Ich würde den Thread ja gerne verschieben, weiß aber nicht wie ... deshalb muss ich wohl weiter OT hier antworten, weil so ganz ohne Antwort ist's mir auch nicht recht. Also, schön systematisch:
Alberich schrieb am 26.08.2007, 16:39:
Bitte???
Du schriebst: „ Die Suche nach der Autorenintention ist aber fragwürdig, weil sie die Tendenz hat, sich als einzig richtige Interpretation auszugeben.“ Wie kann denn eine Autorenintention etwas wollen?
Ich habe deine Vermenschlichung eines abstrakten Begriffes nur übernommen und nun darf ich nicht, du aber?
Eine Tendenz ist nicht das gleiche wie eine Intention. Eine Intention ist ein Wille hinter einer Handlung. Eine Tendenz ist in diesem Zusammenhang ein bestimmter Effekt, den eine bestimmte Argumenteationsweise mit einiger Wahrscheinlichkeit zeitigt. Außerdem trennst du explizit zwischen Autoren- und Geschichtsintention, und das ist nun der Punkt, den ich beim besten Willen immer noch nicht verstehe: Wie kann die Geschichte selbst einen Willen haben, unabhängig vom Autor? Das ist etwas anderes, als die Frage, welche vom Autor unbeabsichtigten Effekte die geschichte haben. Um noch mal das gleiche Beispiel zu wählen: Der vom Sturm heruntergefegte Dachziegel mag mir vielleicht auf den Kopf fallen, ganz sicher "will" er das aber nicht.
Alberich schrieb am 26.08.2007, 16:39:
Du selbst hast doch die Geschichtsintention eingeführt: Dass aus der Geschichte mehr zu entnehmen ist, als der Autor uns sagen wollte. Über derartige Selbstverständlichkeiten herrscht sowieso zwischen uns Einigkeit. Oder ziehst du die Aussage zurück?
Siehe die vorangegangene Antwort, Dachziegelbeispiel.
Alberich schrieb am 26.08.2007, 16:39:
Schon wieder zurück rudern? Du kannst das gerne machen, ich betrachte das nicht als Schwäche. Aber dass du gleichzeitig behauptest, das wäre schon immer deine Ruderrichtung gewesen, nur ich wäre auf der falschen Spur...das raubt mir doch ein wenig die Fassung.
Ich verstehe nicht, inwiefern ich zurückrudere, indem ich nochmals betone, dass mein Interpretationsvorgehen nicht "beliebig" ist. Deine Argumentationsstruktur ist hier folgendermaßen: Du behauptest, dass mein Ansatz beliebig ist. Darauf erkläre ich, warum ich meinen Ansatz nicht für beliebig halte. Worauf du erwiderst, dass ich meine Position ändere, weil ich erst für Beliebigkeit und dann dagegen eingetreten wäre. Genaugenommen handelt es sich dabei nicht um eine Argumentations- sondern um eine Unterstellungsstruktur.
Alberich schrieb am 26.08.2007, 16:39:
Natürlich ist " betrachte ich das als eine rigorise Arbeit, bei der ich meine Voraussetzungen und mein Erkenntnisinteresse im Vorhinein klar mache und mich auch daran halte " ganz meine Linie. Das ist im ersten Satz genau das, was ich behauptet habe, und was ihr nicht wahrhaben wollt. Denn meine Aussage lautete nur:
Es gibt nichts, was ich nicht für verstehbar halte, Vorwissen oder ein angemessenes Nachholen von Vorwissen vorausgesetzt. Wenn ich einen Text nicht verstehen kann, dann hat der Autor sich nicht genügend Mühe gegeben oder er hat nichts zu sagen.
Meine Aussage und deine haben hier nicht das geringste miteinander zu tun. Ich sage: Ich bemühe mich, einen Text zu "verstehen", wenn er mich interessiert. Dazu bringe ich bestimmte Annahmen und Voraussetzungen mit. Die Interpretationsarbeit ist für mich eine, die keine Eindeutigkeit des Textes voraussetzt. Deshalb besteht tatsächlich eine Gefahr der Beliebigkeit, der ich allerdings nicht begegne, indem ich auf die Intention des Autors poche, um meine Lesart damit zu autorisieren, sondern, indem ich meine Herangehensweise an den Text möglichst klar darstelle. Du sagst dagegen: Wenn du es nicht verstehst, hat der Autor sich nicht genug Mühe gegeben. Damit bist du wieder bei einer Interpretation, die offenbar der Autorisierung durch den Autor bedarf. Das sind zwei unterschiedliche Positionen.
Alberich schrieb am 26.08.2007, 16:39:
Um deine rigorosen Vorbereitungen in Gang zu setzen, musst du den Text doch verstanden habe. Nein, nicht vollständig verstanden (ich beantworte schon vorauseilend wollüstiges Verrücken meiner Autorenintention, erstklassiger Kandidat: Simi), aber zumindest schon soweit verstanden, dass du einen Anknüpfungspunkt für deine Arbeit findest. Denn du könntest die bestimmten Fragen, die Voraussetzungen und dein Erkenntnisinteresse nicht klarmachen, wenn der Text dir dazu keinen Bezug liefern würde.
Ich muss bei der Interpretationsarbeit ein Verständnis von dem Text entwickeln und es argumentativ begründen können. ich muss den Text nicht im Sinne der Entschlüsselung einer Botschaft des Autors "verstanden haben".
Alberich schrieb am 26.08.2007, 16:39:
Und wieso interessiert dich nicht, was der Autor damit sagen will? In „Shadows over Innsmouth“ interessiert dich doch, ob Lovecraft nicht seiner Besorgnis über das Aussterben der anglikanischen Rasse Ausdruck geben wollte. Was hast du denn da anderes getan, als dich mit der Autorenintention zu befassen, auch wenn du letztlich nur zu dem Schluss kamst, zu unsicher und zu uninteressant?
Ich habe das erklärtermaßen als Beispiel verwendet, warum ich die Suche nach der Autorenintention für uninteressant halte. Es interessiert mich nur sehr am Rande, das Lovecraft erklärter Rassist und Antisemit war.
Alberich schrieb am 26.08.2007, 16:39:
Ich weiß nicht, welchen Vorwurf ich gemacht habe, jetzt mache ich dir einen:
Eine kleine Beleidigung darf nicht fehlen, wenn es sachlich nicht weitergeht, gelle?
Nun mal nicht überempfindlich werden. Ich halte das für eine begründete Einschätzung, dass du dich nicht viel mit Literaturtheorie beschäftigt hast, kann mich aber natürlich irren. Das ist vielleicht nicht über die Maßen charmant von mir, aber wohl auch nicht beleidigender als die Aussage, ich würde mich mit meinem Ansatz in der "Hölle der beliebigkeit" bewegen. Beides unterstellt ein hohes Maß an Inkompetenz.
Alberich schrieb am 26.08.2007, 16:39:
Außerdem: behaupte nie mehr, die Autorenintention würde dich nicht interessieren. Du und Guido und Simi habt euch außerordentliche Mühe gegeben, meine Intentionen zu verstehen. Genauer gesagt, misszuverstehen. Genauer gesagt in einem von euch gewollten Sinn misszuverstehen.
Nicht nur das, ihr habt sie sogar versucht sie zu entstellen.
Natürlich könnte ich auch eine literaturwissenschaftliche Analyse Analyse deiner Postings versuchen, die deine bewussten Annahmen auf ihre historischen Möglichkeitsbedingungen untersucht. Zum Beispiel könnte ich die Annahme äußern, dass in der von dir vorgestellten Herangehensweise ein positivistischer Common Sense der Moderne zum Ausdruck kommt. Eine Ergründung deiner Intention ist das wahrscheinlich nicht. Aber für eine Forumsdiskussion erscheint es mit durchaus recht sinnvoll, zu verstehen, was mir jemand tatsächlich und intentional sagen will, sonst würde eine Diskussion ungemein erschwert und ständig die Ebenen wechseln müssen. Das heißt aber nicht, dass es möglich wäre, deine Intention als Schreiber jemals mit endgültiger Sicherheit zu bestimmen.
Alberich schrieb am 26.08.2007, 16:39:
Nur mal als kleine Zusammenfassung allein in diesem kurzen letzten Text von dir:
1.Vorwurf der Subjektivierung des Begriffs Autorenintention, das ist exakt die Subjektivierung, die du selbst verwendet hast.
Stimt nicht, siehe oben.
Alberich schrieb am 26.08.2007, 16:39:
2.a) Bestreiten der Bedeutung des Begriffes „Geschichtsintention“. Deine eigenen Worte waren: „die Geschichte könne mehr beinhalten, als der Autor gewollt habe“, womit du gleichzeitig b)eine dümmliche Behauptung von mir wegfegst. Nur habe ich diese Behauptung nie in Frage gestellt.
Finde ich schwer verständlich ausgedrückt. Weise nur noch mal darauf hin, dass eine "Intention" für mich nicht gleichbedeutend mit "Inhalt" oder "Effekt" ist.
Alberich schrieb am 26.08.2007, 16:39:
3.Die kleine Beleidigung zum Abschluss
Nehme ich gerne zurück, sobald gegenteilige Indizien vorliegen.
Alberich schrieb am 26.08.2007, 16:39:
Du hast die unangenehme Angewohnheit, Fragen nicht zu beantworten.
ich fürchte, ich habe die zeitraubende Angewohnheit, ununterbrochen zu Antworten.
Alberich schrieb am 26.08.2007, 16:39:
a) Du schriebst:
Bemerken lässt sich aber, dass auch Schopenhauer einen relativ einfachen Sachverhalt hier nicht unbedingt auf die klarste und knappste Art darstellt. Er wählt seine Worte aber durchaus so, dass ein gelungener polemischer Effekt zustande kommt.
Ich antwortete: Das stimmt beides und bedeutet was?
Bedeutet: Schopenhauer hätte seine Aussage einfacher formulieren können, damit wäre ihr aber etwas entscheidendes verloren gegangen. Das soll ein Argument gegen die prinzipielle Forderung nach größtmöglicher Einfachheit des Ausdrucks sein.
Alberich schrieb am 26.08.2007, 16:39:
Ich schrieb: Ich habe schon Keyserling genannt. Wie ordnest du seine Schreibe ein? Verpackt er uns auch eine Botschaft, die wir nur enträtseln müssen?
Habe Keyserling nicht gelesen, erlaube mir kein Urteil.
Alberich schrieb am 26.08.2007, 16:39:
c) Ich schrieb: Welche Gefühle will mir eine Literatur, die ich nicht verstehe, aber vermitteln außer dem Ärger, dass ich sie nicht verstehe? Will das der Autor? Lehnt er sich in seinen Sessel zurück, wenn er sein Werk vollendet hat und denkt: „ Nu assoziier ma schön!“?
Die Literatur "will" gar nichts. Sie ist da. Die Frage ist: Was willst du mit ihr? Wenn du nichts mit ihr willst, leg das Buch weg und lies ein anderes. Kein Problem. Aber erzähl nicht anderen, dass der Autor etwas "falsch" gemacht hätte, weil seine Sprache dir zu anstrengend ist.
Alberich schrieb am 26.08.2007, 16:39:
d) Was unterscheidet Keyserling von James Joyce?
Weiß ich nicht (siehe oben)
Alberich schrieb am 26.08.2007, 16:39:
e) Du schriebst: Ein Autor hat seinen Text niemals voll unter Kontrolle...
Ich antwortete: Eben, inwieweit er ihn aber unter Kontrolle hat, das würde ich gerne wissen, das ist mein Ausgangspunkt.
Was genau ist deine Frage?
Alberich schrieb am 26.08.2007, 16:39:
Ganz abgesehen, dass dies eine jener Aussagen ist, die den falschen Rückschluss erzeugen sollen, ich hätte behauptet:
Ein Autor hat seinen Text immer voll unter Kontrolle:
Und das ist Schwachsinn und wieder der Versuch, mir etwas unterzujubeln.
Der von dir zitierte Satz war Teil einer Argumentation, die eben nicht ohne die Betonung dieses Umstands auskommt. Damit habe ich dir noch lange nicht die Gegenposition untergejubelt.
Alberich schrieb am 26.08.2007, 16:39:
Wir reden also mindestens über den Teil des Textes, den er unter Kontrolle hat. Für den wird er bezahlt. Für den bekommt er vielleicht einen Preis.
Und ich habe noch nie eine Preisablehnung gehört mit dem Grund: Wir geben ihnen den Preis nicht. Denn sie hatten ihren Text nicht unter Kontrolle. Das ist eigentlich nicht ihrer.
Ich denke, der Autor wird für das gesamte Werk bezahlt/bekommt einen Preis. Die Jury wird sicher nicht anfangen zu ermitteln, was der Autor wirklich "wollte" und was an interessantem Subtext sich vielleicht unbeabsichtigt eingeschlichen hat.
Teil zwei deines Arguments verstehe ich nicht: Natürlich würde man niemandem mit dieser Begründung einen Preis verwehren, weil das einfach nicht der Punkt ist. Der Punkt ist die (immer teilweise, aber nie völlig subjektive) Qualität des Werkes. Du setzt einmal mehr voraus, dass nur die Intention des Autors den Text autorisieren kann. Das halte ich für falsch, und diesen Dissenz wirst du leider einfach zulassen müssen.
Alberich schrieb am 26.08.2007, 16:39:
Um es abzuschließen:
Mike Lawrence (ein Bridge-Profi) sagte einmal: „Es reicht nicht, Erfahrungen zu machen. Man muss sie auch auswerten.“
Ihr habt zwar weit mehr Leseerfahrung als ich, aber welche Erfahrungen ihr verinnerlicht habt, sehe ich nicht. Außer der Übung im Entstellen von Aussagen. Für Simi und Guido gilt: Ihr habt außerdem noch Übung im Stänkern. Und das macht ihr so schlecht, dass es mir auffällt, der ich weder in der Literatur noch im Stänkern nennenswerte Erfahrung habe.
Ich weiß nicht, ob ich mehr Leseerfahrung habe. Allerdings habe ich eine gewisse Erfahrung mit Literatur- und Filminterpretation (wie du z.B. mit einem Blick auf meinen blog überprüfen kannst). Auf dieser Basis diskutiere ich mit einem ernsthaften Interesse daran, eine Gegenposition zu kritisieren. Das mit der "Entstellung von Aussagen" erscheint mir wie eine Projektion deinerseits: Du versuchst doch gerade, mir zu beweisen, dass ich in Wirklichkeit völlig Widersprüchlich argumentierst, indem du Zitate von mir aus dem Kontext reißt oder stillschweigend so tust, als hieße "Tendenz" und "Intention" das gleiche. Das ist nicht gerade ein rigoroser und exakter Umgang mit Sprache.