Ich erinnere mich an den Dan Brown-Skandal vor ein paar Jahren, wo er beschuldigt worden ist, Plagiat begangen zu haben - damals ging es um das Buch "Der Heilige Gral und seine Erben", wenn ich nicht irre.
Der Fall war ja ein wenig anders gelagert, weil es da um ein Sachbuch ging, aus dem Dan Brown offenbar für seinen Roman geschöpft hat. Intertextualität ist damit von vornherein ausgeschlossen. Ein ähnliches Problem ergab sich ja auch mit Schätzings Schwarm - wo da die zulässigen Grenzen überschritten sind, ist wiederum eine andere Frage. Waren sie in beiden Fällen jedenfalls offenbar nicht
Aber wenn ein Romanautor sich allzu offensichtlich bei einem Sachbuch bedient, kann man ihm weder ein Plagiat vorwerfen, weil ein Roman schon mal per se was anderes ist als das Sachbuch. Und genauso wenig kann sich der Autor mit "Zitat", "Collage" etc. herausreden, weil das Sachbuch kein Teil des literarischen Kontinuums ist, sondern schlichtweg und ausschließlich eine Quelle. Ich denke also, da muss man dann ganz andere Kriterien anlegen.
Ach, wenn ich das hier so lese, dann gehe ich einfach mal davon aus, dass all jene, die die Sache verteidigen oder einfach als gang und gäbe abtun oder schulterzuckend die Sache hinnehmen kein Problem damit haben, wenn ich mich zukünftig ihrer Werke bediene, abschreibe, ein bisschen ummodle und das dann als meines verkaufe.
Wenn du aus meinen Büchern zitierst, dich an einzelne Elemente anlehnst und sie in anderen Kontext stellst, wenn du Begriffe oder Namen mit erkennbarer Distanz übernimmst, dann werde ich mich sicher nicht darüber beklagen, sondern es als meinen Beitrag zur literarischen Gesamtentwicklung betrachten. Wenn du dieselbe Story schreibst wie ich, dafür meine Figuren übernimmst, Handlungselemente kopierst und dann auch noch seitenweise meine Wortwahl paraphrasierst oder dein Buch als "offizielle Fortsetzung" anbietest, dann werde ich das irgendwann als ein Problem ansehen
Ich bedauere vor allem, dass bislang noch kein Artikel klipp und klar die Frage beantwortet hat, an welcher Stelle dieses Kontinuums die vorliegenden Übernahmen angesiedelt sind. Ich vermisse immer noch den Redakteur, bei dem ich das Gefühl bekomme, dass er beide Bücher gelesen hat und mir dann die Frage beantwortet, ob er nach dem Lesen das Gefühl hatte, mit "Axolotl" eine eigenständige literarische Weiterentwicklung mit freien Referenzen auf ein Vorbild gelesen zu haben - oder zweimal dasselbe in etwas anderer Rekombination.
Wenn man sich vor Augen hält, dass so ziemlich bei jedem erfolgreichen Werk im letzten Jahrzehnt Plagiatsvorwürfe aufkamen und die meisten davon am Ende zu einem Haufen heißer Luft zerplatzen, dann weiß man auch, dass diese Unterscheidung wichtig ist.
"Modern Economics differs mainly from old Political Economy in having produced no Adam Smith. The old 'Political Economy' made certain generalisations, and they were mostly wrong; new Economics evades generalisations, and seems to lack the intellectual power to make them." (H.G. Wells: Modern Utopia)