen durchgelesen und habe dazu zwei sehr subjektive Anmerkungen - Betonung auf subjektiv, um Diboo nicht zu verärgern:
[*]Ich bin in allen Dingen völlig Deiner Meinung. Ich gehe bei der Negativ-Betrachtung sogar noch einen Schritt weiter und sagen: Von mir aus können die SF-Autoren der ganzen Welt von jetzt auf gleich aufhören zu schreiben. Es gibt noch so viele ältere SF-Romane, die ich nicht gelesen habe, dass ich eigentlich bis zu meinem Lebensende mit guten Romanen versorgt wäre. Gleiches gilt eigentlich auch für die Film- und fast auch für die Computerspiele-Industrie.
[*]Ich sehe Deine Ausführungen nicht ganz so dramatisch. Weil? Siehe oben!
[/list]Mein letztes Negativ-Beispiel war der Lesezirkel-Roman aus dem März „Singularität“ von Charles Stross. Meine Güte, die Schwarte um 200 Seiten dünner und nicht nur der Leser freut sich, sondern auch die Wälder. Wenn einem nichts mehr einfällt, dann soll man halt auch aufhören.
Bis dennen,
Henrik
Gregory Benford, Larry Niven, "Himmelsjäger"
Gerade am Lesen
Gregory Benford, Larry Niven, "Sternenflüge"
Gerade gesehen
Serie "Mad Men"
#9
Geschrieben 11 April 2005 - 09:49
#10
Geschrieben 11 April 2005 - 09:57
Ich frage mich immer, warum da mit Gewalt ein Unterschied gemacht werden soll. Ein guter social fiction-Roman in einer glaubwürdigen und facettenreichen hard-science-Umgebung halte ich für eine gute Kombination, das eine schließt nun das andere beileibe nicht aus.In Zukunft, da gebe ich Dir recht muss sich die SF aber wandeln und mehr Soft als Hard SF Themen ansprechen, denn erstere sind nämlich zeitlos und werden nicht von technischen Neuerungen eingeholt.
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#11
Geschrieben 11 April 2005 - 10:08
@Diboo: Das mit dem "Ironiedetektor" ist für mich die gelungenste Selbstreferenz des Jahres! Habe sehr gelacht! Vielleicht kannst du trotzdem HarryWs "Meinungen" (deine Anführungszeichen, nicht meine) etwas gelassener besprechen, ohne gleich mit der "Fakt"-Keule zu kommen? Die meisten von uns haben nämlich eh kaum aktuelle Zahlen parat, und lesen solche Datengrabenkämpfe eher wie Zuschauer bei einem Caber-Tossing-Sport-Event, soll heißen ohne viel Einblick in die (Daten-) Materie... Übrigens, ich fand seine und deine Beiträge anderswo im Board bisher im G.&G. sehr lesenswert!
Bearbeitet von yiyippeeyippeeyay, 11 April 2005 - 10:17.
/KB
Yay! KI-generiertes SF-Zitat Ende November...
"In the sprawling city forums of the galaxy, where chaos reigns and time flows differently, true power is found not in dominance, but in moderation. The wise use their influence to temper ambition with reason, and chaos with order."
(auf Bing.de generierter Monolog von der Copilot-S/W - die ich hiermit NICHT bewerbe! - nach Aufforderung nach einem "s.f. quote" mit einem bestimmten Wort darin; ich ersetzte nur das 4. Wort mit "city forums")
#12
Geschrieben 11 April 2005 - 10:48
Ich halte es für problematisch, eine Aussage mit einer verallgemeinernden Tatsachenbehauptung zu beginnen, die als Grundlage für eine weitere Argumentation genutzt wird, da damit eine grundsätzliche Infragestellung der Grundannahme quasi ausgeschlossen wird. D.h. man diskutiert im Endeffekt nur mit jenen, die der gleichen Meinung sind, alle anderen haben ja offenbar keine Ahnung von den "Tatsachen".@Diboo: Das mit dem "Ironiedetektor" ist für mich die gelungenste Selbstreferenz des Jahres! Habe sehr gelacht! Vielleicht kannst du trotzdem HarryWs "Meinungen" (deine Anführungszeichen, nicht meine) etwas gelassener besprechen, ohne gleich mit der "Fakt"-Keule zu kommen? Die meisten von uns haben nämlich eh kaum aktuelle Zahlen parat, und lesen solche Datengrabenkämpfe eher wie Zuschauer bei einem Caber-Tossing-Sport-Event, soll heißen ohne viel Einblick in die (Daten-) Materie... Übrigens, ich fand seine und deine Beiträge anderswo im Board bisher im G.&G. sehr lesenswert!
Sorry, aber diese Art von apodiktischer Diskussionsführung geht mir schlicht auf den Keks.
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#13
Geschrieben 11 April 2005 - 10:59
Ok, ist klar. Aber sie ist in diesem Thread eh OT, also bitte ich dich und andere die "Fakt-oder-nicht-Fakt"-Diskussion hier nicht fortzuführen.Sorry, aber diese Art von apodiktischer Diskussionsführung geht mir schlicht auf den Keks.
Wie wär's wenn du mal einen OT-Thread eröffnest zu "Benimm-Regeln für Streitdiskussionen"? (Dein ID sollte jetzt NICHT ausschlagen! ) Fände ich sehr interessant und würde mich auch daran beteiligen; hätte ich damals beim Streit über Jakobs Antwort auf M. Szameits "Handbreit Zukunft"-Essay (bei dem es zufälligerweise um Verwandtes zum Thema dieses Threads hier ging) als Referenz gut brauchen können.
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#14
Geschrieben 11 April 2005 - 11:01
#15
Geschrieben 11 April 2005 - 11:44
Ja, leicht gerät man auf's berühmte Glatteis. Wenn man für jede Erfahrung, die man im Laufe der Jahre angesammelt hat gleich die passende Statistik zur Hand haben muss, wird es kompliziert. Wenn Du jedoch vehement den elegenaten Stil einfordest, musst Du Dich natürlich selbst daran messen lassen, Diboo. Eine Serie als 'Sternendreck' zu bezeichenen ist nicht nur schlechter Stil sondern eben ganau das, was man Deiner Meinung nach nicht tun sollte.Ich halte es für problematisch, eine Aussage mit einer verallgemeinernden Tatsachenbehauptung zu beginnen, die als Grundlage für eine weitere Argumentation genutzt wird, da damit eine grundsätzliche Infragestellung der Grundannahme quasi ausgeschlossen wird. D.h. man diskutiert im Endeffekt nur mit jenen, die der gleichen Meinung sind, alle anderen haben ja offenbar keine Ahnung von den "Tatsachen". Sorry, aber diese Art von apodiktischer Diskussionsführung geht mir schlicht auf den Keks.
#16
Geschrieben 11 April 2005 - 11:44
Bearbeitet von ANUBIS, 11 April 2005 - 11:47.
Werner Heisenberg,Atomphysiker
- • (Buch) gerade am lesen:Der Totenerwecker von Wrath James Wright
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• (Film) als nächstes geplant: ???
-
• (Film) Neuerwerbung: EUREKA-Season 5
#17
Geschrieben 11 April 2005 - 11:55
Es geht nicht um Statistiken, aber wie jemand schon sagte: Die Fortsetzung dieser methodischen Diskussion ist hier fehl am Platze. Was den "Sternendreck" angeht, so dürfte immerhin deutlich geworden sein, dass es sich dabei um meine individuelle Meinung handelt, und ich die Qualität oder Nicht-Qualität dieser Fernsehserie nicht als "Tatsache" verkauft habe. Darum ging es mir nur. Aber gut: EOD.Ja, leicht gerät man auf's berühmte Glatteis. Wenn man für jede Erfahrung, die man im Laufe der Jahre angesammelt hat gleich die passende Statistik zur Hand haben muss, wird es kompliziert. Wenn Du jedoch vehement den elegenaten Stil einfordest, musst Du Dich natürlich selbst daran messen lassen, Diboo. Eine Serie als 'Sternendreck' zu bezeichenen ist nicht nur schlechter Stil sondern eben ganau das, was man Deiner Meinung nach nicht tun sollte.
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#18
Geschrieben 11 April 2005 - 12:11
Eigentlich wollte ich hier gar nicht mitdiskutieren, das hier kann ich aber nur voll unterschreiben.*seufz*
Wißt Ihr was wirklich Interessant ist??
Das es solche Diskussionen schon vor 25 Jahren gab
Wenn Cloud z.B. schreibt: "Die SF-Literatur befindet sich auch meiner Meinung nach schon seit geraumer Zeit auf dem absteigenden Ast. Ein gleichermaßen inhaltsleerer wie dicker Wälzer neben dem anderen, dazu noch Serien und Zyklen ohne Ende - so langsam aber sicher hängt mir dieses Zeug wirklich zum Hals raus."
Das hätte so schon vor 5, 10, 20 oder 25 Jahren geäußert werden können.
Vielleicht ist das ja ein Hoffnungsschimmer: Früher war nicht alles besser.
- • (Buch) gerade am lesen:"Tales of the Shadowmen 1", J.-M. Lofficier (ed.)
- • (Buch) als nächstes geplant:"Tales of the Shadowmen 2", J.-M. Lofficier (ed.)
-
• (Buch) Neuerwerbung: Sherlock Holmes - Aus den Geheimakten des Weltdetektivs (Sammelband, 1973, mit 15 Heftromanen (1907/1908))
-
• (Film) gerade gesehen: "Das Testament des Dr. Mabuse" (Fritz Lang)
-
• (Film) als nächstes geplant: "Jurassic World: Dominion" (Dinos!!!!!)
-
• (Film) Neuerwerbung: "Judex" (Louis Feuillade)
#19
Geschrieben 11 April 2005 - 12:18
Ich bin aber anderer Meinung und hoffe sehr, dass noch viele Romane im Stile der alten Klassiker geschrieben werden. Halt, das ist falsch formuliert. Alte Inhalte (grob gesprochen) im neuen Stil, denn der wandelt sich doch erheblich. Das uralte †šErstkontaktmotiv†™ könnte sich als Dauerbrenner erweisen, zumindest hoffe ich das. Unglücklich finde ich die mögliche Tendenz, dass die SF in eine Art Selbstironie verfallen könnte. Denn wenn sie sich selbst nicht mehr ernst nimmt, ist doch eigentlich alles schon fast verloren.Ich vermute, dass die Science Fiction inzwischen alles Wichtige geleistet hat, zu dem sie in der Lage ist. Vielleicht sollten wir nach der nächsten Revolution Ausschau halten. Vielleicht sind das diese dicken Fantasy-Romane, vielleicht auch Computerspiele.
Bearbeitet von Dave, 11 April 2005 - 12:26.
#20
Geschrieben 11 April 2005 - 12:23
"Dein Wort ist meines Fusses Leuchte und ein Licht auf meinem Weg."
Psalm 119, 105
#21
Geschrieben 11 April 2005 - 12:27
Mehr? Eher weniger. Vergiß nicht, dass das, was in den diversen Kleinverlagen erscheint, außerhalb der engeren Szene gar nicht wahrgenommen wird. Man kann das am ehesten am klassischen Bahnhofsbuchhandel sehen. Es gab nun lange Zeit nur noch Bastei und Heyne, beide mit sinkender Tendenz seit über 10 Jahren. Kürzlich durfte ich dann die FanPro-Invasion im TB-Sektor feststellen. Aber sonst? Nein, eher weniger.Mit den Verkaufszahlen kenne ich mich auch nicht gut aus, aber kann es sein, das heutzutage mehr SF auf den Markt geschmissen wird als vor 10 Jahren und man darum das Gefühl hat immer mehr schlechte Bücher in den Händen zu halten? Das Sortiment ist größer geworden und damit auch der Anteil an Ungenießbarem?
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#22
Geschrieben 11 April 2005 - 12:30
Woran das liegt? Also, bei Grisham und Clancy sicherlich daran, dass deren Bücher halt Dauerseller sind. Und bei Barrayar bin ich eigentlich sehr froh, dass mal ein Verlag versucht, eine halbwegs vernünftige chronologische Reihenfolge da reinzubringen. Das hat meine vollste Unterstützung, hoffentlich zieht Heyne das auch durch und bricht den Zyklus nicht irgendwann wieder ab.Ich stelle aber fest das viele Verlage, bezieht sich nicht nur auf SF, damit beschäftigt sind alte Buchausgaben im neuen Look zu präsentieren. Das fängt bei Grisham an, Clancy, Asimov und geht bis zu den Barrayar Büchern von McMaster Bujold. Woran liegt das eigentlich?
- • (Buch) gerade am lesen:"Tales of the Shadowmen 1", J.-M. Lofficier (ed.)
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#23
Geschrieben 11 April 2005 - 13:33
Die Antwort auf Beverlys Frage bleibt mal wieder an (fehlenden/uneinheitlichen) Definition von "Science Fiction" hängen. Man kann den Begriff wörtlich nehmen und nur das als SF bezeichnen, was wirklich fiktionale Wissenschaft / Wissenschaftsfiktion (und Wissenschaft ist nicht nur Naturwissenschaft/Technik) zum Kernthema hat. Doch dabei stellt sich schnell heraus, dass sicher 99% dessen, was im Buchladen als "SF" etikettiert ist, diese Definition nicht erfüllt.
Deshalb gilt heute landläufig alles als "Science Fiction", das irgendwie in der Zukunft (bzw. einer realistischen Parallelwelt) oder im Weltraum spielt. Die Definition des Genres wird nicht mehr an seinen Kernthemen, sondern am Setting, an der Kulisse festgemacht. Das ist höchst unbefriedigend, aber sehr pragmatisch, da ein Großteil der Fans SF eben wegen der Kulisse liest. Und das Etikett "SF" klebt der Verlag auf ein Buch, nicht ein Literaturtheoretiker.
Die eigentliche Aufgabe "wahrer" Science Fiction sollte sein, diese Kulisse nicht nur der Exotik halber zu wählen, sondern in unterhaltender Form die Auswirkungen der heutigen und zukünftigen Früchte unseres Fortschritts- und Veränderungstriebes aufzugreifen. Jeder Fortschritt hat (positive, negative und ambivalente) Nebenwirkungen, von der Erfindung der Agrarwirtschaft bis zu der von Nuklear- und Gentechnik. Es ist nicht davon auszugehen, dass das bei künftigen Veränderungen anders sein wird.
Einen "Mangel an Phantasie" muss man sich gelegentlich attestieren lassen, wenn man solche Ansprüche stellt. Doch das Gegenteil ist der Fall: Man braucht nicht viel Phantasie, um sich beispielsweise das "Beamen" einfallen zu lassen (bekanntlich beamte man in "Star Trek" nur deshalb, weil anfangs das Geld für die Special Effects von landenden Raumfähren fehlte).
Echte Phantasie braucht man dagegen, um die Gesellschaft zu entwerfen, in der mein mißgünstiger Mitmensch mein Tafelsilber aus der Schublade, Gift in meinen Kaffee oder mich in eine Erdumlaufbahn beamen kann. Nicht das Erfinden origineller "Gadgets" ist das Zeichen "wahrer" SF, sondern das überzeugende Durchdeklinieren der sich daraus ergebenden Konsequenzen -- im Rahmen einer spannenden Handlung. Ich fühle mich in der Tat nicht wirklich Ernst genommen von einem Autor, der das nicht leisten will oder kann.
Wenn wir uns anschauen, welche SF-Werke als herausragend angesehen werden, dann sind das genau die, die diese Forderung erfüllen. Paradebeispiele sind Autoren wie Jules Verne und Arthur C. Clarke, deren Visionen heute teils alltägliche Wirklichkeit, teils ernsthafte Projekte sind und Generationen von Wissenschaftlern und Ingenieuren inspiriert haben. Umgekehrt könnten Dystopien wie Orwells "1984", Huxleys "Brave new World" oder die große Zahl der Endzeit-Katastrophen-Visionen der 70er und 80er die Menschheit durchaus vor schlimmen Fehlern bewahrt haben -- auch Visionen, die nicht eintreten, können so von großem Wert sein, wenn sie realistisch genug sind.
Meine besondere Sympathie gilt deshalb den Werken, die eine echte Vision vermitteln. Werke wie die eines Stanislaw Lem, Philip K. Dick, Robert Heinlein, Arkadi und Boris Strugatzki, Arthur C. Clarke, William Gibson. Sie erfordern echte Meisterschaft -- Wachsamkeit und fundiertes Wissen, gepaart mit Phantasie und literarischem Können -- und sind entprechend selten, heute wie früher.
-- tichy
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#24
Geschrieben 11 April 2005 - 14:26
Tichy meinte:
Genau - und selbst heute gibt es solche Autoren. Ich persönlich habe im Moment überhaupt nicht den Eindruck, dass es bergab geht.Sie erfordern echte Meisterschaft -- Wachsamkeit und fundiertes Wissen, gepaart mit Phantasie und literarischem Können -- und sind entprechend selten, heute wie früher.
@Beverly:
Was fehlt dir denn ganz konkret an den Büchern, die du zuletzt gelesen hast bzw. welche Bücher standen zuletzt auf deiner Liste? Vielleicht ist ja nur die Auswahl falsch.
Sullivan
#25
Geschrieben 11 April 2005 - 14:41
Ja, aber was ist denn nun, wenn die Visionen mittlerweile alle ausgeschöpft sind?Meine besondere Sympathie gilt deshalb den Werken, die eine echte Vision vermitteln. Werke wie die eines Stanislaw Lem, Philip K. Dick, Robert Heinlein, Arkadi und Boris Strugatzki, Arthur C. Clarke, William Gibson. Sie erfordern echte Meisterschaft -- Wachsamkeit und fundiertes Wissen, gepaart mit Phantasie und literarischem Können -- und sind entprechend selten, heute wie früher.
#26
Geschrieben 11 April 2005 - 14:58
Wenn das so sein sollte, dann stimme ich Henrik zu: Zum Glück gibt es noch bei weitem genügend gute alte Bücher, die ich noch nicht gelesen habe.Ja, aber was ist denn nun, wenn die Visionen mittlerweile alle ausgeschöpft sind?
Glaube ich aber nicht. Neue Entdeckungen und Erfindungen eröffnen nach und nach neue Zukunftsvisionen, die auch weiterhin literarisch verarbeitet werden. Und man kann auch eine Idee, die schon einmal da war, ein zweites Mal und diesmal anders bearbeiten.
Echte, also originelle, Visionen sind natürlich selten, sie bedürfen einer besonderen Kombination von Eigenschaften seitens des Autors, die nicht oft vorkommt. Alle anderen Autoren müssen sich dann mit Visionen aus zweiter, dritter, x-ter Hand begnügen, und dadurch wird die ehemals originelle Idee langsam zum Teil des SF-Kulissenfundus. Diese Werke drehen sich dann nicht mehr um diese Idee, sondern verwenden sie nur noch als Versatzstück. Das kann durchaus auch unterhaltsam und natürlich auch literarisch überzeugend sein, aber eben nicht mehr visionär.
William Gibsons Werke waren seinerzeit visionär. Andere Autoren haben daraufhin seine Visonen aufgegriffen, genutzt und fortgesponnen, wordurch die geschilderte Welt zunehmend die Originalität verlor und zu einem eigenen Subgenre wurde, dem "Cyberpunk". Die visionäre Kraft von Gibsons urspünglichen Werken kann man nur noch spüren, wenn man sich in Erinnerung hält, dass er der weitaus erste war, der so schrieb. Sein einmaliger Stil ist dagegen weitaus schwerer zu kopieren und beeindruckt deshalb auch heute ungemindert.
-- tichy
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#27
Geschrieben 11 April 2005 - 15:44
(Georg Christoph Lichtenberg)
#28
Geschrieben 11 April 2005 - 15:56
Hi, tichy, habe mich angeschnallt und den Flug deiner Ausführungen zustimmend genossen (großes Lob! ), bis zu diesem LETZTEN Absatz - da hat m.E. der linke Motor etwas gespuckt...William Gibsons Werke waren seinerzeit visionär. Andere Autoren haben daraufhin seine Visonen aufgegriffen, genutzt und fortgesponnen, wordurch die geschilderte Welt zunehmend die Originalität verlor und zu einem eigenen Subgenre wurde, dem "Cyberpunk". Die visionäre Kraft von Gibsons urspünglichen Werken kann man nur noch spüren, wenn man sich in Erinnerung hält, dass er der weitaus erste war, der so schrieb. Sein einmaliger Stil ist dagegen weitaus schwerer zu kopieren und beeindruckt deshalb auch heute ungemindert.
Das gehört hier zwar nicht so richtig hin, aber du behauptest also Gibson habe CP eigenhändig erfunden? Dass seine Visionen so originell waren? Ich wage das zu bezweifeln, bin aber kein CP-Experte (kann jemand mal Jürgen ausrufen lassen?). Was mich bei Gibson ganz besonders beeindruckte war (i) die glaubwürdige Dichte der Welt die er ersonnen hat, und (ii) sein minimalistischer "cooler" Stil. Wobei sicherlich (ii) gut zu (i) beitrug!
Auch (hier fasse ich mein kleines CP-kulturgeschichtliches Verständnis zusammen) war CP eben eine Rebellion gegen die klassische SF-Autorenschaft, die behauptete es gebe nichts Neues mehr zu schreiben (klingt bekannt?), und nebenbei auch eine weitere Selbstbehauptung der weiblichen Autorinnen.
Gibsons wissenschaftliche Neuerungen (technisch/soziologisch/ökonomisch) waren aber nach meinem Gefühl zum größten Teil zusammen geklaut. Die Synthese war neu, und eben auch der besondere Stil. Er sagt ja auch bis heute, dass er nicht SF schreibe.
Ansonsten sehe ich's genau wie du, insbes. dass es immer wieder wissenschaftliche Bereiche gibt, in denen AutorInnen neuen Raum zur fiktiven Extrapolation bekommen. Und solche Bereiche tun sich ja nach wie vor auf - es gibt noch Unmengen an Unwissen. Solange also die Wissenschaft Weltreligion bleibt, begleitet SF sie als vergnügliche Kirchenzeitung.
Allerdings hat SF sich inzwischen auch als fruchtbarer Boden für neue literarische Formen und "weichere" Symbolik (z.B. die Rolle von Frauen/Minderheiten in der Gesellschaft) etabliert. Was eine schreibende Person woanders nicht veröffentlicht bekam/bekommt (ich denke da z.B. an Octavia Butler)... hier gibt's nach wie vor LeserInnen dafür, auch wenn diese nach und nach weniger werden. Gegen Null tendieren wird die phantastische Leserschaft eh nie.
/KB
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#29
Geschrieben 11 April 2005 - 16:10
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#30
Geschrieben 11 April 2005 - 16:35
Genau. Prinzipiell sehe ich auch nicht schwarz, oft ist es auch ein Stilfrage. Ich ziehe zum Beispiel die Romane der letzten zwanzig Jahre vor. Im Moment rollen Clarke/Baxter das alte 2001-Thema wieder auf und ich freue mich sehr darüber. Was den Cyberpunk angeht, meinte O.S. Card, dass er der SF eigentlich einen Bärendienst erwiesen hat, weil er sozusagen die Entwicklung ausgebremst hat. So seien die Autoren mehr darauf versessen gewesen, im Stile von Gibson Bücher zu schreiben. Ich erwarte mir von dem Thema Cyberspace (was den Rahmen vergrößert) noch eine ganze Menge, auch wenn es im Moment nicht so populär ist.Glaube ich aber nicht. Neue Entdeckungen und Erfindungen eröffnen nach und nach neue Zukunftsvisionen, die auch weiterhin literarisch verarbeitet werden. Und man kann auch eine Idee, die schon einmal da war, ein zweites Mal und diesmal anders bearbeiten.
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