
SF-Klassiker
#31
Geschrieben 20 Januar 2007 - 20:05
MOLOSOVSKY IST DERZEIT IN DIESEM FORUM NICHT AKTIV: STAND 13. JANUAR 2013.
Ich weiß es im Moment schlicht nicht besser.
#32
Geschrieben 21 Januar 2007 - 00:52
Es gab und gibt in der Literaturgeschichte genügend Beispiele, bei denen genau das geschehen ist: Ein ziemlich vergessenes Autor oder Werk wurde von einem Kritiker propagiert, fand Anklang und wurde zum Klassiker. "Berlin Alexanderplatz" ist ein Beispiel. Musils "Mann ohne Eigenschaften" ein anderes (das Buch war zwar bei Erscheinen des ersten Bandes ein Erfolg, wurde dann aber allmählich vergessen und erst Jahre später wieder populär). Auch "Lolita" wurde vor allem dank masssivem Einsatz wohlwollender seinen Porno-Anstrich los und Teil der Weltliteratur. EDIT: Wie schon früher angedeutet, gibt es auch in der SF-Literatur ein sehr prominentes Beispiel. Dass "Frankenstein" heute als Klassiker der SF verstanden wird, ist massgeblich Brian Aldiss zu verdanken, der in "Billion Year Tree" massiv dafür geworben. Vor Aldiss wurde "Frankenstein" als weit weniger wichtig wahrgenommen, seither wird das Buch allgemein als SF-Klassiker anerkannt.Hallo Jürgen, interessantes Thema. Ich glaube allerdings nicht daran, daß Literaturkenner oder -kritiker Bücher gegen den Willen der Leser zu einem Klassiker "machen" können. Sie können natürlich ein Buch ins Gespräch bringen und (manchmal nur kurzfristig) aus dem Sumpf des Vergessens herauszerren. Ob dieses dann wieder in den Sumpf zurückgleitet, hängt letztlich davon ab, ob es von den Lesern angenommen wird. Ob ein älteres Buch über den Zeitkontext hinaus, in dem es geschrieben wurde, Interesse beim Leser wecken kann, kann ein Kritiker nicht beeinflussen. Wenn der Literaturkritiker tatsächlich "Meinungsmacher" sein könnte, müßte er die Perzeption eines Buches verändern können. Dies halte ich mit Verlaub für eine typische Überschätzung der heutigen "Machergeneration".
Der Leser läßt sich von Rezensionen sicherlich anregen, bildet dann aber sein eigenes Urteil, ob er die Empfehlung gutiert oder für einen akademischen "Furz" hält. Gruß, Konrad
Bearbeitet von simifilm, 21 Januar 2007 - 09:18.
Signatures sagen nie die Wahrheit.
Filmkritiken und anderes gibt es auf simifilm.ch.
Gedanken rund um Utopie und Film gibt's auf utopia2016.ch.
Alles Wissenswerte zur Utopie im nichtfiktionalen Film gibt es in diesem Buch, alles zum SF-Film in diesem Buch und alles zur literarischen Phantastik in diesem.
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#33
Geschrieben 21 Januar 2007 - 12:40

#34
Geschrieben 21 Januar 2007 - 12:51
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#35
Geschrieben 21 Januar 2007 - 13:16
Du hast natürlich recht, daß die ganze Metamorphose des Industrie- zum Informationszeitalters auch das Gefüge und den Werdegang der Klassiker-Kanonisierung durcheinanderwirbelt. Ich werf mal folgende Fragen und Überlegungen in die Runde:
• Zu sagen »Dies Buch ist ein Klassiker« reicht nicht. Mindestens sollte ergänzt werden, für WEN ein Werk ein Klassiker ist. »Lolita« ist z.B. kein Klassiker der SF :-) »1984« andererseits ist nicht nur ein Klassiker der SF (obwohl Orwell/Blair kein ›klassischer‹ Genre-SF-Autor ist), sondern eben auch ›des 20. Jahrhunderts‹, bzw. ›der Weltliteratur‹ (und solcher Unterkategorien wie ›Klassiker der Dystopie‹, ›…der (selbst)kritischen Linken‹, ›…der englischen Literatur‹ usw).
• Genauso orientierend ist die Angabe, WANN ein Werk ein Klassiker ist/war. Oppermanns »100 Jahre« oder Schnabels »Insel Felsenburg« sind zwei so Beispiele aus der durch Arno Schmidt inspirierten »Hainischen Alterthümer«-Sammlung. Hochpopolär im 18. Jhd, heute eher vergessene Klassiker (Klassiker für einen merklich kleineren Leserzirkel). — SF und Phantastik-bezogen: John Wilkins Mondreise oder die Blazing World der Margarete von Newcastle sind für entsprechende Experten sicherlich Klassiker der Phantastik (Imaginary Voyages). Ersterer (Wilkins) dürfte durch Stephensons Enoch Root-Bücher (Cryptonomicon und Barock-Zyklus) sicherlich wieder etwas mehr gelesen (downgeloaded) werden, aber dennoch: ein Klassiker im umsatzstarken Sinne ist der Text nicht (und wirds wohl auch nie).
Man darf ja nicht übersehen, daß ›die Leser‹ eine schwammige Schublade ist. Man kann z.B. möglichst viele Leser oder eben eine bestimmte Leserschicht ins Visir nehmen. Ich halte es für sehr heikel, den Blick auf einen dieser beiden Pole (›Massenpublikum‹ vs. ›Qualitäts-Publikum‹) einseitig zu verengen, und ich unterstelle Konrads Argumentation (›Demokratisierung‹) mal, sich in genau diese Gefahr zu begeben. — Also: für eine richtig zünftige Klassikersicht sollte man imho stereospokisch gucken. Die demokratische Masse mag Verkaufsspitzen auslösen können, aber ›die Masse‹ ist eben auch vergesslich, bzw. wohl mehr daran interessiert, wer ihnen JETZT am angenehmsten die Eier schaukelt :-) Das soll nicht heißen, daß ›die Masse‹ immer nur das augenblickliche Lesevergnügen als Kriterium pflegt; es gibt sicherlich auch im Massenpublikum nicht wenige, die ihre eigene ›ambitionierte‹ Route durch die Weltliteratur abstecken und dabei eben nicht nur die Wellness-Erfüllung im touristischen Sinne anstrebt (sondern eben das, was man ›Bildungsbesteben‹ nennen könnte).
— Immerhin: der große ›Feind‹ jeder Kanonbildung ist die Mode.
Seitengedanke: Nehmen wir einen heiklen Fall wie Ayn Rand. Bis vor wenigen Jahren bei uns völlig unbekannt, aber im anglo-amerikanischen (vor allem aber eben USA) eine Klassikerin der ›streitbaren SF‹. Bei uns wurde Ayn Rand zu einem Begriff durch Matt Ruffs »G.A.S. — Trilogie der Stadtwerke« und seit einigen Jahren treiben auch deutsche Filialen der Objektivisten bei uns ihr Geschäft, wurden ihre Werke wieder (wenn nicht zum ersten mal überhaupt) zugänglich.
Mit dem Aufblühen des Informationszeitalters wandelt sich der Klassikerdiskurs mehr zu einer ›internen Verhandlung einer Schwam-Intelligenz‹, ums mal blumig auszudrücken. Dennoch pflegen z.B. jugendliche Leseanfänger wohl z.T. andere Klassiker-Kriterien als alte Hasen. So zumindest erkläre ich mir die Populärität gewisser Titel (und eingedenk meiner eigenen Lesehaltung als Teen und Frühtwen).
Subtil aber enorm folgenreich ist zudem der Zeitrahmen den man aufspannt, um Klassiker zu verhandeln. So kennt man aus der hiesigen Lit-Verhandlung die Frage nach den Klassikern der BRD/DDR-Literatur, oder noch neuer, die Klassiker des wiedervereinigten Deutschlands. Andererseits kann man auch bei Giglamesch anfangen und eben die gesammte Kulturgeschichte der Menschheit als Feld für Klassiker-Bestimmungsspielchen nehmen.
Grüße
Alex / molosovsky
P.S.:
war ein Diss gegen jemand bestimmtes? Oder nur so ein Seitenhieb der aufmerksam machen sollte, daß es eben neben den entsprechd traidionellen, privilegierten Meinungsverbreitungs-Nischen der gedruckten/institutionalisierten Medien nun auch ein pluralistisches Durcheinander an (dilettantischen im gegensatz zu akademisch/professionellen) Lesermeinungen im Netzel gibt?D.h. die Vorstellung, eine "Meinungselite" könne diktieren was der "Plebs" zu denken habe, ist eine geschickte Legende von Leuten, die ihre Webseiten verkaufen wollen.
P.P.S.: Stimme Simifilm kritischen Einwurf zu, daß ›die Masse‹ eben beeinflußbar ist. Man denke eben z.B. an dieses Zitat aus »1984«:
Damit kann man ein sehr turbulentes Verhandlungsfeld aufziehen, nämlich nach der ›Wahrhaftigkeit‹ von Literatur (oder Medienwerken allgemein) im gegensatz zu ihrer ›Interessantheit‹*. Nur als Andeutung: dieses Feld läßt sich z.B. aufteilen in die Pole des ›kurzfristigen Stimmungswettermachens‹ und der ›langfristigen Mythologiesierung‹.Und wenn alle anderen die von der Partei verbeitete Lüge glauben — wenn alle Aufzeichnungen gleich lauteten —, dann ging die Lüge in die Geschichte ein und wurdE Wahrheit.
Warum stehen bei den Automessen z.B. äußerlich interessante knackige Mädels als Werbebunnies bei den Karren, und nicht charakterlich interessante reife Damen? Hmmm? Da kann man dann an die Zuckerbrot und Peitsche-Metapher denken, oder eben an Selbstvergiftung und Diat. Sucht lautet das Stichwort hier. Braucht man gar nicht an harte oder illegale Drogen denken, Zucker (und die ›unvernünftige‹ Gier unserer Körper danach) reicht völlig.
* siehe meine Schopenhauer-Zitate im »Fantasy kam nach SF — Was kommt nach Fantasy?«-Thread
Bearbeitet von molosovsky, 21 Januar 2007 - 13:56.
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#36
Geschrieben 21 Januar 2007 - 16:08



#37
Geschrieben 21 Januar 2007 - 17:59
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#38
Geschrieben 21 Januar 2007 - 19:40
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#39
Geschrieben 21 Januar 2007 - 20:32
#40
Geschrieben 21 Januar 2007 - 22:50
Der Kanon wird ohnehin immer neu verhandelt, da keine beteiligte Institution völlig starr ist.Als markant fällt mir auf, daß sich in dieser Stufung zwischen Klassiker und Kult eine Spannung zwischen ›Kanonbildung der Etablierten/Mehrheit/Konformen‹ und ›Kanonbildung der Separierten/Minderheit/Abweichler‹ sehen läßt. Das führt dann zu den wohlbekannten Unsicherheiten an Relativierungen zwischen vermeindlich ›objektiven Maßstäben‹ und ›subjektiver Wahrheit‹ (was A für ein Meisterwerk hält, mag für B Schund sein und C findets so lala/ganz nett usw. bis weit über Z hinaus). Das geht soweit ich seh mit Jürgens Anfangthese konform, daß es in einer Zeit des großen Wandels nötig (oder zumindest begrüßenswert) ist, den Kanon der Klassiker neu zu vehandeln.
Bearbeitet von simifilm, 21 Januar 2007 - 22:50.
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#41
Geschrieben 21 Januar 2007 - 22:57
Ich würde da teilweise widersprechen: - Die Literaturwissenschaft interessiert sich je länger je mehr für populäre Formen. - In der Literaturwissenschaft ist man schon längere Zeit davon abgekommen, zu postulieren, was "gute Literatur" ist. Derartige normative Ansätze sind weitgehend verpönt. Der Kanon wird hier weniger durch Wertungen etabliert, als mehr dadurch, was gerade en vogue ist und von vielen erforscht wird. - Literaturpäpste wie Reich-Ranicki sind *keine Literaturwissenschaftler*, sondern werden von der Wissenschaft vielmehr oft sehr misstrauisch behandelt. - Die wichtigste Institution in der literarischen Kanonbildung ist zweifellos der Deutschunterricht, und auch wenn hier natürlich die Literaturwissenschaft ihren Einfluss hat, so ist dieser keineswegs direkt. Vielmehr kommen literaturwissenschaftliche Erkenntnisse oft verspätet in "verdünnter" Form an.Eine klitzekleine Anmerkung, Alex: Während die Kanonisierung der Literaturliteratur im universitären / akademischen Rahmen stattfindet (und zwar mW in allen Sprachen),
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#42
Geschrieben 21 Januar 2007 - 23:04
Bearbeitet von molosovsky, 21 Januar 2007 - 23:08.
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#43
Geschrieben 21 Januar 2007 - 23:15
"Völlig undenkbar" ist sicher übertrieben. Zu SF, Fantasy und Phantastik wird heute im deutschsprachigen deutlich mehr an wissenschaftlicher Literatur veröffentlicht als noch vor zehn oder zwanzig Jahren. Dass es nicht so viel ist wie im englischsprachigen Raum hängt nicht zuletzt auch damit zusammen, dass dort die entsprechende Literatur eine längere Tradition. Es gibt nun mal mehr englischsprachige als deutschsprachige SF, und in der englischen Literatur hat das "Nicht-Realistische" seit jeher einen wichtigeren Platz eingenommen als in der deutschen.Eine klitzekleine Anmerkung, Alex: Während die Kanonisierung der Literaturliteratur im universitären / akademischen Rahmen stattfindet (und zwar mW in allen Sprachen), sieht es bei U- bzw. Genreliteratur zumindest im deutschen Sprachraum völlig anders aus. So etwas wie die IAFA bzw. deren jährlich stattfindende "International Conference on the Fantastic in the Arts" sind mMn in Deutschland undenkbar. Das hat dann aber sehr wohl Auswirkungen auf die "Definition" bzw. Ausformung des Begriffs "Klassiker" - eben und vor allem im Genre. Grüße Gerd
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#44
Geschrieben 21 Januar 2007 - 23:20


Letzteres; m.E. hat die Meinungsvielfalt in den Blogs und Foren den Meinungsbildungsprozeß der Leute verändert. Genauso, wie heutzutage jeder sein Patchwork-Weltbild selber häckelt ist auch der Literaturkanon eines Experten keine heilige Kuh mehr.war ein Diss gegen jemand bestimmtes? Oder nur so ein Seitenhieb der aufmerksam machen sollte, daß es eben neben den entsprechd traidionellen, privilegierten Meinungsverbreitungs-Nischen der gedruckten/institutionalisierten Medien nun auch ein pluralistisches Durcheinander an (dilettantischen im gegensatz zu akademisch/professionellen) Lesermeinungen im Netzel gibt?
Wobei, wenn ich mich recht erinnere, der monopolisierte Informationskanal bei 1984 das genaue Gegenteil des Internets ist.Stimme Simifilm kritischen Einwurf zu, daß ›die Masse‹ eben beeinflußbar ist. Man denke eben z.B. an dieses Zitat aus »1984«...

#45
Geschrieben 21 Januar 2007 - 23:25
Deckt sich mit meiner Einschätzung, daß sich (schön langsam) was tut im deutschsprachigem Akademiker-Kulturraum. Ich rede mir hier gerne Optimismus ein, weil mein Pessimismus von Natur eh die Oberhand hat. Solche Leute FraPh machen mir ebenfalls Hoffnung. Deine ausdrückliche Unterscheidung zwischen Akademikern und solchen Meinungsschleudern wie MRR ist zwar verständlich, sauber und löblich, doch wird sie dem ›realen‹ Gewusel in der Arena der Deutungsrangelei gerecht? Ich melde Zweifel an. — Fakt ist nun mal, daß EIN Zampano ganz schön viel anrichten kann. Bei MRR ist das für uns Phantasten tragisch, denn MRR mag Phantastik nicht (obwohl er sie als Jugendlicher durchaus verschlungen hat. Wirklich verstanden hab ich diesen Gesinnungswandel, die Geschmacksverhärtung von MRR nie; ich hab auch kaum Auskunft darüber bei ihm gefunden).- Die Literaturwissenschaft interessiert sich je länger je mehr für populäre Formen.
Meine Rede. Allerdings denke ich schon, daß sich sozusagen ›wetterkundlich‹ Großtrends der Klassiker-Klimata herausarbeiten lassen. ›Herausarbeiten‹ im michelangelo’schen Sinne des ›im Stein sehen und das unnötige weghaun‹ :-) Grüße Alex / molosovskyDer Kanon wird ohnehin immer neu verhandelt, da keine beteiligte Institution völlig starr ist.
Bearbeitet von molosovsky, 21 Januar 2007 - 23:28.
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#46
Geschrieben 22 Januar 2007 - 00:01
#47
Geschrieben 22 Januar 2007 - 00:04
…sind sehr abstrakt. ›Der Leser‹, ›der Literaturkritiker‹. Ich versteh Dich so, daß Du dem Publikum mehr Stimmen bei der Klassiker-Verhandlung einräumst. So wie das Informationszeitalter anhebt zeichnet sich diese Perspektive in der Tat ab. Steil formuliert spinn ich Deinen Gedanken weiter und postulier: früher stellten Fachgelehrte in den Akademien die Klassiker zusammen, heute erledigen das die Leser via Internet. — Das klingt schön und macht eben mir Nichtakademiker auch Spaß, aber das wird weder der Klassiker-Genese von einst noch der von heut in ihrer Komplexität gerecht. Immerhin gibt es neben dem wilden Eingebohrenen (Leserschaft) und der Lehrpult-Priesterschaft noch viele andere, die am Klassiker-Turm mitbasteln. Nur ein Beispiel: Ob man auf Hype-Züge aufspringt um seinen Anteil vom Schnitt zu scheffeln, oder sich einschleimt um bei einer exklusiven Gruppe Prestige zu sammeln … die Motive, warum wer wozu seinen Senf gibt (und sich damit als Meinungs-Multiplikator andient) müssen ja nicht solche der redlichen Begeisterung sein. Apropos Hype-Züge (sozusagen Meinungs-Tsunamis): Wer baut die, wer sind die Lokführer, wer die Kontrollettis und wer die Passagiere? Grüße Alex / molosovsky Zu Konrads kurzem ›Fragen über Fragen‹-Beitrag: Hossa! Du gibst zwar keine Antworten, aber jede einzelne Frage deutet auf ein beachtenswertes Detailgebiet der groooooßen Klassiker-Frage. Ich gönn Dir und Euch aber jetzt mal wieder ne Auszeit von mir Schnelltipper.Wenn der Literaturkritiker tatsächlich "Meinungsmacher" sein könnte, müßte er die Perzeption eines Buches verändern können. Dies halte ich mit Verlaub für eine typische Überschätzung der heutigen "Machergeneration". Der Leser läßt sich von Rezensionen sicherlich anregen, bildet dann aber sein eigenes Urteil, ob er die Empfehlung gutiert oder für einen akademischen "Furz" hält.
Bearbeitet von molosovsky, 22 Januar 2007 - 00:15.
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#48
Geschrieben 23 Januar 2007 - 13:13
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#49
Geschrieben 24 Januar 2007 - 13:11
Der Kanon ist so gross, wie die Beteiligten es für richtig halten.Verzeiht, wenn ich schnell noch eine kleine Sache anbringe, die vielleicht wie Lulu-Kram anmutet. Mir ist aber noch etwas (imho) sehr wichtiges bei der Klassiker-Bestimmung eingfallen. WIE GROSS soll denn der Kanon sein? An Titeln und gewerteten Zeitraum? Das sind enorm bedeutende Fragen.
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#50
Geschrieben 24 Januar 2007 - 15:13
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#51
Geschrieben 24 Januar 2007 - 16:15
Es kommt eben auch darauf an, in welchem Kontext ein Kanon entsteht und wozu er dienen soll. Ich glaube, beispielsweise nicht, dass Reich-Ranickis Kanon auf eine bestimmte Zahl von Titeln festgelegt ist. Die Literaturliste in meinem Studium war auf Epochen hin ausgerichtet und nicht auf eine Gesamtzahl. In der Schule wird euch plus/minus ein Literaturkanon vermittelt und der richtet sich primär danach, 'was die Jungen kennen sollten' und nicht nach einer Zahl. Wenn's aber populär sein soll, nimmt man tatsächlich oft knackige Zahlen,Und oft (nicht immer) halten die Beteiligten es eben für richtig, eine knackige Zahl einzuflechten. Oder hast Du schon oft sowas gelesen wie »Die 32 besten Raststätten auf deutschen Autobahnen« oder »Focus nennt die 52 besten Internisten«. Grüße Alex / molo
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#52
Geschrieben 24 Januar 2007 - 16:25
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#53
Geschrieben 24 Januar 2007 - 19:05
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#54
Geschrieben 24 Januar 2007 - 19:45
Ich denke, das haengt davon ab, wie wichtig die Technik fuer die Handlung ist oder ob es nur Beiwerk ist und ohne weiteres durch ein entsprechend "modernes" Geraet ersetzt werden koennte. Ob es den Lesefluss hemmt, auch wenn man die Zeit der Entstehung der Geschichte im Hinterkopf hat. Sind riesige Computer mit Elekronenroehren in einer Geschichte wirklich so stoerend? Wie sieht es mit solchen aus, die absichtlich auf veraltete Technik setzen? Welche Rolle spielt Nostalgie bei einem Klassiker? Definiert sich ein Klassiker, zumindest in der SF/phantastischen Literatur, nicht auch ueber den Einfluss den das Werk auf das Genre bzw. ein Subgenre hat(te)?Welche Rolle spielt die Alterung des Settings und der Technik in einem Genre, in dem diese Dinge offenbar so wichtig sind ? Ein Magnetophongerät zur Notizspeicherung bekommt heutzutage unfreiwillig komische Züge.
#55
Geschrieben 24 Januar 2007 - 20:04
Naja, in Bezug auf meinen Definitionsversuch eigentlich schon: Was nicht ein signifikanter Teil der Zielgruppe interessant findet, dem wird auch kein dauerhafter Erfolg beschieden sein.›Langfristiger Erfolg‹ und ›interessant‹ sind zwei verschiedene Dinge, die sich nur teilweise überschneiden.
Halte ich nicht für entscheidend für einen Klassikerstatus.Beides sagt im Übrigen wenig über den ›Wahrhaftigkeitsgehalt‹ von Werken aus.
Vielleicht sollte man unterscheiden zwischen einem "Klassiker" und einem visionären / richtungsweisenden Werk. Diese beiden müssen sich nämlich absolut nicht überschneiden ...
-- Martin
Bearbeitet von tichy, 24 Januar 2007 - 20:05.
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#56
Geschrieben 24 Januar 2007 - 21:30
Wie schon früher gesagt: Das kann sich ändern. Gewisse Bücher sind zu gewissen Zeiten angesagt, geraten in Vergessenheit, werden wieder entdeckt etc.Ich würde sagen: Ein Klassiker definiert sich über langfristigen Erfolg. Das heisst, dass er nicht nur heute, sondern auch noch in etlichen Jahren interessant zu lesen ist -- in der SF eine etwas schwierigere Aufgabe als in sonstiger Literatur.
Das man im Deutschunterricht vor allem deutschsprachige Literatur und im englischsprachigen vor allem englischsprachige liest, leuchtet mir an sich ein. Und da schon diese nur sehr oberflächlich behandelt werden können, bezweifle ich, dass es sinnvoll wäre, die Sache mit einem noch viel problematischeren Begriff von "Weltliteratur" auszudünnen (BTW: Ich habe im Deutschunterricht unter andem Shakespeare, Dostojewski und Beckett gelesen. Kommt also sehr auf den Deutschlehrer an).Zu Simifilm: Zu den Klassikern, die einem in der Schule vermittelt werden. Das große Übel (meiner Meinung) ist hier, daß sich der Literaturunterricht zu stark nach nationalen (oder sprachgemeinschaftlichen) Badewannen orientiert. Statt konsequent von Beginn an die »Weltliteratur« zu behandeln, werden unzählige läppische Provinzautoren behandelt.
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#57
Geschrieben 24 Januar 2007 - 21:59
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#58
Geschrieben 24 Januar 2007 - 22:16
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#59
Geschrieben 25 Januar 2007 - 09:52
Und? Was spricht dagegen, dass ein Klassiker irgendwann aufhört, ein Klassiker zu sein?Wie schon früher gesagt: Das kann sich ändern. Gewisse Bücher sind zu gewissen Zeiten angesagt, geraten in Vergessenheit, werden wieder entdeckt etc.
Karl May war beispielsweise lange Zeit der Jugendbuchklassiker schlechthin. In der Generation meiner Eltern hat wohl jeder Hadschihalefomarbenhadschiabulabbasibnhadschidawudalgossarah im Schlaf aufsagen können, zu meiner Zeit waren es schon weniger -- wer liest heute noch Karl May?
Nichts ist für die Ewigkeit, auch nicht der Klassikerstatus.
-- Martin
Bearbeitet von tichy, 25 Januar 2007 - 15:36.
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#60
Geschrieben 26 Januar 2007 - 15:15
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