Wenn es tatsächlich stimmt, dass Hegemann von "überall zusammengeklaut" hat, würde das eigentlich klar dafür sprechen, dass eben kein Plagiat vorliegt. Wenn ich einen Text fabriziere, der aus x anderen Texten zusammengestückelt ist, macht mich das zwar nicht unbedingt zu einem grossen Schriftsteller, der neue Text ist aber dann etwas Eigenes, das man nur schwer als Plagiat eines einzelnen Werks bezeichnen kann. Vielleicht ist Hegemann am Ende gar nicht primär Schriftstellerin, sondern eher Collageurin †¦
Wenn allerdings der Roman inhaltlich und strukturell sehr stark an Strobo angelehnt ist, dann auch noch jede Menge Formulierungen aus Strobo entnommen sind, wenn dann auch noch das meiste, was sonst sprachlich an dem Text beeindruckt, anderswo entnommen wurde und diese Collage in der Summe immer noch nicht auf ein eigenes Werk hin ausgelegt ist, sondern die Puzzleteile eben nur so zusammengefügt wurden, wie es ein Vorbild vorgibt - dann würde ich dem Ergebnis durchaus die Schöpfungshöhe absprechen.
Ob es dann noch ein "Plagiat" ist, eine uninspirierte Collage oder ein schlechter Epigone, wäre für mich wenig maßgeglich. Das sind eher juristische als literarische Feinheiten. Viel bedeutsamer fände ich in dem Fall, dass sich das Feuilleton mit seinen voreiligen Lobeshymnen tatsächlich blamiert hätte, wenn dem Werk fast jegliche eigenständige Qualität fehlt
Das Ganze verliert extrem dadurch, daß man weiß, daß es nicht ihre eigenen Erfahrungen sind/waren.
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Zusammengefasst - Strobo liest sich nicht nur "authentischer", ...
Authentischer anfühlen wäre sicher ein Argument für ein Werk - eigene Erfahrungen hingegen weniger, solange man den Unterschied nicht bemerkt, wenn man vorher nicht davon wusste
Insofern beantwortet deine Zusammenfassung nicht unbedingt meine Fragen nach der eigenen Leistung der Autorin in "Axolotl", ist allenfalls ein Hinweis auf qualitative Merkmale. Was die literarische Qualität betrifft muss ich sagen, dass ich umgekehrt gerade durch die vielen gegenübergestellten Zitate durchaus den Eindruck gewonnen habe, dass die Sprache bei Hegemann etwas geschliffener und mehr auf den Punkt formuliert ist als bei Airen. Ich wäre also durchaus geneigt, nach den Textbeispielen Axolotl eine höhere sprachliche Qualität zuzubilligen als dem Vorbild - was für mich bei der Frage nach "literarischer Qualität" letztlich bedeutsamer wäre als die "Echtheit der Erfahrungen". Allerdings wäre das eher eine Verbesserung auf Lektoratsniveau, und man weiß natürlich nicht, was davon erst durch das Lektorat reingekommen ist. Um "Axolotl" eine eigenständige Qualität zuzubilligen, würden diese sprachlichen Verbesserungen kaum ausreichen.
Was die "Echtheit" betrifft, kann die größere Distanz von Hegemann sogar ein Vorteil sein, wenn sie das Material dramaturgischer aufbereitet hat. In dem Fall wäre die Übernahme wohl eher mit den Sachbuch-Plagiatsvorwürfen bei Dan Brown bzw. Schätzing zu vergleichen. Ein Unterschied im Grad der dramaturgischen Bearbeitung würde ich durchaus als Eigenleistung der Autorin werten ... wenn erkennbar ist, dass Hegemann in dieser Hinsicht mehr aus dem Stoff gemacht hat als ein stärker die Wirklichkeit nacherzählendes Vorbild.
"Modern Economics differs mainly from old Political Economy in having produced no Adam Smith. The old 'Political Economy' made certain generalisations, and they were mostly wrong; new Economics evades generalisations, and seems to lack the intellectual power to make them." (H.G. Wells: Modern Utopia)