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445 Antworten in diesem Thema

#361 Theophagos

Theophagos

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Geschrieben 12 Februar 2008 - 00:00

Gibt's die auch als Bücher?Theophagos
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#362 simifilm

simifilm

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Geschrieben 12 Februar 2008 - 06:25

Gibt's die auch als Bücher?

Sowohl "Invasion of the Body Snatchers" als auch "Rosemary's Baby" sind ursprünglich ja Literaturverfilmungen. Aber das Muster ist ja weit verbreitet. Ich würde aus dem Bauch heraus mal sagen, dass die Mehrheit der Horrorliteratur phantastisch-wunderbar ist.

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#363 molosovsky

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Geschrieben 12 Februar 2008 - 08:28

Nur zur Info: »Rosemary's Baby« (1967) wurde geschrieben von Ira Levin (der letzten November gestorben ist). Von Levin stammt auch der ursprüngliche »Die Frauen von Stepford«-Roman (1972). Schöne Beispiele für phantastisch-wunderbares; erstes mit wundersamer Auflösung Horror (also Aber-, Teufelsglauben ist echt), zweiteres mit wundersamer Auflösung SF (Androiden, oder wie man die Frauen nennen will). http://en.wikipedia.org/wiki/Ira_Levin »Invasion of the Body Snatchers« erschien zuerst 1955 als Fortsetzungsgeschichte (im »Collier†™s«) unter dem Titel »The Body Snatchers« und wurde von Jack Finney geschrieben. http://en.wikipedia...._Body_Snatchers Grüße Alex / molo

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#364 Theophagos

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Geschrieben 12 Februar 2008 - 10:22

Danke für die Infos. Ich habe mal wieder unklar formuliert: "Gibt es die vielen phantastisch-wunderbaren Horror-Geschichten auch als Bücher?" sollte es heißen.Na, Simifilm meint ja, mehr noch die meisten Horror-Geschichten seien ph-w. Da haben wir anscheinend ein anderes Horror-Verständnis bzw. andere Horror-Sachen gelesen. Die meisten Horror-Geschichten, die ich kenne, sind reine Wunder-Geschichten, die zunächst realistisch beginnen, dann aber ins Wunderbare umschlagen, weil ein Monster auftritt. Hier kann zwar der Zeuge zweifeln, vor allem an seinem Verstand, aber der Leser nur sehr selten. Ich stimme aber insofern zu, als dass die meisten ph-w Geschichten wohl aus dem Bereich Horror stammen werden. (Ich glaube, dass Krimi & Horror in dieser Hinsicht Gegenspieler sind: Im Krimi obsiegt das Rationale und bringt Ordnung ins Chaos, beim Horror ist der (zumeist kurzfristige) Sieg des Irrationalen, der Chaos in die Orndung bringt, wesentlich.)Theophagos
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#365 simifilm

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Geschrieben 12 Februar 2008 - 10:35

Danke für die Infos. Ich habe mal wieder unklar formuliert: "Gibt es die vielen phantastisch-wunderbaren Horror-Geschichten auch als Bücher?" sollte es heißen.

Na, Simifilm meint ja, mehr noch die meisten Horror-Geschichten seien ph-w. Da haben wir anscheinend ein anderes Horror-Verständnis bzw. andere Horror-Sachen gelesen. Die meisten Horror-Geschichten, die ich kenne, sind reine Wunder-Geschichten, die zunächst realistisch beginnen, dann aber ins Wunderbare umschlagen, weil ein Monster auftritt. Hier kann zwar der Zeuge zweifeln, vor allem an seinem Verstand, aber der Leser nur sehr selten. Ich stimme aber insofern zu, als dass die meisten ph-w Geschichten wohl aus dem Bereich Horror stammen werden. (Ich glaube, dass Krimi & Horror in dieser Hinsicht Gegenspieler sind: Im Krimi obsiegt das Rationale und bringt Ordnung ins Chaos, beim Horror ist der (zumeist kurzfristige) Sieg des Irrationalen, der Chaos in die Orndung bringt, wesentlich.)

Das müsste man wohl im Detail anschauen und ist auch ein bisschen Ermessesnfrage. Ich bin selber zwar alles andere als ein Spezialist für Horror-Literatur, aber viele Geschichten gehen ja nach folgendem Muster (wie Du auch antönst): Wir haben eine "realistische Welt", die mehr oder weniger der unseren entspricht, in der dann ein Monster auftritt. Manche streiten die Existenz des Monsters ab, bis schliesslich alle davon überzeugt sind.

Wie Du richtig bemerkst, zweifeln hier meistens nur die Figuren und selten der Leser. Damit sind wir bei einem interessanten Punkt, denn die Erzählung tut hier noch so, als seien die Dinge unklar, dabei weiss der Leser/Zuschauer im Grunde schon von Anfang an, dass etwas Übernatürliches geschehen wird. Der Fall von "Rosemary's Baby", bei dem die eindeutige Auflösung erst ganz am Schluss erfolgt, ist hier die Ausnahme (wie das im Buch ist, weiss ich nicht, aber im Film wäre es bis zum Schluss möglich und denkbar, dass Rosemary einfach psychotisch ist).

Wir haben es hier mit einer Konvention des Genres zu tun; die Erzählung sagt im Grunde "Wir wissen ja beide, dass da ein Monster ist, aber zu Beginn müssen wir die Sache noch herauszögern und die Zweifler auftreten lassen."

Tatsächlich habe ich mir diesbezüglich schon früher mal den Kopf zerbrochen und erlaube mir deshalb ein längeres Eigenzitat von hier:

Das Phantastische ist in den allermeisten Fällen nur eine vorübergehende Erscheinung und wird bis auf wenige Ausnahmen im Laufe des Filmes aufgelöst. Dieser Befund muss aber eingeschränkt werden, denn häufig liegt gar kein echtes phantastisches Element vor, sondern nur - wie ich es hier nennen werde - Pseudophantastik. Was ich damit meine, ist, dass viele Filme den phantastischen Bruch nur scheinbar inszenieren, der Zuschauer im Grunde aber schon von Anfang an weiss, dass er sich im Bereich des Wunderbaren befindet. Viele Vampirfilme gehen nach dem Muster vor, dass die Protagonisten die Taten des Untoten lange nicht als solche wahrnehmen und sie rational erklären wollen. Nur ein schrulliger Aussenseiter vom Schlage eines Dr. Van Helsing erahnt die wahren Hintergründe. Irgendwann im Laufe der Geschichte ist der Punkt erreicht, an dem alle Figuren von der Existenz des Vampirs überzeugt sind und gemeinsam gegen ihn ankämpfen. Für den Zuschauer liegt der Fall anders: In der Regel wird er schon von Beginn weg mit Hinweisen versorgt, die keinen Zweifel über den wunderbaren Charakter des Filmes aufkommen lassen. Wer sich einen Film mit dem Titel †šDracula†˜ ansieht, weiss, dass er mit Vampiren rechnen muss. Aber selbst wenn parafilmische Informationen ausser Acht gelassen werden - wobei noch zu klären wäre, inwieweit ein solch sprechender Filmtitel noch als ausserfilmischer Hinweis gelten kann -, werden auch filmintern reihenweise Signale gegeben: Es tauchen die genreüblichen Attribute wie Knoblauch, Kruzifixe und heulende Wölfe auf, und dunkle bedrohliche Bilder und entsprechende Musik dominieren. Dem implizierten Zuschauer wird fortlaufend angezeigt, welchen Status die Welt des Filmes hat Ein solches Vorgehen ist nicht nur für den Vampirfilm, sondern für den Genrefilm generell typisch. Bereits die Titelmusik und der Schriftzug von Them! markieren den Film eindeutig als Monster-SF. Die Kamera rückt von Beginn weg immer wieder Ameisen ins Bild, das Auftauchen der radioaktiv mutierten Riesenameisen ist letztlich nur noch für die Protagonisten eine Überraschung. Ein Gegenbeispiel ist Rosemary's Baby , der lange unentschieden bleibt. Erst in der letzten Szene wird eindeutig geklärt, dass Rosemary (Mia Farrow) nicht an schwangerschaftsbedingten psychotischen Zuständen leidet, sondern tatsächlich das Kind des Teufels ausgetragen hat. Allerdings können nur die wenigsten Filme diese delikate Balance über längere Zeit aufrecht erhalten, und viele Genrefilme streben sie auch gar nicht an.

Es bräuchte eine grossangelegte quantitative Studie, um meine Vermutung zu erhärten, doch scheint mir die Pseudophantastik, bei der eine Erklärung von Anfang an überwiegt, der weitaus häufigere Fall zu sein als die Phantastik, die über einen längeren Zeitraum eine echte Schwebe zwischen Unheimlichem und Wunderbarem halten kann.

Also, ich revidiere mein frühere Aussage, die meisten Horror-Geschichten sind pseudo-phantastisch-wunderbar. ;) Tatsächlich weiss ich nicht, inwieweit ich hier Todorovs Modell modifiziere, oder ob er mit diesem Befund einverstanden wäre. Genrefilme bauen ja darauf, dass ein Zuschauer die Konventionen kennt, insofern kann man davon ausgehen, dass auch der implizite Leser schon zu Beginn eines Vampirfilms verstehen sollte, was geschieht.

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#366 molosovsky

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Geschrieben 12 Februar 2008 - 13:22

Dazu eine kleine Anekdote von meinem Interview letzte Woche mit Matt Ruff.Wir kamen über die Thematik, was die die lockere Genre-Bezeichnung ›ein P.K. Dick Roman‹ bedeuten soll auf Stephen Kings »The Dead Zone« zu sprechen, den wir beide toll finden, u.a. weil es zwar zum einen tatsächlich Wunderbares in dem Roman gibt †” ein Mann erwacht mit prophetischer Sehergabe aus einem Koma †” aber zugleich gewisse Sachen als ›irre‹ angesehen werden †” die Mutter des Protags glaubt an Aliens und Ufo-Entführungen.Das ist dann eine nette Drehung der Schraube, wenn es eben zugleich Wunderbares in einer phantastischen Erzählung gibt, andererseits aber nicht alles möglich oder als wahr angesehen wird.GrüßeAlex / molo

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#367 Theophagos

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Geschrieben 16 Februar 2008 - 14:52

Über das Lesen von Matt Ruffs "Bad Monkey" bin ich ins Grübeln geraten.(Alex möge mir verzeihen, aber ich rekapituliere hier - ohne Rücksicht auf Spoiler - noch einmal, was ich schon auf der Phantastik-Couch schrieb.)Der Roman beginnt in einer Psychiatrie. Jane hat einen Menschen ermordet. Das gibt sie unumwunden zu, doch einige Details ihres Berichts hören sich eigenartig an. Sie erzählt einem Psychiater davon. Nach dieser Geschichte ist ein Mitglied der "Bad Monkeys", die von einer anderen Abteilung beauftragt werden böse Menschen zu töten. Beide Abteilungen sind Teil einer gewaltigen, verborgenen Organisation, die alles mögliche verwanzen kann, selbst Geldscheine, und amtliche Dokumente fast nach belieben ändern kann. Die bösen Menschen werden üblicherweise mittels einer Natürliche-Todesursache-Pistole, die wie eine signalfarbene Spielzeugpistole aussieht, zur Strecke gebracht: Die Bösen sterben an Herzinfakten oder Schlaganfällen.Der Arzt weißt auf verschiedene Widersprüche/nicht zu belegende Aussagen hin; zwar sagt er es nicht direkt, aber aus der Reaktion von Jane geht hervor, dass ihr Bericht sich stellenweise reichlich verrückt anhört.Hier kann der Leser entweder Jane glauben, dann ist es eine Wundergeschichte, oder dem Arzt glauben, dann ist es die realistische Geschichte einer Patientin, die unter Wahnvorstellungen leidet. Ich meine, hier kann der Leser noch unentschieden sein.Im Laufe der Geschichte wird es dann immer bizarrer: Wer nur ausreichend starke Drogen nimmt, kann die Physik außer Kraft setzen. Hier neigte zumindest ich immer stärker dazu, dem Arzt zu glauben.Am Ende gibt es dann aber eine radikale Wendung, nach der der Arzt Teil der Verschwörung ist. Das könnte man natürlich als paranoide Vorstellung Janes auffassen, aber die Erzählperspektive macht mir das schwer: James Bericht ist klar aus ihrer Perspektive geschildert, aber zwischendurch gibt es kurze Kapitel, in denen der Dialog zwischen Jane und Arzt aus auktorialer/objektiver Perspektive geschildert werden, und in einem solchen Kapitel taucht wiederum eine NT-Pistole auf. Damit kippt die Geschichte ins wunderbare.Soweit, so gut. Wenn man das Buch schnell runterließt, bekommt man eine wunderbare Auflösung präsentiert, dann ist Schluss und man klappt das Buch zu ("Affe tot, Klappe zu!"). Lässt man das Geschehen noch einmal Revue passieren, dann wird man sich der Konstruiertheit bewusst, es wird sehr deutlich, dass es eine Fiktion ist - wenn man das wunderbare Ende akzeptiert. Nimmt man an, dass der Erzähler der Jane-Arzt-Kapitel irgendwie unzuverlässig ist, dann geht es auf. Und damit hat man einen eigentümlichen (bei Ruff zweifellos beabsichtigten) Stolperstein, denn ich meine, egal welche Deutung man wählt, sie ist nicht wirklich stimmig: Entscheidet man sich für's Wunderbare, dann wirkt es bis ins Parodienhafte überzogen, aber auf einen unzuverlässigen Erzähler der auktorialen/objektiven Kapitel gibt es keinen Hinweis (zumindest habe ich keinen gefunden).Hinzu kommt eine Antwort Ruff auf eine Interview-Frage, die nach der Gültigkeit der Wunder in der Geschichte fragte. Ruff antwortete darauf ausweichend etwa sowas: Ja, das ist die Frage. Nach dem oben Gesagten ist es eben nicht die Frage: Sie sind innerhalb der erzählten Welt real. Wenn er nun die Anfangsspannung nicht zerstören wollte (und daher nicht einfach sagte: "Natürlich gibt es NT-Pistolen, du Dösel!"), hätte er einfach auf das Ende verweisen können. Überinterpretiere ich seine Antwort?Was zunächst wie ein Fall für Todorov aussah, wird am Ende ... etwas anderes. Ergibt das Sinn? Besonders im Zusammenhang mit Todorov und Phantastik im Allgemeinen?Theophagos
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#368 molosovsky

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Geschrieben 16 Februar 2008 - 22:53

Hi Theophagos.AUCH DIESER BEITRAG ENTHÄLT WOMÖGLICH X SPASSVERDERBENDE SPOILER ZU »BAD MONKEYS«.Todorov hat sich in den 70gern schon nicht für die Phantastik interessiert, wie sie in freier Wildbahn auftritt, sondern für eine (seine) Idee eines gewissen Ideals, das der französischen Schule folgt.»Bad Monkeys« spielt (wie Ruff das schon eigentlich immer mehr oder minder tat) mit Fiktionen in der Fiktion. Der Roman tut dies zum einen inhaltlich auf verschiedenste Weise (Psycho-Wahn oder SF-Hightec-Magie †¦ Verfolgugswahn, Gewissen oder Überwachungskameras); aber auch anhand der Schreibtechnik.Wie Du selber schon auseinander-sortierst gibts Janes eigene Icherzähl-Passagen und die auktorialen. Wo oder wie sollte der auktoriale Erzähler ›unzuverlässig‹ sein? Er sagt im ersten Satz schon, was Sache ist :cheers:Zugestanden: der auktoriale Erzähler unterbreitet dem Leser nicht das wichtigste in aller Deutlichkeit, aber am Ende ist m.E. der Roman vom Weltenbau her eindeutig beim SF-Genre zu verorten. Allerdings halt SF, die sehr nah an unserer Zeit und Welt ist.Zu Deiner Schlußfrage: Ich weiß ja nicht ganz, was Du unter ›ein Fall für Todorov‹ verstehst, aber ich nehme mal an, Du spielt auf die ›Ungewissheit‹ an, die nach Todorov ja das bestimmende Merkmal der Phantastik ist.Wenn ich mal versuche, mich fruchtbar auf diesen Quatsch einzulassen, würde ich sagen, dass »Bad Monkeys« im Grunde eine Ungewissheit innhalb der Erstleseerfahrung †” ist die Fiktionswelt nun eine des Wahns oder des SF-Wundersamen †” umwandelt zu einer anderen Art von Ungewissheit des Zweitlesens bzw. Gelesenhabens †” ist die tatsächliche Welt womöglich ein Irrenhaus und die Zustände das Ergebnis eines Gekabbels der Leute mit Gut/Böse-Fetischismus mit jenen, für die alles außer ihren eigenen Bedürfnissen ein Nod-Problem ist?Sehr viel expliziter kann ich im Augenblick nicht werden, ohne dass mir das Hirn zerschmilzt.GrüßeAlex / molo

Bearbeitet von molosovsky, 16 Februar 2008 - 22:56.

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#369 Theophagos

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Geschrieben 16 Februar 2008 - 23:48

Ich weiß ja nicht ganz, was Du unter ›ein Fall für Todorov‹ verstehst, aber ich nehme mal an, Du spielt auf die ›Ungewissheit‹ an, die nach Todorov ja das bestimmende Merkmal der Phantastik ist.

Genau. Alles andere an Todorovs Schema interessiert mich nicht. Meinethalben können wir auch von Dursts Phantastik sprechen oder von Martinez/Scheffels instabiler Welt. Todorov haben wir hier schon durchdiskutiert, da muss man, glaube ich, nicht mehr viel zu sagen.

Wo oder wie sollte der auktoriale Erzähler ›unzuverlässig‹ sein?

Nirgendwo, dass ist Teil meines Problems, denn das letzte auktoriale Kapitel fügt sich inhaltlich nahtlos an Janes Bericht an und bricht radikal mit den vorhergehenden auktorialen Kapiteln. Damit werde ich vor eben jenes Problem gestellt: Folge ich dem Inhaltlichen, das bisher von der höchst unzuverlässigen Jane erzählt wurde, oder folge ich dem Formalen, das bisher vom (scheinbar?) zuverlässigen auktorialen Erzähler erzählt wurde? Zu deiner letzten Frage: In der Tat scheint mir die Reibung beim Nachdenken zu entstehen; beim Lesen, vor allem dem Erstlesen, flutsch der Text ja wie ein Thriller. Erst wenn man sich Zeit nimmt, entsteht eine Unsicherheit? oder so. Wie du auf den Konflikt zwischen G/B-Fetischisten und Nodlern kommst, weiß ich allerdings nicht: Schließlich ist die einzige Nodlerin eine G/B-Fetischistin und liegt eher mit einem Kohärentismus-Anhänger im Streit. Die Organisation und die Paviane sind ja beides G/B-Fetischisten, nur dass sie Unterschiedliches für richtig halten. Ich finde das Verhältnis von Organisation und Pavianen sehr interessant: Sie benutzen die gleichen Methoden (Eyes-Only & NT-Pistolen et al.) und gehen in erster Linie gegeneinander vor. Der Kampf gegen das Böse bzw. für das Böse wird immer belangloser, genauso gut könnten es CIA und KGB sein. Nachher stellt sich dann noch heraus, dass die persönliche Loyalitäten wesentlich schwerer zu bestimmen sind - gibt es wirklich zwei getrennte Verschwörungen, die einander bekämpfen? Oder ist es nur eine, die einen internen Richtungsstreit austrägt? Oder kämpfen sie bloß noch? Theophagos
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#370 simifilm

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Geschrieben 17 Februar 2008 - 00:17

Nur kurzes Lebenszeichen: Werde mich zu dem Ganzen wahrscheinlich erst Montag ausführlicher äussern können.

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Geschrieben 17 Februar 2008 - 09:21

Hi Theophagos.Wenn der auktoriale Erzähler nicht unzuverlässig ist, warum dann noch groß grübeln und so tun, als ob er†™s wäre?GrüßeAlex / molo

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Geschrieben 17 Februar 2008 - 12:04

Hallo Alex, weil das Ende nach meinem Dafürhalten "naiv" gelesen unstimmig ist. Ganz allein stehe ich damit übrigens nicht (und es geht daher wohl nicht auf eine Überempfindlichkeit meinerseits zurück). Einer davon ist Thomas Liehr, der sich in einer amazon-Kundenrezension so äußert:

Im letzten Drittel war ich noch geneigt, mir das ganze als Parabel zurechtzubiegen, etwa die Namen der Organisationsmitarbeiter - sie heißen True, Love und Wise - als Metaphern für eine verlustreiche, fehlgeleitete Kindheit zu interpretieren, und den Roman als psychologische Fallstudie zu verstehen, worauf auch der Rohrschachtest auf dem Cover ein Hinweis zu sein scheint. Aber das tatsächliche Ende ist dann wieder so faktisch und mittelbar, dass ich das Buch eher ratlos zuschlug. Was ist wahr, was ist Fiktion innerhalb der Fiktion - ich weiß es nicht.

Im letzten Kapitel laufen die beiden Stränge zusammen, allerdings so, dass das Vorhergehende umgedreht wird. Im unzuverlässigen Bericht waren die Wunder wahr, in den objektiven Szenen doch zumindest sehr zweifelhaft - so oder so, die Wunder sind zweifelhaft. (Später sind sie sogar so überdreht, dass selbst die Eingeweihten nicht mehr recht daran glauben können; da gibt es eine hübsche Parallele: Der Strippenzieher der Organisation kann nicht glauben, dass die Täuschung mit den Drogen funktionieren werde, und Jane kann nicht glauben, dass das letzte Formikarium real ist. Mir scheint beides unglaublich - das erste wird als Illusion enttarnt, das zweite bleibt bestehen.) Das Ende führt die Stränge dann so zusammen, dass die Wunder wahr sind. Nach dem Verlauf müssten eine Auflösung ohne Wunder oder mit Zweifeln an den Wundern erfolgen - auch wenn es eine Reihe von Anspielungen auf die wahre Identität des Arztes gibt, gibt es in den objektiven Szenen keine Andeutungen, dass die Wunder wahr sein könnten, sondern bloß Hinweise darauf, dass sie es nicht sind. Damit ist das Ende m. E. nicht stimmig. So bleibt bei mir eine Art Unschlüssigkeit wie der Text zu deuten sei, ähnlich wie bei Todorovs Phantastik. Ein unzuverlässiger Erzähler der objektiven Szenen wäre eine Lösung; wenn du eine andere weißt, dann heraus damit. Theophagos
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Geschrieben 17 Februar 2008 - 12:34

Thomas Lehr folgt einer Tendenz, die ich auch in der Rezension von Wieland Freund (für »Die Welt«) wiederfinde.In beiden Fällen machen sich die Leser letztlich dicht gegenüber dem Gehirnstürm den das Buch bietet. Man verzeiht es dem Autor nicht, dass er einerseits über solche Fragen wie Wahn, Infowar, Überwachung, aufgeheitzten Manichäismus fabuliert UND sich dabei eben im Fundus der gegenwärtigen Fiktionskultur bedient (die soooo rasant aktuell ja nicht ist, wenn bedenkt, dass die Protagnamen ›Jane Charlotte‹ und ›Phil‹ eben auf Philip K. Dick und seine früh verstorbene Zwillings-Schwester zurückgehen).Was hierbei vollends übersehen wird, ist das Thema Verantwortung, das im ganzen Roman mitschwingt.»Wir alle machen die Welt« heißt es. Und auf welche Prämissen, auf welchen ›Welt zurechtknet-Phantasien‹ gründen wir unsere Entscheidungen und damit Taten.Dass Matt Ruff es vorzieht, den Leser in vergnügliche Verwirrung zu stürtzen und damit zum Selber-Denken anzuregen, und nicht, fertig abgepackte und klar dargereichte Zeitgenossenschaftskommentare zu liefern, scheint mir ein Problem von Lehr und Freund zu sein, und nicht eine Schwäche des Buches.Wenn man sich das Problemknäul des Romanes genauer anschaut, ist es m.E. klar, dass Ruff u.a. auf die internen Probleme von Geheimoperationen hinweist. Einerseits ist klar, dass nicht alles was Interessensgruppen tun oder vorhaben offen ausgebreitet werden kann; aber desto mehr im Verborgenen läuft, umso mehr man im Stillen Geheimnisträger zu sein hat, umso stärker nährt man damit eigene und öffentliche Paranoia. †” Aber bis zu dieser Ebene reinzugucken in die Fiktion ist manchen wohl zu unangenehm.GrüßeAlex / molo

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Geschrieben 17 Februar 2008 - 13:01

Hallo Alex, es ging mir bei dem Liehr-Zitat nicht darum, seine Rezension als kluge Deutung anzupreisen (auch das Gegenteil würde ich nicht so unterschreiben, wie du es tust), sondern darum aufzuzeigen, dass das Problem mit dem Ende nicht alleine meines ist. Er ist zu einer Lösung gekommen, die zumindest momentan nicht teile.

Aber bis zu dieser Ebene reinzugucken in die Fiktion ist manchen wohl zu unangenehm.

Generell würde ich lieber über den Text reden, als über die psychische Kondition von Rezensenten zu spekulieren. Theophagos
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#375 molosovsky

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Geschrieben 17 Februar 2008 - 13:37

Hi Theophagos.Jessas, ich wollte natürlich bei meinem Urteil zu Lehr und Freund nicht ausgreifen und z.B. Dich miteinbeziehen bei meiner Schelte gegen deren ›innere Barrikaden‹ und Ressentiments. †” Trotzdem erlaube ich mir, Deine Meldung, dass Du deren Probleme so nicht teilst, als eine erfeuliche beruhigende Meldung zu nehmen.Im Grunde finde ich kommen wir mit unseren Bespiegelungen von »Bad Monkeys« auf die Grundprobleme von Fiktionen zu sprechen. Zumindest werde ich (wieder mal) darauf aufmerksam gemacht, dass es sehr unterschiedliche (Erwartungs-)Haltungen gegenüber Fiktionen gibt.Für mich liegt deren Hauptaufgabe nicht ausschließlich darin, die Welt faktengetreu abzubilden oder ›nur‹ zu unterhalten. Der fruchtbare Kern des Fiktionen-Verköstigens scheint mir vielmehr das Training des Möglichkeitssinns zu sein. Und als selbstbekennender Phantast bin ich der Meinung, dass phantastische Fiktionen (zumindest potentiell) einen umfassenderen Trainingsparkour anzubieten vermögen, als Fiktionen, die den konfuseren Gefilden des Phantastischen mit Strenge fern zu bleiben trachten. †” Das will ich nicht als Absolutum postulieren, denn manche Geschichten lassen sich nun mal besser in einem realistischen Modus erzählen (nimm von mir aus sowas wie Seyfrieds »Herero« oder eben die Werke von Pionieren der realistisch-relevanten Literatur wie Zola oder Flaubert).Entsprechend kann ich mit voller Begeisterung einen wie Ruff toll finden, weil er eben immer auf seine Art mit seinen Welten eine Mukkibude für den Möglichkeitssinn bietet. Eben weil er nicht direkt und klar aufdröselbare, eindeutige Schiedssprüche verkündet, sondern weil er seine Leser am Ende mit mehr Fragen entlässt als Antworten gegeben wurden. †” Dass er es darüber hinaus schafft, nicht dem biederem Ernst anheim zu fallen, sondern es versteht, seine Narrations-Irrgärten mit Schalk und Ungestümheit (wohlgemerkt: durchaus tragik-komischem, ernstem Schalk und wohlkonstruiertem Ungestüm) auszustatten, macht ihn m.E. um so wertvoller. †” Seinen Büchern kann ich deshalb auch zusprechen, eine besondere Güteklasse inne zu haben: es lohnt sich, sie mehrmals zu lesen, weil sich immer neue Facetten zeigen. Beim ersten Mal weiß man grad mal, was passiert ist. Jede weitere Lektüre aber läßt weitere, mitunder eben wandelnde Bedeutungen aufschimmern. Und ich bin mir sicher, dass er dabei nicht etwa absinkt in den Wischiwaschi-Brei der (postmodernen) Relativismus-Beliebigkeit †¦ DER großen Gefahr bei dieser Art von Schriftsteller-Ambition. Ich denke, dass er durchaus jeweils mit Bestimmtheit deutliche Statements liefert. Aber auf gewisse, komplexe Wahrheitsspannugnen kann man eben nicht direkt mit dem Zeigestock deuten, sondern nur mit Umzirkelungen auf ihre Lage hinweisen. Es ist dann für die Leser eine aufgehalste Bürde, oder eben ein angebotenes Privileg, eigenen Interpolations-Spaß an dieser Art von Ästhetik zu finden. Im Grunde ist es wie bei dem Film »Blade Runner«: da erscheint mir auch nicht das wichtigste zu sein, endgültig zu entscheiden ob Deckard ein Mensch oder ein Replikant ist, sondern vielmehr, die Spannung der Ambivalenz auszuhalten. †” Wertvoll dünkt mir so eine Spannung, weil sie wie ein Selbstvergewisserungsspiegel funktioniert, mit dem man draufkommen kann, dass die eigene Entscheidung (Mensch - Replikant - Egal) von der jeweiligen ›Tagesform‹ abhängt. Und damit wird letztlich ein Licht auf die im Dunklen stattfindenden, inneren Vorgänge geworfen, die mit den Selbstform-Mühen zusammenhängen eine Person zu sein.GrüßeAlex / molo

Bearbeitet von molosovsky, 17 Februar 2008 - 23:19.

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#376 Theophagos

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Geschrieben 17 Februar 2008 - 23:16

Hallo Alex, da hast du nun erklärt, warum man den Ruff-Text gut finden kann, was ich zu mindest zum Teil ähnlich sehe, doch momentan geht das völlig an meinem Punkt vorbei: Ich bin noch beim Verständnis des Textes, du bewertest schon.

Im Grunde ist es wie bei dem Film »Blade Runner«: da erscheint mir auch das wichtigste zu sein, endgültig zu entscheiden ob Deckard ein Mensch oder ein Replikant ist, sondern vielmehr, die Spannung der Ambivalenz auszuhalten.

(Da fehlt ein "nicht", oder?) Ich sehe das anders. Die Blade-Runner-Frage ist ein Todorv-Fall: Der Leser ist sich unsicher darüber, ob Deckard dies oder das ist; das passt aber durchaus zum Text. Bei Bad Monkeys habe ich den Eindruck, als wenn der Schluss nicht aus dem Hauptteil folgt. Nun suche ich nach einer Lesart, nach der das Ende zum Vorherigen passt. Siehst du die Unstimmigkeit am Ende eigentlich nicht? Theophagos
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#377 molosovsky

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Geschrieben 17 Februar 2008 - 23:26

Danke Theophagos,fürs Fehlerausdeuten!Hab das fehlende ›nicht‹ ergänzt.Ach ja, wichtig: bei »Blade Runner« meine ich, dass es ja verschiedene Meinungen dazu gibt, welche Fassung die bessere ist, wegen dem jeweils unterbreiteten Twist (Rick mal Mensch, mal Replikant). Die jeweiligen Fassungen sind m.E. in sich schlüssig und durchaus ziemlich eindeutig und gar nicht vollends ›ungewiss‹.Bei BM sehe ich am Ende nicht wirklich eine Unstimmigkeit. Aber ich weiß nicht, ob ich mich wohlfühle, wenn wir nun hier haarklein Seite für Seite eine Exegese des letzten Kapitels betreiben. Schick mir doch mal deine entsprechenden Anmerkungen zu Unklarheiten per PM.GrüßeAlex / molo

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Geschrieben 18 Februar 2008 - 11:44

Hallo Alex, da hast du nun erklärt, warum man den Ruff-Text gut finden kann, was ich zu mindest zum Teil ähnlich sehe, doch momentan geht das völlig an meinem Punkt vorbei: Ich bin noch beim Verständnis des Textes, du bewertest schon.

Daran muss man sich bei molo gewöhnen; er ist eben ein bisschen heissblütig und geht immer gleich aufs Ganze. Ich habe nun die diversen Einträge gelesen und kann leider wenig beitragen, da ich das Buch nicht kenne und für einen tiefer gehenden Kommentar das Ganze wahrscheinlich schon etwas genauer analysieren müsste. Soweit ich das recht verstehe, geht der Text durchaus in Richtung todorovsche Unsicherheit, allerdings scheint der Fall (wie so oft) komplexer als in Todorovs Modell, da mehrfache "Richtungsänderungen" stattfinden. Das Problem bei Todorov ist ja unter anderem, dass es nicht beschreiben kann, wie sich der Status einer Erzählung im Laufe der Erzählung verändert. Es gibt nur einen Anfang- und einen Endpunkt, und bei dem besagten Beispiel scheint unterwegs einiges zu passieren ...

Bearbeitet von simifilm, 18 Februar 2008 - 11:46.

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#379 molosovsky

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Geschrieben 18 Februar 2008 - 17:36

†¦völlig an meinem Punkt vorbei:†¦

Daran muss man sich bei molo gewöhnen; er ist eben ein bisschen heissblütig und geht immer gleich aufs Ganze.

:) Auch wenns peinlich ist, ist fühle mich geschmeichelt. Grüße Alex / molo, jetzt mit Lava in den Adern.

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#380 Theophagos

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Geschrieben 18 Februar 2008 - 20:22

Soweit ich das recht verstehe, geht der Text durchaus in Richtung todorovsche Unsicherheit, allerdings scheint der Fall (wie so oft) komplexer als in Todorovs Modell, da mehrfache "Richtungsänderungen" stattfinden.

Jein. Wenn man es naiv liest, dann geht es gradlinig vom Fantastischen (im Sinne Todorovs) hin zum Realistischen (Jane ist wahnsinnig). Das Ende dreht die Sache dann aber um: Jane hat recht (zumindest in gewissen Punkten) und es gibt Wunder (zumindest einige; die NT-Pistole steht da so direkt in einer objektiven Szene). Mein Problem ist nun, dass wenn ich das naiv lese, dann erscheint mir das Ende unglaubwürdig, da vieles sehr unglaubwürdiges wahr wird, während die glaubwürdigen Erklärungen unwahr werden; ob richtig oder falsch, ich bin geneigt, die vom objektiven Ende als unwahr dargestellten Erklärungen trotzdem zu akzeptieren. Und nun suche ich nach einer alternativen Lesart, nach der das (oder etwas anderes gradliniges) funktioniert. @Alex: Ich will & kann das Ende gar nicht nach Unstimmigkeiten durchkämmen: Es geht mir um fehlende Hinweise. Die wahre Identität des Arztes wird schon vorher angedeutet, das folgt also aus dem Text, stört mich also nicht. Das aber im objektiven Ende ein Wunder auftritt, wird m. E. vorher nicht angedeutet. Das meine ich mit "Unstimmig"; der Schluss folgt nicht aus dem Hauptteil. Ach, ja: Du hast kein flüssiges Wolfram in den Adern? Da hatte ich dich aber falsch eingeschätzt... Theophagos
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#381 molosovsky

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Geschrieben 18 Februar 2008 - 21:35

Hmmm, für mich kam das wundersame Ende nicht soooo unerwartet. Ich hatte im Gegenteil die ganze Zeit darauf gewartet, wann die schwarze Fließe (siehe Beginn ›Weißer Raum IV‹) zum Einsatz kommt.Wer wars der in etwa sagte: »Wenn im ersten Akt ein Gewehr an der Wand hängt, muss es im letzten Akt auch abgefeuert werden«. †” Tschechov glaub ich.GrüßeAlex / molo

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#382 Theophagos

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Geschrieben 18 Februar 2008 - 23:48

Das die schwarze Fliese was zu bedeuten hat, war klar, vor allem nach dem vierten Satz: "Nicht völlig, aber hinreichend leer, um den Verdacht aufkommen zu lassen, dass die wenigen vorhandenen Gegenstände eine entscheidende Rolle in dem bevorstehenden Drama spielen werden."Das ist ein guter Hinweis auf Verbündete von Jane in der psychiatrischen Abteilung, aber m. E. nicht für ein Wunder.Theophagos
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#383 molosovsky

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Geschrieben 19 Februar 2008 - 07:55

MoinMoin Theophagos.Das nennt man dann Überraschungseffekt.Was erwartest Du denn? †” Dass Du im ersten Drittel (oder auf dem Klappentext) schon genau ausgedeutet bekommst, was in einer Fiktion alles aufgefahren werden wird und was nicht?Ich glaube nun wieder, Dein Problem schlicht nicht zu verstehen. Genau um diese Art von ›das Hirn gequirlt bekommen‹ geht†™s mir nämlich (nicht nur, aber zu einem Gutteil). Ich tue mich zugegebenermaßen schwer damit, wenn Dir die Überraschung zu überraschend war.{Spoilerschutz: Schwarze Balken markieren}
Spoiler
†” Das erscheint mir alles sehr sinnfällig konstruiert, oder?GrüßeAlex / molo, der sich freut, die SPOILER-tags wiederentdeckt zu haben. Einfach das wort spoiler klein in zwei eckige Klammern [ ] setzten.

Bearbeitet von molosovsky, 19 Februar 2008 - 08:09.

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#384 Theophagos

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Geschrieben 19 Februar 2008 - 12:26

Hallo Alex,

Das nennt man dann Überraschungseffekt. Was erwartest Du denn? †” Dass Du im ersten Drittel (oder auf dem Klappentext) schon genau ausgedeutet bekommst, was in einer Fiktion alles aufgefahren werden wird und was nicht?

Das ist schon wieder polemisch; ich finde es anstrengend, alle naslang gegen Strohmänner ankämpfen zu müssen. Ich habe meine diesbezügliche Erwartung schon mehrfach dargelegt: Der Schluss eines Romans sollte aus der vorhergegangenen Geschichte folgen - es sollte klar sein, dass die vorhergegangene Erzählung mehr ist als der Klappentext oder das erste Drittel. Sie reicht genau bis vor die Lösung des zentralen Konfliktes, den Showdown, oder wie immer man das nennen will. Bis dahin sollte die Geschichte dem Leser vorgestellt haben, was möglich ist.

Ich tue mich zugegebenermaßen schwer damit, wenn Dir die Überraschung zu überraschend war.

Mir wiederum ist eine Überraschung, die darauf basiert, das dem Leser wichtige Fakten vorenthalten werden zu billig. Wenn ein Bühnenzauberer vor einem blinden Publikum einen Hasen aus dem Hut zaubert, ist das kein Kunststück. Eine gelungene Überraschung überrascht mit obwohl ich alle relevanten Fakten beisammen habe -
Spoiler
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Spoiler

Spoiler

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Aber ich denke, das führt zu nichts. Ich werde mir das Buch nochmal in Ruhe ansehen und dann entscheiden. Theophagos
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#385 simifilm

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Geschrieben 19 Februar 2008 - 12:34

Mir wiederum ist eine Überraschung, die darauf basiert, das dem Leser wichtige Fakten vorenthalten werden zu billig. Wenn ein Bühnenzauberer vor einem blinden Publikum einen Hasen aus dem Hut zaubert, ist das kein Kunststück. Eine gelungene Überraschung überrascht mit obwohl ich alle relevanten Fakten beisammen habe

Ohne das Buch zu kennen, pflichte ich Theophagos diesbezüglich bei. Ich finde Filme oder Bücher à la "Sixth Sense", die nur auf einen grossen Clou aufbauen, sehr mühsam und dies aus verschiedenen Gründen. Nicht zuletzt weil sie sehr einfach zu bauen sind. Wenn dem Zuschauer die entscheidenden Informationen vorenthalten werden, ist es keine grosse Kunst, am Ende eine Überraschung aufzufahren.* Und wenn der Film/das Buch nur auf diesen grossen Dreher hin ausgerichtet ist, ist es ganz mühsam, dann bleibt beim zweiten Schauen gar nichts mehr übrig. *Am Übelsten ist diesbezüglich "Donnie Darko". Wenn man sich den Film ansieht, hat man keine Chance, wirklich zu verstehen, was da vor sich geht. Und dann recherchiert man im Netz und stösst auf eine ganze Privatkosmologie des Regisseurs, die alles erklärt, die man aber von sich aus unmöglich erraten kann. Ja, das ist nun wirklich eine sehr originelle Form des Drehbuchschreibens ...

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Geschrieben 19 Februar 2008 - 14:16

Wenn ein Bühnenzauberer vor einem blinden Publikum einen Hasen aus dem Hut zaubert, ist das kein Kunststück. Eine gelungene Überraschung überrascht mit obwohl ich alle relevanten Fakten beisammen habe

Erstmal Kompliment für die schöne Metapher, Theophagos. Wenn meine Polemik verletzt, lag das nicht in meiner Absicht, sondern liegt an meinem jounglierenden Versuchen, meinen Standpunkt auszudeuten. †” Ich hatte eben im letzten Kapitel nicht das Gefühl, blinder Zuschauer zu sein, denn ich hab das aus dem Hut zaubern des Kaninchens ja gesehen und mich nicht an dem Überraschungseffekt gestoßen. Ich gebe Dir und Simi Recht: die Ästhetik des Clous ist eine Heikle und läuft schnell Gefahr ihr Publikum vor den Kopf zu stoßen. Wenn ich jetzt gestehe, dass ich die erwähnten ›schlechten‹ (»Sixth Sense«) oder ›wackeligen‹ Beispiele eben für (mich zumindest) gelungen halte, will ich damit keinen Privat-Elitarismus oder Bessersein postulieren. Ich habe aber in den genannten Fällen eben nicht die Erfahrung gemacht, dass mir der Clou zu billig konstruiert war. †” Immerhin ermöglichen diese Clous ja (bzw. beruhen darauf), dass Dinge zusammengewürfelt werden. Vielleicht bin ich da jemand, der sich williger verführen läßt, die jeweils angebotene Athmo-, Themen- und Ideen-Mischung zu akzeptieren. @Theo: Ich hab bei Deiner nochmaligen Erwähnung des ›zentralen Konfliks‹ gestutzt und gemerkt, dass ich mir da gar nicht sicher bin, WORIN genau sich EIN zentraler Konflikt in BM zeigt. Vielmehr hab ich den Roman so genossen, dass hier ein ganzes Büschel von Konflikten aufgefächert wird. †” Zugegeben: wie bei vielen Fiktionen wird am Ende diese Auffächerungen wieder zusammengeklappt in einer abschließenden Coda (statt z.B. einem offenen Ausfransen). Wie ich aber schon schrieb, liegt für mich der Reiz von BM dann darin, dass die Spannungen und Ungewissheiten sozusagen transponiert werden. Der Roman und sein Weltenbau münden (gemäß des Wahrheitsprivileges von Fiktionen) klar in einer Variante von wundersamen SF-Weltenbau. Anders die ethischen und moralischen Aussagen, die nicht in EINER eindeutigen Aussage oder Aufforderung münden, sondern mich entlassen haben in ein wohliges, reflektionsdüngendes Schauern über Fragen zu Schicksal, Aufladung des eigenen Lebens mit Bedeutung indem man bedeutenden Missionsgruppen angehört und wie das alles korrumpiert wird durch Lüge, Intrige, Geheimniskrämerei. †” Detail: zu den unheimlichsten SF-Spekulationen gehört dabei der Shibboleth-Test, mit dem man eben eindeutig Ambitionen Messen kann (bzw. ist das Vertrauen in eine solches Gadget unheimlich, das im Roman mehrere Figuren an den Tag legen). Das klingt jetzt gehörig platt (aber alle Zusammendampfungen von Romanen drohen banal zu klingen). Ich drück Dir halt die Daumen, Theophagos, dass du auf Deine Weise noch Vergnügen an BM findest, denn eine gewisse Enttäuschung, Frustrierung glaube ich ja derweil zu vernehmen. †” Wenn nicht, werden sich sicherlich wieder mal Chancen ergeben, wo wir Begeisterung teilen können. Grüße Alex / molo

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#387 simifilm

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Geschrieben 19 Februar 2008 - 14:30

Erstmal Kompliment für die schöne Metapher, Theophagos. Wenn meine Polemik verletzt, lag das nicht in meiner Absicht, sondern liegt an meinem jounglierenden Versuchen, meinen Standpunkt auszudeuten. †” Ich hatte eben im letzten Kapitel nicht das Gefühl, blinder Zuschauer zu sein, denn ich hab das aus dem Hut zaubern des Kaninchens ja gesehen und mich nicht an dem Überraschungseffekt gestoßen. Ich gebe Dir und Simi Recht: die Ästhetik des Clous ist eine Heikle und läuft schnell Gefahr ihr Publikum vor den Kopf zu stoßen. Wenn ich jetzt gestehe, dass ich die erwähnten ›schlechten‹ (»Sixth Sense«) oder ›wackeligen‹ Beispiele eben für (mich zumindest) gelungen halte, will ich damit keinen Privat-Elitarismus oder Bessersein postulieren.

Ich weiss nicht, ob "billig konstruiert" die richtige Bezeichnung ist. Es geht mir mehr darum, dass der Film auf eine Reaktion à la "Ou, warum habe ich das nicht gemerkt, das hätte man ja merken können." aus ist. - Nein, hätte man eben nicht. Wenn man nicht weiss, dass "Sixth Sense" einen Clou haben wird, dann hat man als Zuschauer schlicht und ergreifend keine Chance, weil einem der Film die nötigen Informationen gezielt vorenthält. Wenn man den Film "naiv" anschaut, kann man den Clou nicht erraten. Einen solchen Clou kann jeder bauen, wenn man entscheidende Information nicht preisgibt, ist das einfach. Anders ist's, wenn man den Film mit dem Wissen schaut, dass es einen grossen Clou geben wird (war bei mir der Fall): Ich habe mir die ganze Zeit überlegt, was der Clou sein könnte, und irgendwann, so nach zwei Drittel Film, wusste ich's dann. Beide Rezeptionsvarianten finde ich höchst langweilig, besonders wenn - wie in "Sixth Sense" - neben dem Clou nur süssliches Gesülze übrig bleibt.

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#388 Pogopuschel

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Geschrieben 19 Februar 2008 - 14:51

Ich denke gerade bei "The Sixth Sense" gibt es genügend Hinweise, so dass man vor der Auflösung draufkommen könnte. So ging es mir zumindest. Man muss nur mal Anfangen die einzelnen Szenen zu hinterfragen. Z. B. warum redet außer dem Jungen niemand mit Bruce Willis. Verbunden mit der Anfangsszene, in der auf ihn geschossen wird, kann man darauf kommen. Ich finde der Film ist ein schlechtes Beispiel für ein aus dem Hut geraubertes Kaninchen.Und bei "Donnie Darko" finde ich es gut, dass ich nicht wirklich verstehe, was da passiert. Das will ich gar nicht immer wissen.Gruß Markus.

#389 simifilm

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Geschrieben 19 Februar 2008 - 14:52

Ich denke gerade bei "The Sixth Sense" gibt es genügend Hinweise, so dass man vor der Auflösung draufkommen könnte. So ging es mir zumindest. Man muss nur mal Anfangen die einzelnen Szenen zu hinterfragen. Z. B. warum redet außer dem Jungen niemand mit Bruce Willis. Verbunden mit der Anfangsszene, in der auf ihn geschossen wird, kann man darauf kommen. Ich finde der Film ist ein schlechtes Beispiel für ein aus dem Hut geraubertes Kaninchen.

Wusstest Du vorher, dass der Film einen Clou haben wird zum Schluss?

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#390 pirandot

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Geschrieben 19 Februar 2008 - 15:05

Ich denke gerade bei "The Sixth Sense" gibt es genügend Hinweise, so dass man vor der Auflösung draufkommen könnte. So ging es mir zumindest. Man muss nur mal Anfangen die einzelnen Szenen zu hinterfragen. Z. B. warum redet außer dem Jungen niemand mit Bruce Willis. Verbunden mit der Anfangsszene, in der auf ihn geschossen wird, kann man darauf kommen. Ich finde der Film ist ein schlechtes Beispiel für ein aus dem Hut geraubertes Kaninchen.

Wenn Du einen Film bereits sezierst, während wenn Du ihn zum ersten mal siehst, dürftest Du wahrlich nur wenige Filme wirklich genießen können. Hinweise findet man in der Regel immer, alleine schon deshalb, weil die meisten Regisseure sich nur ungerne den Vorwurf gefallen lassen, dass sie die Auflösung wie ein Kaninchen aus dem Hut gezaubert hätten.
An schlechten Tagen, wenn es regnet, glaubst du, du hättest Magengeschwüre. Nur an schönen Tagen, wenn die Sonne scheint, da denkst du, du hättest Krebs. (Die MAD-Fibel des Lebens)
You, especially, I like. Passionate, sincere†¦ †¦goofball. (Three to Tango)


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