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Phantastik-Begriff


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445 Antworten in diesem Thema

#151 simifilm

simifilm

    Cinematonaut

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Geschrieben 22 August 2007 - 08:17

Realitätseffekt wird ja erreicht, indem Text diesen durch Sprache beim Leser hervorruft. Wenn zwei grüngeschuppte Toster sich in der Umlaufbahn des Uranos über Damenbinden unterhalten, kann man sich das zwar vorstellen, aber (so ziemlich jeder) wird sich darüber im Klaren sein, daß es sich dabei um keine realistische Szene handelt. Aus eigener Anschauung kann man sich aber Toaster, etwas Grüngeschuppes, sowie das, worüber sich unterhalten wird vorstellen. Wie†™s in der Gegend der Umlaufbahn des Uranos aussieht, läßt sich der Kulturellen Enzyklopädie entnehmen. Ein ideologiekritischer Leser wird nun sagen: das mag dadistische oder klamaukig sein, ist aber nicht relevant, weil nicht zeitkritisch usw. Authentisch ist es schon gar nicht, weil Toaster sich nicht über Damenbinden unterhalten (zumindest nicht grüngeschuppte Toaster), sondern über Tostbrote und Krümel zwischen den Heizstäbchen :)

Soweit kein Widerspruch, aber auch nicht wirklich Verständnis, auf was Du hinauswillst resp. was des oben Gesagten Du damit stützen oder widerlegen willst.

In diesen anderen Gefilden bin ich tendentiell meistens. Schon diese "geschlossene Welt" finde ich ja quatschig. Ein Text ist was endliches, geschlossenes (Ausnahme Endlosserie), auch das Leben ist endlich, aber DIE WELT und Wirklichkeit ists nicht. Bei diesem ganzen "Einheit und Geschlossenheit der Welt"-Denken wähne ich mit Verlaub eben vormodernes, womöglich religiös inspiriertes Offenbahrungswahrheits- oder z.B. platonisches Kosmosdenken. Für uns Menschen ist die Welt (ob Fiktion oder Wirklichkeit) eben immer offen und Stückwerk.

Das alles sei Dir unbenommen. Es ist ja auch kein Zufall, dass die Phantastik im Sinne Todorovs gewissermassen eine Folgeerscheinung der Aufklärung ist.

Also: Texte sind endliche Sprach/Schriftobjekte. Sie können geschlossene Welten vortäuschen (eher vormoderne Weltbilder), oder offene Welten (eher moderne, postmoderne). ALLE Erzählungen zehren von der echten Welt, ob Krimi, Milieuroman, oder Phantastik. Die Frage ist nur, ob eben die Flüchtigkeit, Gefährdetheit der Wirklichkeitserfahrung, bzw. Relativität verschiedener Wirklichkeitserfahrungen thematisiert wird, und wenn ja wie: mittels realistischer oder phantastischer Modi. Ganz nebenbei: Ein Ork der sich in einen Elf verliebt wäre z.B. ein Bruch von üblichen Fantasy-Realitätskonventionen, den selbst oberflächliche Kenner sofort bemerken würden.

Zweifellos, wobei dann die Frage wäre, welchen Effekt dieser Bruch bewirkt (oder bewirken soll). Oft - aber durchaus nicht immer - haben derartige Spielereien mit Gattungskonventionen eine satirische/humoristische Wirkung.

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#152 Theophagos

Theophagos

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Geschrieben 22 August 2007 - 08:29

Wer einen Text unter dem Aspekt der „Phantastik“ betrachtet, muß diesen Text primär als Evokation einer imaginären Wirklichkeit, seine Sätze als Aussagen über ein jeweils fiktives „Etwas“ lesen - um sich dann zu fragen, wie diese imaginäre Wirklichkeit funktioniert, dieses „Etwas“ beschaffen ist. Es bedarf dieses imaginären Gegenstandsraumes, um über „Phantastik“
überhaupt etwas zu sagen - woraus man den Schluß ziehen könnte, daß im Sinne Todorovs nicht eigentlich die Texte „phantastisch“ sein können, sondern eher die „Welten“, welche sie evozieren.

Das ist genau genommen natürlich richtig, aber zum einen spreche ich nicht so - wenn ich von einem "phantastischen Text" spreche, dann meine ich einen Text mit phantastischen Modus - und zum anderen wird m. E. unter "phantastischer Welt" eher so etwas wie "Anderswelt" oder "Alternativwelt" verstanden und führt dann eher zur Verwirrung.

Ok, es gibt die Realität nicht, es gibt diverse mehr oder weniger stark konkurrierende Weltmodelle, so viel ist klar. Dennoch gibt es aber Texte und Filme, die beim Zuschauer den Eindruck erwecken (wollen), dass sie die real existierende Welt beschreiben. Sie haben einen realistischen Impetus, sind auf einen Realitätseffekt hin angelegt. Ich glaube, diese Feststellung ist soweit unbestritten.

Das ist wieder eine sprachlich Ungenauigkeit, die ich nicht leiden kann - Schuld daran ist nicht Simifilm, sondern "die" Postmoderne: Natürlich gibt es eine Realität und auch nur eine Realität - die holt einen immer dann ein, wenn man hofft, es sei noch Geld dem Konto, aber dann hat's doch nur noch rote Zahlen. Was dagegen seit der Postmoderne klar sein sollte/könnte, ist, dass es eine Vielzahl von differierenden Auffassungen der Realität gibt - Erkenntnis ist im Kern halt subjektiv. Darum hat sich ja auch der Begriff "intersubjektiv" eingebürgert: Manche Auffassung ist zwar nicht objektiv, da sie sich historisch bzw geographisch oder sogar sozial wandeln kann, aber doch viel weiter gültig, als dass man von subjektiv sprechen sollte.
Damit stimme ich Simifilm im Kern zu; die Kritik an Wünsch ist eher eine sprachliche als eine inhaltliche. BTW: Wenn ich einen Gegensatz zum Phantastischen nenne, dann spreche ich vom "Wissenschaftlich-Westlichen Weltbild". Das ist für wissenschaftliche Arbeiten selbstverständlich zu ungenau, macht aber hoffentlich meine Stoßrichtung klar.

Theophagos
"Cool Fusion? What is 'Cool Fusion'?" - "As Cold Fusion is beyond our grasp, we should reach for something ... less ... cold. Cool Fusion."
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#153 simifilm

simifilm

    Cinematonaut

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Geschrieben 22 August 2007 - 08:39

Das ist genau genommen natürlich richtig, aber zum einen spreche ich nicht so - wenn ich von einem "phantastischen Text" spreche, dann meine ich einen Text mit phantastischen Modus - und zum anderen wird m. E. unter "phantastischer Welt" eher so etwas wie "Anderswelt" oder "Alternativwelt" verstanden und führt dann eher zur Verwirrung.

Zumindest in meinem Verständnis ist da kein Widerspruch, denn in meiner Terminologie sind phantastische Texte Texte im phantastischen Modus, das heisst solche, in denen eine phantastische Welt vorliegt.

Das ist wieder eine sprachlich Ungenauigkeit, die ich nicht leiden kann - Schuld daran ist nicht Simifilm, sondern "die" Postmoderne: Natürlich gibt es eine Realität und auch nur eine Realität - die holt einen immer dann ein, wenn man hofft, es sei noch Geld dem Konto, aber dann hat's doch nur noch rote Zahlen.

Nicht dass ich hierzu eine Diskussion führen will, aber es gibt genug postmoderne Schwurbler, die dieser Aussage widersprechen würden, für die es nicht mehr um subjektive Sichten auf die Realität geht (mehr oder weniger im Sinne von Kants Ding an sich), sondern für die es die eine Realität nicht mehr gibt. Aber lassen wir das, denn ich möchte nun wirklich nicht zum Anwalt eines Baudrillards werden.

Was dagegen seit der Postmoderne klar sein sollte/könnte, ist, dass es eine Vielzahl von differierenden Auffassungen der Realität gibt - Erkenntnis ist im Kern halt subjektiv. Darum hat sich ja auch der Begriff "intersubjektiv" eingebürgert: Manche Auffassung ist zwar nicht objektiv, da sie sich historisch bzw geographisch oder sogar sozial wandeln kann, aber doch viel weiter gültig, als dass man von subjektiv sprechen sollte.
Damit stimme ich Simifilm im Kern zu; die Kritik an Wünsch ist eher eine sprachliche als eine inhaltliche. BTW: Wenn ich einen Gegensatz zum Phantastischen nenne, dann spreche ich vom "Wissenschaftlich-Westlichen Weltbild". Das ist für wissenschaftliche Arbeiten selbstverständlich zu ungenau, macht aber hoffentlich meine Stoßrichtung klar.

Oder sagen wir: die inhaltliche Kritik schiesst für mein Dafürhalten hier über das Zahl hinaus. Was Wünsch tut, ist ja nichts anderes, als dass sie den Realitätsbegriff historisiert, und das ist in meinen Augen das Wesentliche. Dass damit noch keine abschliessende Beschreibung von Realität für eine bestimmte Kultur hat, finde ich letztlich gar nicht so wichtig.

Bearbeitet von simifilm, 22 August 2007 - 08:40.

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#154 Theophagos

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Geschrieben 22 August 2007 - 09:23

Zumindest in meinem Verständnis ist da kein Widerspruch, denn in meiner Terminologie sind phantastische Texte Texte im phantastischen Modus, das heisst solche, in denen eine phantastische Welt vorliegt.

Es widerspricht nur meiner sprachlichen Intuition: Wenn ich "phantastische Welt" höre, dann denke ich nicht an das Setting einer Geistergeschichte von M.R. James, sondern an Mittelerde oder Bas-Lag - also einer zur Gänze erdachten Welt. Und ich glaube, damit stehe ich nicht alleine da. Wie gesagt: Davon abgesehen liegt Schmitz-Emans richtig.

(...) aber es gibt genug postmoderne Schwurbler, die dieser Aussage widersprechen würden, für die es nicht mehr um subjektive Sichten auf die Realität geht (mehr oder weniger im Sinne von Kants Ding an sich), sondern für die es die eine Realität nicht mehr gibt.

Die gibt es noch? Bzw: Die schreiben noch diesbezüglich Artikel, die weithin diskutiert werden? In der Geschichtswissenschaft ist diese These eigentlich nie richtig ernst genommen wurden: Man hat ein bisschen mit dem Gedanken gespielt und ihn dann rasch fallen gelassen. In der Philosophie/Erkenntnistheorie ist das Thema m. E. seit um und bei 10 Jahren passé. Es gibt zwar noch einige Anhänger, die sagen aber nicht Neues mehr - und damit wird die Schwäche dann auch schon überdeutlich. Ist das in der Literatruswissenschaft anders? (Falls du nicht übermäßig viel dazu sagen willst: Ja/Nein täte mir reichen..) Theophagos
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#155 Robin

Robin

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Geschrieben 22 August 2007 - 09:27

Man könnte, wenn man schon Todorov hier so zerpflückt, auch gleich die Weiterentwicklung von Durst einbeziehen. (Auch wenn der Simifilm zu dogmatisch ist *g* - der hat wenigstens, gegenüber vielen anderen Wissenschaftlern recht klare Definitionen)
Mein Blog: http://www.haseler.de/blog/

Liest gerade | für die Magisterarbeit viele, viele Dinge
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#156 simifilm

simifilm

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Geschrieben 22 August 2007 - 09:34

Es widerspricht nur meiner sprachlichen Intuition: Wenn ich "phantastische Welt" höre, dann denke ich nicht an das Setting einer Geistergeschichte von M.R. James, sondern an Mittelerde oder Bas-Lag - also einer zur Gänze erdachten Welt. Und ich glaube, damit stehe ich nicht alleine da.

Schon richtig, das ist eben die grundsätzliche Begriffsverwirrung im Deutschen. Deshalb verwende ich für Fantasy-Welten auch den Begriff wunderbar, denn der ist weniger heikel.

Die gibt es noch? Bzw: Die schreiben noch diesbezüglich Artikel, die weithin diskutiert werden?

Die meisten sind mittlerweile ja tot ... :)

In der Geschichtswissenschaft ist diese These eigentlich nie richtig ernst genommen wurden: Man hat ein bisschen mit dem Gedanken gespielt und ihn dann rasch fallen gelassen. In der Philosophie/Erkenntnistheorie ist das Thema m. E. seit um und bei 10 Jahren passé. Es gibt zwar noch einige Anhänger, die sagen aber nicht Neues mehr - und damit wird die Schwäche dann auch schon überdeutlich. Ist das in der Literatruswissenschaft anders? (Falls du nicht übermäßig viel dazu sagen willst: Ja/Nein täte mir reichen..)

Also Abschliessendes kann ich dazu nicht sagen. Ich habe aber ein bisschen den Eindruck, dass es zumindest in den USA durchaus eine Schule gibt, in der noch munter alles, was schick und französisch ist (resp. war) - also eine Mischung aus Psychoanalyse, Postrukturalismus und Sozialismus - munter weitergerührt wird, und da hast Du dann durchaus diese Art von - ziemlich dummem - Radikalkonstruktivismus. Das Problem ist hier aber oft, dass es oft schwierig ist, auszmachen, was hinter der unverständlichen Sprache eigentlich steht, was also eigentlich gemeint ist. Hierzulande erlebe ich das weniger resp. scheint die allgemeine poststrukturalistische Begeisterung doch abgenommen zu haben.

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#157 simifilm

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Geschrieben 22 August 2007 - 09:52

Man könnte, wenn man schon Todorov hier so zerpflückt, auch gleich die Weiterentwicklung von Durst einbeziehen. (Auch wenn der Simifilm zu dogmatisch ist *g* - der hat wenigstens, gegenüber vielen anderen Wissenschaftlern recht klare Definitionen)

Nur zu. Soweit ich mich erinnere, geht es bei Durst ja unter anderem darum, dass er für das innerliterarische Realitätssystem jeden Bezug zu einem irgendwie gearteten aussertextlichen Referenzsystem ablehnt. Realismus - oder in Dursts Terminologie ein reguläres Realitätssystem - ist somit nur eine innerliterarische Konvention, die mit der äusseren Realität in keiner direkten Verbindung steht. Ich hoffe, das ist so nicht zu sehr verkürzt. Was mir hier problematisch scheint, ist, dass Durst 'Realismus' gewissermassen von der aussertextlichen Wirklichkeit abkoppeln will. Es ist sicher wichtig, auf den Unterschied zwischen Literatur und Wirklichkeit aufmerksam zu machen und naive Realismus-Konzepte zu vermeiden, aber am Ende geht es nicht ohne Rückgriff auf ein ausserliterarisches Referenzsystem (ob man da nun von Realitätskompatibilität, Enzyklopädie oder sonstwas spricht). Bei aller Konventionalität von Realismus gibt es eben doch einen Link zur ausserliterarischen Wirklichkeit.

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#158 Robin

Robin

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Geschrieben 22 August 2007 - 10:21

Etwas spät um in die Diskussion einzusteigen. Ich habe mich die letzte halbe Stunde bemüht, die Posts nachzulesen, aber das ist schon recht schwer :) Teilweise hatte ich natürlich das Gefühl molos Ausführungen sind wirklich völlig supermaximalistisch und da ich eher der minimalistischen Fraktion angehöre, gefallen sie mir nicht. Aber ich will nicht nochmal alles aufrollen. In vielen Fällen kann ich mich da simifilm anschließen. Was mich stört ist das öfters auftauchende Stichwort vom Kanon. Ich glaube nicht, dass man einen Kanon der ph. Literatur aufstellen kann. Schon allein, je nach dem welcher wissenschaftlichen Richtung man folgt, gibt es da Unterschiede. So würde ein Minimalist wie Durst sagen, dass Kafkas "Die Verwandlung" keine Phantastik ist (sondern eine wunderbare Welt zweiter Ordnung), wogegen etwa Daniel Nix gerade das für Neophantastik hält...

Nur zu. Soweit ich mich erinnere, geht es bei Durst ja unter anderem darum, dass er für das innerliterarische Realitätssystem jeden Bezug zu einem irgendwie gearteten aussertextlichen Referenzsystem ablehnt. Realismus - oder in Dursts Terminologie ein reguläres Realitätssystem - ist somit nur eine innerliterarische Konvention, die mit der äusseren Realität in keiner direkten Verbindung steht. Ich hoffe, das ist so nicht zu sehr verkürzt.

Verkürzt passt das so ja. Diese Erklärung gibt einem zumidest bei der Betrachtung von einem Text ganz gute Werkzeuge in die Hand.

Was mir hier problematisch scheint, ist, dass Durst 'Realismus' gewissermassen von der aussertextlichen Wirklichkeit abkoppeln will. Es ist sicher wichtig, auf den Unterschied zwischen Literatur und Wirklichkeit aufmerksam zu machen und naive Realismus-Konzepte zu vermeiden, aber am Ende geht es nicht ohne Rückgriff auf ein ausserliterarisches Referenzsystem (ob man da nun von Realitätskompatibilität, Enzyklopädie oder sonstwas spricht). Bei aller Konventionalität von Realismus gibt es eben doch einen Link zur ausserliterarischen Wirklichkeit.

Das muß ich jetzt ehrlich gesagt mal nachschlagen. Ich hab mich eine Weile damit nicht beschäftigt :) Aber Durst kristisiert, dass man fiktionsexterne Kriterien an einen Text anlegt, etwa mit der Aussagen: "Vampire gibt es nicht, dass ist ein Riss/Bruch/erfunden". Das kann man aber nicht machen (laut Durst), denn viele Menschen glauben wirklich an Vampire. Für sie sind diese Geschichten damit nicht phantastisch. Durst: "Das Problem literarischer Realität scheint mir nur lösbar. wenn man der Eigengesetzlichkeit der Literatur Rechnung trägt und den außerlit. Begriff der Wirklichkeit durch den innerliterarisch-eigengesetzlichen Begriff des Realitätssystems ersetzt. [...]" (Theorie der ph. Literatur, S. 92)
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#159 simifilm

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Geschrieben 22 August 2007 - 10:40

Was mich stört ist das öfters auftauchende Stichwort vom Kanon. Ich glaube nicht, dass man einen Kanon der ph. Literatur aufstellen kann. Schon allein, je nach dem welcher wissenschaftlichen Richtung man folgt, gibt es da Unterschiede. So würde ein Minimalist wie Durst sagen, dass Kafkas "Die Verwandlung" keine Phantastik ist (sondern eine wunderbare Welt zweiter Ordnung), wogegen etwa Daniel Nix gerade das für Neophantastik hält...

Also zumindest auf den letzten paar Seiten war von 'Kanon' nicht die Rede, oder meinst Du die Diskussion generell? Kommt auch ein bisschen darauf an, was Du unter 'Kanon' verstehst. Ich würde schon sagen, dass es insofern einen Kanon phantastischer Texte gibt, als die meisten Bestimmungsversuche immer wieder um die gleichen Beispiele kreisen. Aber natürlich: beim maximalistischen Ansatz - nicht jener molos - fällt dann eben noch Fantasy und SF drunter.

Aber Durst kristisiert, dass man fiktionsexterne Kriterien an einen Text anlegt, etwa mit der Aussagen: "Vampire gibt es nicht, dass ist ein Riss/Bruch/erfunden". Das kann man aber nicht machen (laut Durst), denn viele Menschen glauben wirklich an Vampire. Für sie sind diese Geschichten damit nicht phantastisch. Durst: "Das Problem literarischer Realität scheint mir nur lösbar. wenn man der Eigengesetzlichkeit der Literatur Rechnung trägt und den außerlit. Begriff der Wirklichkeit durch den innerliterarisch-eigengesetzlichen Begriff des Realitätssystems ersetzt. [...]" (Theorie der ph. Literatur, S. 92)

Und das scheint mir wiederum verkürzt resp. nicht der Leseerfahrung zu entsprechen. Ich würde, wie schon angedeutet sagen, dass es so etwas wie einen konventionellen Rahmen gibt, der mehr oder weniger umfasst, was innerhalb einer bestimmten Epoche als 'realistisch' gilt. Das lässt sich nur schwer auf einen Punkt bringen, hängt aber dennoch mit ausserliterarischen Faktoren zusammen. Eine Reise zum Mond war 1900 wunderbar, heute ist sie Vergangenheit. Das sind Dinge, die man meiner Ansicht nach nur schwer alleine auf strukturell-formaler Basis bestimmen kann. Das Hauptproblem - sowohl bei Todorov als auch bei Durst - ist diesbezüglich, dass es bei ihnen eigentlich kein Konzept fiktionaler Welten gibt. Vereinfacht gesagt kümmern sie sich nur um die Frage, wie erzählt wird, und es gibt kein Instrumentarium, um das zu beschreiben, was erzählt wird. Ein Gedankenexperiment: Nehmen wir an, wir haben eine Geschichte, in der an einem entscheidenen Punkt ein Engel vom Himmel steigt. In dieser Geschichte gibt es auf formal-inhaltlicher Ebene keine Anzeichen für Wunderbares; kein märchehafter Tonfall, kein "Es war einmal ..." etc. Auch auf der Ebene der Handlung ist alles streng im Hier und Jetzt angesiedelt. Es gibt detaillierte Beschreibungen des Lebens im 21. Jhdts mit allem, was dazu gehört. Wie geht ein Leser damit um? Wahrscheinlich würden viele Leser dazu tendieren, den Text als Spiel zu sehen, dessen Reiz eben gerade in der Vermischung von wunderbarem Inhalt und realistischer Erzählweise liegt. Unterscheidet sich diese Einschätzung nun, wenn der Leser tatsächlich an die Existenz von Engeln glauben sollte. Ich gehe hier von einem literarisch einigermassen versierten Leser aus, und nicht von einem naiven Simpel. Also: Wir haben einen literarisch 'geübten' Leser, der an Engel glaubt, und diese Geschichte liest. Wird er sie als 'realistisch' einstufen? Ich behaupte, dass das nicht der Fall ist. Warum? Weil der Leser doch auch weiss, dass nicht sein persönliches Weltbild ausschlaggebend ist, sondern ein irgendwie weiter gefasstes, gesamtkulturelles. Natürlich ist dieses - und da hat Durst Recht - weder eindeutig fixierbar, noch entspricht es einfach dem Stand der Wissenschaft; es ist aber dennoch nicht völlig abgekoppelt. Denn wenn allgemein bekannt wäre, dass es Engel gibt, hätte die Geschichte wieder einen anderen Status. Man kann diese Idee weiterspinnen: Was, wenn ein Autor, der an Engel glaubt, die Geschichte für einen Kreis von Lesern schreibt, die an Engeln glauben? Auch dann findet ein Rückgriff auf ein ausserliterarisches Weltbild statt. Dieses entspricht zwar nicht dem 'aktuellen Stand der Wissensschaft', es ist aber aussertextlich. Und im Falle eines solchen Textes muss sich der Leser, der nicht an Engel glaubt, schon bewusst sein, dass dieser Text in einem besonderen Kontext entstanden ist, wenn er ihn adäquat einordnen will. Nur weil ich Atheist bin, kann ich Gott nicht einfach ausblenden, wenn ich mittelalterliche Texte verstehen will. Ich muss das zugrunde liegende Weltbild kennen, wenn ich dem Text irgendwie gerecht werden will.

Bearbeitet von simifilm, 22 August 2007 - 11:05.

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#160 Robin

Robin

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Geschrieben 22 August 2007 - 11:13

Also zumindest auf den letzten paar Seiten war von 'Kanon' nicht die Rede, oder meinst Du die Diskussion generell? Kommt auch ein bisschen darauf an, was Du unter 'Kanon' verstehst. Ich würde schon sagen, dass es insofern einen Kanon phantastischer Texte gibt, als die meisten Bestimmungsversuche immer wieder um die gleichen Beispiele kreisen. Aber natürlich: beim maximalistischen Ansatz - nicht jener molos - fällt dann eben noch Fantasy und SF drunter.

Ja, das mit dem Kanon war weiter vorn mal. Kanon ist für mich sowas wie eine Liste mit Büchern/Geschichten die unbedingt dabei sein müssen, wenn es um Phantastik geht. Klar gibt es da inzwischen in der Wissenschaft einen Konsens über verschiedene Texte (die ja wie du sagst immer wieder untersucht werden). Was weiß ich z.B. Lovecrafts "Die Musik von Erich Zann", Poes "Tell-Tale Heart", "Black Cat" usw. sind ja Texte die ganz klar einzuordnen sind. Bei verschiedenen Krimis wird es da wie oben angesprochen schon lustiger. Wobei man da meiner Meinung nach eigentlich immer (ok: meist *g*) ziemlich klar trennen kann (wenn man etwa Durst anwenden würde). Und ja ich wollte einfach darauf hinaus, dass es keinen absoluten Kanon gibt. Kafka rein oder raus? Vielleicht ersinnt jemand einen Theorie die Poe rauswirft usw.... Mehr wollte ich dazu nicht sagen. Zu deinen Ausführungen zum Problem, welches Todorovs und Dursts Theorien aufwerfen werde ich vielleicht noch was ausführlicheres schreiben. Aber da ich einfach nicht so super drin bin in dem Thema (meine Zwischenprüfung ist schon wieder ein halbes Jahr her und ich lern gerade auf was anderes *g*) muss ich da nochmal nachlesen, wie Durst damit umgeht. Ich erinnere mich auch dunkle an eine Diskussion darüber im Seminar. Aber mal kurz gesprochen: Für einen Strukturalisten bleibt alleiniger Untersuchungsgegenstand der Text. Dinge wie "Angst des Lesers" "Eindrücke des Lesers" usw. sind eben immer verschieden. Man kann keine allgemeingültige Theorie beschreiben, wenn man sich auf Eindrücke von Lesern stützt die natürlich subjektiv sind. (Engel wirken auf einen europ. Leser völlig anders als auf einen japanischen Leser...) Da sich die Außenwirkung eines Textes verändert (Mondfahrt um 1900 und heute, 1984 als Zukunftsroman -> heute Parahistorisch) ist es eben schwer sowas als Kritierium einzubauen. Außerliteraische Faktoren verändern sich ständig.

Das Hauptproblem - sowohl bei Todorov als auch bei Durst - ist diesbezüglich, dass es bei ihnen eigentlich kein Konzept fiktionaler Welten gibt. Vereinfacht gesagt kümmern sie sich nur um die Frage, wie erzählt wird, und es gibt kein Instrumentarium, um das zu beschreiben, was erzählt wird.

Also auch wenn ich jetzt wieder aus dem Gedächtnis schreibe. Da gebe ich dir mal Recht. Durst will ja gar nicht direkt über den Inhalt etwas schreiben. Vampir oder Borg, Geist oder Werwolf, Engel oder Ork - das ist im Prinzip egal - hier zählen nur die Brüche des innerliteraischen Realitätssystems. Phantastik liegt bei seiner Theorie genau in der Mitte zwischen zwei Systemen. Er nennt das Kampf der Systeme. Dabei treten das lit. Realitätssystem gegen eine wunderbare Ordnung an. Nur solange es unentschieden ist, wohin der Text geht, handelt es sich um Phantastik... (Ist der Hauptdarsteller von Tell-Tale Heart verrückt oder gab es das Auge des Alten wirklich? War es Zufall, dass in der Wand ein Fleck wie die schwarze Katze eingebrannt war oder... ). Durst untersucht also die Struktur oder Ordnung des Textes auf Brüche. Ich denke ich argumentiere jetzt etwas unsauber. Asche auf mein Haupt. Das könnte man besser, aber dazu müsste ich jetzt erstmal zwei Bücher nochmal lesen *g* (Falls ich mal soweit komme und meine Magisterarbeit schreibe würde ich ja gerne einen Weg finden, diese "Strukturanalyse" damit zu verbinden, dass man auch den Inhalt des Textes näher betrachtet... *g*)
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#161 simifilm

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Geschrieben 22 August 2007 - 11:24

Zu deinen Ausführungen zum Problem, welches Todorovs und Dursts Theorien aufwerfen werde ich vielleicht noch was ausführlicheres schreiben. Aber da ich einfach nicht so super drin bin in dem Thema (meine Zwischenprüfung ist schon wieder ein halbes Jahr her und ich lern gerade auf was anderes *g*) muss ich da nochmal nachlesen, wie Durst damit umgeht. Ich erinnere mich auch dunkle an eine Diskussion darüber im Seminar. Aber mal kurz gesprochen: Für einen Strukturalisten bleibt alleiniger Untersuchungsgegenstand der Text. Dinge wie "Angst des Lesers" "Eindrücke des Lesers" usw. sind eben immer verschieden. Man kann keine allgemeingültige Theorie beschreiben, wenn man sich auf Eindrücke von Lesern stützt die natürlich subjektiv sind. (Engel wirken auf einen europ. Leser völlig anders als auf einen japanischen Leser...)

Schon klar, dass es nich um individuelle Leser geht, aber sowohl Durst als auch Todorov bemühen ja beide nicht ganz grundlos das Konzept des impliziten Lesers, und um den geht es auch mir. Welche Wirkung intendiert ein Text, welche Anweisungen werden dem Leser abgegeben? Und dieser theoretische, implizite Leser muss eben mit gewissem Wissen und gewissen Kompetenzen ausgestattet sein, wenn er wirklich ein sinnvolles Konzept sein soll.

Da sich die Außenwirkung eines Textes verändert (Mondfahrt um 1900 und heute, 1984 als Zukunftsroman -> heute Parahistorisch) ist es eben schwer sowas als Kritierium einzubauen. Außerliteraische Faktoren verändern sich ständig.

Eben ja.

Also auch wenn ich jetzt wieder aus dem Gedächtnis schreibe. Da gebe ich dir mal Recht. Durst will ja gar nicht direkt über den Inhalt etwas schreiben. Vampir oder Borg, Geist oder Werwolf, Engel oder Ork - das ist im Prinzip egal - hier zählen nur die Brüche des innerliteraischen Realitätssystems. Phantastik liegt bei seiner Theorie genau in der Mitte zwischen zwei Systemen. Er nennt das Kampf der Systeme. Dabei treten das lit. Realitätssystem gegen eine wunderbare Ordnung an. Nur solange es unentschieden ist, wohin der Text geht, handelt es sich um Phantastik... (Ist der Hauptdarsteller von Tell-Tale Heart verrückt oder gab es das Auge des Alten wirklich? War es Zufall, dass in der Wand ein Fleck wie die schwarze Katze eingebrannt war oder... ). Durst untersucht also die Struktur oder Ordnung des Textes auf Brüche. Ich denke ich argumentiere jetzt etwas unsauber. Asche auf mein Haupt. Das könnte man besser, aber dazu müsste ich jetzt erstmal zwei Bücher nochmal lesen *g* (Falls ich mal soweit komme und meine Magisterarbeit schreibe würde ich ja gerne einen Weg finden, diese "Strukturanalyse" damit zu verbinden, dass man auch den Inhalt des Textes näher betrachtet... *g*)

Hier überall kein Widerspruch. Ich bezweifle einfach, dass Du bei der Bestimmung des regulären Realitätssystems ohne jeglichen Rückgriff auf irgendeine Form von ausserliterarischem Weltwissen, Enyzklopädie etc. auskommen kannst.

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#162 Robin

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Geschrieben 22 August 2007 - 11:55

Ich bezweifle einfach, dass Du bei der Bestimmung des regulären Realitätssystems ohne jeglichen Rückgriff auf irgendeine Form von ausserliterarischem Weltwissen, Enyzklopädie etc. auskommen kannst.

Hm ... ich weiß nicht. So wird ja als Faktor betrachtet, dass die Protagonisten im Text Überraschung zeigen, bei einem "Bruch". (Daher auch die Ablehnung bei Kafkas Verwandlung als ph. Text - denn da scheint es "ok" zu sein, wenn jemand plötzlich ein Käfer wird... auch wenn es absonderlich ist. -> Wunderbare Welt, nicht Phantastik) Das Realitätssystem wird also dargestellt durch die Handlungen im Texte und dann geschieht etwas, was eigentlich nicht sein kann. Dies muss aber angesprochen werden und es muss eine gewisse Unsicherheit entstehen, ob es nicht doch möglich sein kann. Sobald eine genaue Entscheidung (geht/geht nicht) vorhanden ist, besteht das phantastische Element eigentlich nicht mehr. Bsp. Eine Gestalt A nähert sich einer Türe (normalerweise würde jetzt die Sequenz ablaufen. Steht vor Türe, greift die Klinke, öffnet die Türe, geht hindurch, schließt die Türe wieder.) Geht die Gestalt A einfach durch die Türe entsteht eine sequenzielle Lücke. Hat nun Person B dies gesehen und sagt etwa: "Das ist doch unmöglich.. oder ...bin ich etwa... verrückt?!". Könnte es sich um einen Bruch in der innerlit. Realität handeln und somit um Phantastik. (Natürlich braucht es auch hier außerlit. Wissen im Sinne von: Was ist eine Türe, welche Funktion hat sie, wie verwendet man sie usw. Somit kann ich dir auch nicht völlig widersprechen, wenn du das außerlit. Weltwissen anführst. Ich würde aber sagen, man könnte einen Text so schreiben, dass man fast ohne dieses Grundwissen auskommen könnte. Nur wäre dieser für uns eher zäh zu lesen ^^. Aber um Lesen zu können muss man ja Texte lesen und da ist das Dilemma - Leser ohne "lit. Vorwissen" auf das sie sich beziehen, wird man nichtmal in der 1. Klasse finden...) Worauf ich hinaus will ist die Tatsache, dass der Text selbst sein Realitätssystem bestimmt (die Protagonisten sagen "dies geht, dies nicht. Beamen geht, Warp 10 nicht"). Ob etwas möglich ist häng nicht von der Naturwissenschaft/unserem Vorstellungen und Kenntnissen ab. Aber natürlich, ich habe es ja schon angedeutet, bin ich auch noch 100 Prozentig damit glücklich, wohin das führt. Ohne dafür genau Argumente und Ideen zu haben, würde ich gerne noch andere "Instrumente" anlegen um einen Text zu untersuchen. Andererseits erscheint mit die Bestimmung von Phantastik (und wunderbaren Welten) nach Dursts Theorie zumindest sehr anschaulich und anwendbar - gegenüber anderen Theorien jedenfall. (Simifilm, dein Buch nehme ich explizit aus, denn ich habe es noch nicht lesen können. Ich bin also noch gespannt, was mich alles erwartet...! :) )

Bearbeitet von Robin, 22 August 2007 - 11:57.

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#163 Theophagos

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Geschrieben 22 August 2007 - 12:21

Worauf ich hinaus will ist die Tatsache, dass der Text selbst sein Realitätssystem bestimmt (die Protagonisten sagen "dies geht, dies nicht. Beamen geht, Warp 10 nicht"). Ob etwas möglich ist häng nicht von der Naturwissenschaft/unserem Vorstellungen und Kenntnissen ab.

Das führt aber zu so kontra-intuitiven Ergebnissen, dass ein Text, sagen wir mal aus der Perspektive eines Hinterwäldlers geschrieben, der ein schnurloses Telefon für unmöglich hält und auf eben solches trifft, zu einem phantastischen wird/werden kann. Edit: Um noch einen dran zu setzen: Ein Text aus personaler Perspektive in der Antike spielend, könnte den modernen Leser im Unklaren lassen, ob eine göttliche Intervention oder ein dem antiken Menschen unbekanntes physikalisches Gesetz für ein bestimmtes Ereignis sorgt - der Figur würde das nicht ungewöhnlich vorkommen. Dieser Text müsste dann wie ein geordnet werden - schließlich ließe er eine realistische und wunderbare Deutung zu - phantastisch wäre er aber nicht, da es keine zweifelnde Figur gibt. Theophagos

Bearbeitet von Theophagos, 22 August 2007 - 12:34.

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#164 Robin

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Geschrieben 22 August 2007 - 12:34

(musste jetzt auch nochmal editieren...)Ob Zauberstab oder Mobiltelefon ist ja egal. Sobald es innerhalb des Realitätssystems eine Erklärung dafür gibt, ist diese System geschlossen. Phantastisch ist es nur, wenn Unschlüssigkeit vorliegt. Das bedeutet ein Text kann sich im Verlauf der Handlung auch verwandeln. Vom einem System zum anderen springen. (Krimi: Am Schluß gibt es plötzlich die Holmes/CSI Erklärung wie alles gewesen ist. Man denke etwa an den Poe Krimi: Der Mord in der Rue Morgue)So und nun muss ich mir das nochmal genau nachlesen, damit ich nichts falsch schreibe. Du hast oben mit deinem Edit-Hinweis nämlich Recht. Die Unschlüssigkeit des Lesers ist tatsächlich (laut Todorov) ein Faktor. Und jetzt geh ich das Buch holen und nachschlagen *g* (Ich weiß nämlich nicht wie ich das kurz und knapp darstellen soll)

Bearbeitet von Robin, 22 August 2007 - 12:47.

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#165 simifilm

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Geschrieben 22 August 2007 - 13:30

Hm ... ich weiß nicht.

So wird ja als Faktor betrachtet, dass die Protagonisten im Text Überraschung zeigen, bei einem "Bruch". (Daher auch die Ablehnung bei Kafkas Verwandlung als ph. Text - denn da scheint es "ok" zu sein, wenn jemand plötzlich ein Käfer wird... auch wenn es absonderlich ist. -> Wunderbare Welt, nicht Phantastik)
Das Realitätssystem wird also dargestellt durch die Handlungen im Texte und dann geschieht etwas, was eigentlich nicht sein kann. Dies muss aber angesprochen werden und es muss eine gewisse Unsicherheit entstehen, ob es nicht doch möglich sein kann. Sobald eine genaue Entscheidung (geht/geht nicht) vorhanden ist, besteht das phantastische Element eigentlich nicht mehr.

Bsp.
Eine Gestalt A nähert sich einer Türe
(normalerweise würde jetzt die Sequenz ablaufen. Steht vor Türe, greift die Klinke, öffnet die Türe, geht hindurch, schließt die Türe wieder.)
Geht die Gestalt A einfach durch die Türe entsteht eine sequenzielle Lücke. Hat nun Person B dies gesehen und sagt etwa: "Das ist doch unmöglich.. oder ...bin ich etwa... verrückt?!". Könnte es sich um einen Bruch in der innerlit. Realität handeln und somit um Phantastik.
(Natürlich braucht es auch hier außerlit. Wissen im Sinne von: Was ist eine Türe, welche Funktion hat sie, wie verwendet man sie usw. Somit kann ich dir auch nicht völlig widersprechen, wenn du das außerlit. Weltwissen anführst. Ich würde aber sagen, man könnte einen Text so schreiben, dass man fast ohne dieses Grundwissen auskommen könnte. Nur wäre dieser für uns eher zäh zu lesen ^^. Aber um Lesen zu können muss man ja Texte lesen und da ist das Dilemma - Leser ohne "lit. Vorwissen" auf das sie sich beziehen, wird man nichtmal in der 1. Klasse finden...)

Worauf ich hinaus will ist die Tatsache, dass der Text selbst sein Realitätssystem bestimmt (die Protagonisten sagen "dies geht, dies nicht. Beamen geht, Warp 10 nicht"). Ob etwas möglich ist häng nicht von der Naturwissenschaft/unserem Vorstellungen und Kenntnissen ab.

Aber natürlich, ich habe es ja schon angedeutet, bin ich auch noch 100 Prozentig damit glücklich, wohin das führt. Ohne dafür genau Argumente und Ideen zu haben, würde ich gerne noch andere "Instrumente" anlegen um einen Text zu untersuchen. Andererseits erscheint mit die Bestimmung von Phantastik (und wunderbaren Welten) nach Dursts Theorie zumindest sehr anschaulich und anwendbar - gegenüber anderen Theorien jedenfall. (Simifilm, dein Buch nehme ich explizit aus, denn ich habe es noch nicht lesen können. Ich bin also noch gespannt, was mich alles erwartet...! :) )

Dass ausserdem noch diese Markierung innerhalb des Textes braucht, steht ausser Frage. Wünsch hat dafür den handlichen :) Begriff 'Realitätsinkompatiblität-Klassifkator' geschaffen (Wünsch ist überhaupt gut im Erfinden neuer Wortwürmer). Der alleine macht es aber nicht. Es gibt da das oft gebrauchte Beispiel: In einer Welt, in der Blumen sprechen, sind stumme Blumen etwas Phantastisches.

Zwei Varianten:
- Geschichte A spielt in einer Welt mit stummen Blumen, eine Blume spricht, alle Bewohner der Welt sind überrascht.
- Geschichte B spielt in einer Welt mit sprechenden Blumen, eine Blume ist stumm, alle Bewohner sind der Welt sind überrascht.

Strukturell liegt das Gleiche vor: Ein Verstoss gegen das jeweilige Realitätssystem, der innerhalb der fiktionalen Welt auch als solcher markiert wird.

Ich bin nun aber der Ansicht, dass in diesen beiden Geschichten bei aller Ähnlichkeit beim Leser sehr unterschiedliche Dinge ablaufen (und dass diese unterschiedlichen Wirkungen durchaus auch durch den Text intendiert sind). Geschichte B hat meiner Meinung nach fast immer einen satirischen und/oder humoristischen Effekt, weil sie eben genau damit spielt, dass jene Dinge, die für uns normal sind, als besonders hingestellt werden. Vielleicht siehst Du das grundsätzlich anders, und vielleicht hats Du konkrete Gegenbeispiele; in meinen Augen sind Geschichte A und B aber grundsätzlich verschieden im angestrebten Effekt.

Bearbeitet von simifilm, 22 August 2007 - 13:32.

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#166 simifilm

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Geschrieben 22 August 2007 - 13:37

(musste jetzt auch nochmal editieren...) Ob Zauberstab oder Mobiltelefon ist ja egal.

Wie schon im anderen Post gesagt: Das ist in meinen Augen nicht egal, weil die (intendierte) Wirkung eine andere ist. Wenn der Hinterwädler das Mobiltelephon für Zauberei hält, bezieht der Text seine Spannung/Witz ja genau daraus, dass der Leser weiss, dass es nicht Zauberei ist.

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#167 Robin

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Geschrieben 22 August 2007 - 13:51

Ich bin so an einem Punkt wo ich Ja und Nein zugleich sagen möchte.Einerseits gebe ich dir völlig recht (in beiden Posts), andererseits müsste man das jetzt verbinden... :)Ich würde das daher vielleicht so handhaben.Wir wollen ja einen Text untersuchen.1. Feststellung ob es sich um Phantastik handelt.Das kann man meiner Meinung nach mit der Theorie von Durst ganz gut machen.Realitätssysteme, Wunderbare Welt?, Narratives Spektrum auf dem Nichtsystem = Phantastik...2. Schritt: Wir wollen ja nicht nur wissen ob es phantastisch ist, sondern näher auf den Text eingehen.Da kommen dann deine Anmerkungen ins Spiel.Es hat natürlich eine Auswirkung ob Zauberstab oder Mobiltelefon. Zwar nicht für die Bestimmung des Genres, aber für die Wirkung des Textes.Könnte das vielleicht so funktionieren?

Bearbeitet von Robin, 22 August 2007 - 13:52.

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#168 simifilm

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Geschrieben 22 August 2007 - 14:04

Ich bin so an einem Punkt wo ich Ja und Nein zugleich sagen möchte. Einerseits gebe ich dir völlig recht (in beiden Posts), andererseits müsste man das jetzt verbinden... :) Ich würde das daher vielleicht so handhaben. Wir wollen ja einen Text untersuchen. 1. Feststellung ob es sich um Phantastik handelt. Das kann man meiner Meinung nach mit der Theorie von Durst ganz gut machen. Realitätssysteme, Wunderbare Welt?, Narratives Spektrum auf dem Nichtsystem = Phantastik... 2. Schritt: Wir wollen ja nicht nur wissen ob es phantastisch ist, sondern näher auf den Text eingehen. Da kommen dann deine Anmerkungen ins Spiel. Es hat natürlich eine Auswirkung ob Zauberstab oder Mobiltelefon. Zwar nicht für die Bestimmung des Genres, aber für die Wirkung des Textes.

Ich lasse jetzt mal meine Unterscheidung Gattung/Modus beiseite. In meinen Augen ist eine Unterteilung, wie Du sie vornimmst, etwas seltsam, weil man mit einer Gattung ja auch eine bestimmte Wirkung beschreibt. Sehr einfach gesagt: Pornos soll aufgeilen, Horrorfilme Angst machen, Komödien zum Lachen bringen, Phantastik soll für einen 'metaphysischen Grusel' sorgen. Ich denke, dass man, wenn man diese beiden Dinge auseinanderdividiert, viel von dem verliert, was eigentlich eine Gattung ausmacht. Oder anders gesagt: Gattungsbestimmungen sollten nicht einfach Selbstzweck sein und nur zur Klassifkation dienen, sondern eben auch etwas darüber aussagen, wie die Texte funktionieren. Was bringt mir die Einsicht, wenn ich weiss, dass ein Text 'Phantastik' ist, mir das aberh überhaupt nichts über den Text verrät (das ist jetzt bewusst übertrieben formuliert). Aber auch wenn wir Deine Zweiteilung übernehmen, haben wir am Ende doch massiv gegen Dursts Prämisse verstossen, denn natürlich würde er bestreiten, dass er nicht näher auf den Text eingeht. Er würde sagen, dass alles, was literarisch relevant ist für einen Text, durch textimmanente Analyse ans Licht gebracht werden kann, und das scheint mir angesichts der gebrachten Beispiele definitiv nicht richtig. Oder noch einmal anders: Wenn Durst (oder sonst jemand) findet, dass ihm das reicht und alles, was darüber hinausgeht, nicht mehr Literaturwissenschaft ist, bleibt mir nur übrig zu sagen, dass mich dieses Konzept von Literaturwissenschaft nicht interessiert, weil es zu den Fragen, die mir wirklich interessant scheinen, nichts zu sagen hat. Am Ende scheint mir gerade die Interaktion mit dem Rezipienten die interessanteste Frage - auch wenn der nur als theoretisches Konstrukt fassbar ist. Noch ein Nachtrag für Robin:

(Simifilm, dein Buch nehme ich explizit aus, denn ich habe es noch nicht lesen können. Ich bin also noch gespannt, was mich alles erwartet...! )

Erwart bloss nicht zu viel :), denn die Phantastik dient mir nur als Mittel zum Zweck. Ich benutze Todorov vor allem, um gewisse grundlegende Fragen/Probleme im Zusammenhang mit fiktionalen Welten anzureissen. Die Phantastik dient mir gewissermassen nur dazu, mein Messer zu wetzen, mit dem ich nachher die SF filetiere.

Bearbeitet von simifilm, 22 August 2007 - 14:26.

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#169 Robin

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Geschrieben 22 August 2007 - 14:30

Ich lasse jetzt mal meine Unterscheidung Gattung/Modus beiseite. In meinen Augen ist diese Unterteilung, wie Du sie vornimmst, etwas seltsam, weil man mit einer Gattung ja eben auch eine bestimmte Wirkung beschreibt. Sehr einfach gesagt: Pornos soll aufgeilen, Horrorfilme Angst machen, Komödien zum Lachen bringen, Phantastik soll für einen 'metaphysischen Grusel' sorgen. Ich denke, dass man, wenn man diese beiden Dinge auseinanderdividiert, viel von dem verliert, was eigentlich eine Gattung ausmacht. Oder anders gesagt: Gattungsbestimmungen sollten nicht einfach Selbstzweck sein und nur zur Klassifkation dienen, sondern eben auch etwas darüber aussagen, wie die Texte funktionieren. Was bringt mir die Einsicht, wenn ich weiss, dass ein Text 'Phantastik' ist und mir das eigentlich überhaupt nichts über den Text verrät (das ist jetzt bewusst übertrieben formuliert).

Nicht jede Komödie lässt jeden Menschen lachen. Daher ist das mit der Gattung ja so eine Sache. Aber ich gebe zu da nicht so firm zu sein. Ich würde mal ganz platt sagen, es gibt in Texten verschiedene Muster die man ordnen kann und zumeist ähnliche Wirkungen beim Leser erzeugen. Wobei ich das so sehe, dass man durch Klassifikation schon in etwa feststellen kann, wie der Text funktioniert. Wenn ich feststelle: Es ist ein Porno (wie man das auch immer tun mag). Dann weiß ich, dass der gerade auftauchende Handwerker sicher nicht nur Rohre verlegen wird, sonder noch eine andere Funktion für die Hausfrau erfüllen wird. Der Baum auf einer einsamen Wiese wird als Funktion nur einen weiteren Kopulationsort darstellen. Genauso wie die Bananenschale auf der Straße in einer Komödie. 100%ig funktioniert das natürlich nicht. Aber damit bewegt man sich quasi sehr schnell von der reinen Festellung der Gattung zum Inhalt des Textes. Aber vielleicht verstehe ich dich da auch gerade falsch.

Okay, aber selbst wenn wir Deine Zweiteilung übernehmen, haben wir am Ende doch massiv gegen Dursts Prämisse verstossen, denn natürlich würde er bestreiten, dass er nicht näher auf den Text eingeht. Er würde sagen, dass alles, was literarisch relevant ist für einen Text durch textimmanente Analyse hervorgebracht werden kann, und das scheint mir angesichts der gebrachten Beispiele definitiv nicht richtig.

Das würde er wohl vermutlich so oder so ähnlich sagen. Aber ich hab ja nie gesagt, dass Dursts Ansatz nicht noch modifiziert werden kann/sollte um eben das von dir angesprochene Problem einzufangen. Aber wie das gehen mag .. tja diese Frage treibt mich ja seit meiner Prüfung um :) Mal zurück zur Fragestellung. Kurze Zusammenfassung: Gibt es eine gute, allgemeingültige Definition von Phantastik. Nein. Kann die Theorie von Durst dieses Dilemma lösen? Nur wenn man sich völlig auf den Text konzentriert und außerliterarische Wirkungen beiseite läßt. Lässt sich mit Dursts Theorie die Phantastik untersuchen bzw. fassen. Ja - aber nicht die Wirkung auf den Leser. zum Buch:

Erwart bloss nicht zu viel wink.gif, denn die Phantastik dient mir nur als Mittel zum Zweck. Ich benutze Todorov vor allem, um gewisse grundlegende Fragen/Probleme im Zusammenhang mit fiktionalen Welten anzureissen. Die Phantastik dient mir gewissermassen nur dazu, mein Messer zu wetzen, mit dem ich nachher die SF filetiere.

Na nach dieser Diskussion sind meine Erwartungen NATÜRLICH hoch *g* Nein im Ernst. Ich bin gespannt wie die SF filetiert wird :) Das dein Ziel in dem Buch ein anderes ist, war mir schon klar.

Bearbeitet von Robin, 22 August 2007 - 14:32.

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#170 simifilm

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Geschrieben 22 August 2007 - 14:42

Nicht jede Komödie lässt jeden Menschen lachen. Daher ist das mit der Gattung ja so eine Sache. Aber ich gebe zu da nicht so firm zu sein. Ich würde mal ganz platt sagen, es gibt in Texten verschiedene Muster die man ordnen kann und zumeist ähnliche Wirkungen beim Leser erzeugen.

Ja, und letztlich ist der implizite Leser ja auch nichts anderes als ein Bündel von Musten. Natürlich reagiert jeder Leser individuell anders, aber im allgemeinen kann ich relativ gut - anhand des Textes - feststellen, ob eine unheimliche, lustige oder erregende Wirkung angestrebt wird. Dazu muss ich mich nicht nur auf mein Empfinden verlassen. Wenn ich von Wirkung spreche, meine ich das: die intendierte Wirkung eines Textes, so wie ich sie im Text feststellen kann. Das mag nicht immer gleich gut gehen, aber auch bei einer Komödie, die ich nicht lustig finde, oder bei einem Horrorfilm, der mir keine Angst, kann ich am Allgemeinen recht gut sagen, was lustig resp. unheimlich hätte wirken sollen. Und in diesem Sinne ist auch die Unentschiedenheit der Phantastik ein in den Text eingeschriebener Effekt.

Wobei ich das so sehe, dass man durch Klassifikation schon in etwa feststellen kann, wie der Text funktioniert. Wenn ich feststelle: Es ist ein Porno (wie man das auch immer tun mag). Dann weiß ich, dass der gerade auftauchende Handwerker sicher nicht nur Rohre verlegen wird, sonder noch eine andere Funktion für die Hausfrau erfüllen wird. Der Baum auf einer einsamen Wiese wird als Funktion nur einen weiteren Kopulationsort darstellen. Genauso wie die Bananenschale auf der Straße in einer Komödie. 100%ig funktioniert das natürlich nicht. Aber damit bewegt man sich quasi sehr schnell von der reinen Festellung der Gattung zum Inhalt des Textes. Aber vielleicht verstehe ich dich da auch gerade falsch.

Ich sehe das durchaus so. Eine Gattung sagt etwas darüber aus, was ich von einem Film erwarten kann, welche Register ich aktivieren muss, wie ich gewisse Dinge zu verstehen habe.

Mal zurück zur Fragestellung. Kurze Zusammenfassung: Gibt es eine gute, allgemeingültige Definition von Phantastik. Nein. Kann die Theorie von Durst dieses Dilemma lösen? Nur wenn man sich völlig auf den Text konzentriert und außerliterarische Wirkungen beiseite läßt. Lässt sich mit Dursts Theorie die Phantastik untersuchen bzw. fassen. Ja - aber nicht die Wirkung auf den Leser.

Ich habe Durst auch nicht mehr so präsent, aber meines Wissens geht er auch von einem impliziten Leser aus und präzisiert diesen noch im Hinblick auf Todorov. In dem Moment, in dem ich davon spreche, dass ein Text Ungewissheit erzeugt, brauche ich auch irgendeine Leserfunktion, ob ich die nun so nenne oder nicht. Natürlich ist das kein empirischer Leser, aber dennoch kann ich anhand dieser theoretischen Figur vieles über die intendierte Wirkung eines Textes in Erfahrung bringen. Edit: Durst scheint mir diesbezüglich wirklich sehr abseits des Mainstreams. Es gibt genügend weitherum akzeptiere Narrationsmodelle, die ebenfalls von einer aktiven Leserfunktion ausgehen, die durchaus Weltwissen mitbringt (ua. in Eco, Chatman und Bordwell). Dieses völlige Ausblenden des ausserliterarischen Kontextes scheint mir nicht mehr zeitgemäss und bringt eigentlich nur Probleme.

Bearbeitet von simifilm, 22 August 2007 - 14:45.

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#171 molosovsky

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Geschrieben 22 August 2007 - 14:49

Hallo, ich bins, der Kerl fürs Wirre und die Stimmungsmeldungen.
Ich will nur mal durchgeben, daß ich ganz und gar hingerissen bin, was sich hier seit heute morgen (sic) getan hat!
Theo, Simi und Robin kann ich dabei ganz besonders loben.
Ich les mir das alles mal in Ruhe durch und werd mich die Skripten von Schmitz-Emans ausdrucken und dann versuchen, mal wieder weniger wirr was beizutragen.

Derweil vorrübergehend:
Natürlich gibt es EINE geschlossene WIrklichkeit; nämlich die, von der Onkel Wittgenstein meint, daß sie "der Fall ist". Aber wollen wir "schweigen, wovon man nicht (in klaren logischen Sätzen) reden kann". Nun, wir beweisen wieder mal gerade, daß wir Menschen das eben nicht tun.

Obwohl ich ein "Bright" bin, lasse ich mich gerne von sprituellen Philosophien inspirieren, denn ich meine nun mal, daß die Phantastik-Frage (ob minimal, maximal oder meine molo-großphantastische) immer in Mystik, Gnosis usw ausfranst. Die Welt (oder auch Schöpfung GOttes) ist das große Buch, in dem wir alle lesen und in dem wir als Buchstabe anthalten sind. Diese ganze Sache von Wahrnehmung, Interpretation und darüber Reden ist nun mal ein Spiel mit sich selbst enthaltenden Gefäßen, was die Angelegenheit eben für die Sprache so ungeheuerlich knifflig macht.

Sehr vergnügt und im Augenblick auch bescheidener.
Grüße
Alex / molo

Bearbeitet von molosovsky, 22 August 2007 - 14:50.

MOLOSOVSKY IST DERZEIT IN DIESEM FORUM NICHT AKTIV: STAND 13. JANUAR 2013.

Ich weiß es im Moment schlicht nicht besser.

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#172 Robin

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Geschrieben 22 August 2007 - 14:50

Nur kurz. Im Prinzip sind wir ja einig.

Ich habe Durst auch nicht mehr so präsent, aber meines Wissens geht er auch von einem impliziten Leser aus und präzisiert diesen noch im Hinblick auf Todorov.

Ja er geht auch vom impl. Leser aus.

Edit: Durst scheint mir diesbezüglich wirklich sehr abseits des Mainstreams. Es gibt genügend weitherum akzeptiere Narrationsmodelle, die ebenfalls von einer aktiven Leserfunktion ausgehen, die durchaus Weltwissen mitbringt (ua. in Eco, Chatman und Bordwell). Dieses völlige Ausblenden des ausserliterarischen Kontextes scheint mir nicht mehr zeitgemäss und bringt eigentlich nur Probleme.

Und da fehlt mir noch ein Stapel Literatur den ich lesen muss :)
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#173 simifilm

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Geschrieben 22 August 2007 - 14:56

Nur kurz. Im Prinzip sind wir ja einig. Ja er geht auch vom impl. Leser aus. Und da fehlt mir noch ein Stapel Literatur den ich lesen muss :)

Bordwell ist filmspezifisch, aber Eco ist wirklich brauchbar. Ich kann "Lector in Fabula" empfehlen, allerdings nicht das ganze Buch. Zu Beginn, als es um Pierce geht, bringt das wenig. Aber später, bei den möglichen Welten, wird's sehr handlich.

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#174 molosovsky

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Geschrieben 22 August 2007 - 15:04

Ich kann mich Simis Empfehlung Ecos nur anschließen."Lector in fabula" wurde allerdings noch ergänzt durch "Kant und das Schnabeltier" (fragt mich im Augenblick nicht genau, wie ergänzt und "relativiert" wurde).Von seinen Fachbüchern sind für die Phantastikfrage imho auch noch "Das offene Kunstwerk" und "Auf der Suche nach der vollkommenen Sprache" relevant. Einen guten Einstieg in die Interprations-Kletterei bietet der schmale und lesbare Band "Zwischen Autor und Text".Allerdings bin ich vielleicht ein größerer Fan des Dichters und Kolumnisten Ecos. Der Wissenschaftler Eco liest sich zuweilen schon staubtrocken (husthust). Aber wie man sieht, kann ich mir da noch dicke Scheiben von abschneiden.GrüßeAlex / molo

Bearbeitet von molosovsky, 22 August 2007 - 15:07.

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#175 simifilm

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Geschrieben 22 August 2007 - 15:05

Ich kann mich Simis Empfehlung Ecos nur anschließen. "Lector in fabula" wurde allerdings noch ergänzt durch "Kant und das Schnabeltier" (fragt mich im Augenblick nicht genau, wie ergänzt und "relativiert" wurde). Von seinen Fachbüchern sind für die Phantastikfrage imho auch noch "Das offene Kunstwerk" und "Auf der Suche nach der vollkommenen Sprache" relevant. Allerdings bin ich vielleicht ein größerer Fan des Dichters und Kolumnisten Ecos. Der Wissenschaftler Eco liest sich zuweilen schon staubtrocken (husthust). Aber wie man sieht, kann ich mir da noch dicke Scheiben von abschneiden. Grüße Alex / molo

Wobei "Lector in Fabula" deutlich lesbarer ist als "das offene Kunstwerk".

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#176 molosovsky

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Geschrieben 22 August 2007 - 15:21

Wobei "Lector in Fabula" deutlich lesbarer ist als "das offene Kunstwerk".

Wahre Worte, vor allem was den ersten Teil von "Kunstwerk" angeht. Die zweite Hälfte, die über Joyce, war mir ein teurer Leitfaden für meine jugendlichen "Ulysses" und "Finnagans Wake"-Studien. Ergänzende Fehlerkorrektur: "Lector" wurde zuerst ergänzt und weitergeführt mit "Die Grenzen der Interpretation" (kein Zuckerschlecken), dann erst folgte "Kant und das Schnabeltier". Für Leser, die nicht gleich akademische Steigeisen anlegen wollen, seien die "populär-semiotischen" Essaysammlungen von Eco empfohlen (in Klammern die von mir besonders empfohlenen Einstiegstexte): "Über Gott und die Welt" (Reise ins Reich der Hyperrealität) "Über Spiegel und andere Phenomäne" (Die Welten der Science Fiction) "Apokalyptiker und Integierte" (Die Struktur des schlechten Geschmacks und Der Mythos von Superman) "Im Wald der Fiktionen" (Mögliche Wälder) "Die Bücher und das Paradies" (Die Kraft des Falschen) Grüße Alex / molo

Bearbeitet von molosovsky, 22 August 2007 - 15:22.

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#177 simifilm

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Geschrieben 22 August 2007 - 15:47

Wahre Worte, vor allem was den ersten Teil von "Kunstwerk" angeht. Die zweite Hälfte, die über Joyce, war mir ein teurer Leitfaden für meine jugendlichen "Ulysses" und "Finnagans Wake"-Studien.

Beim "Kunstwerk" ist er eben noch ganz im strukturalistischen Jargon, für den er sich später in einem anderen Text halb entschuldigt.

Ergänzende Fehlerkorrektur: "Lector" wurde zuerst ergänzt und weitergeführt mit "Die Grenzen der Interpretation" (kein Zuckerschlecken), dann erst folgte "Kant und das Schnabeltier". Für Leser, die nicht gleich akademische Steigeisen anlegen wollen, seien die "populär-semiotischen" Essaysammlungen von Eco empfohlen (in Klammern die von mir besonders empfohlenen Einstiegstexte): "Über Gott und die Welt" (Reise ins Reich der Hyperrealität) "Über Spiegel und andere Phenomäne" (Die Welten der Science Fiction)

Ja, das hat mich doch sehr gefreut, dass er gleich ein ganzes Buch über mich geschrieben hat ... ;)

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#178 Theophagos

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Geschrieben 22 August 2007 - 22:13

Noch mal weit zurückgespult...

Alex: "Wenn man Todorovs "Einführung..." im Detail liest, ergeben sich arge Interpretationsprobleme. Zumindest bei mir. Ich kann z.B. gleich mal sein erstes prominentes Beispiel, Caszottes "Der verliebte Teufel" nicht als eindeutig "phantastisch" im Todorov'schen Sinne anerkennen. Die Teufelsbeschwörung läßt, für mich, keinen Zweifel daran, daß eine kamelartige Teufelserscheinung aus seinem sechszehn Fuß lagnen Hals ein weißes Löwenhündchen ausspeit. Der Hund spricht dann, und statt seiner steht dann der junge Page plötzlich am Ort der Teufelsbeschwörung. Für mich bleibt da keine große Unschlüssigkeit. Kamel speit Hund aus, Hund verwandelt sich in Pagen, Page ist eigentlich ein junges Mädel, Mädel ist eigentlich eine Sylphe, ist eigentlich der Teufel. Todorov geht auf diese Szenen aus den ersten Beiden Cazotte-Kapiteln gar nicht ein, sondern greift sich Beispiele aus dem späteren Verlauf der Novelle um seinen Phantastik-Begriff-Ansatz anhand dieses Textes zu rechtfertigen."

Das ist nicht ganz richtig. Ich fasse mal kurz die m. E. wesentlichen Punkte zusammen: 1. Don Alvares - ein ziemlicher Depp - freundet sich mit einem Schwarzmagier an - ein kleiner Trick lässt Alvares nach einem dienstbaren Geist dürsten. 2. Alvares dibbert herum, er will auch so einen Geist. Der Schwarzmagier warnt, doch willigt ein. 3. In einer Ruine wird der Teufel beschworen. (Hier gibt's die von Alex beschriebene Szene.) 4. Nun hat Alvares einen solchen Geist - anscheinend eine Sylphe, die sterblich wurde, da sie sich in den coolen Alvares verliebte (wie gesagt, der Don ist ein Depp). Sie macht sich daran, sein Herz zu erobern. 5. Alvares will nach Hause um den Segen seiner Mutter bzgl. Heirat einzuholen; die Sylphe wird überraschend bedrängt und folgt. 6. In Spanien begegnet man einer alten Bekannten und - oh Graus - die Mutter liegt im Sterben, der Bruder sinnt auf Rache. Es gilt zu eilen - 7. allein die Umstände verhindern es: Man muss bei einer Hochzeitsgesellschaft übernachten. Die Sylphe kann den Deppen nun endgültig rumkriegen - und offenbart: Ich bin der Teufel und du bist nun mein! 8. Am nächsten Tag erwacht Alvares nach 14Std Schlaf. Die teuflische Freundin ist weg. Bei der Mutter bibbernd angekommen: Oh, Mutter, du bist kerngesund? Wollen wir etwas spazieren gehen? Wie, der Bruder sinnt nicht auf Rache? Und die Bekannte (s. 6.) seit Monaten bettlägerig? War denn alles nur ein Traum (Achtung!: Seit der Ruine! (s. 3.))? 9. Schnell den Geistlichen gerufen: Zwar hat Don Depp dem Teufel Gefolgschaft geschworen, aber da der Teufel Tugend vortäuschen musste um zu verführen, sind des Alvares Tugenden intakt. Ergo: Des Teufels Sieg war nicht vollständig, Alvares muss wohl in Zukunft vorsichtig sein, da er von nun an anfällig ist, aber die Hoffnung ist noch nicht verloren! - Ende. Damit ist nun fragwürdig, welche Dinge tatsächlich geschehen sind - anscheinend hat der Teufel Depp Alvares oftmals getäuscht - aber auch nicht immer. Zur Frage, ob es nach Todorov Phantastik sei; von 3. an ist eigentlich alles in Frage gestellt - doch es wird sehr nahe gelegt, dass der Teufel ganz kräftig agierte. Aber was ist mit dem magischen Trick in 1.? Zweifellos, man könnte vermuten, dass der Schwarzmagier nur ein "Schwarzmagier" ist und Don Depp einen Streich spielen wollte - dieses wird einmal von der Sylphe angedeutet. Aber was wird aus der Andeutung, wenn alles ab 3. nur ein Traum war? Und um die Sache etwas zu verkomplizieren: Als Cazotte die Geschichte schrieb, hatten die Franzosen noch einen König; in jenem katholischen(!) Frankreich galt der Teufel weder als Phantasiegestalt noch als Metapher, sondern eine reale (bloß selten anzutreffende) Gestalt. Ich bin mir im Endeffekt unschlüssig (wie passend) ob man diese Geschichte im Sinne Todorovs als Phantastik lesen kann - zumindest ist die Geschichte als Beispiel schlecht gewählt. Theophagos
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#179 Konrad

Konrad

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Geschrieben 23 August 2007 - 14:50

Noch mal weit zurückgespult... .... Ich bin mir im Endeffekt unschlüssig (wie passend) ob man diese Geschichte im Sinne Todorovs als Phantastik lesen kann - zumindest ist die Geschichte als Beispiel schlecht gewählt.

Ich kenne Caszottes Erzählung leider nicht, kann also nur auf das reagieren, was du bisher erzählt hast. Daraus schließe ich, daß "Don Depp" ein "wunderbares" Weltbild hat. Aus seiner Sicht hat der Teufel versucht, ihn zu verführen, ist aber gescheitert, wodurch sich alles in Trug aufgelöst hat. Nach Todorov ist dies aber nicht maßgeblich, sondern die Einschätzung eines fiktiven Lesers, was geschehen sein könnte. D.h., wenn z.B. ein solcher Leser die Äußerungen "Don Depps" auch so interpretieren kann, daß er sich vom "Schwarzmagier" hat täuschen lassen, dann wäre nach Todorov diese Geschichte eine "phantastische". Gruß, Konrad PS: Der "Trug" erleichtert eine realistische Interpretation aber natürlich enorm. ;)

Bearbeitet von Konrad, 23 August 2007 - 15:25.


#180 Theophagos

Theophagos

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Geschrieben 23 August 2007 - 15:33

Daraus schließe ich, daß "Don Depp" ein "wunderbares" Weltbild hat.

Kann man ein wunderbares Weltbild haben - ist das Wunder nicht das Element, welches nach einem Weltbild unmöglich ist? Gleichwie, denn soviel ist klar: "Don Depp" bezweifelt weder die Existenz des Teufels, noch die von Schwarzmagiern.

Aus seiner Sicht hat der Teufel versucht hat, ihn zu verführen, ist aber gescheitert, wodurch sich alles in Trug aufgelöst hat.

Man könnte die Situation genauer beschreiben, aber ich denke, das trifft es ganz gut.

Nach Todorov ist dies aber nicht maßgeblich, sondern die Einschätzung eines fiktiven Lesers, was geschehen sein könnte.

Und hier stellt sich die Frage: Welcher fiktive Leser? Darum mein Hinweis auf den katholischen Autoren (und wohl auch eben solche Leserschaft): Meines Wissen galt der Teufel hier als reale Gestalt. Bei den Protestanten & Juden gilt/galt er m. W. als Metapher. Macht das einen Unterschied? Oder reicht es, dass der Teufel nach "unserem" (also deinem & meinem) Verständnis ein Wunder ist?

D.h., wenn z.B. ein solcher Leser die Äußerungen "Don Depps" auch so interpretieren kann, daß er sich vom "Schwarzmagier" hat täuschen lassen, dann wäre nach Todorov diese Geschichte eine "phantastische".

Und hier bin ich mir einfach nicht sicher, inwiefern man die Geschichte ohne übernatürliche Elemente deuten kann - eine Vielzahl lässt sich sicherlich aufheben, aber mir scheint, als ob es keine Erklärung gibt, die alle auflöst - eine kann den Teufel rationalisieren, eine andere den Schwarzmagier - aber beide zugleich funktionieren nicht. Nun, so scheint es mir jedenfalls. Theophagos
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