Diboo schrieb am 09.07.2007, 07:10:
Du hast keine Argumente vorgebracht, sondern einzelne Beispiele. Das ist eine beliebte, aber letztlich unbefriedigende Diskussionsweise, wenn ich wollte, könnte ich auch immer Beispiele für das Gegenteil finden, so komplex ist die Realität halt. Und damit hat man dann nichts gewonnen.
Wie ich schon sagte: Du gibst auf konkrete Fragen keine konkrete Antwort. Wie soll ich denn sonst über die
Wirklichkeit diskutieren, wenn nicht anhand von Beispielen? Natürlich kann man der ganzen Komplexität der
Wirklichkeit nicht mit ein paar Sätzen gerecht werden, das ist ja eine Banalität. Das kannst Du genauso wenig
wie ich. Aber gesellschaftliche Entwicklungen sind keine Abstraktionen, die sich in einem luftleeren Raum abspielen.
Sie haben reale Folgen für reale Menschen. Fehlentwicklungen werden von realen Personen verantwortet, die
reale Entscheidungen treffen. Über diese Entscheidungen darf ich mir als Bürger dieses Landes ein Urteil erlauben
- vor allem wenn mich Gesetze nötigen wollen, z.B. durch Krankenversicherungsbeiträge dem Gauerpack in
Krankenkassen und der Pharmaindustrie die Gehälter mitzufinanzieren.
Zitat
Mit Jakob könnte ich diskutieren, denn der hat seine ideologische Grundlage klar und kann auf dieser
argumentieren.
Ich brauche keine ideologische Grundlage, um Mißstände zu benennen. Dazu reicht ein ganz selbstverständliches
menschliches Gefühl für Gerechtigkeit und Anstand - Regungen, die Dir, habe ich den Eindruck, fremd sind.
Zitat
Du reihst Beispiele aneinander und stellst auf der Basis Behauptungen auf, als ob diese dadurch falsifiziert seien.
Darüber hinaus diskutierst Du von mehr oder weniger unausgesprochenen, aber "gemeinten", Grundbehauptungen aus, die ich bereits in Frage stellen würde, z. B. dass Ökonomie auf einem Nullsummenspiel beruhe (also: was ich mehr habe, hat ein anderer weniger), was ich bestreiten würde.
Letzteres habe ich weder implizit noch explizit behauptet. Ich glaube nicht, daß Du Recht hast, aber es ist
auch ganz unerheblich. Der generelle Trend in unserem Land ist eindeutig und läßt sich durch Statistiken
und eine Vielzahl von Beispielen belegen: Es findet auf breiter Front eine Umschichtung des Wohlstands von
unten nach oben statt. Eine Mehrheit der Bevölkerung hat immer weniger, während eine kleine Minderheit
immer mehr hat. Es ist eine völlige legitime Forderung, wenn man verlangt, daß der Staat hier einen Ausgleich
vornimmt, z.B. durch massive Besteuerung der Großindustrie und der Topverdiener. Die Top-Riege der
Manager, Berater und anderer Absahner ist inzwischen in Gehaltsbereiche vorgestoßen, daß sie problemlos
Steuersätze von 60-80% verkraften könnten und hätten immer noch zehnmal mehr Einkünfte als der
Durchschnittsverdiener. Wer dieses Gefälle nicht wahrhaben will, muß mit Blindheit geschlagen sein.
Im Übrigen stehe ich mit dieser Meinung nicht allein da. Der Kabarettist Volker Pispers hat mal ungefähr gesagt:
In was für einer degenerierten Gesellschaft leben wir eigentlich, daß wir diejenigen Menschen, auf die wir alle
irgendwann einmal angewiesen sind - Altenpfleger, Krankenschwestern, Poliizisten etc. - so schlecht bezahlen,
daß sie sich in vielen deutschen Großstädten keine Wohnungen für ihre Familien mehr leisten können, während
wir's dem Schmarotzerpack vorn und hinten reinschieben. Ich persönlich hätte kein Problem damit, wenn eine
Krankenschwester oder ein Altenpfleger zehnmal mehr verdient als ich. Diese Leute reißen sich für andere den
Arsch auf und leisten konkrete gesellschaftliche Arbeit, die einen Wert haben sollte. Aber daß ausgerechnet
die am meisten verdienen, die nur die Arbeitsleistung anderer und die von anderen geschaffenen Werte verwalten,
ist eine himmelschreiende Ungerichtigkeit - ganz davon abgesehen, daß eine Volkswirtschaft, die sekundäre
Verwaltungstätigkeiten höher bewertet als konkrete Produktion und Dienstleistung, langfristig nicht lebensfähig ist.
Ich wünsche es Dir nicht, Diboo, aber es kann schneller passieren, als Du glaubst, daß Du selbst einmal
als alter Mensch in einem Pflegeheim liegst und befürchten mußt, daß Dir ein völlig überlasteter Pfleger,
der für das Gehalt einer Putzfrau fünfzig Pflegefälle betreuen muß, aus Verzweiflung Luft in die Adern
pumpt. Dann wirst Du manche Dinge vielleicht etwas anders sehen.
Gruß
MKI
Bearbeitet von Michael Iwoleit, 09 Juli 2007 - 19:44.