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SF-Klassiker


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64 Antworten in diesem Thema

#31 molosovsky

molosovsky

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Geschrieben 20 Januar 2007 - 20:05

Ich denke schon, daß Kritiker (oder sanfter gesagt: Meinungsverbreiter) einen Einfluß auf Klassiker-Wahrnehmung haben: ich denke an jemanden wie Arno Schmidt, der mittels seiner Essays und Rundfunkdialoge ›vergessene Klassiker‹ des 17. und 18 Jahrhunderts ausgebuddelt hat, so daß man sogar eine eigene Buchreihe dannach publizierte (die Haidnischen Alterthümer, mittlerweile leider antiquarisch). So haben z.B. sowohl Poe als auch Hammett ihren internationalen Status als ›Klassiker der U-WeltLiteratur‹ erst durch verspätete Anerkennungswellen bei französischen Lesern erhalten. Oder man denke an entsprechend engagierte Verleger.Klassiker ist zu einem Gutteil das, was bleibt. Aber damit meine ich nicht nur das Zeug, was fast durchgehend erhältlich bleibt (sonst gäbs ja keine vergessenen Klassiker). Was bleibt, ist oftsmals nur ein Ruf (im Sinne von Berüchtigtheit), oder ein Wispern (unter Gleichgesinnten wenn der Empfehler meint: »Guck da mal rein, gutes Stöffchen«).GrüßeAlex / molosovsky

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#32 simifilm

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Geschrieben 21 Januar 2007 - 00:52

Hallo Jürgen, interessantes Thema. Ich glaube allerdings nicht daran, daß Literaturkenner oder -kritiker Bücher gegen den Willen der Leser zu einem Klassiker "machen" können. Sie können natürlich ein Buch ins Gespräch bringen und (manchmal nur kurzfristig) aus dem Sumpf des Vergessens herauszerren. Ob dieses dann wieder in den Sumpf zurückgleitet, hängt letztlich davon ab, ob es von den Lesern angenommen wird. Ob ein älteres Buch über den Zeitkontext hinaus, in dem es geschrieben wurde, Interesse beim Leser wecken kann, kann ein Kritiker nicht beeinflussen. Wenn der Literaturkritiker tatsächlich "Meinungsmacher" sein könnte, müßte er die Perzeption eines Buches verändern können. Dies halte ich mit Verlaub für eine typische Überschätzung der heutigen "Machergeneration". :D Der Leser läßt sich von Rezensionen sicherlich anregen, bildet dann aber sein eigenes Urteil, ob er die Empfehlung gutiert oder für einen akademischen "Furz" hält. Gruß, Konrad

Es gab und gibt in der Literaturgeschichte genügend Beispiele, bei denen genau das geschehen ist: Ein ziemlich vergessenes Autor oder Werk wurde von einem Kritiker propagiert, fand Anklang und wurde zum Klassiker. "Berlin Alexanderplatz" ist ein Beispiel. Musils "Mann ohne Eigenschaften" ein anderes (das Buch war zwar bei Erscheinen des ersten Bandes ein Erfolg, wurde dann aber allmählich vergessen und erst Jahre später wieder populär). Auch "Lolita" wurde vor allem dank masssivem Einsatz wohlwollender seinen Porno-Anstrich los und Teil der Weltliteratur. EDIT: Wie schon früher angedeutet, gibt es auch in der SF-Literatur ein sehr prominentes Beispiel. Dass "Frankenstein" heute als Klassiker der SF verstanden wird, ist massgeblich Brian Aldiss zu verdanken, der in "Billion Year Tree" massiv dafür geworben. Vor Aldiss wurde "Frankenstein" als weit weniger wichtig wahrgenommen, seither wird das Buch allgemein als SF-Klassiker anerkannt.

Bearbeitet von simifilm, 21 Januar 2007 - 09:18.

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#33 Konrad

Konrad

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Geschrieben 21 Januar 2007 - 12:40

@Alex:Den "Einfluß" des Kritikes, der darin liegt ein Buch in den Wahrnehmungsfokus der Öffentlichkeit zu bringen, möchte ich ja gar nicht in Abrede stellen.Mir ging es darum, klar zu machen, daß die Leser auch noch ein Wort mitsprechen, ob eine publizierte Wertung angenommen wird.Ich denke, daß sich z.B. AS eher als Trüffelsucher denn als Meinungsmacher gesehen hat.Natürlich ist ein Kritiker von der Richtigkeit seiner persönlichen Wertung überzeugt (jedenfalls wenn er nicht korrumpiert wurde).Er tritt damit an die Öffentlichkeit mit der Hoffnung, daß diese Überzeugung auch von anderen geteilt wird und der Autor die Wertschätzung erhält, die er seiner Meinung nach haben sollte.Dieser letzte Schritt ist in der heutigen Gesellschaft aber ein demokratischer Prozeß.D.h. die Vorstellung, eine "Meinungselite" könne diktieren was der "Plebs" zu denken habe, ist eine geschickte Legende von Leuten, die ihre Webseiten verkaufen wollen. :D@simifilm:Was du als "genau das" bezeichnest, habe ich nicht widersprochen.Du beschreibst hier mit "fand Anklang" genau den Einfluß der Leserschaft, den ich hervorheben wollte.Denn wenn es diesen "Anklang" nicht gegeben hätte, wäre das Buch, das der Kritiker auf die Bühne gehoben hat, genauso schnell wieder von dieser verschwunden.Gruß,Konrad

#34 simifilm

simifilm

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Geschrieben 21 Januar 2007 - 12:51

@Konrad: Du hast eine sehr hohe Meinung von der Eigenständigkeit der Leserschaft. Viele Leute lassen sich gerne in ihrer Meinung beeinflussen.

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#35 molosovsky

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Geschrieben 21 Januar 2007 - 13:16

Hi Konrad.
Du hast natürlich recht, daß die ganze Metamorphose des Industrie- zum Informationszeitalters auch das Gefüge und den Werdegang der Klassiker-Kanonisierung durcheinanderwirbelt. Ich werf mal folgende Fragen und Überlegungen in die Runde:

• Zu sagen »Dies Buch ist ein Klassiker« reicht nicht. Mindestens sollte ergänzt werden, für WEN ein Werk ein Klassiker ist. »Lolita« ist z.B. kein Klassiker der SF :-) »1984« andererseits ist nicht nur ein Klassiker der SF (obwohl Orwell/Blair kein ›klassischer‹ Genre-SF-Autor ist), sondern eben auch ›des 20. Jahrhunderts‹, bzw. ›der Weltliteratur‹ (und solcher Unterkategorien wie ›Klassiker der Dystopie‹, ›…der (selbst)kritischen Linken‹, ›…der englischen Literatur‹ usw).

• Genauso orientierend ist die Angabe, WANN ein Werk ein Klassiker ist/war. Oppermanns »100 Jahre« oder Schnabels »Insel Felsenburg« sind zwei so Beispiele aus der durch Arno Schmidt inspirierten »Hainischen Alterthümer«-Sammlung. Hochpopolär im 18. Jhd, heute eher vergessene Klassiker (Klassiker für einen merklich kleineren Leserzirkel). — SF und Phantastik-bezogen: John Wilkins Mondreise oder die Blazing World der Margarete von Newcastle sind für entsprechende Experten sicherlich Klassiker der Phantastik (Imaginary Voyages). Ersterer (Wilkins) dürfte durch Stephensons Enoch Root-Bücher (Cryptonomicon und Barock-Zyklus) sicherlich wieder etwas mehr gelesen (downgeloaded) werden, aber dennoch: ein Klassiker im umsatzstarken Sinne ist der Text nicht (und wirds wohl auch nie).

Man darf ja nicht übersehen, daß ›die Leser‹ eine schwammige Schublade ist. Man kann z.B. möglichst viele Leser oder eben eine bestimmte Leserschicht ins Visir nehmen. Ich halte es für sehr heikel, den Blick auf einen dieser beiden Pole (›Massenpublikum‹ vs. ›Qualitäts-Publikum‹) einseitig zu verengen, und ich unterstelle Konrads Argumentation (›Demokratisierung‹) mal, sich in genau diese Gefahr zu begeben. — Also: für eine richtig zünftige Klassikersicht sollte man imho stereospokisch gucken. Die demokratische Masse mag Verkaufsspitzen auslösen können, aber ›die Masse‹ ist eben auch vergesslich, bzw. wohl mehr daran interessiert, wer ihnen JETZT am angenehmsten die Eier schaukelt :-) Das soll nicht heißen, daß ›die Masse‹ immer nur das augenblickliche Lesevergnügen als Kriterium pflegt; es gibt sicherlich auch im Massenpublikum nicht wenige, die ihre eigene ›ambitionierte‹ Route durch die Weltliteratur abstecken und dabei eben nicht nur die Wellness-Erfüllung im touristischen Sinne anstrebt (sondern eben das, was man ›Bildungsbesteben‹ nennen könnte).

— Immerhin: der große ›Feind‹ jeder Kanonbildung ist die Mode.

Seitengedanke: Nehmen wir einen heiklen Fall wie Ayn Rand. Bis vor wenigen Jahren bei uns völlig unbekannt, aber im anglo-amerikanischen (vor allem aber eben USA) eine Klassikerin der ›streitbaren SF‹. Bei uns wurde Ayn Rand zu einem Begriff durch Matt Ruffs »G.A.S. — Trilogie der Stadtwerke« und seit einigen Jahren treiben auch deutsche Filialen der Objektivisten bei uns ihr Geschäft, wurden ihre Werke wieder (wenn nicht zum ersten mal überhaupt) zugänglich.

Mit dem Aufblühen des Informationszeitalters wandelt sich der Klassikerdiskurs mehr zu einer ›internen Verhandlung einer Schwam-Intelligenz‹, ums mal blumig auszudrücken. Dennoch pflegen z.B. jugendliche Leseanfänger wohl z.T. andere Klassiker-Kriterien als alte Hasen. So zumindest erkläre ich mir die Populärität gewisser Titel (und eingedenk meiner eigenen Lesehaltung als Teen und Frühtwen).

Subtil aber enorm folgenreich ist zudem der Zeitrahmen den man aufspannt, um Klassiker zu verhandeln. So kennt man aus der hiesigen Lit-Verhandlung die Frage nach den Klassikern der BRD/DDR-Literatur, oder noch neuer, die Klassiker des wiedervereinigten Deutschlands. Andererseits kann man auch bei Giglamesch anfangen und eben die gesammte Kulturgeschichte der Menschheit als Feld für Klassiker-Bestimmungsspielchen nehmen.

Grüße
Alex / molosovsky

P.S.:

D.h. die Vorstellung, eine "Meinungselite" könne diktieren was der "Plebs" zu denken habe, ist eine geschickte Legende von Leuten, die ihre Webseiten verkaufen wollen.

war ein Diss gegen jemand bestimmtes? Oder nur so ein Seitenhieb der aufmerksam machen sollte, daß es eben neben den entsprechd traidionellen, privilegierten Meinungsverbreitungs-Nischen der gedruckten/institutionalisierten Medien nun auch ein pluralistisches Durcheinander an (dilettantischen im gegensatz zu akademisch/professionellen) Lesermeinungen im Netzel gibt?

P.P.S.: Stimme Simifilm kritischen Einwurf zu, daß ›die Masse‹ eben beeinflußbar ist. Man denke eben z.B. an dieses Zitat aus »1984«:

Und wenn alle anderen die von der Partei verbeitete Lüge glauben — wenn alle Aufzeichnungen gleich lauteten —, dann ging die Lüge in die Geschichte ein und wurdE Wahrheit.

Damit kann man ein sehr turbulentes Verhandlungsfeld aufziehen, nämlich nach der ›Wahrhaftigkeit‹ von Literatur (oder Medienwerken allgemein) im gegensatz zu ihrer ›Interessantheit‹*. Nur als Andeutung: dieses Feld läßt sich z.B. aufteilen in die Pole des ›kurzfristigen Stimmungswettermachens‹ und der ›langfristigen Mythologiesierung‹.

Warum stehen bei den Automessen z.B. äußerlich interessante knackige Mädels als Werbebunnies bei den Karren, und nicht charakterlich interessante reife Damen? Hmmm? Da kann man dann an die Zuckerbrot und Peitsche-Metapher denken, oder eben an Selbstvergiftung und Diat. Sucht lautet das Stichwort hier. Braucht man gar nicht an harte oder illegale Drogen denken, Zucker (und die ›unvernünftige‹ Gier unserer Körper danach) reicht völlig.

* siehe meine Schopenhauer-Zitate im »Fantasy kam nach SF — Was kommt nach Fantasy?«-Thread

Bearbeitet von molosovsky, 21 Januar 2007 - 13:56.

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#36 Gerd

Gerd

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Geschrieben 21 Januar 2007 - 16:08

Jetzt muss ich doch auch mal kurz:"Klassiker" bedeutet für mich, dass ein Werk kanonisiert wurde, und da ein Kanon normalerweise immer von oben, d.h. von der Literaturkritik erstellt wird, unterliegt er natürlich einem gewissen Wandel, da eben auch die Kritik sich im Laufe der Zeit verändert (etwa, ob rein werkimmanent gearbeitet wird oder ob die Lebensumstände bzw. das Umfeld des Autors mit in die Kritik einbezogen werden).Aus diesem Grunde haben wir mMn auch nur dort Klassiker, wo es einen literaturkritischen "Überbau" gibt, d.h. in der Literaturliteratur (wie Hasselblatt die E-Literatur zu nennen pflegte) und in einigen Genres der U-Literatur. (Kleine Zwischenfrage: Gibt es Westernklassiker?)Ein Klassiker muss mMn ein paar Kriterien erfüllen, damit er kanonisiert und gelesen wird, er muss bestimmte (gesellschaftliche, philosophische, genretypische) Strömungen, Ideen etc. sozusagen fokussieren, muss Dinge auf den Punkt bringen. Oder er muss eine eindeutige Zäsur darstellen, eine Art "Wasserscheide", so dass man die Werke eines Genre in (als Beispiel) vor dem "Herr der Ringe" und danach einteilen kann. (Natürlich ist das jetzt sehr grob und ... äh ... schlicht und absolut unvollständig, aber mir fehlt die Zeit, das etwas weiter auszuführen.)Ein Klassiker darf aber eben auch nicht nur kanonisiert sein, sondern er muss - wie Konrad oder simi es ausgedrückt hat - auch Anklang finden, muss von einer ausreichend großen Zahl der potentiellen Leserschaft (=Zielgruppe) gelesen werden, sonst ist er mMn kein echter Klassiker sondern ein "vergessener", d.h., die entsprechende Kritik weiß, dass es ihn gibt und schreibt über ihn, aber er ist auf dem Markt nicht verfügbar und wird - selbst wenn er verfügbar gemacht werden sollte - nicht gelesen. Schmidt hat in seinen "Haidnischen Altertümern" zwar vergessene Klassiker ausgebuddelt - aber wer (außer den absoluten AS-Afficionados) hat denn Schnabels "Insel Felsenburg" tatsächlich bis zum bitteren Ende gelesen? War das nicht eher etwas für eine bestimmte In-Group, die sich dann als eine Art "Retro-Avantgarde" fühlen konnte, wenn sie über solche Werke diskutieren konnte? Und würde das nicht eher den Kriterien eines "Kultwerks" entsprechen?Eines noch, Alex: Bitte ein bisschen mehr Vorsicht mit Sachaussagen. :thumbup: Ich finde es meistens witzig, wenn du deine wilden Theorien in den Raum schleuderst (es kommt mir immer ein bisschen wie die Molo-Version von Lévi-Strauss' "Wildem Denken" vor - no offence intended!), aber wenn es um Fakten geht, wäre vielleicht ein bisschen Recherche nicht schlecht. Denn Ayn Rand gilt in den USA weniger als "Klassiker der streitbaren SF" denn als Philosophin, und sie war dort immer präsent. Und in Deutschland war sie vor Ruffs "G.A.S." keineswegs unbekannt (hey, ich habe mich schon in den frühen 80ern mit Frau Rand rumgeschlagen!), die Übersetzung von "The Fountainhead" ("Der ewige Quell") gab es bereits Ende der 70er als TB (und viel früher im HC), und auch "Atlas Shrugged" wurde bereits Ende der 50er (!) ins Deutsche übersetzt. Dass sie heute wieder mehr im Gespräch ist, hat natürlich auch ein bisschen was mit Matt Ruffs Buch zu tun (andererseits: erkennt man denn die Bezüge, wenn man Ayn Rand nicht gelesen hat?), mMn vor allem aber damit, dass Bestseller-Autoren wie Terry Goodkind (und nicht ganz so bekannte wie John C. Wright) in ihren Werken ganz offen auf den Randschen Objektivismus Bezug nehmen und dadurch diese "Philosophie" wieder mehr in den Blickpunkt gerückt ist. Wenn ich mich recht erinnere, steht auch Gene Wolfe den Randschen Thesen nicht ganz fern (aber das - eingedenk meiner eigenen Worte am Anfang dieses Absatzes - konnte ich jetzt nicht mehr richtig überprüfen; es ist eher ein Gefühl bzw. eine vage Erinnerung ...)Äh, ja. Spannende Diskussion. Warum macht ihr sowas immer dann, wenn ich eigentlich überhaupt keine Zeit zum Mitdiskutieren habe? :D :D GrüßeGerd
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#37 molosovsky

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Geschrieben 21 Januar 2007 - 17:59

Hi Gerd.Nur eine schnelle Re-Aktion auf Deine Vertiefung der Ayn Rand-Problematik. ›Sachaussagen‹ will ich ja gar nicht machen, sondern eben Meinung und (meine) Persepektive kundtun. Im Falle von Rand hab ich vielleicht versäumt, zu unterstreichen, daß es mir bei ihr als Beispiel um merkliche Wahrnehmungs/Verbreitungs-Schwellen ging. Zwischen ›abseitigen‹ oder ›vergessenen‹ Klassikern und ›etablierten‹ und ›allgemeinen‹ Klassikern gibts nun mal viele graustufige Grade. Natürlich war Rand schon vor Ruff in Deutschland bekannt und z.T. übersetzt. Ich hätte natürlich gleich die heiße Kiste des ›Ideenkrieges‹ aufmachen und darüber spekulieren können, warum bei uns in den letzten Jahren die Rand und ihr Objektivismus reger verbreitet und verhandelt werden, und in wessen Interesse.Und: die franz. Anführungszeichen bei ›steitbare SF‹ sollen keine Ironie kennzeichnen, sondern eben deutlich machen, daß ich es für nicht völlig abwegig halte die Rand so zu lesen, und mir die Überspitztheit des Begriffs(platzhalters) ›steitbare SF‹ klar ist. Ansonsten: Danke für Deine Blumen zum ›witzigen Wilden Denken‹.GrüßeAlex / molosovsky

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#38 molosovsky

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Geschrieben 21 Januar 2007 - 19:40

Ich denk mal laut.Nochmal zu Gerds Kritik meiner Ayn Rand-Darstellung. Ich schrieb oben »völlig unbekannt«. Das ist freilich zu wild und besser (und sachlicher) wäre »bis vor wenigen Jahren noch weitestgehend unbekannt«.Die Frage was ein Klassiker- und was ein Kult-Werk sein soll, treibt mich um. Ich stutz diese beiden Felder mal so gröblichst voneinender ab, wie ich kann.Da sowohl bei der Frage was ein Klassiker, als auch was ein Kult-Werk ist erstmal bedeutsam ist, zu welchem Zweck und in welchem Rahmen diese Fragen gestellt werden (Klassiker/Kult für wen und warum?), biete ich mal folgende Unterscheidung an.Den objetiv am weitest absteckbaren Rahmen für die Betrachtung und Beurteilung von Medien-Werken liefert wohl die Menschheitsgeschichte. Hier würde man also (im Idealfall) den gesammten Bestand an überlieferten Werken heranziehen. †” Weil das ziemlich mindboggling und zudem ein Hexenkessel des Diskurses ist, nimmt es nicht Wunder, daß man aus pragmatischen Gründen den Betrachtungsrahmen zumeist weitaus enger absteckt. Wer also z.B. nationale Kulturidentitäten speisen oder sich mit ihnen auseinandersetzten will, klappert entsprechend nach Sprache und geographischen Gebiet die Literatur ab (und so haben wir die Germanistik, Anglistik, Romanistik, Sinologie, usw.). Sich den entsprechend Zoom-Vorgang bis hinab zu Phantastik und SF runterzudeklinieren überlasse ich Euch.Als markant fällt mir auf, daß sich in dieser Stufung zwischen Klassiker und Kult eine Spannung zwischen ›Kanonbildung der Etablierten/Mehrheit/Konformen‹ und ›Kanonbildung der Separierten/Minderheit/Abweichler‹ sehen läßt. Das führt dann zu den wohlbekannten Unsicherheiten an Relativierungen zwischen vermeindlich ›objektiven Maßstäben‹ und ›subjektiver Wahrheit‹ (was A für ein Meisterwerk hält, mag für B Schund sein und C findets so lala/ganz nett usw. bis weit über Z hinaus).Das geht soweit ich seh mit Jürgens Anfangthese konform, daß es in einer Zeit des großen Wandels nötig (oder zumindest begrüßenswert) ist, den Kanon der Klassiker neu zu vehandeln. Die Leute errichen sich eben unter anderem dadurch eine Gruppen-Identität, indem sie gemeinsam ›wichige Werke‹ hochhalten. Tun sie das gemäß der am längeren Hebel sitzenden Deutungsmannschaft, verehren sie Klassiker, wohingehen die von einer Minderheit hochgehaltenen Werke ›nur‹ Kult sind.GrüßeAlex / molosovsky

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#39 Gerd

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Geschrieben 21 Januar 2007 - 20:32

Eine klitzekleine Anmerkung, Alex: Während die Kanonisierung der Literaturliteratur im universitären / akademischen Rahmen stattfindet (und zwar mW in allen Sprachen), sieht es bei U- bzw. Genreliteratur zumindest im deutschen Sprachraum völlig anders aus. So etwas wie die IAFA bzw. deren jährlich stattfindende "International Conference on the Fantastic in the Arts" sind mMn in Deutschland undenkbar. Das hat dann aber sehr wohl Auswirkungen auf die "Definition" bzw. Ausformung des Begriffs "Klassiker" - eben und vor allem im Genre. Grüße Gerd
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#40 simifilm

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Geschrieben 21 Januar 2007 - 22:50

Als markant fällt mir auf, daß sich in dieser Stufung zwischen Klassiker und Kult eine Spannung zwischen ›Kanonbildung der Etablierten/Mehrheit/Konformen‹ und ›Kanonbildung der Separierten/Minderheit/Abweichler‹ sehen läßt. Das führt dann zu den wohlbekannten Unsicherheiten an Relativierungen zwischen vermeindlich ›objektiven Maßstäben‹ und ›subjektiver Wahrheit‹ (was A für ein Meisterwerk hält, mag für B Schund sein und C findets so lala/ganz nett usw. bis weit über Z hinaus). Das geht soweit ich seh mit Jürgens Anfangthese konform, daß es in einer Zeit des großen Wandels nötig (oder zumindest begrüßenswert) ist, den Kanon der Klassiker neu zu vehandeln.

Der Kanon wird ohnehin immer neu verhandelt, da keine beteiligte Institution völlig starr ist.

Bearbeitet von simifilm, 21 Januar 2007 - 22:50.

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#41 simifilm

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Geschrieben 21 Januar 2007 - 22:57

Eine klitzekleine Anmerkung, Alex: Während die Kanonisierung der Literaturliteratur im universitären / akademischen Rahmen stattfindet (und zwar mW in allen Sprachen),

Ich würde da teilweise widersprechen: - Die Literaturwissenschaft interessiert sich je länger je mehr für populäre Formen. - In der Literaturwissenschaft ist man schon längere Zeit davon abgekommen, zu postulieren, was "gute Literatur" ist. Derartige normative Ansätze sind weitgehend verpönt. Der Kanon wird hier weniger durch Wertungen etabliert, als mehr dadurch, was gerade en vogue ist und von vielen erforscht wird. - Literaturpäpste wie Reich-Ranicki sind *keine Literaturwissenschaftler*, sondern werden von der Wissenschaft vielmehr oft sehr misstrauisch behandelt. - Die wichtigste Institution in der literarischen Kanonbildung ist zweifellos der Deutschunterricht, und auch wenn hier natürlich die Literaturwissenschaft ihren Einfluss hat, so ist dieser keineswegs direkt. Vielmehr kommen literaturwissenschaftliche Erkenntnisse oft verspätet in "verdünnter" Form an.

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Geschrieben 21 Januar 2007 - 23:04

Jau, Gerd, da machst Du eine heiße Kiste auf. Ich bin ja eben kein Insider-Kenner der akademischen Szene, sondern muß als ›neidischer Outsider‹ meine Ressentiments zügeln, was (vor allem) die heisigen Akademiker betrifft. Oder, ganz andere Perspektive auf die Tiefenströmungen verschiedener sprachlich-geographischer Diskurs-Gegenden: die deutsche Geisteskultur- und Mentalitätsgeschichte ist geprägt von (i) Provinzdenke und (ii) tragischer Dramaturgie (mißglückte Moderne). — Nicht nur der anglo-amerikanische Kulturraum allerdings wird eher durch (i) Seefahrerdenke und (ii) komödiantischer Dramaturgie (geglückte Moderne) geprägt. (Wilde Vereinfachung — ich weiß ich weiß — die in etwa aber auch von solchen im besten Sinne Dampfplauder-Artisten wie Schwanitz und Sloterdijk angeschnitten wird. Die Erwähnung dieser beiden ist nicht aufringlicher als Tipp gemeint, sondern als Hinweis dazu, bei welchen Lektüre-Zwiegespräche ich solche Sachen aufschnapp.) Was solche Pagoden wie die IAFA betrifft: erstaunlich wenig Infos über die im Netzl (ich find z.B. nicht raus, wann die von wem gegründet wurde). Fürwahr eine eminente Frage: Warum gibts von denen keine hiesige Sektion? Zum Thema passend: der OTHERLAND-Buchladen hegt ja dolle ›Phantastik-Kanon‹-Pläne. Kann mir vorstellen, daß — wenn dieser Otherland-Kanon mal gedruckt vorliegt — eine rege Diskussion angebt. Zugegeben: mit ein paar Titeln bin ich nicht glücklich und natürlich fallen mir viele Sachen ein, die ich vermisse. Aber dennoch: besser einen Kanon mal gemacht, als vor lauter verzagter Superüberumsicht gar keine Diskurs-Fruchte ernten. Grüße Alex / molosovsky

Bearbeitet von molosovsky, 21 Januar 2007 - 23:08.

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Geschrieben 21 Januar 2007 - 23:15

Eine klitzekleine Anmerkung, Alex: Während die Kanonisierung der Literaturliteratur im universitären / akademischen Rahmen stattfindet (und zwar mW in allen Sprachen), sieht es bei U- bzw. Genreliteratur zumindest im deutschen Sprachraum völlig anders aus. So etwas wie die IAFA bzw. deren jährlich stattfindende "International Conference on the Fantastic in the Arts" sind mMn in Deutschland undenkbar. Das hat dann aber sehr wohl Auswirkungen auf die "Definition" bzw. Ausformung des Begriffs "Klassiker" - eben und vor allem im Genre. Grüße Gerd

"Völlig undenkbar" ist sicher übertrieben. Zu SF, Fantasy und Phantastik wird heute im deutschsprachigen deutlich mehr an wissenschaftlicher Literatur veröffentlicht als noch vor zehn oder zwanzig Jahren. Dass es nicht so viel ist wie im englischsprachigen Raum hängt nicht zuletzt auch damit zusammen, dass dort die entsprechende Literatur eine längere Tradition. Es gibt nun mal mehr englischsprachige als deutschsprachige SF, und in der englischen Literatur hat das "Nicht-Realistische" seit jeher einen wichtigeren Platz eingenommen als in der deutschen.

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Geschrieben 21 Januar 2007 - 23:20

Hallo zusammen, das ist aber für die Uhrzeit noch eine ganz muntere Runde. :thumbup: @Alex: Irgendwie kann ich deinem Exkurs über die "demokratische Masse" und der Gefahr, in der ich mich befinden soll, nicht ganz folgen. Man muss schon einen ziemlichen Abstand einnehmen und die Augen ganz fest zukneifen, um eine buntgemischte Leserschaft als "Masse" wahrzunehmen. :D Spaß beiseite; ich kann nicht verstehen, warum beim Stichwort Demokratie immer sofort das Schreckgespenst der einförmigen niveaulosen Masse an die Wand gepinselt wird.

war ein Diss gegen jemand bestimmtes? Oder nur so ein Seitenhieb der aufmerksam machen sollte, daß es eben neben den entsprechd traidionellen, privilegierten Meinungsverbreitungs-Nischen der gedruckten/institutionalisierten Medien nun auch ein pluralistisches Durcheinander an (dilettantischen im gegensatz zu akademisch/professionellen) Lesermeinungen im Netzel gibt?

Letzteres; m.E. hat die Meinungsvielfalt in den Blogs und Foren den Meinungsbildungsprozeß der Leute verändert. Genauso, wie heutzutage jeder sein Patchwork-Weltbild selber häckelt ist auch der Literaturkanon eines Experten keine heilige Kuh mehr.

Stimme Simifilm kritischen Einwurf zu, daß ›die Masse‹ eben beeinflußbar ist. Man denke eben z.B. an dieses Zitat aus »1984«...

Wobei, wenn ich mich recht erinnere, der monopolisierte Informationskanal bei 1984 das genaue Gegenteil des Internets ist. :D Gruß, Konrad

#45 molosovsky

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Geschrieben 21 Januar 2007 - 23:25

Zu Simiilm:

- Die Literaturwissenschaft interessiert sich je länger je mehr für populäre Formen.

Deckt sich mit meiner Einschätzung, daß sich (schön langsam) was tut im deutschsprachigem Akademiker-Kulturraum. Ich rede mir hier gerne Optimismus ein, weil mein Pessimismus von Natur eh die Oberhand hat. Solche Leute FraPh machen mir ebenfalls Hoffnung. Deine ausdrückliche Unterscheidung zwischen Akademikern und solchen Meinungsschleudern wie MRR ist zwar verständlich, sauber und löblich, doch wird sie dem ›realen‹ Gewusel in der Arena der Deutungsrangelei gerecht? Ich melde Zweifel an. — Fakt ist nun mal, daß EIN Zampano ganz schön viel anrichten kann. Bei MRR ist das für uns Phantasten tragisch, denn MRR mag Phantastik nicht (obwohl er sie als Jugendlicher durchaus verschlungen hat. Wirklich verstanden hab ich diesen Gesinnungswandel, die Geschmacksverhärtung von MRR nie; ich hab auch kaum Auskunft darüber bei ihm gefunden).

Der Kanon wird ohnehin immer neu verhandelt, da keine beteiligte Institution völlig starr ist.

Meine Rede. Allerdings denke ich schon, daß sich sozusagen ›wetterkundlich‹ Großtrends der Klassiker-Klimata herausarbeiten lassen. ›Herausarbeiten‹ im michelangelo’schen Sinne des ›im Stein sehen und das unnötige weghaun‹ :-) Grüße Alex / molosovsky

Bearbeitet von molosovsky, 21 Januar 2007 - 23:28.

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#46 Konrad

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Geschrieben 22 Januar 2007 - 00:01

Ich kaue immer noch am Begriff des "gefühlten Klassikers".Wie ist in der SF wohl das Verhältnis zwischen "Neuleser" und "Wiederholungsleser" ?Bei Wiederholungsleser bekommt der Spannungsbogen eine andere Wertigkeit.Welche Rolle spielt die Alterung des Settings und der Technik in einem Genre, in dem diese Dinge offenbar so wichtig sind ?Ein Magnetophongerät zur Notizspeicherung bekommt heutzutage unfreiwillig komische Züge.Fragen über Fragen.

#47 molosovsky

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Geschrieben 22 Januar 2007 - 00:04

Zu Konrads Glauben an die Machtlosigkeit der Kritiker: Tolkien selber war Akademiker, wenn auch kein Kritker. Dennoch ist zu einem gewissen Teil seiner ›kritischen Auseinandersetzung‹ (als Fan-Gelehrter) mit altem Kram zu verdanken, daß es heute hierzulande in jedem Bahnhofsbuchladen billige Volksausgaben der »Kalevala« gibt. — Ich denke dieser ›Fall‹ zeigt ganz gut, wie durcheinander hier die Dinge verlaufen. Es gibt eben auch unter den seriösen Akademikern begeisterte Fans, und unter den hemdsärmeligen Dilettanten profunde Kenner. Dann: Eine gut begründete Meinung eines ›Experten‹ ist zumindest für mich 100 mal aussagekräftiger, als guterale Hopp/Top-Meldungen. Mag Leute geben, die sich z.B. wirklich nur an Zahlen orientieren (siehe Amazonsternchen), ich gehör nicht dazu. — Obwohl: ich verfolge Bestsellerlisten und suche mir immer wieder mal Hypes aus, auf denen ich surfe (z.B. bin ich mittlerweile ein ganz passabler Star Wars-›Fan‹. Als ich hier bei SF-Netzwerk vor drei Jahren losgepostet habe, war ich noch ein ganz scharfer Star Wars-Verächter). (Ich machs mir halt gern absichtlich etwas schwer, neige deshalb dazu ›kritischer‹ daherzukommen, als ich eigentlich bin.) Deine Zeilen…

Wenn der Literaturkritiker tatsächlich "Meinungsmacher" sein könnte, müßte er die Perzeption eines Buches verändern können. Dies halte ich mit Verlaub für eine typische Überschätzung der heutigen "Machergeneration". Der Leser läßt sich von Rezensionen sicherlich anregen, bildet dann aber sein eigenes Urteil, ob er die Empfehlung gutiert oder für einen akademischen "Furz" hält.

…sind sehr abstrakt. ›Der Leser‹, ›der Literaturkritiker‹. Ich versteh Dich so, daß Du dem Publikum mehr Stimmen bei der Klassiker-Verhandlung einräumst. So wie das Informationszeitalter anhebt zeichnet sich diese Perspektive in der Tat ab. Steil formuliert spinn ich Deinen Gedanken weiter und postulier: früher stellten Fachgelehrte in den Akademien die Klassiker zusammen, heute erledigen das die Leser via Internet. — Das klingt schön und macht eben mir Nichtakademiker auch Spaß, aber das wird weder der Klassiker-Genese von einst noch der von heut in ihrer Komplexität gerecht. Immerhin gibt es neben dem wilden Eingebohrenen (Leserschaft) und der Lehrpult-Priesterschaft noch viele andere, die am Klassiker-Turm mitbasteln. Nur ein Beispiel: Ob man auf Hype-Züge aufspringt um seinen Anteil vom Schnitt zu scheffeln, oder sich einschleimt um bei einer exklusiven Gruppe Prestige zu sammeln … die Motive, warum wer wozu seinen Senf gibt (und sich damit als Meinungs-Multiplikator andient) müssen ja nicht solche der redlichen Begeisterung sein. Apropos Hype-Züge (sozusagen Meinungs-Tsunamis): Wer baut die, wer sind die Lokführer, wer die Kontrollettis und wer die Passagiere? Grüße Alex / molosovsky Zu Konrads kurzem ›Fragen über Fragen‹-Beitrag: Hossa! Du gibst zwar keine Antworten, aber jede einzelne Frage deutet auf ein beachtenswertes Detailgebiet der groooooßen Klassiker-Frage. Ich gönn Dir und Euch aber jetzt mal wieder ne Auszeit von mir Schnelltipper.

Bearbeitet von molosovsky, 22 Januar 2007 - 00:15.

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#48 molosovsky

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Geschrieben 23 Januar 2007 - 13:13

Verzeiht, wenn ich schnell noch eine kleine Sache anbringe, die vielleicht wie Lulu-Kram anmutet. Mir ist aber noch etwas (imho) sehr wichtiges bei der Klassiker-Bestimmung eingfallen. WIE GROSS soll denn der Kanon sein? An Titeln und gewerteten Zeitraum? Das sind enorm bedeutende Fragen. »1000 SF-Klassiker der letzten zehn Jahre« macht wohl klar, daß hier die Ausgangsparametern zu weit gefasst sind. Für die meisten Zeitgenossen dürfte ein Kanon wie »Die 100 besten SF-Klassiker bis zum 20. Jhd.« dann zu ›exotisch‹ sein. »Die 100 besten SF-Klassiker aller Zeiten« klingt schon praktikabler und »Die 10 besten SF-Klassiker des Jahrhunderts« ist dann eine Wanne, die wohl jeder Ottonormal-SF-Leser zu bewältigen geneigt ist. Apropos 100: Mit solchen Klötzchen spielt man das Kanonspiel. Dieses Buch hab schon ein paar mal in der Hand: »100 Must-Read Science Fiction Novels« (Good Reading Guide, Bloomsbury). Hat das hier jemand? Taugt das was? Grüße Alex / m.†”

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#49 simifilm

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Geschrieben 24 Januar 2007 - 13:11

Verzeiht, wenn ich schnell noch eine kleine Sache anbringe, die vielleicht wie Lulu-Kram anmutet. Mir ist aber noch etwas (imho) sehr wichtiges bei der Klassiker-Bestimmung eingfallen. WIE GROSS soll denn der Kanon sein? An Titeln und gewerteten Zeitraum? Das sind enorm bedeutende Fragen.

Der Kanon ist so gross, wie die Beteiligten es für richtig halten.

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#50 molosovsky

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Geschrieben 24 Januar 2007 - 15:13

Und oft (nicht immer) halten die Beteiligten es eben für richtig, eine knackige Zahl einzuflechten. Oder hast Du schon oft sowas gelesen wie »Die 32 besten Raststätten auf deutschen Autobahnen« oder »Focus nennt die 52 besten Internisten«.GrüßeAlex / molo

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#51 simifilm

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Geschrieben 24 Januar 2007 - 16:15

Und oft (nicht immer) halten die Beteiligten es eben für richtig, eine knackige Zahl einzuflechten. Oder hast Du schon oft sowas gelesen wie »Die 32 besten Raststätten auf deutschen Autobahnen« oder »Focus nennt die 52 besten Internisten«. Grüße Alex / molo

Es kommt eben auch darauf an, in welchem Kontext ein Kanon entsteht und wozu er dienen soll. Ich glaube, beispielsweise nicht, dass Reich-Ranickis Kanon auf eine bestimmte Zahl von Titeln festgelegt ist. Die Literaturliste in meinem Studium war auf Epochen hin ausgerichtet und nicht auf eine Gesamtzahl. In der Schule wird euch plus/minus ein Literaturkanon vermittelt und der richtet sich primär danach, 'was die Jungen kennen sollten' und nicht nach einer Zahl. Wenn's aber populär sein soll, nimmt man tatsächlich oft knackige Zahlen,

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#52 tichy

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Geschrieben 24 Januar 2007 - 16:25

Ich würde sagen: Ein Klassiker definiert sich über langfristigen Erfolg. Das heisst, dass er nicht nur heute, sondern auch noch in etlichen Jahren interessant zu lesen ist -- in der SF eine etwas schwierigere Aufgabe als in sonstiger Literatur.-- Martin
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#53 molosovsky

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Geschrieben 24 Januar 2007 - 19:05

Zu Simifilm: Zu den Klassikern, die einem in der Schule vermittelt werden. Das große Übel (meiner Meinung) ist hier, daß sich der Literaturunterricht zu stark nach nationalen (oder sprachgemeinschaftlichen) Badewannen orientiert. Statt konsequent von Beginn an die »Weltliteratur« zu behandeln, werden unzählige läppische Provinzautoren behandelt.Diesen »Weltliteratur«-Gedanken weiter strapazierend, könnte man konsequenterweise könnte man darüberhinaus ja z.B. alle ›literarischen GroßMetaphern-Gebilde‹ zusammen in eine Kiste haun und entsprechend aus Vogelperspektive behandeln. Aber z.B. Religiöses wird immer noch unter im Schutzreservat der Theologie behandelt. †” Dabei gibt es zum Beispiel solche Ansätze, wie die Kontroversen um ›die großen Erzählungen‹ (z.B. Zivilisationstheorie vom Aufstieg der Aufklärung usw.; oder eben den Gegensatz zwischen religiösen und naturwissenschaftlichen Großerzählungen vom Werdegang des Menschen).Und zu tichy: ›Langfristiger Erfolg‹ und ›interessant‹ sind zwei verschiedene Dinge, die sich nur teilweise überschneiden. †” Beides sagt im Übrigen wenig über den ›Wahrhaftigkeitsgehalt‹ von Werken aus. Auch wenn ich selber solchen Wahrhaftigkeits-Ansprüchen skeptisch gegenüberstehe, will ich diesen Anspruch doch nicht ganz außer Acht lassen.GrüßeAlex / molo

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#54 Morn

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Geschrieben 24 Januar 2007 - 19:45

Welche Rolle spielt die Alterung des Settings und der Technik in einem Genre, in dem diese Dinge offenbar so wichtig sind ? Ein Magnetophongerät zur Notizspeicherung bekommt heutzutage unfreiwillig komische Züge.

Ich denke, das haengt davon ab, wie wichtig die Technik fuer die Handlung ist oder ob es nur Beiwerk ist und ohne weiteres durch ein entsprechend "modernes" Geraet ersetzt werden koennte. Ob es den Lesefluss hemmt, auch wenn man die Zeit der Entstehung der Geschichte im Hinterkopf hat. Sind riesige Computer mit Elekronenroehren in einer Geschichte wirklich so stoerend? Wie sieht es mit solchen aus, die absichtlich auf veraltete Technik setzen? Welche Rolle spielt Nostalgie bei einem Klassiker? Definiert sich ein Klassiker, zumindest in der SF/phantastischen Literatur, nicht auch ueber den Einfluss den das Werk auf das Genre bzw. ein Subgenre hat(te)?

#55 tichy

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Geschrieben 24 Januar 2007 - 20:04

›Langfristiger Erfolg‹ und ›interessant‹ sind zwei verschiedene Dinge, die sich nur teilweise überschneiden.

Naja, in Bezug auf meinen Definitionsversuch eigentlich schon: Was nicht ein signifikanter Teil der Zielgruppe interessant findet, dem wird auch kein dauerhafter Erfolg beschieden sein.

Beides sagt im Übrigen wenig über den ›Wahrhaftigkeitsgehalt‹ von Werken aus.

Halte ich nicht für entscheidend für einen Klassikerstatus.

Vielleicht sollte man unterscheiden zwischen einem "Klassiker" und einem visionären / richtungsweisenden Werk. Diese beiden müssen sich nämlich absolut nicht überschneiden ...

-- Martin

Bearbeitet von tichy, 24 Januar 2007 - 20:05.

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#56 simifilm

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Geschrieben 24 Januar 2007 - 21:30

Ich würde sagen: Ein Klassiker definiert sich über langfristigen Erfolg. Das heisst, dass er nicht nur heute, sondern auch noch in etlichen Jahren interessant zu lesen ist -- in der SF eine etwas schwierigere Aufgabe als in sonstiger Literatur.

Wie schon früher gesagt: Das kann sich ändern. Gewisse Bücher sind zu gewissen Zeiten angesagt, geraten in Vergessenheit, werden wieder entdeckt etc.

Zu Simifilm: Zu den Klassikern, die einem in der Schule vermittelt werden. Das große Übel (meiner Meinung) ist hier, daß sich der Literaturunterricht zu stark nach nationalen (oder sprachgemeinschaftlichen) Badewannen orientiert. Statt konsequent von Beginn an die »Weltliteratur« zu behandeln, werden unzählige läppische Provinzautoren behandelt.

Das man im Deutschunterricht vor allem deutschsprachige Literatur und im englischsprachigen vor allem englischsprachige liest, leuchtet mir an sich ein. Und da schon diese nur sehr oberflächlich behandelt werden können, bezweifle ich, dass es sinnvoll wäre, die Sache mit einem noch viel problematischeren Begriff von "Weltliteratur" auszudünnen (BTW: Ich habe im Deutschunterricht unter andem Shakespeare, Dostojewski und Beckett gelesen. Kommt also sehr auf den Deutschlehrer an).

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#57 molosovsky

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Geschrieben 24 Januar 2007 - 21:59

Es geht ja nicht nur darum, was man in der Schule an Lektüre liest (in meiner Realschule hatten wir z.B. NULL Lektüre, und lasen wenn, dann nur das, was im Deutschbuch an Auszügen stand. Und da gabs eben NULL internationale Literaturgeschichte. Ich glaub, wir sind bis ca. Gerhard Hauptmann gekommen. In meiner Schule hat sich darauf spezialisiert, den Audi-Werken zuzuarbeiten :-) Wir haben bis zur Abschlußklasse hauptsächlich Rechtschreibübungen gemacht. Als ich mal nen Aufsatz zum Thema »Ursachen der Gewalt« mit Gedanken basierend auf meiner Einstein/Freud-Briefwechsel-Lektüre füllte, galt dies als Themenverfehlung; gefragt war: Gewalt entsteht, wenn z.B. im Stadion aufgeheizte Fanblöcke aufeinandereinprügeln und die Polizei die Situation nicht im Griff hat.)Von Bedeutung ist ja auch, welche Zusammenhänge einem vermittelt werden, bzw. wie man sich die selber erarbeitet. Und da siehts halt sehr mau aus.GrüßeAlex / molo

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Geschrieben 24 Januar 2007 - 22:16

Ach ja: in der SF (und Phantastik) tritt ja eines sehr klar zutage. Klassikerpflege ist ein undankbares Unterfangen für Verlage. Nehmen wir die anglo-amerikanischen SF/Fantasy-Klassiker der 50er, 60er, 70er.Die ganzen ambitionierten Klassiker-Reihen hats weitestgehend zerrissen. Und welche Einsteiger ins Genre schürfen schon im Antiquariat oder zahlen für ein Taschenbuch von annodazumals 15 bis 20 Euronen? †” Da bleibt meist nur, sich zu trauen auf Englisch zu lesen (nicht jedermanns Sache).Dass die Publikumsverlage allgemein ihre Bestände im Keller vergammeln lassen, ist ja eine Klage, die nicht nur bzgl. SF angestimmt wird. Statt dessen, haben sich die meisten Verlage auf das Bestseller-Monopoly eingelassen †¦ mit den beobachtbaren Folgen: Mordsgelder für Lizenzen, wenige hochgeypte Titel.Schizzo kann man werden, wenn man mit nur ein wenig ›Ambition‹ sich einem Genre-Feld widmen will, das eben als Ex- und Hopp-Wellness-Produkt behandelt wird.Träumen tu ich schon lange, daß man solche Reihen wie »Masterworks of SF« bzw. Fantasy 1 zu 1 bei uns umsetzt. †” Aber ich ahne, daß eher Englisch bei uns als 2. Amtssprache eingeführt wird, als daß dieser Traum wahr wird.Mist. Das klingt jetzt alles ganz schon pessimistisch.GrüßeAlex / molo

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#59 tichy

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Geschrieben 25 Januar 2007 - 09:52

Wie schon früher gesagt: Das kann sich ändern. Gewisse Bücher sind zu gewissen Zeiten angesagt, geraten in Vergessenheit, werden wieder entdeckt etc.

Und? Was spricht dagegen, dass ein Klassiker irgendwann aufhört, ein Klassiker zu sein?

Karl May war beispielsweise lange Zeit der Jugendbuchklassiker schlechthin. In der Generation meiner Eltern hat wohl jeder Hadschihalefomarbenhadschiabulabbasibnhadschidawudalgossarah im Schlaf aufsagen können, zu meiner Zeit waren es schon weniger -- wer liest heute noch Karl May?

Nichts ist für die Ewigkeit, auch nicht der Klassikerstatus.

-- Martin

Bearbeitet von tichy, 25 Januar 2007 - 15:36.

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#60 Konrad

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Geschrieben 26 Januar 2007 - 15:15

Je länger ich darüber nachdenke, desto größer werden meine Probleme mit einem universellen SF-Klassikerkanon.Welchem Einsatzzweck soll dieser Kanon dienen ?Was ist der Nutzen für den Leser ?Wird da nicht einem spätbürgerlichen Bildungsgedanken gefrönt, der häufig als Selektionsmechanismus für Eliten diente ?Motto: "Was, Sie kennen ZZZ nicht ?" Indigniertes Lächeln. "Vielleicht sollten Sie erst mal die wichtigsten Bücher des KK lesen, bevor sie hier mitdiskutieren."Gibt es überhaupt allgemein anerkannte Kriterien für den Status "Klassiker" ?Wenn ja, dann sind sie wahrscheinlich eine Mischung aus den unterschiedlichsten Kriterien, die letztlich das Profil verwässern.Da tendiere ich eher zu problemorientierten schlanken Kanones, die den unterschiedlichsten Fragestellungen und Zielen nachspüren und nicht den Anspruch der Universalität erheben.Gruß,Konrad


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