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Gerd Prokop: Wer stiehlt schon einen Unterschenkel?


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36 Antworten in diesem Thema

#1 Rusch

Rusch

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Geschrieben 01 Oktober 2006 - 16:53

Willkommen

zum Klassiker-Lesezirkel im Oktober.

Es wird gelesen:

Wer stiehlt schon einen Unterschenkel?
Gerd Prokop


Hier noch eine Liste der einzelnen Geschichten:

* Timothy Truckle
* Wer stiehlt schon einen Unterschenkel?
* Der Tod der Unsterblichen
* Schneewittchen und der Mann aus dem 20. Jahrhundert
* Tote stehlen nicht, oder?
* Ein Freundesdienst
* Samuel, das Monster
* Spiel auf Leben und Tod
* Die Drossel

Viel Spaß!

:wine:

Bearbeitet von Rusch, 03 Oktober 2006 - 09:26.


#2 Rusch

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Geschrieben 01 Oktober 2006 - 16:59

So, ich habe schon mal die ersten beiden Geschichten gelesen (die Einführung in diesen Episoden Roman fand ich gelungen, aber es war halt eben nur eine Einführung in eine Sammlung von Kurzgeschichten).Die Titelgeschichte ist gelungen. Der Autor baut ein Mysterium auf, dass für den Leser zunächst (ebenso wir für den Protagonisten Timothy Truckle) überhaupt keinen Sinn ergibt. Und während Prokobs kleinwüchsiger Detektiv versucht das Rätsel zu lösen, gibt der Autor nach und nach teile seiner erdachten zukünftigen Welt offenbart. Dies war auch in der zweiten Geschichte so, doch dazu später mehr.Mir gefällt Prokobs Schreibweise und ich kann verstehen, warum er so beliebt war.

#3 Rusch

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Geschrieben 03 Oktober 2006 - 09:29

Und wieder willkommen zu meinen ganz eigenen Lesezirkel. Das mir ja niemand auf die Idee kommt hier zu posten:Ich habe jetzt die beiden Geschichten "Schneewittchen und der Mann aus dem 20. Jahrhundert" und "Tote stehlen nicht, oder?" gelesen und ich muss sagen, die gefielen mir sogar noch besser. Das schöne daran ist, dass all diese Geschichten sowohl Kriminal- als auch SF Geschichten sind. Normalesweise hat man ja entweder eine Kriminalgeschichte, der SF Elemente aufgestülpt wurden oder einen hoffnungslosen Versuch, in eine SF Geschichte Krimielement einzufügen. Hier ist es anders: Beide Genres sind verschmolzen und die Geschichten würden ohne das andere nicht funktionieren. Das gefällt mir sehr gut.

#4 heschu

heschu

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Geschrieben 03 Oktober 2006 - 12:50

He, Rusch, ich mache mit.Das Buch hatte mir damals wahnsinnig gut gefallen. Als ich jetzt die ersten Seiten gelesen habe, kam es mir doch ein bißchen veraltet vor. Ist eben ein Klassiker. Die Anspielungen u.a. auf das "Komitee für unpatriotisches Verhalten" hatten für mich einen faden Beigeschmack. Doch dann las ich die nächsten Kapitel und wusste wieder, warum mir das Buch zugesagt hatte.Thimothy Truckle, kurz Tiny genannt, benutzt sein Image als versnobter Zwerg und steigt bald als teuerster Detektiv in die Upperclass auf. Er befasst sich mit unlösbaren Fällen wie eben mit den gestohlenen Unterschenkeln und den sterbenden Unsterblichen. Die intelligenten Lösungen, gepaart mit dem Charisma und der Menschlichkeit des Detektivs behagen mir sehr. Nun werde ich mir die nächsten zwei Fälle vornehmen.

Carpe diem!

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#5 Jan Gardemann

Jan Gardemann

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Geschrieben 03 Oktober 2006 - 17:06

Rutscht beide mal ein bißchen rüber - ich mache auch mit!Ich habe das Buch gerade vor ein paar Tagen fertig gelesen - und nun gibt es hier sogar ein Thema zu diesen Geschichten. ;) Echt toll!Die Mischung aus Krimi und SF hat Gert Prokop wirklich meisterhaft hingekriegt. Timothy Truckle ist mir inzwischen so sehr ans Herz gewachsen, dass ich den zweiten Band mit Fällen dieses zergenwüchsigen Detektivs demnächst unbedingt nachschieben werden.Dass diese Geschichten ein Klassiker sind, d.h. schon älter und deshalb angestaubt sein könnten, habe ich den Stories nicht angemerkt. Im Gegenteil - die Themen und insbesondere der Charakter des Timothy Trukle passen hervorragend in unsere Zeit. Auch die Ausarbeitung der technischen Details, ließ mich manchmal annehmen, einen gemäßigten Cyber-Space Text vorliegen zu haben.Extrapolierte Kapitalismuskritik auf diese Weise zu betreiben - auf diese Idee konnte wohl nur ein DDR-Schriftsteller kommen. Es geht in diesen "Fällen" auch vordergründig gar nicht darum, ein Verbrechen aufzuklären, sondern es sollen vielmehr die pervertierten Mechanismen aufgezeigt werden, die in diesen Vereinigten Staaten der Zukunft am Wirken sind. Timothys Menschlichkeit und seine leicht pessimistische Grundhaltung (die jedesmal neue Nahrung erhält) geben diesen Geschichten eine besondere Würze. Am erstaunlichsten aber finde ich, dass das ganze auch noch total spannend geschrieben ist und man wirklich gut unterhalten wird.Schade, dass Gert Prokop sich dazu entschlossen hatte, seinem Leben freiwillig ein Ende zu setzen (mit diesem Hintergrund erscheint die Figur Timothy Truckle noch etwas tragischer - und seine pessimistische Lebenseinstellung sogar fatal). So werden wir leider nie erfahren, wie die Fälle dieses Detektivs ausgesehen hätten, wenn Gert Prokop sie nach dem Fall der Mauer fortgeführt hätte...

#6 Rusch

Rusch

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Geschrieben 03 Oktober 2006 - 18:16

Ja, das mit dem Freitod 1994 war tragisch. Der Mann hatte echt Talent. Übrigens, und das ist wieder einmal so typisch für die heutige Zeit, ist das Impressum unvollständig. Es fehlten hinweise, wann die Romane erschienen sind und wann dieses Version zum ersten Mal aufgelegt wurde. Warum kann man so etwas heute nicht mehr machen?Den "Samenbankraub" habe ich mir schon auf den Nachttisch gelegt. Vielleicht hast Du ja Lust, dass wir später im Monat uns auch diesem Band zuwenden?

#7 TheFallenAngel

TheFallenAngel

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Geschrieben 03 Oktober 2006 - 18:42

DDR 1. auflage 'wer stiehlt schon unterschenkel?' war 1977, 'der samenbankraub' 1983 - wann genau die einzelnen geschichten entstanden sind steht aber in meinen herrlich vergilbten DDR ausgaben auch nicht dabei ... ich habe ja die beiden truckle-bücher (und noch 2 spätere erzählungsbände prokops, 'die phrrks' + 'null minus unendlich') für diesen lesezirkel auch aus dem keller hervorgekramt und den unterschenkel-band schon fast ausgelesen, bin bei der vorletzten story tja, was soll ich sagen - erinnerungen wurden und werden wach, ist ja echt über 20 jahre her seit ich die stories damals verschlungen habe gefallen tut mir timothy truckle heute auch noch sehr (sonst hätte ich ja das 1. buch nicht schon fast durch), aber im gegensatz zu jan g. finde ich doch das die stories gerade von der beschriebenen technik her sehr antiquiert wirken, allen voran napoleon - was ich aber nat. nicht als kritik verstanden wissen will - ist ja andererseits auch immer wieder interessant wie man sich vor 20, 30 oder mehr jahren die zukunft und/oder deren entwicklung so vorstellte (was ich jetzt hauptsächlich auf die technische seite beziehen will) auch sehe ich mich in meiner abneigung gegenüber stories im allgemeinen bestätigt - das format story ist mir einfach zu kurz, ist längst nicht mehr mein fall, tut mir leid das zu sagen ... ich mag halt die 8-bändigen trilogien eindeutig mehr LOL bei truckle geht das im prinzip aber noch, da ja hauptheld und settings von story zu story erhalten bleiben und man im verlauf des buches ein immer unfangreicheres hintergrundbild und gesamtbild der gesellschaft(en) bekommt insgesamt möchte ich mich jetzt schon bei allen bedanken die mit mir für timothy truckle gestimmt haben, aus rein sentimentalen gründen *schnief* ... abteilung klatsch und tratsch - weiß denn jemand die gründe für prokops suizid? war er zb krank? (sorry für die fragen)


Bearbeitet von TheFallenAngel, 06 September 2020 - 20:38.


#8 heschu

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Geschrieben 03 Oktober 2006 - 20:04

Es freut mich, dass sich noch mehr Leser finden, die über das Buch diskutieren wollen. Ich hoffe doch, dass wir uns vertragen, auch wenn wir vielleicht unterschiedlicher Meinung sein sollten. Jan, du siehst in den Storys eine leicht pessimistische Grundhaltung der Hauptfigur. Die sehe ich ebenfalls. Aber macht nicht gerade diese Stimmung den Charme der Geschichten aus? Der spätere Freitod Gert Prokops und das Schreiben sind für mich allerdings zweierlei Dinge. Wie viele Autoren verfassen höchst melodramatische, tieftraurige Storys? Und wie viele Autoren bringen sich tatsächlich um?(Ich will gar nicht erst an die denken, die mörderische Krimis, Gruselstorys und dergleichen schreiben. ;) )Jetzt bin ich übrigens bei "Schneewittchen" angelangt. So wird insgeheim von Tiny eine kostspielige, tönernde Plastik genannt. Die und eine zweite sind sein Preis für die Erledigung des neuen Auftrags. Der Detektiv soll den Betrug um das Einfrieren lebendiger Menschen aufdecken. Er löst den Fall mit Hilfe von Napoleon, einem leistungsfähigen Computer (für die damalige Zeit, The F.A.) und mit dem Großen Bruder aus dem UNDERGROUND. Allerdings muss der Detektiv einen Mittelweg zwischen seinem Gewissen und den Interessen des Auftraggebers finden. Süß finde ich übrigens die Beschreibung von Tinys Eitelkeit. Der Detektiv ist wütend und beruhigt sich allein durch die Vorstellung, wie albern rote Ohren zu seinem grünen Wams und den dazu passenden Haaren aussehen. Herrlich! SF kann also auch anders sein.

Carpe diem!

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#9 heschu

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Geschrieben 08 Oktober 2006 - 19:10

OK, ich habe alle erfolgreich vergrault. :wink2: Trotzdem mache ich weiter.

Tote stehlen nicht, oder?

Der Detektiv ist krank, wird aber von mehreren Seiten bedrängt, den Einbruch in einen Spezialsafe aufzuklären. Natürlich ist dieser Fall kein großes Problem für Tiny, der durch eine geschickte Taktik neben Prämien auch noch Geld für seinen neu gegründeten Fond heraus schindet.
Die Geschichte ist wie die anderen rund. Sämtliche Einzelheiten stimmen.

Ein Freundesdienst

An diese Story konnte ich mich nicht mehr recht erinnern. Und ich tue mich ein wenig schwer bei ihrer Bewertung.
Tiny, diesmal mit blauen Haaren, muss einem Freund helfen, auf den Mordanschläge verübt werden. Es geht weder um Geld, noch um Prämien, sondern um die unsterbliche Seele eines Menschen.
Das Thema haben genügend Autoren vor und nach Gert Prokop bereits durchkaut, aber man merkt gerade bei dieser Story, dass es ihm sehr am Herzen liegt.
Trotzdem fühle ich ein leichtes Unbehagen. Irgendwas stört mich an der Geschichte. Wahrscheinlich habe ich bereits zu viele Bücher gelesen und zu viele Filme geguckt, in denen das Klischee gut (Tiny) gegen böse (Selbrik) vorkam, wobei natürlich gut siegt und böse ermorden muss, um die Menschheit zu retten.
(Ich wundere mich selbst, dass ausgerechnet ich Prokops Geschichte so kritisiere, obwohl ich sonst seine Ideen und die stilsichere Schreibweise sehr mag.)

Carpe diem!

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#10 Pogopuschel

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Geschrieben 11 Oktober 2006 - 14:08

Ich werde aus Zeitgründen leider erst nächste Woche einsteigen können.Gruß Markus

#11 Rusch

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Geschrieben 11 Oktober 2006 - 22:01

So, ich habe das Buch jetzt durch. Zum Ende hin war ich überrascht über die starkt Kontinuität in den Geschichten. In den letzten zwei Episoden bekommt dann die Geschichte noch eine ganze andere Richtung ich bin richtig gespannt auf den Samenbankraub geworden.Insgesamt gefielen mir Prokobs Science Fiction Krimis recht sehr gut und das mag war heíßen, den ich bin bekanntlich kein großer Freund von Kurzgeschichten.

#12 TheFallenAngel

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Geschrieben 11 Oktober 2006 - 22:14

... denn ich bin bekanntlich kein großer Freund von Kurzgeschichten.

da haben wir was gemeinsam wobei man ja prokops truckle bücher fast als episodenromane betrachten kann, einige kleinigkeiten werden ja immer mal mitgenommen von story zu story, zb die schneewittchenstatue und der komplette hintergrund wird ja auch von story zu story erweitert mit neuen details usw. usf. also ein klassischer storyband ist es imho eh nicht ... zu einem post weiter oben noch über die erinnerungen an die einzelnen stories - ich erinnerte mich echt nur noch an 2 sachen, die titelstory und die sache mit dem örtlich begrenzten vakuumgenerator - an alles andere eher nicht (und an den samenbankraub hab ich mal überhaupt keine erinnerungen) irgendwann vergißt man scheinbar doch (fast) alles ... gelesen hatte ich die bände ja auch zu DDR-zeiten, knappe 20 jahre her (möge das mal als entschuldigung gelten^^)

#13 Rusch

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Geschrieben 12 Oktober 2006 - 07:48

Das sieht man mal, wie fließend die Grenze zwischen episodenartigen Kurzgeschichten und einem Episoden Roman sein können. Tatsächlich würde ich dieses Buch eher als Episoden Roman bezeichnen.WICHTIG:Für meine Rezi würde ich gerne eine Aufstellung über das ursprüngliche Erscheinungsjahr der Geschichten einfügen. In meiner Ausgabe - das ist wirklich traurig - findet sich dazu keine Angaben. Könnt ihr mal prüfen, ob ihr in Euren Büchern Angaben findet. Tatsächlich war meine Suche im Internet vollkommen erfolglos. Ich habe noch nicht mal eine Aufstellung mit seinen Kurzgeschichten gefunden. Das einzige, was ich herausgefunden habe war, dass es einen Fußballspieler der gleichen Names gab, der allerdings auch schon gestorben ist.Wenn mir jemand überdies Angaben zu allen seinen weiteren Kurzgeschichten machen könnte, wäre schön, denn dann bringe ich das online. Es wäre ja Schade, wenn die Lücke im Netz nicht ausgemerzt wird, oder?

#14 heschu

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Geschrieben 12 Oktober 2006 - 19:29

Hallo Rusch, in meinem Exemplar steht drin: 2. Auflage 1978 (1977).

Carpe diem!

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#15 TheFallenAngel

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Geschrieben 12 Oktober 2006 - 19:42

die erscheinungsdaten der beiden BÜCHER hatte ich ja weiter oben schon gepostet, ich denke rusch geht es aber um die genauen erscheinungsdaten der einzelnen STORIES, oder?da bin ich leider auch nicht fündig geworden, in den DDR lichtjahr almanachen stehen auch nur die erscheinungsjahre der bücher drin (und weitere ältere materialien, wo man nachschauen könnte sind mir nicht bekannt)zu den stories findet man sicher etwas in h.p. neumanns großem DDR sf sammelwerk (infos dazu irgendwo auf den shayol seiten und/oder bei alien contact) - das hab ich aber nichtviell. kann da jemand nachschauen der im besitz dieses bandes ist und rusch so weiterhelfen?

#16 Rusch

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Geschrieben 12 Oktober 2006 - 23:01

Ja, es geht mir in der Tat um die Erscheinungsdaten der Geschichten. Sind die etwa alle auf einmal erscheinen? Oder nach und nach? Und wenn ja, sind sie in der Reihenfolge erschienen, wie jetzt im Buch oder in anderer Reihenfolge? Sollte dies der Fall sein, so würde ich auch noch gerne wissen, ob die Geschichten 1977 überarbeitet wurden?

#17 heschu

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Geschrieben 15 Oktober 2006 - 16:23

Samuel, das MonsterAn diese Geschichte habe ich mich sofort erinnert, als hier im Lesezirkel über das Buch "Wer stiehlt schon Unterschenkel" abgestimmt wurde. Mein Gruß an den, der überhaupt erst auf die Idee gekommen ist. :( Tiny wird zwangsverpflichtet. Er muss Samuel suchen, einen hochintelligenten Mutanten mit vier Armen, der seinen Betreuern ausgerissen ist. Der Detektiv entdeckt in den spärlichen Informationen, die man ihm zugesteht, einen Hinweis. Den benutzt er, um Samuel in sein Appartement zu locken. Tiny will dem Mutanten helfen und in den UNDERGROUND schleusen, doch es ist bereits zu spät.In der Story steckt viel Bitterkeit. Gert Prokop greift Probleme auf, die immer noch aktuell sind. Mir gefällt besonders der Anfang der Geschichte und als Kontrast dazu die Beschreibung der "Bachstelze", der Detektivchefin von Illinois.

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#18 TheFallenAngel

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Geschrieben 15 Oktober 2006 - 16:54

zu den stories findet man sicher etwas in h.p. neumanns großem DDR sf sammelwerk (infos dazu irgendwo auf den shayol seiten und/oder bei alien contact) - das hab ich aber nicht viell. kann da jemand nachschauen der im besitz dieses bandes ist und rusch so weiterhelfen?

ich hab mir erwähntes buch mal in meiner bibliothek bestellt, sollte ende nächster woche kommen sobald ichs ausgeliehen hab schau ich sofort nach und gebe dann bescheid was ich zu prokop und seinen erzählungen gefunden hab

#19 heschu

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Geschrieben 15 Oktober 2006 - 18:18

Rusch, wenn dich die Erscheinungsdaten so interessieren, frage doch einfach beim Verlag an. Dort ist Gert Prokop als Autor noch aufgeführt. http://www.das-neue-berlin.de/

Carpe diem!

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#20 lapismont

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Geschrieben 17 Oktober 2006 - 11:29

Ferienbedingt erst heute mein Einstieg.Bin bei Tote stehlen nicht, oder?Prokop zählte in meiner DDR-Lesezeit nicht zu meiner Auswahl, da mir sein "Pinky" nicht so gefiel und ich dachte, "Äh noch so Detektiv!"Nichts desto trotz wurde er ständig erwähnt und gelobt.Nun weiß ich auch warum. Zum einen ist er sehr locker mit der "antagonistischen" Struktur seiner Welt umgegangen. Der Sozialismus hat zwar weltweit gesiegt, aber halt nicht überall. Ein kleines Gebilde widersetzt sich der unaufhaltsamen Siegesroute. Die Rest-USA, wer sonst?Mittendrin ein versnobter Privatdetektiv, der die Früchte der Ausbeutung des Menschen durch den Menschen genießt und für die Ausbeuter auch noch arbeitet. Das ist schon eine recht spitze Grundsituation.Im Prinzip konnte Prokop jetzt fast alles schreiben, denn noch antikapitalistischer gehts ja wohl kaum.Wer wusste denn schon, das "Großer Bruder" nicht nur ein Synonym für Sowjetunion ist, sondern ein gewisser Großer Bruder auch in einem Roman eine Rolle spielt. 1984 war ja ein Tabu-Buch.Da muss ich immer grinsen, wenn Tiny mit ihm zu tun hat.Oder die Benamsung des Computers mit Napoleon. Zwar hat Napoleon die Preußen besiegt, aber gegen Rußland verloren und zur ausbeutenden Klasse hat er auch gehört. Igitt.Allerdings passt der Name natürlich wunderbar zu einem kleinen Mann.Erstaunlich einfallsreich schildert Prokop das Leben in den Rest-USA. Was ist nicht alles verschwunden oder nur für Priviligierte zu haben? Milch, Fleisch, Fisch, Medikamente. So im Nachhinein betrachtet klingeln einem da schon die Ohren. Als ob der liebe Herr Autor gar nicht über den Klassenfeind berichtete, sondern über uns. :blink: Und das alles in stilistisch feinen Geschichten ohne Spannungsverluste. Er kann wunderbar uninteressanten in einem Satz abhandeln um große Sorgfalt beim Erzählen der wichtigen Dinge an den Tag zu legen. Spannung ohne Ausschweifung.Schneewittchen gefiel mir auch besser als Unterschenkel, da Tiny hier etwas mehr zu knabbern hatte.

#21 Rusch

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Geschrieben 17 Oktober 2006 - 17:02

Also ich fand auch, dass Prokop einige linke Propagandameinung in sein Buch einfließen läßt. Das Buch wurde zum ersten Mal - so scheint es 1978 aufgelegt. In dieser Zeit war der kalte Krieg so ziemlich am gefühlten Höhepunkt. Man denkt nur an "No Future" und die Punk Bewegung. Damals stellte man sich sehr wohl die Frage, ob man in diese beschissene Welt noch Kinder setzen wollte und diese negative Grundhaltung war in Ost wie West wohl ähnlich.Ich gehe übrigens inzwischen davon aus, dass die Geschichten sofort in dieser Sammlung aufgelegt wurden und nicht zuvor einzeln erschienen. Zumindest habe ich nichts gegenteiliges gefunden. Aber den Verlag habe ich auch angeschrieben. Man kann nie wissen.

#22 lapismont

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Geschrieben 19 Oktober 2006 - 12:17

Ein Freundesdienst hat mich jetzt doch stark überrascht. Die lockere und größtenteils lustige Art der Geschichten ließ mich nicht vermuten, wie Prokop hier seine Story löst.Und das gefällt mir.Truckle hat ja seinen eigenen ethischen Hintergrund, der ihn schon in Schneewittchen nach einer Lösung suchen lässt, die das schmutzige Geschäft unterbindet.Hat er gewusst, dass sein Freund sterben wird, wenn er ihm die Seele zurückgibt?Wie metaphorisch ist hier überhaupt der Seelenraub?Immerhin hat man in der DDR über Jahre hinweg erfolgreich die Rolle von Religion und Kirche zurückgedrängt, der Osten Deutschlands ist noch heute weitgehend areligiös.Ist die Kernaussage der Story nicht eine deutliche Anklage gegen jenen politischen Diebstahl der Seele?Das Wort selbst ist ja schon belastet. Es wurde nicht benutzt, um eine ethische Integrität oder Kompetenz zu umschreiben, sondern blieb den Gläubigen vorbehalten, in aller Abfälligkeit oder Verharmlosung, so wie Kinder an die Wirkung des Traumsandes oder an den Weihnachtsmann glauben.Was Prokop da in eine harmlose Kriminalstory verpackt scheint mir gar nicht trivial zu sein.Wenn Truckle seinen Freund tatsächlich sterben lässt, damit, wie es anklingt er in Würde sterben kann, haben wir hier einen Fall von Sterbehilfe. Gleich hinterher dann eine absichtliche Zerstörung, so Truckle selbst, eines Menschen, um zu verhindern, dass dessen Wissen ein anderes Verbrechen möglich macht.Truckle spielt hier gleich zweimal Gott.

Überlicht und Beamen wird von Elfen verhindert.

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#23 heschu

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Geschrieben 19 Oktober 2006 - 18:38

Dein letzter Satz trifft genau ins Schwarze. Das ist es nämlich, was mich an der Geschichte stört. Mit welchem Recht spielt jemand Gott? (Auch wenn die Gründe dafür nachvollziehbar sind.)

Carpe diem!

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#24 lapismont

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Geschrieben 20 Oktober 2006 - 06:32

Vielleicht ist die Frage aber auch falsch gestellt, denn "Gott spielen" bedeutet hier ja nicht, einer übermenschlichen Instanz vorwegzugreifen, sondern zu behaupten, dass seine eigenen ethischen Vorstellung perfekt seien und entsprechende Handlungen legitimieren.Hier schimmert die Idee durch, dass der sozialistische Mensch moralisch besser sei, als die anderen.Aber weiter.In "Samuel, das Monster" geht es um den Ausbruch eines genetisch veränderten Menschen. Truckle hilft ihm, über den wiederum sehr erstaunlichen religiösen Weg.Ob Prokop da tatsächlich etwas spezielles mit andeuten wollte?Truckle scheitert hier übrigens mit seinem Versuch, Baxter für seine Zwecke zu instrumentalisieren. Hammerhart geht es dann mit "Spiel auf Leben und Tod" weiter. Bin vom Lesefortschritt her gerade mit Truckle zusammen im Untersuchungsraum.Auch hier wieder die Frage, ob es sich um Kritik am eigenen Überwachungsstaat handelt, oder um Kalter-Krieg-mäßige Verunglimpfung des Westens?Die Beschreibungen von Devlins Verhörmethoden erinnern mich an 1984. Wollte Prokop hier kontern?Auf jeden Fall eine enorme Anzahl von Ideen zur Folter, von denen ich durchaus glaube, dass sie von den entsprechenden Institutionen als legitim erachtet werden.Was auf jeden Fall eindeutig auf sein Heimatland abzielt ist der hier wiederholte Hinweis auf verfälschte Stadtpläne. Der Spruch ist so genial:"Mit dem Stadtplan! Weißt du etwa nicht, daß der kantenverzerrt und winkeluntreu ist?!Gibt es schönere Umschreibungen dafür?Das Motiv für Truckles Engagement bei dem Fall ist aber wieder serientypisch: Er will ein Rezept. :)

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#25 Rusch

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Geschrieben 20 Oktober 2006 - 07:48

Die Folterszene hat nach meinem empfinden so überhaupt nicht in den Roman gepasst. Vielleicht aber bin ich auch kein Fan von solchen Szenen. Auf jeden Fall hat der Episoden Romane (das Buch ist eigentlich keine echt Kurzgeschichtensammlung) eine ganz neue Richtung bekommen. So gesehen finde ich das gut. Ich habe inzwischen auch schon mit dem Samenbankraub angefangen und das geht ja quasi übergangslos weiter.

#26 heschu

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Geschrieben 21 Oktober 2006 - 16:43

Ich habe noch einmal zurückgeblättert. Auch bei Samuel, das Monster finde ich eine Bemerkung, die mir trotz der tollen Schreibweise Prokops missfällt. Der Detektiv beschließt, Samuel kurz vor seinem Tod zu manipulieren. Begründung: Weil das Monster sein Leben lang manipuliert wurde. Diesmal sollte es eben zum Nutzen der Menschen sein.

(Tja, bin heute in Meckerlaune. :cheers: )

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#27 Jan Gardemann

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Geschrieben 21 Oktober 2006 - 17:17

Timothy erschien mir von Anfang an nicht als der typische Held. Er ist weder edelmütig noch selbstlos. Den Annehmlichkeiten der Welt verfallen, die er als Mitglied des UNDERGROUD doch eigentlich bekämpfen soll, ist er ein höchst zwiespältiger Charakter - und das macht ihn als Romanfigur gerade so authentisch.

#28 heschu

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Geschrieben 22 Oktober 2006 - 18:34

Das stimmt natürlich. Ein typischer Held ist er nun wirklich nicht. Spannend sind die Geschichten um seine Person aber allemal.

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#29 Phileas

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Geschrieben 22 Oktober 2006 - 19:45

So, dann geselle ich mich auch noch dazu.

Gestern abend habe ich "Tote stehlen nicht, oder?" gelesen. Die bisherigen Einträge nur überflogen, da ihr ja bereits über die mir noch unbekannten Geschichten diskutiert und ich diese unvoreingenommen angehen möchte :coool: .

Timothy Truckle
Das hört sich vielleicht merkwürdig an, aber diese einleitende Geschichte liest sich wie ein Zwitter aus H.G. Wells und John Brunner. Der Erzähler beschreibt sein Zusammentreffen mit Timothy Truckle. Ein solcher Anfang erinnert mich einfach an Wells. Und die dystopische Beschreibung erinnert an Brunner. Das hat jetzt keine Allgemeingültigkeit, es sind nur die beiden Namen, die mir im Kopf schwirrten.
Die beschriebenen Zustände in den USA spiegeln eher die seinerzeitigen Zustände in Ostblock wider. Hier hatte ich das Gefühl, Prokop betreibt Kritik am eigenen Land und versteckt sie hinter dem Klassenfeind. In den späteren Geschichten relativiert sich der Eindruck etwas, da mit Tinys Klienten die Auswüchse reinen Kapitalismus ins Bild rücken.

Wer stiehlt schon Unterschenkel?
Tiny ist schon ein interessanter Charakter. Er ist ein Meisterdetektiv wie Sherlock Holmes, in vielen Eigenschaften das absolute Gegenteil. Er ist klein und alles andere als asketisch. Bei seinem Lebenstil kann er sich einen anderen Kundenkreis als die High Society garnicht leisten. Durch den amüsanten Ton macht die Geschichte Spaß, auch wenn die Auflösung zu konstruiert wirkt.

Auf die anderen drei Geschichten möchte ich jetzt nicht einzeln eingehen (das dauert mir zu lang ;) ). Aber bei jedem kommen die Reichen und Mächtigen schlecht weg. Während Tiny seine Fälle bequem von Zuhause löst, kommt bei mir nicht viel Spannung auf. Die Tathergänge wirken durchgehend konstruiert, nicht wie wirkliche Kriminalfälle. Eher erscheinen sie wie Asimovs "Ich, der Robot" als reine Logikspielchen. Nichtsdestotrotz sind sie unterhaltsam und lesenswert.

#30 Skydiver

Skydiver

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Geschrieben 23 Oktober 2006 - 09:35

Hallo,bin vor einigen Tagen in die Stories eingestiegen - komme jedoch nicht so recht voran.Die Einleitung war recht interessant. Eine kleine Abrechnung mit dem Klassenfeind he he†¦Leider konnte die erste Story nicht daran anknüpfen. Die Helden besaufen sich in schöner Regelmäßigkeit. Das Rechenhirn erarbeitet die Lösungen - darf aber nicht reden - der große Meister will ja schließlich selbst auf die Lösung kommen. Und diese Lösung erscheint doch reichlich konstruiert.Mal schauen was noch so kommt†¦GrussAlex

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