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Die vier Regeln des Kapitalismus


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30 Antworten in diesem Thema

#31 Beverly

Beverly

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Geschrieben 27 Mai 2007 - 18:35

@Martin,

du schreibst sinngemäß:

1. "Kapitalismus" ist als Wirtschaftssystem ein Instrument, das sowohl schädlich als auch konstruktiv angewendet werden kann

2. Dir zufolge nimmt Kapitalismus für wirtschaftlichen Erfolg Ungleichheit in Kauf, Kommunismus legt Wert auf Gleichheit

@Jakob,

du schreibst sinngemäß:

1. Kapitalismus ist ein - all umfassendes - Gesellschaftssystem

2. Man sollte die Rolle des Geldes nicht so überschätzen, wie das Gesellianer tun

3. Absolut entscheidet ist der Zwang zur Wertsteigerung. Im übrigen zu sehen an den Diskursen um die "Umlaufrendite": wenn die Deutsche Bank 10 Prozent Umlaufrendite hat, sollen daraus 25 Prozent werden, wenn ein "an sich gesundes" mittelständisches Unternehmen 4 Prozent hat, sollen daraus 10 werden, wobei auch bei 10 Prozent nicht das Ende der Fahnenstange erreicht sein muss

4. Die zufolge wird letztendlich nicht zur Bedürfnisbefriedigung produziert, sondern zur Wertsteigerung

5. Kommunismus ist kein "neben" dem Kapitalismus existierendes Alternativ- oder Konkurrenzsystem, sondern seine Weiterentwicklung

Ich habe dazu folgende Gedanken:

1. Der Zwang zur Wertsteigerung - "Wachstum" - führt früher oder später zwangsläufig zur Krise, zumindest kann ich mir keine endlose Wertsteigerung vorstellen. Ich trete nicht nur wegen dem Nutzen "an sich", sondern auch wegen dieser Systemlogik des Kapitalismus für neue Technologien und Erschließung des Weltraums ein, weil ich hier Felder zur Wertsteigerung sehe, wo sich diese ohne immer gnadenlosere - und absurdere - Ausbeutung der menschlichen Arbeitskraft und der irdischen Ressourcen realisieren lassen. Kapitalisten, die ihre Umlaufrendite steigern, in dem sie Weltraum-Tourismus betreiben sind mir im Zweifelsfall lieber als die Sorte, die ihren Profit durch eine kranke Entwertung und Entwürdigung der Arbeitenden - irgendwann kommt der 1-Euro-Jobber in Sammelunterkünften und Massenspeisung an den "Tafeln", kommt euch sowas nicht bekannt vor? - betreiben.
Auch Eroberung des Weltraums und alle paar Jahre ein neuer PC - sei es auch auf Pump - werden die Widersprüche nicht lösen, aber uns IMHO eine Galgenfrist für eine friedliche Lösung erkaufen. Je nach Laune bin ich auf für unfriedliche Versuche zur Lösung zu haben, fürchte aber, dass die aus einer ganzen Reihe von Gründen die Probleme nicht lösen, sondern verschlimmern könnten. Selbst wenn man meint, dass der Zug in die falsche Richtung fährt, ist es besser, ihn langsam zu bremsen als unbedingt zum Entgleisen bringen zu wollen.

2. Der Kapitalismus als System oder als Mittel für gute und schlechte Zwecke. Wie immer man das sieht, ich finde es deprimierend, dass der "Spaten" mindestens ebensooft zum Ausheben von Massengräbern wie zum Umgraben des Ackers oder für ein Fundament benutzt wurde. Von der Systemlogik her sehe ich dafür folgende Ursachen: 1. es war möglich, auf ethisch nicht vertretbaren Wegen der Ausbeutung Werte zu steigern 2. es erschien als nützlich, Werte zu schaffen, indem man bestehende Werte zerstörte.
So idiotisch ich als Ex-Anhängerin der Grünen den Wachstumswahn in einer Gesellschaft finde, die materiell alles hat, so zwangsläufig erscheint er mir. Wer als "Öko" Wachstum wegen der schädlichen Folgen für die Natur ablehnt, muss folgerichtig den Kapitalismus ebenfalls abschaffen, sonst lässt die nächste Katastrophe nicht lange auf sich warten.

3. Kommunismus als Weiterentwicklung des Kapitalismus - haben wir das in der SF nicht massenhaft?
Natürlich schreiben weder Neal Asher noch Gene Roddenberry, Poul Anderson oder Hans Kneifel, Iain Banks oder Jack Vance und wie sie alle heißen, explizit vom "Sozialismus" oder "Kommunismus". Manche, die da ihre technokratischen, pastoralen oder durchgeknallten Zukunftsentwürfe entwickeln, waren vielleicht sogar Antikommunisten. Oft sind es nette Fluchtwelten, wo zwar zum Zwecke der Unterhaltung Konflikte, Intrigen und auch Kriege vorkommen, aber wo es der Masse mehr oder weniger gut zu gehen scheint. Leid und Tragödien beschränken sich auf das, was dem "Sein an sich" gegeben sein mag und scheinen eher die dramatisch übersteigerte Ausnahme als die Regel. Wie auch immer viele SF-Welten beschaffen sein mögen - Kaiserreich oder Anarchie - mit der von Jakob geschilderten Systemlogik der Wertsteigerung durch immer intensivere Ausbeutung scheinen sie mir unvereinbar zu sein. Was mich dazu bringt, den Professor Elmar Altvater zu zitieren, der vor über zwanzig Jahren in einer Fernsehsendung sagte, er könne sich keine "schlimmere" Utopie vorstellen, als das Weiterbestehen des Kapitalismus.


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