Immer gleich diese Vorwürfe
Also: von welchem Begriff wurde "Phantastik" abgeleitet?
Geht es Dir um Ethymologie oder um eine sinnvolle Einteilung fiktionaler Objekte? Falls Du an Ersterem interessiert bist, lerne Griechisch und gehe dem Begriff 'Phantasia' nach. Falls Du an Letzterem interessiert bist, bringt Dir das wenig nichts.
Wiegesagt ist für mich von Bedeutung, daß "Phantasie" erstmal ein abstrakter Begriff ist, mit dem man in der Vergangenheit über Bewußtsein (nach belieben auch Seele, Geist) spekuliert hat. Heutzutage kommen da noch solche Vokabeln wie "Emphatie" und "Spiegelneuronen" ins Spiel.
Ja und?
Grimms Wörterbuch hab ich an anderer Stelle schon mal verlinkt. Ich will damit keine Beweisführung betreiben, sondern anbieten, sich eben mal das größere Begriffs-Feld anzuschauen.
Ich bezweifle sehr, dass das irgendwie zur Erhellung beiträgt, oder ungefähr so sehr, wenn ich etwas über Hammerskins in Erfahrung bringen will und dazu zuerst mal im grossen Lexikon der Werkzeuge unter 'Hammer' nachschlage.
In der Musik beispielsweise ist eine "Fantasie" ein Stück, das sich, obwohl komponiert und nicht improvisiert, frei entwickelt und nicht irgendwelchen strukturellen Regeln folgt.
Ja und? Das zeigt ja nur, dass die Begriffe eben klar getrennt gewerden müssen.
Und als vom Alltagsgebrauch Fazinierter denk ich an solche Aussprüche wie "Das war ja phantastisch", womit eben nicht immer und hauptsächlich gemeint ist, das etwas nicht konform mit der tatsächlichen Wirklichkeit ist.
Ja und?
Was nun den Genre-Begriff "Phantastik" betrifft: Ich bin bezogen auf die Erkenntnisfähigkeit des Menschen ein radikaler Maximalphantast (siehe, "Kulturelle Enzyklopädie" Wissen über die Welt, das zu geschätzten 90% auf indirekten Wissen, nicht selbst Erlebten beruht). Siehe die entsprechenden Stellen im oben verlinkten Philosophie-Begriffs-Überblick in Sachen "Phantasie ist Prinzip der Politik".
Wenn es aber um Medienwerke geht, trenne ich der Übersicht halber schon zwischen Tageschau, Bibel, "Jenseits von Eden" und "Herr der Ringe". Nur letzters gehört der pragmatischen Gepflogenheit entsprechend zur "Phantastik". Aber ich bin halt immer eifrig dabei, darauf hinzuweisen, daß Tageschau und Co auch nur Mittler/Medien sind, die von Absender/Autoren mit der Absicht in die Welt gesetzt wurden, beim Empfänger/Leser "Vorstellungen, Erscheinungen" zu zeitigen. Ob ich mir anhand von Sachreportagen z.B. das Leben in Kalkutta vorstelle, mich anhand eines Buches in einen Mensch des Mittelalters hineinversetzte oder den Reisen der Gefährten in Mittelerde folge ist für mich dabei ein kleinerer Unterschied.
Das hatten wir ja schon alles. Ich halte Megakategorien, unter die alles fällt für kontraproduktiv, weil sie am Ende nichts mehr benennen. Wenn alles 'Phantastik' ist, kannst Du den Begriff auch gleich entsorgen. Aber eben: das hatten wir schon.
Also nochmal: "Phantastik" ist DAS große Sammelbecken für die magischen, wundersamen, von der Echtweltwirklichkeit arg abweichenden Fiktionen, also Sammelbecken der bekannten "Genres" Mythos, Märchen, Horror, SF, Fantasy -- wobei oftmals die Satire oder die "romance" so manche Gesetzte der Wirklichkeit vernachlässigt, um mittels krasser Über- und Untertreibung aufregender, spektakulärer zu sein. Grad dieses Übertreiben/Untertreiben macht es knifflig. Klaro spricht man bei Autoren wie Hugo, Dumas, Scott und Co. kaum jemand von "Phantastik". Aber mir geht es wiegesagt weniger um kategoriersende, systematische Genre-Handhabung, sondern um eine Sicht auf Genre, die sich auf die Aspekte der Vorstellungstätigkeit, der Faszination und des Spektakulären/Grotesken/Erhabenen konzentriert.
Siehe oben.
Praktisches Alltagsbeispiel: ein Bekannter erzählt Länge mal Breite von seiner Krampfadern-Operation. Wenn man dabei Scheißausbrüche bekommt, war die Kraft der Phantasie im Spiel. Ohne Phantasie keine Faszination, keine Motivation zu Handlungen, keine Meinung über die Welt. "Sense of Wonder" kann immerhin genauso von Tatsachen ausgelöst werden, wie von der Realität widersprechenden Fiktionen (einerseits: Bilder der Wissenschaft, geboten durch Teleskop, Mikroskop, Gedankenexperimente; andererseits: Bilder der spielerischen Phantasie, z.B. Schlaraffenland, Himmel, Hölle, usw).
Aber wieso muss denn Fantasie mit Phantastik gleichgesetzt werden? Warum setzt Du einen kognitiven Vorgang mit einem fiktionalen Erzeugnis gleich?