Geschrieben 18 Juli 2009 - 12:13
@ Christian
Hallo! Tut mir wirklich Leid. Ich wollte gar nicht über eine bestimmte Story herziehen, aber da Frank nicht nachvollziehen kann, wie ich zu meiner Meinung komme, werde ich die gleich etwas ausführlicher erläutern müssen.
Für die, die es nicht wissen: Mein Zitat oben stammt aus Christian Günthers Geschichte "Lotus-Effekt"
@ Frank
Hallo, noch mal!
Zuerst zu Deiner Bemerkung: An Deinem Textzitat finde ich nichts besonders auszusetzen, sonst hätte ich es wahrscheinlich auch angeführt. Und mir ist leider nicht klar, warum ich komplett zitieren sollte. Ich habe doch das Allermeiste der acht Seiten langen Geschichte n i c h t zitiert. Warum also unbedingt die von Dir angeführten Zeilen, die fast direkt auf mein Zitat folgen?
Aber jetzt dazu, wie ich zu meiner Ablehnung der Geschichte komme:
Wahrscheinlich liegt es einfach daran, dass mir Christians Sinn für Pathos - und manchmal, für meinen Geschmack, forciert drastische Effekte - fern liegt.
Meine Skepsis der Story gegenüber begann mit der allerersten Zeile. Die lautete
Das Schmatzen von Schlamm unter schweren Stiefeln.
Nach diesem Satz dachte ich: 'Entweder wird das hier sehr lustig à la Terry Pratchett oder sehr klischeehaft.'
Für die Leser, die "Lotus-Effekt" nicht kennen: In der Story hat der Protagonist immer wieder beunruhigende Flashbacks, die er sich nicht erklären kann. Dabei wird er Zeuge grausamer Kriegsszenen. "Das Schmatzen ..." ist der erste Erinnerungseinschub. Auf ihn folgen nach und nach sechs weitere Einzeiler:
Der Geruch von Erde, Schlamm, Maschinenöl.
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Explosiver Lärm, der das Trommelfell zu sprengen scheint.
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Raue Stimmen, die hektisch durcheinanderrufen.
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Nasse Planen, auf die ein nie endender Regen prasselt.
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Dröhnender Maschinenlärm, der die Erde vibrieren lässt.
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Schmerz, der weiße Blitze vor die Augen schleudert.
Ich fand diese Sätze (besonders die von mir hervorgehobenen Teile) halt gerade in dieser Anhäufung forciert-dramatisch und manchmal allzu bekannt.
Und diese Wortwahl setzt sich in dem von mir ursprünglich zitierten Absatz fort:
"Rußgeschwärzt recken sich die Gebeine einer sterbenden Stadt in den bleichen Himmel. Immer wieder hämmern Granaten herab, reißen Löcher in Beton und Stahl. Gnadenloses Trommelfeuer sirrt durch die Luft, Leuchtspuren fressen sich durch das Dämmerlicht."
Der von Dir erwähnten Fortsetzung dieser Passage, habe ich wirklich nichts vorzuwerfen, Frank. Schon im darauf folgenden Absatz aber fand ich einige Formulierungen wieder unglücklich:
Kalt presst sich der Schaft des Gewehrs an die Wange, wieder und wieder zieht der Zeigefinger den Abzug durch, feuernd auf die Schemen, die geistern gleich durch die Ruinen tauchen. Immer wieder flammt Mündungsfeuer auf. Leben und Tod, so dicht vereint waren sie selten. Das Sperrfeuer hämmert immer weiter und weiter, bis sich keine Schatten mehr regen und auch ihr Schreien erstirbt. Ein gebelltes Kommando, dann stürmen sie vor. Gemeinsam erheben sie sich aus den Gräben und marschieren voran.
Um jetzt mal böse auszuholen (und ich meine das bestimmt nicht als persönlichen Angriff, Christian, falls Du das liest): Ich finde, die Wortwahl wird ästhetisch dem beschriebenen Inhalt nicht gerecht (dem unnützen Tod von Menschen). Der atmosphärische (Horror-)Effekt scheint hier an allererster Stelle gestanden zu haben.
Klar, über Geschmack lässt sich nicht streiten.
Viele Grüße, Rainer