Vorab sollte darauf hingewiesen werden, dass der Amerikaner Hughart ansatzweise eine jahrhundert-alte Tradition mit diesen Büchern fortsetzt, in der britische Autoren nette chinesische Episoden in ENGLISCH nach erzählen. Ich kenne zwar auch nur wenige, am besten gefielen mir aber davon Bramahs Kai-Lung-Geschichten (s. z.B. Wallet of Kai Lung). Besonderheit dieser Geschichten ist immer eine klare grobe Struktur - so klar dass sie gelegentlich von den Protagonisten im Voraus kommentiert wird - und einfach gezeichnete Rollen. So gibt es auch bei Meister Li z.B. die klare Trennung zwischen platonischem aber alt-abgebrühten Geist/Gebildeten (Li) und der körper-betonten, kräftigen Unschuld (Nr. 10, der "Ochse").
Zur Zeit lese ich die 3 Romane wieder von vorne und bin gerade mit dem 2. fertig. Ich möchte sie also hier kurz besprechen, und freue mich auf eure Sichten dazu...
#1 - Brücke der Vögel
Nr. 10 ist hier der Klient, der nach einer Verseuchung aller Kinder seines Dorfes in Peking nach einem Weisen auf die Suche geht, der dem Dorfweisen (dem Abt) helfen kann, ein Gegenmittel zu finden. Dabei stößt er auf den uralten, ziemlich versoffenen Meister Li, ehemals Erleuchteter und Meister-Auftragskiller, nun Detektiv bzw. Puzzle-Löser. Mit seiner Hilfe wird klar, dass die Ginseng-Wurzeln aller Ginseng-Wurzeln her muss - nur wo finden bevor die Kinder in ihrem katatonischen Zustand verendet sind?
Die Geschichte ist schön gerade und Hughart legt die Fundamente für seinen anscheinend respektlosen Stil - auch werden die Grundmotivationen von Li und Nr. 10 begründet. Nebenbei lernt der Leser viel von dieser fantasievollen Sicht eines "Chinas das es nie gab" (diese Phrase erfand übrigens Bramah!), das aber an der Schwelle steht zwischen den taoistischen Mandarinen und den "Neo-Konfuzianern" (Letztere hasst Meister Li mit großem Eifer!), den Bürokraten und hohlen Würdenträgern, die immer alles richten und aufräumen wollen, und dabei den Sinn guter Form und den Inhalt sowieso vergessen...
Gegen Ende nehmen die Fantasie-Elemente überhand, sehr zum Erstaunen des immer zuerst Logik und Medizinwissen/Alchemie anwendenden Meisters - letztendlich sind die Götter das treibende/regelnde Element der Geschehnisse. Derartige Finalen gibt es auch in den weiteren Romanen - man kann es wohl als Brughartsches Stilelement sehen.
#2 - Stein des Himmels (orig. Story of the Stone)
Inzwischen wohnt Nr. 10 in Meister Lis wackeliger Hütte in Peking und ist sein Assistent geworden. In dieser Geschichte geht es um ein leidendes Tal, umgeben von Hügeln, insbesonders den 2 Drachenhörnen, ein hoher Hügel der einst in 2 Hälften gespalten wurde. In diesem Tal wütete vor Jahrhunderten ein fürchterlicher Feudalherr, der Lachende Prinz, der Menschen metzelte bzw. für seine Experimente mit der Unsterblichkeit zu Tode quälte. Anscheinend wütet er wieder, und der Meister und sein Ochse müssen, diesmal mit Hilfe zweier gespaltenen Seelen, einer geheimnisvollen Bogenschützin und einem eleganten Klangmeister, Wege zwischen Hölle und Himmel gehen um die wahre Ursache zu erkunden...
Hier wagt Brughart m.E. mehr als im ersten Buch; der Meister und sein Assistent werden klarer gezeichnet, ALLE dürfen noch freier (gelinde gesagt) agieren und reden. Alles ist noch phantastischer, noch frecher, noch meta-ebniger (man beachte den Teamausflug in die chinesischen Höllen!). Zwar leidet dann manchmal der Fluss der Geschichte etwas, also die Glaubwürdigkeit der Verbindungsstellen zwischen ihren Abschnitten, aber - he! - das ist eine chinesische Erzählung! Wir durchpaddeln sie und treffen immer wieder auf neue noch schöner bewachsene Inseln.
Von den zwei Romanen ist Letzterer mein Favorit. Alleine die ausbalancierte duale Symbolik überall hebt ihn hervor. Ich hoffe demnächst einen Scan des Covers meiner engl. Doubleday-Ausgabe hier ein zu stellen, damit man mal das ein oder andere Detail besprechen kann (wenn sich dazu jemand einfindet)...
P.S.: Kennt jemand e. nette(n) SinologIn, die uns auch nur ein Drittel der ganzen Referenzen erklären/bestätigen kann?
Bearbeitet von yiyippeeyippeeyay, 08 März 2010 - 22:49.